Liebe Brüder und Schwestern,

das Typikon stellt uns im Kirchenjahr zwölf wunderbare Hochfeste bereit – das „Fest der Feste“ gar nicht mit eingerechnet. Der August gehört zu den Monaten, in denen es mit zwei solcher Festtage „überdurchschnittlich“ viel Grund zu feiern gibt. Sonst hat nur noch der September eine solche Dichte an Hochfesten zu bieten. Für mich persönlich ist die aktive Teilnahme am feierlichen Gedenken der bedeutendsten heilsgeschichtlichen Ereignisse das Kriterium, durch welches sich echte Christen von oberflächlich Gläubigen unterscheiden. Jedes, aber wirklich jedes Mal, wenn ich nach der Liturgie an großen Festtagen erschöpft aber glücklich die Kirche verlasse, denke ich an die, welche an solchen Tagen keine Veranlassung sahen, im Gottesdienst an dieser geistlichen Freude teilzuhaben (damit sind selbstverständlich nicht die gemeint, die aus objektiven Gründen nicht zur Kirche kommen konnten). Ich sage zu mir und zu den mich umgebenden Gläubigen: „Diese Menschen wissen nicht, was sie sich entgehen lassen“. Denn auf so eine Freude, wie wir sie heute und an jedem großen kirchlichen Feiertag empfinden, kann kein Mensch bewusst verzichten wollen. Ein Leben ohne Festtage bedeutet überdies Alltag das ganze Jahr. Und wer will das schon?!.. Weltliche Feiertage und persönliche Freudenanlässe können gewiss auch ganz nett sein, aber ohne eine geistliche Dimension entbehren sie der wahren Freude, die uns allein der Glaube an unsern Herrn Jesus Christus verleihen kann. Allerdings gibt es diese Freude nicht zum Nulltarif, wofür das Fest der Metamorphose Christi ein eindringliches Anschauungsbeispiel liefert.

Die Jünger des Herrn – Petrus und die Brüder des Zebbedäus – waren auf dem Berg der Verklärung Augen- und Ohrenzeugen der göttlichen Herrlichkeit ihres Meisters (s. 2 Petr. 1:16-18), und zwar in dem Maße, wie es ihren menschlichen Sinnen zugänglich war. Und wir kennen die Reaktion des ältesten unter den Aposteln, der auch für seine beiden Gefährten sprach. Sie wollten alle nicht, dass diese Freude – ein kleiner Vorausblick auf die ewige Wonne im Königtum Gottes – aufhört (s. Mt. 17:4; Mk. 9:5; Lk. 9:33)! Uns wurde hiermit deutlich gemacht: „Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, es ist Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist“ (Röm. 14:17). Die drei besten Vertreter der Anhänger des Herrn waren also für kurze Zeit Zeugen dieser Herrlichkeit, die jegliche irdische Freude um das Unendliche übersteigt. Aber schon hier erfuhren sie auch, zu welchem Preis jene Gerechtigkeit, jener Friede und jene Freude im Heiligen Geist durch Christus erkauft werden (s. 1 Kor. 6:20). Und  wir wissen, wie wir ihrer habhaft werden können (s. Mt. 7:13-14; Lk. 13:24; vgl. Mt. 11:12). Es ist ein bisschen wie mit der Teilnahme oder Nichtteilnahme an unseren festlichen Gottesdiensten: Hätten die Leute doch nur die leiseste Ahnung von der Freude, die uns dabei zuteil wird, sie würden (wenn möglich) alles stehen und liegen lassen wollen, um nur an diesem Tag in der Kirche die Heiligen Gaben empfangen und in die Freude ihres Herrn eingehen zu können (vgl. Mt. 25:21,23). Und wenn die Menschen noch dazu „eine Ahnung“ davon hätten, welch übergroße Freude sie im Königtum Gottes erwartet, würden sie keine Anstrengung scheuen, um an dieser unsagbaren Freude teilnehmen zu können. Und in dieser Anstrengung äußert sich ja gerade der Glaube der Menschen, nämlich, dass sie an das glauben, was sie nicht sehen (s. Hebr. 11:1). 

In den beiden Hymnen zum heutigen Festtag (Troparion und Kondakion) ist die Rede davon, dass die drei Jünger die Herrlichkeit des Herrn sahen, soweit es ihre begrenzte menschliche Wahrnehmung ermöglichte. Zugleich hörten sie auch von Moses und Elias, wie diese im strahlenden Licht mit Christus „von Seinem Ende, das sich in Jerusalem erfüllen sollte“ (Lk. 9:31) sprachen. Jetzt, exakt vierzig Tage vor dem Kreuztod ihres Herrn, hätte ihnen spätestens bewusst werden müssen, dass die Herrlichkeit Christi, die Er von Ewigkeit im Himmel besaß, hier auf Erden durch Sein Leiden erwirkt werden muss, wie es der Erlöser bald darauf  am Vorabend Seines Todes erneut andeuten wird (s. Joh. 17:5). Demzufolge können wir alle nur an Seiner Herrlichkeit teilhaben, wenn wir Ihm zuvor im Leiden nachfolgen. Dann wird uns auch nichts in dieser Welt Furcht bereiten können, weder Kataklysmen, noch persönliche Schicksalsprüfungen. „Denn die kleine Last unserer gegenwärtigen Not schafft uns in maßlosem Übermaß ein ewiges Gewicht an Herrlichkeit, uns, die wir nicht auf das Sichtbare starren, sondern nach dem Unsichtbaren ausblicken; denn das Sichtbare ist vergänglich, das Unsichtbare ist ewig“ (2 Kor. 4:17-18).     

Wer am Leben der Kirche aktiv und regelmäßig teilnimmt, wird zum Weggefährten Christi von Seiner Geburt bis zu Seiner Auffahrt in den Himmel und dem Sitzen zur Rechten des Vaters. Er wird es objektiv kraft der in der Kirche wirksamen Gnade des Heiligen Geistes, aber auch subjektiv vermittels der ihm eigenen spirituellen Rezeptoren. Es gibt körperlich blinde, gehörlose oder anderweitig empirisch behinderte Menschen, aber keinem hat Gott die Fähigkeit entzogen, schon in dieser Welt die Herrlichkeit Seines ewigen Königtums mit den geistlichen Augen des gläubigen Herzens zu erkennen (s. Joh. 9:35-41). Zu Beginn einer jeden Woche „schauen“ wir die Auferstehung Christi (im Orthros nach der Lesung des Auferstehungsevangeliums), weil wir  nach der alljährlichen Feier der lichten Auferstehung des Herrn schlicht und ergreifend das unstillbare Verlangen haben, diese Freude auf Dauer zu bewahren. Und irgendwie nehmen wir dann im Herzen den Widerhall der Worte Petri wahr (s. Mt. 17:4), die uns darin bestätigen, dass es nichts Schöneres gibt, als in der erlesenen Entourage des „Herrn der Herrlichkeit“ (Ps. 23:7,8,9,10) sein zu dürfen – jetzt und immerdar und die Ewigkeit der Ewigkeit. Amen.