Predigt zum 23. Herrentag nach Pfingsten (Eph. 2:4-10; Lk. 8:26-39) (12.11.2023)
Liebe Brüder und Schwestern,
die Austreibung einer ganzen Legion von Dämonen aus dem Besessenen von Gerasa im Lande Gadara, das am Ostufer des Sees Genezareth liegt (auf den heutigen Golan-Höhen), birgt trotz bereits hinlänglich bekannter tiefgründiger allegorischer Aspekte immer noch einen Abgrund an göttlicher Weisheit, der für unser Heil förderlich ist. Hierzu wollen wir uns heute aus der geistlichen Schatztruhe des heiligen Theophylakt von Ochrid (+ ca. 1107) bedienen.
Wir erkennen gleich zu Beginn des Aufeinandertreffens des Besessenen mit unserem Herrn die doppelte Beschaffenheit der Natur der Dämonen, die aus dem unglücklichen Menschen sprechen: einerseits diese aufreizende Kühnheit: „Was habe ich mit Dir zu tun?“, und andererseits diese berechnende Unterwürfigkeit: „Ich bitte Dich: Quäle mich nicht!“ (Lk. 8:28). Dann erkennen wir am äußeren Erscheinungsbild des Besessenen, dass er seit Jahren keine Kleider trug und nicht in einem Haus lebte, sondern in Grabhöhlen hauste. Dieser Zustand ist spiegelbildlich für die von Christus entfremdeten Menschen der nachfolgenden Zeiten, die das Kleid der Taufe in Christus (s. Gal. 3:27) nicht angelegt haben und nicht im Hause Gottes, der Kirche, leben (s. Eph. 2:19-22; vgl. Ex. 25:8). Achten wir zudem darauf, dass die Dämonen gleichsam ein Katzenbuckel ihre nichtige Macht (s. Lk. 8:32) zeigen wollen, indem sie den Menschen durch das Hausen in den Gräbern weismachen wollen, dass von ihnen befallene Menschen zum Tode der Seele verurteilt sind. Dem ist aber nicht so. Wir wissen von zahllosen Heiligen, dass sie unter der Vielzahl und Stärke der Anfeindungen durch die Dämonen zusammenbrachen, aber immer wieder aufstanden und ihnen mit Tapferkeit und Geduld entgegentraten, wodurch sie noch stärker im Gebet und in der Hoffnung auf Gottes Beistand wurden. Deshalb ist es auch gar nicht verwunderlich, dass der Herr über Himmel und Erde (s. Mt. 28:18) es den Dämonen gestattet, auch weiter ihr Unwesen auf der Erde zu treiben. Natürlich ist die zeitweilige Fügsamkeit der Dämonen nur Augenwischerei mit dem Hintergedanken, den Herrn Jesus Christus bei den Menschen von Gerasa in Verruf zu bringen. Der Herr weiß das, und doch erlaubt Er es ihnen, die unschuldigen Tiere zu töten und somit den Unmut der materiell geschädigten Bewohner der Stadt auf Sich zu ziehen. Das kalkuliert der Herr selbstverständlich mit ein, denn „Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele durch Ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und Er wird ein Zeichen sein, Dem widersprochen wird“ (Lk. 2:34). Wir wissen, dass der Pharao zu Zeiten des Auszugs Israels aus Ägyten, die Könige Nabukadnezzar und Antiochus Epiphanes, die Kaiser Nero, Diokletian, Julian Apostates, Khan Batyi, Sultan Mehmet II, Lenin, Stalin, Chruschtschow, S****skiy u.v.a. ohne es zu ahnen nur Werkzeuge in Gottes Hand waren oder sind. Im Grunde sind sie alle nur bedauernswerte Kreaturen, die wie alle übrigen Menschen einst Rechenschaft für ihre Taten vor dem Richterstuhl Christi ablegen müssen. Solange sie aber am Werk sind, bekämpfen sie die Kirche Christi mit unverminderter Härte. So wie die Dämonen am Ufer des Sees Genezareth eigentlich wissen mussten, dass der Herr jederzeit die Zügel in der Hand hält, so weiß auch deren Oberbefehlshaber, dass sein Ende furchtbar sein wird. Als er einst dem heiligen Antonios (+ 356) in der Wüste erschien und sich mit diesem unterhielt, gab er zu verstehen, dass er bestens Bescheid wisse, dass er mitsamt seinem Gefolge am Ende der Zeit ewige Qualen erleiden wird (s. Mt. 25:41,46; Offb. 20:10). Als der Heilige ihn darauf hin fragte, warum er den gnädigen Gott jetzt nicht um Vergebung bittet, solange ihm verziehen werden kann, antwortete dieser, er wolle dies aus dem Grunde nicht tun, weil ihm jetzt einfach eine derartige Machtfülle in dieser Welt (s. Mt. 4:8-9; Lk. 4:5-7) gegeben sei, auf die er auf gar keinen Fall verzichten wolle, solange er noch über diese verfügen kann. Der erbittertste Feind Gottes ist der bemitleidenswerteste von allen.
Und doch sehen wir, dass seine „Arbeit“ überaus erfolgreich ist. Gott hat es so gefügt, dass Seine Diener im irdischen Sinne auf keine Waffengleichheit im Kampf gegen die Mächte dieser Welt hoffen dürfen (s. Mt. 10:16) und dass die Kinder dieser Welt im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes sind (s. Lk. 16:8). Warum das so ist? Ganz einfach: damit sich niemand nur deshalb auf die Seite des Wahren und Guten schlägt, weil er sich dadurch Vorteile erhofft. Der wahre Nachfolger Christi geht gerne „durch das enge Tor“ (Mt. 7:13; vgl. Lk. 13:24) für seinen Herrn. Er weiß ja, dass der Herr es Sich auch nicht leicht gemacht hat, um uns vom ewigen Tod in der Hölle zu befreien.
Aber noch ist nicht aller Tage Abend. Auch wenn jetzt wie praktisch zu allen Zeiten nur wenige den schmalen Weg finden, der ins Leben führt (s. Mt. 7:14), will der Herr von Seiner kleinen Herde (s. Lk. 12:32), dass wir, die wir doch von Ihm aus der Gewalt des Widersachers befreit worden sind und uns tagtäglich an Seiner göttlichen Gemeinschaft erfreuen dürfen, von nun an wie der von dämonischer Knechtschaft befreite Mann aus Gerasa allen übrigen Menschen in unserer Umgebung verkünden, was Gott für uns getan hat. Glück kann man unbegrenzt teilen, ohne selbst etwas einzubüßen. Tun wir das aber in Demut wie der Herr Selbst es getan hat, indem Er zu dem Mann nicht sagte: „Erzähl den Leuten, was Ich dir getan habe!“, sondern „was Gott für dich getan hat“. Kehren wir also in unser Haus, die Kirche, zurück, sofern wir ihr fern gewesen sind, und verkünden allen in der Stadt, was Jesus, der Herr, für uns getan hat (vgl. Lk. 8:39). Es müsste doch mit dem Teufel zugehen (wovor uns Gott aber bewahren wird), wenn sich dadurch nicht noch mehr Menschen für das Leben mit Christus anstatt – wie die Gadarener – ohne Ihn entscheiden werden. Amen.