Predigt zum Herrentag des Fleischverzichts, vom Weltgericht (1 Kor. 8:8-9:2; Mt. 25:21-46) (10.03.2024)
Liebe Brüder und Schwestern,
die Vorbereitung zur Großen Fastenzeit läuft auf Hochtouren. Wir richten unsere Blicke auf den nächsten Sonntag, den Herrentag der Vergebung, an dem die gesegnete Zeit der Umkehr eröffnet wird. Die Vorstufe dieses Umgeistens bildet die heutige Erinnerung an das uns allen bevorstehende Weltgericht.
Die Kirche erinnert uns ständig – nicht nur ein Mal im Jahr – daran, dass wir die uns von Gott zugewiesene Zeit zur Vorbereitung auf diesen Tag nutzen müssen. Doch die allermeisten Menschen, auch getaufte orthodoxe Christen, leben so, als ob sie ewig in dieser Welt weilen wollten. Sie bereuen ihre Gesetzlosigkeit nicht, wollen sich nicht mit ihren Mitmenschen versöhnen und leben so, als ob es für sie keinen Tod geben würde. Gott ermahnt uns aber: „Denk an das Ende, lass ab von der Feindschaft, denk an Untergang und Tod, und bleib den Gesetzen treu“ (Sir. 28:6; vgl. 9:36).
Die Parabel vom Weltgericht steht von der Abfolge und auch vom Sinngehalt her im Zusammenhang mit zwei anderen Gleichnissen, nämlich dem von den zehn Jungfrauen und dem von den Talenten. In allen drei Fällen fällt Gottes Zorn nicht etwa auf Verbrecher, Unzüchtige oder Gotteslästerer, - also nicht auf die, welche große Sünden auf sich geladen haben, - sondern auf die, welche es unterlassen haben, Gottes Willen zu befolgen. All denen, die sich darauf berufen, dass sie „im Herzen an Gott glauben“, empfehle ich, nur das 25. Kapitel aus dem Matthäus-Evangelium zu lesen und daraus die richtigen Schlüsse für ihr Seelenheil zu ziehen. Auch Sie alle bitte ich, solchen „Gläubigen“ den gleichen Rat zu geben. Gott wird diejenigen verurteilen, welche das Gute, was sie hätten tun können, nicht getan haben. Wenn ich nur an mich selbst denke, dann dürfte die Liste meiner Unterlassungen für den heutigen Tag, sagen wir mal, mehrere hundert Meter lang sein; auf mein ganzes Leben hochgerechnet dürfte die Länge meiner Verfehlungen wohl den Äquator ausfüllen. Auch wenn ich kein Mörder, Ehebrecher oder Abtrünniger bin, gleiche ich doch dem Schuldner, der seinem Herren 10.000 Talente Gold schuldet (vgl. Mt. 18:24). Und mein Schuldenberg wächst minütlich! Was soll ich tun – mich erschießen, damit meine Sündenlast nicht noch weiter anwächst?!.. Selbst dieser Gedanke entbehrte nicht einer gewissen Logik, würden die Gleichnisse des Herr nicht aus dem Evangelium, der Frohen Botschaft, stammen. Es gibt für uns nämlich keinen Grund zur Verzweiflung, denn in einer Woche beginnt die Zeit der Reue und Umkehr. Wir alle, selbst die größten Sünder, haben die Möglichkeit, uns mit Gott zu versöhnen (s. 2 Kor. 5:20). Wenn wir an die übrigen Gleichnisse denken, sehen wir, dass der zur elften Stunde gekommene Arbeiter im Weinberg den gleichen Lohn erhält wie diejenigen, die den ganzen Tag gearbeitet haben (s. Mt. 20:1-16), dass die Freude über ein verlorenes und wiedergefundenes Schaft größer ist als die Freude über neunundneunzig Schafe, die sich nicht verirrt hatten (s. Mt. 18:12-14; Lk. 15:4-7), dass zudem als erster von allen ein Räuber mit dem Herrn ins Paradies eingegangen ist (s. Lk. 23:43). Aber bloß daran glauben, dass uns der liebe Gott alles vergeben wird, reicht nicht! Ich kann ja an die Medizin glauben und von der Wirksamkeit der modernen Heilmethoden überzeugt sein, aber wenn ich meine Gesundheit verbessern oder bewahren will, muss ich einer entsprechenden Lebensweise nachgehen, Verzicht auf gesundheitsschädigende Nahrungs- und Genussmittel üben und entsprechende Medikamente gegen meine Krankheit einnehmen. Und ebenso ist es mit der Heilung der Seele: wenn wir ein Leben nach den Geboten führen („gesunde Lebensweise“), die Fastenzeiten einhalten („Verzicht üben“) und die heiligen Mysterien empfangen („Medikamente einnehmen“), wird auch unsere Seele gesund werden. Wir können der Kirche gar nicht genug dafür danken, dass wir diese Möglichkeiten zur Heilung unserer ewig lebenden Seele haben. Nur, warum sorgen wir uns dann so sehr um unseren Leib, aber kaum um unsere Seelen (s. Mt. 6:25-33; Lk. 12:22-31)?!.. 99% der getauften Christen leben im Prinzip nur für den Leib (s. 1 Kor. 6:13), und der Rest, die treuen Kirchgänger tut sich ebenso schwer damit, die richtigen Prioritäten zu setzten. Glauben sie unserem Herrn etwa nicht?!..
Aber der Tag WIRD kommen, an dem „der Menschensohn in Seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit Ihm, dann wird er Sich auf den Thron Seiner Herrlichkeit setzen. Und alle Völker werden vor Ihm zusammengerufen werden, und Er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirte die Schafe von den Böcken scheidet“ (Mt. 25:31-32). Vergegenwärtigen wir uns nur diesen Moment, der UNAUSWEICHLICH ist! Wann, wenn nicht jetzt, zur in Kürze bevorstehenden Fastenzeit, wollen wir mit der Vorbereitung auf diesen Tag beginnen?!.. Wir haben alles, was wir brauchen: die Kirche, die Gottesdienste, die heiligen Mysterien. Nur müssen wir davon auch Gebrauch machen. Schlagen wir die Warnungen unseres Herrn nicht in den Wind (s. Mt. 24:45-51; Lk. 12:42-46). Zur bevorstehenden Fastenzeit gibt uns der Herr diese Worte auf den Weg: „Nehmt euch in acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euch nicht verwirren und dass jener Tag euch nicht plötzlich überrascht“ (Lk. 21:34). Uns reichen aber die üblichen Sorgen des Alltags schon lange nicht mehr, denn wir müssen täglich die Nachrichtenlage prüfen und stundenlang vor dem Fernseher, Radio oder Computer bzw. Smartphone sitzen. Wie soll uns jener Tag dann nicht plötzlich überraschen können?!..
Versuchen wir uns besonders in dieser geheiligten Zeit von dieser Scheinwelt zu lösen und in die wahre Realität der Kirche eintauchen, die das echte Leben der kommenden Welt ist. Amen.