Predigt zum ersten Samstag der Großen Fastenzeit - Theodoros-Samstag (Hebr. 1:1-12; 2 Tim. 2:1-10; Mk. 2:23-3:5; Joh. 15:17-16:2) (23.03.2024)

Liebe Brüder und Schwestern, 

 

das Wunder des heiligen Großmärtyrers Theodoros (+ um 306) zur Zeit der Kirchenverfolgung unter Kaiser Julian dem Apostaten (360-363) gewährt uns nebenbei einen Einblick in die Epoche der frühchristlichen Kirche. Bis zum Ende der Kirchenverfolgungen lebten die Christen in der Erwartung der unmittelbar bevorstehenden Wiederkunft Christi (griech. parousia). Ihre besten Vertreter dachten gar nicht daran, sich in dieser Welt gut einrichten zu wollen. Freie und Sklaven, Reiche und Bettler waren jeden Tag darauf gefasst von den Häschern der heidnischen Kaiser Nero, Decius, Maximinus oder Diokletian entdeckt und sofort gefoltert und hingerichtet zu werden. Sie alle sehnten sich nach der Begegnung mit unserem Herrn Jesus Christus, – die, welche in Wohlstand lebten sowie die, welche ein hartes Schicksal zu ertragen hatten (und das war damals die überwiegende Mehrheit). Am Ende eines jeden Arbeitstages traf man sich an geheimen Orten (den „Katakomben“) und betete dort gemeinsam nahezu die ganze Nacht. Nach einer kurzen Nachtruhe begann in aller Frühe der neue Arbeitstag. Arbeitsfreie Feiertage gab es damals noch nicht. Allen Christen gemeinsam war der grundsätzliche Gehorsam gegenüber der Staatsmacht (s. 1 Petr. 2:17; Röm. 13:1-7; 1 Tim.2:1-2; vgl. Mt. 22:21; Mk. 12:17; Lk. 20:25), sofern die Anordnungen der weltlichen Behörden nicht im Widerspruch zu den Geboten Gottes standen. Das betraf z.B. die Verehrung des Kaisers als Gottheit oder die symbolische Opfergabe an die heidnischen Götter als obligatorischen Akt der Loyalität gegenüber dem Kaiser. Hier wurden keine Kompromisse geschlossen. Unter den Blutzeugen der frühen christlichen Ära waren zahlreiche Soldaten, welche sich weigerten, den Kaiser als Gottheit anzubeten oder den Götzen auch nur symbolisch (pro forma) zu huldigen.

Wer waren diese Männer? Früher dachte ich, sie seien Superhelden, die all das erdulden konnten. Doch jetzt wissen wir, dass physische Stärke oder Tapferkeit hier völlig nebensächlich waren, dass vielmehr der Glaube an unseren Herrn Jesus Christus hierfür ursächlich gewesen ist: „Alles vermag ich durch Ihn, Der mir Kraft gibt“ (Phil. 4:13). Wie sonst hätten einfache Frauen und sogar Kinder solch unvorstellbare Qualen erdulden können?!

Als die äußerlichen Verfolgungen der Kirche zu Anfang des 4. Jahrhunderts aufhörten, trat eine beträchtliche Nivellierung im geistlichen Leben ein. Viele Heiden nahmen den christlichen Glauben z.T. aus Gefälligkeit gegenüber dem christlichen Kaiser an, also ohne aufrichtige innerliche Umkehr und ohne Änderung ihres ausschweifenden Lebenswandels. Das christliche Liebesmahl (die „Agape“), das seit apostolischen Zeit vor  dem „Brechen des Brotes“ (- der Eucharistiefeier - s. Apg. 2:42,46) stattfand, artete so manches Mal zur Orgie aus, so dass dem ein Riegel vorgeschoben werden musste. Die Gottesdienste wurden verkürzt und die Andachtszeiten den Lebensgewohnheiten der Menschen bzw. der gesellschaftlichen Ordnung angepasst. So fand die Liturgie mit dem Abendmahl am Vormittag stand, der Teilnahme am Mysterium des Leibes und Blutes Christi wurde (aus gegebenem Anlass) eine vorgeschriebene Zeit der Nüchternheit vorangesetzt (das „eucharistische Fasten“). Das kirchliche Leben hatte sich so nach und nach mit dem der Gesellschaft verwoben.

Für die nach Vollkommenheit strebenden Christen eröffnete sich ein neuer Weg der Askese – sie gingen in die Wüste (Ägypten, Palästina), lebten dort in Höhlen und primitiven Hütten, um dort das freiwillige Martyrium zu erdulden. Klöster mit lebenserhaltender Infrastruktur entstanden erst in der Folgezeit, als das Mönchstum begann, sich in Gemeinschaften zu organisieren. Wie den Glaubenszeugen der ersten christlichen Epoche ging es ihnen ausschließlich um ein Leben in Christus nach den Geboten des Evangeliums. Und das ist es, was es heißt, ein Leben aus dem Glauben heraus zu führen. Ohne Kompromisse.

Also müssen auch wir den Glauben an Den in uns festigen, Der uns Kraft gibt! Können wir auch stark im Glauben sein? Na klar! Dabei müssen nur wir die richtigen Prioritäten setzen. So schreibt der heilige Apostel: „Fehlt es aber einem an Weisheit, dann  soll er sie von Gott erbitten; Gott wird sie ihm geben, denn Er gibt allen gern und macht niemand einen Vorwurf. Wer bittet, soll aber voll Glauben bitten und nicht zweifeln; denn wer zweifelt, ist wie eine Welle, die vom Wind im Meer hin und hergetrieben wird. Ein solcher Mensch bilde sich nicht ein, dass er vom Herrn etwas erhalten wird. Er ist ein Mann mit zwei Seelen, unbeständig auf all seinen Wegen“ (Jak. 1:5-8).

Wenn ich bete, muss ich ein lebendiges Gespräch mit unserem Herrn führen – in tiefster Demut, Reue, ohne Zerstreuung und Ablenkung, in ungeteilter Aufmerksamkeit. Ich muss mir bewusst sein, dass mein Herr mir jederzeit zuhört, dass Er vollkommen liebevoll und absolut allmächtig ist. Ich kann mir verschiedene Episoden des Evangeliums in Erinnerung rufen und mich dessen erinnern, wie Er Kranke geheilt, Besessene befreit und in Not Befindliche errettet, sogar Tote auferweckt hat. Und dass Er unser Heil und unser Wohl will (s. Mk. 1:41). Nur müssen wir es selber auch wollen, und zwar mehr als alles Andere. Dann wird uns auch alles Andere hinzugegeben werden (s. Mt. 6:33; Lk. 12:31) – nicht aber, wenn wir zuerst nach irdischen Annehmlichkeiten                     streben und diese ohne Demut und völlig achtlos gegenüber dem göttlichen Willen von unserem Herrn erwarten (s. Mt. 6:10; Mt. 26:39,42; Mk. 14:36; Lk. 22:42). Und wenn wir dann über allen Dingen wünschen, dass Gottes Willen in allem geschieht, was haben wir denn noch zu befürchten?!.. Dann sind wir ergebene Diener unseres Herrn, Der so für uns sorgt, dass wir selbst in der schlimmsten Drangsal kein Haar verlieren werden (s. Lk. 21:18). Amen.

Jahr:
2024
Orignalsprache:
Deutsch