Predigt zum Hochfest des Einzugs des Herrn in Jerusalem (Palmsonntag) (Phil. 4:4-9; Joh. 12:1-18) (09.04.2023)

Liebe Brüder und Schwestern, 

 

das Ende der Großen Fastenzeit markieren zwei einzigartige Festtage – der Lazarus-Samstag und der Palmsonntag, die beide miteinander eng verbunden sind. Denn nachdem der Herr in Bethanien den Lazarus von den Toten auferweckt hatte, zieht Er nun triumphal in Jerusalem ein. Es ist aber kein Triumphzug, wie ihn siegreiche Feldherren nach der Rückkehr vom Schlachtfeld zu halten pflegen. Die Begeisterung der Massen in und um Jerusalem kann nämlich nicht verbergen, dass dieser Weg für unseren Herrn der schwerste Gang Seines irdischen Lebens, das Er ohnehin restlos für unser Heil hingibt, ist. Wir lesen: „Als Er näher kam und die Stadt sah, weinte Er über sie und sagte: ´Wenn doch auch du an diesem Tag erkannt hättest, was dir Frieden bringt. Jetzt aber bleibt es vor deinen Augen verborgen. Es wird eine Zeit für dich kommen, in der deine Feinde rings um dich einen Wall aufwerfen, dich einschließen und von allen Seiten bedrängen. Sie werden dich und deine Kinder zerschmettern und keinen Stein auf dem anderen lassen; denn du hast die Zeit der Gnade nicht erkannt`“ (Lk. 19:41-44). „Wenn doch auch du an diesem Tag erkannt hättest, was dir Frieden bringt…“ - Der Herr weint über die Stadt und ihre Bewohner, die Ihn heute euphorisch empfangen und in ein paar Tagen ans Kreuz schlagen lassen. Hätten sie doch nur erkannt, dass Christus „unser Friede“ (s. Eph. 2:14) ist. „Er stiftete Frieden, und versöhnte Juden und Heiden durch das Kreuz mit Gott in einem einzigen Leib. Er hat in Seiner Person die Feindschaft getötet. Er kam und verkündete den Frieden … Durch Ihn haben wir Zugang zum Vater“ (Eph. 2:14-19). Aber das Frohlocken des Volkes („Hosanna“ = Errette!) bezog sich nur auf irdischen Ruhm, Macht und Herrlichkeit, während der Messias auf einem Eselfohlen statt auf einem hohen Ross ritt. Er war ja nicht gekommen, um einen Krieg gegen die fremdländischen Okkupanten zu führen, und so wählte Er für Sich bei seinem Einzug in die Stadt das Symbol des Friedens, nicht des Krieges! Doch die Menschen haben „die Zeit der Gnade nicht erkannt“. Aber was wäre denn diese Zeit der Gnade gewesen, die offensichtlich in der Person Jesu Christi gründet und die in den folgenden Worten des Apostels bzw. des Propheten ihren Ausdruck findet: „Denn es heißt: ´Zur Zeit der Gnade erhöre ich dich, am Tag der Rettung helfe ich dir`. Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der Rettung“ (2 Kor. 6:2; vgl. Jes. 49:8). - Hier die Antwort der heutigen Perikope aus dem Apostelbuch: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe. Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott! Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren. Schließlich, Brüder: Was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht! Was ihr gelernt und angenommen, gehört und an mir gesehen habt, das tut! Und der Gott des Friedens wird mit euch sein“ (Phil. 4:4-9).

Doch was geschieht, wenn der „Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt“ und um den wir in jedem Gottesdienst bitten, nicht in den Herzen der Menschen herrscht, das sehen wir auf den Schlachtfeldern der Vergangenheit und Gegenwart, das sehen wir in den zerrissenen Gesellschaften weltweit, das sehen wir allerorts zuhauf im zwischenmenschlichen und familiären Bereich – und mancherorts leider auch in den Kirchengemeinden. Neulich teilte mir eine „unregelmäßige“ Besucherin unseres Gottesdienstes (in Weimar) per SMS mit, sie wisse nicht, woher so viel Negatives in den Menschen komme und weshalb eine derart gespannte Atmosphäre bei uns herrsche. Da ich die Dame bisher noch nicht persönlich gesprochen habe, kann ich auch nicht beurteilen, woran sie diese Beobachtung festgemacht hat. Vielleicht sollte aber jeder von uns bei sich anfangen und zuerst sich selbst prüfen, ob er seinen Mitmenschen (Familienangehörigen, Nachbarn, Kollegen, Gemeindegliedern etc.) durch seine Präsenz Frieden bringt, Trost spendet oder Freude schenkt, oder diesen stattdessen eher Anlass zu Betrübnis, Ärger und Missmut bereitet. Oft stellt sich nämlich heraus, dass man zwar den Splitter im Auge seines Bruders sieht, den Balken im eigenen Auge aber nicht bemerkt (s. Mt. 7:3; Lk. 6:41). So bewahrt man aber seine „Herzen und Gedanken“ nicht „in der Gemeinschaft mit Christus Jesus“! Diese Gemeinschaft mit meinem Herrn und Gott und Erlöser ist für mich das Wichtigste, das Größte und das Herrlichste! Und ich lasse mir diese Gemeinschaft durch niemanden vermiesen. Wenn jemand, nur mal angenommen, tatsächlich aus irgendwelchen anderen (also nicht spirituellen) Gründen zum Gottesdienst gekommen sein sollte, dann ist es sein Problem, und nicht meins. Er wird es nicht schaffen, dass ich seinetwegen die Gemeinschaft mit meinem Herrn aufkündige! Wie absurd wäre denn so was!? Würde einer, der selbst ein Bettler ist, beim huldvoll gewährten königlichen Empfang in dessen Prunksaal die üppig gedeckte Tafel des Herrschers aus Protest verlassen und auf die großzügigen Geschenke bei der Verabschiedung verzichten, nur weil sein Tischnachbar beim Essen schmatzt oder kein Deospray unter den Achseln verwendet?!.. Dass man das den Leuten überhaupt aus geistlicher Perspektive begrifflich machen muss, zeugt schon davon, dass ihnen der Glaube fehlt und dass sie nicht mit Dankbarkeit auf die Liebe unseres Herrn antworten wollen, die Er uns durch Seinen unvorstellbaren Leidensweg entgegenbringt. Wenn wir hingegen um Seinetwillen alles erdulden – auch die Schwächen unserer Mitmenschen – wird „der Gott des Friedens“ ewig mit uns sein! Amen.

Jahr:
2023
Orignalsprache:
Deutsch