Predigt zum Lobpreis der Allerheiligsten Gottesgebärerin (Hebr. 9:1-7; Lk. 10:38-42; 11:27-28) (20.04.2024)
Liebe Brüder und Schwestern,
die Herrentage der Großen Fastenzeit fungieren als Etappenziele auf dem Weg zur Großen Woche. Aber auch die Samstage davor dienen in dieser Zeit der Vorbereitung der geistlichen Erbauung und dem Gedenken an herausragende Ereignisse. So verherrlichen wir am fünften Sonnabend der Großen Fastenzeit die Gottesgebärerin und Immerjungfrau Maria. Mit der jetzt zu Ende gehenden fünften Woche bogen wir quasi in die Zielgerade. Hinter uns liegt der Große Bußkanon des heiligen Andreas von Kreta und der Akathistos zu Ehren der Gottesmutter. Vor uns liegt noch eine Woche der regulären Fastenzeit, bevor der Lazarus-Samstag und der Palmsonntag den feierlichen Übergang zur Großen Woche bilden. Schon jetzt stockt der Atem ehrfürchtig in uns. Vor uns liegt das, wofür es in der ganzen Welt nichts Vergleichbares gibt: unsere Teilhabe am Leiden, am Tode und an der Auferstehung Christi! Denn „wenn Christus, unser Leben, offenbar werden wird, dann werdet auch ihr mit Ihm offenbar werden in Herrlichkeit“ (Kol. 3:4).
Dabei vergessen wir aber nie, wem wir von allen Menschen für dieses unermessliche Gnadengeschenk am meisten zu Dank verpflichtet sind: der Allerheiligsten Mutter unseres Herrn. Auch Ihr gebührt nämlich unsere Dankbarkeit für alle uns vom Herrn erwiesenen Wohltaten.
Wir leben in einer Zeit, da von vielen Seiten nicht nur der gesunde Menschenverstand, sondern auch die Heilige Schrift und der Glaube an Jesus Christus entstellt werden. Das „moderne“ Denken bewirkt, dass die Bibel in „inklusiver“ Sprache gelesen wird, dass Gott Vater gendergerecht auch als „Mutter“ und der Heilige Geist als (feminine) Geisteskraft bezeichnet werden. Wir erleben jetzt immer öfters, dass u.a. aufgrund eines von Hollywood im Jahre 2006 verfilmten Bestseller-Romans („Der da Vinci Code - Sakrileg“) immer mehr Frauen (aber nicht nur die) vehement die These vertreten, dass Maria Magdalena im Führungszirkel der Aposteln gewesen ist und angeblich auf dem berühmten Gemälde „Das letzte Abendmahl“ von Leonardo da Vinci die Rolle des Apostels Johannes eingenommen haben soll. Dem Lauf der Phantasie sind nun keinerlei Grenzen gesetzt, doch über die dort behauptete Beziehung der Maria Magdalena zu Jesus wollen wir hier nicht sprechen. Damit nicht genug, wird immerzu ergänzend behauptet, Christus habe von Anfang an weibliche Apostel eingesetzt (wobei man sich dabei verstärkt auf Röm. 16:7 beruft) und nur die später als reiner Männerverein etablierte Kirche habe in der Folgezeit die Frauen von allen Führungsämtern entfernt und ihnen stattdessen lediglich niedere Dienste zugewiesen. Dass im heidnischen römischen Götterkult Frauen (Vestalinnen) priesterliche Dienste versahen, wird hier geflissentlich verschwiegen, denn dies widerlegt die These, die „Frauenfeindlichkeit“ in der Kirche sei historisch auf dem patriarchalischen Gesellschaftsmodell der Antike begründet. Diese Stimmen werden wohl nie verstummen und, mal sehen, was alles noch an neuen abstrusen Ideen dazukommt. Dabei fällt eines auf: bei aller Neigung zu „Geschlechtergerechtigkeit“ im stromlinienförmigen Christentum sträuben sich alle Verfechter*Innen der feministischen Theologie dagegen, die Mutter unseres Herrn zu verherrlichen bzw. Ihr den gebührenden Platz in der Kirche einzuräumen. Hängt das etwa damit zusammen, dass die Gottesgebärerin das größte Beispiel an Demut offenbarte und allein Gottes Willen befolgen wollte, nicht den menschlichen (s. Lk. 1:38)? Dass Sie von der Kirche eben gerade deshalb als Theo-tokos, also als Gottes-gebärerin verherrlicht wird, und nicht als Sozialreformerin, Menschenrechtlerin, Freiheitskämpferin oder als sonst etwas in dieser Art?! Hätte Sie sich später, als der Herr öffentlich in Erscheinung trat, etwa vordrängen sollen, die Jünger Christi herrschsüchtig zurechtweisen, Ihre Stellung als Mutter ihres Meisters dazu missbrauchen sollen, um Petrus, Johannes & Co. in den Schatten zu stellen, anstatt demütig das Wort Gottes zu hören und in Ihrem Herzen zu bewahren (s. Lk. 2:19,49)? Sicher hätte Sie dann ein paar Anhängerinnen unter den zeitgenössischen Verschwörungstheoretikern der besonderen Art, würde von uns dann aber nicht mit dem einmal im Jahr feierlich gesungenen Akathistos und durch hunderte von wundertätigen Ikonen geehrt werden.
Übrigens galt das Kondakion zum Hochfest der Verkündigung zur Allerheiligsten Gottesgebärerin („Ti Hypermaho“ / „Взбранной Воеводе“), das wir ebenso zum Lobpreis der Theotokos im Orthros, genauer gesagt, während der Akathistos-Lesung wiederholt gesungen haben, als Hymne des christlichen Römischen Reichs („Byzantion“):
„Dir, der für uns kämpfenden Heerführerin,
bringen wir als Deine von allen Übeln erlöste Knechte dankerfüllte Siegeslieder dar,
o Gottesgebärerin.
Die Du unüberwindliche Macht besitzt, errette uns aus allen Gefahren, auf dass wir Dir zurufen: Sie gegrüßt, Du unvermählte Braut!“
Es ist auch ein Indiz dafür, wie das gläubige Volk Ihre Beschützerin und Fürsprecherin vor Gott während dieser tausend Jahre des orthodoxen Kaiserreichs und darüber hinaus verehrt hat. Vielleicht bedarf es heute keiner vielen Worte. Es steht jedem frei, sich in seiner geistlichen Not aber auch in irdischen Angelegenheiten in die Obhut der für uns kämpfenden Heerführerin zu flüchten. Die besten Argumente liefert die geistliche Erfahrung selbst, denn wer einst mit Glauben und voller Demut die Gottesgebärerin um Beistand angefleht hat, der weiß um Ihre Liebe und Ihre Fürsorge für uns elende Sünder. Amen.