Predigt zum 1. Herrentag der Großen Fastenzeit / Triumph der Orthodoxie (Hebr. 11:24-26, 32-12:2; Joh. 1:43-51) (04.03.2023

Liebe Brüder und Schwestern, 

 

die erste Woche der Großen Fastenzeit liegt nun hinter uns. Am ersten Herrentag der Großen Fastenzeit begehen wir das Fest „Triumph der Orthodoxie“, das seinen historischen Ursprung in der byzantinischen Ära hat und quasi als Abschluss der Epoche der sieben Ökumenischen Konzile, auf denen der Glaube der Kirche formuliert worden war, gilt. Wenn wir mit nicht-orthodoxen Menschen ganz allgemein vom „Christentum“ sprechen, müssen wir uns selbst zuerst immer dessen bewusst sein, dass das Christentum als Weltreligion seinen Ursprung in der Orthodoxie hat. Allerdings hatte ich im Geschichtsunterricht (7.-12. Klasse) eine einzige Stunde über das tausendjährige (christliche) Römische Kaiserreich. Kein Wunder also, dass die meisten Menschen bei uns heute mit  Byzanz oder Konstantinopel kaum etwas anfangen können, obwohl hier doch die Grundlagen für die christliche Kultur geschaffen wurden. Daran eben erinnert der heutige „Triumph der Orthodoxie“ – das Fest der Kirche Christi, welche als „Säule und Fundament der Wahrheit“ (1 Tim. 3:15) bezeichnet wird und die durch die Mächte der Unterwelt nicht überwältigt werden wird (s. Mt. 16:18). Wer auf die Kirche Christi nicht hört, hat sich selbst aus der Gemeinschaft der Gläubigen ausgeschlossen (s. Mt. 18:17), doch wer sich ihr anschließt befindet sich auf dem Weg des Heils (s. Apg. 2:47). Wer sich jedoch von ihr trennt, kann im geistlichen Sinne nicht weiterleben (s. Joh. 15:1-17). Die Kirchendiener sind vom Heiligen Geist eingesetzt, damit sie „als Hirten für die Kirche Gottes“ sorgen (s. Apg. 20:28; vgl. 1 Kor. 12:28). Haupt der Kirche ist der Weltherrscher, unser Herr Jesus Christus, Dessen mystischer Leib sie ist: „Er ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche“ (Kol. 1:18; vgl. Eph. 1:22; 5:23; 1 Kor. 12:12-31). 

Die Gemeinschaft der Christen selbst bezeichnet sich als die „Eine, Heilige, Katholische und Apostolische Kirche“, wobei es bei der Auslegung dieser Definition enorme Differenzen gibt. Für die lateinischen Christen ist „katholisch“ gleichbedeutend mit der Anerkennung des Bischofs von Rom als Stellvertreter Christi auf Erden und sichtbares Oberhaupt der gesamten Kirche (wozu auch mit Rom uniierte orientalische oder kirchliche Gruppierungen des byzantinischen Ritus gehören, eindeutig aber nicht solche, die zwar den lateinischen Ritus bewahrt haben, die Autorität des Papstes für sich jedoch ablehnen); für die Protestanten hingegen bilden alle christlichen Konfessionen zusammen die Kirche Christi (wobei die Grenzziehung der „Kirche“ schwammig ist – so sind z.B. „Adventisten des letzten Tages“ sowie diverse „neuapostolische“ Gruppierungen neuerdings als „christlich“ anerkannt, was aber auf „Jehovas Zeugen“, „Scientology Church“ u.v.m. nicht zutrifft). Für uns Orthodoxe definiert sich Katholizität durch die gegenseitige einmütige Anerkennung der verschiedenen autokephalen Gliedkirchen sowie durch die kanonische und eucharistische Gemeinschaft untereinander. Nicht dazu gehören demnach schismatische „orthodoxe“ Gruppierungen sowie historische alt-orientalische Kirchenfamilien. Zusammengefasst können wir sagen, dass im erstgenannten Modell oberste Instanz für dogmatische, kanonische, disziplinäre usw. Belange eine einzelne Person ist, im gleich danach Erwähnten wird dagegen viel Raum für Individualität gewährt („.Jeder Einzelne ist sich selbst sein eigener Papst“). Dort gehören z.B. die Leugnung der Auferstehung Christi oder Seiner Jungfrauengeburt zu akzeptierten oder zumindest tolerierten „Alternativwahrheiten“, von der Akzeptanz der zeitgenössischenen „Geschlechtervielfalt“ ganz zu schweigen.  

Für uns ist die (orthodoxe) Kirche in ihrer Gesamtheit Hüterin der göttlichen Wahrheit. Den von Gott in leitender Funktion Stehenden ist das Wort der Gnade anvertraut, „das die Kraft hat, aufzubauen und das Erbe der Gemeinschaft der Geheiligten zu verleihen“ (Apg. 20:32). Nach diesem Grundsatz funktioniert die Kirche Christi bis heute, auch wenn es nicht an Bemühungen mangelt, ihre innere Einheit mittels politischer Intrigen zu zerstören. Unsere Bischöfe stehen stets vor der Wahl, sich entweder der Botschaft des Vaters verpflichtet zu fühlen, die sie von Christus (s. Joh. 15:15) aus den Händen der Aposteln empfangen haben, oder sich auf die Mächte dieser Welt zu stützen, bei denen es kein Heil gibt (s. Ps. 145:3).

Wir bezeichnen uns als orthodox, weil wir den Anspruch erheben, Gott gemäß Joh. 4:23,24 richtig zu preisen („im Geiste und in der Wahrheit“). Aus unserer Sicht kann nicht ein einzelner Mensch Hüter der göttlichen Wahrheit und alleiniger Sachwalter der Gnade des Heiligen Geistes sein, doch genauso wenig kann dies jeder Beliebige sein, der sich selbst dafür für berufen hält. Im Alten Bund gab es neben den von Gott gesandten Propheten (s. 2/4 Kön. 17:13) auch viele falsche Propheten (s. Deut. 18:20-22; Ez. 13:1-23). Wie die vom Heiligen Geist erfüllten Propheten alle miteinander übereinstimmten und sich gegenseitig bestätigten, so können die heiligen Väter der Kirche, die anerkanntermaßen nach dem Geiste Gottes leben, am besten beurteilen, was „katholisch“ bzw. „orthodox“ ist, also was dem entspricht, „quod ubique, quod semper, quod ab omnibus creditum est“ (was überall, zu allen Zeiten und von allen geglaubt worden ist – hl. Vinzenz von Lerins). Weil sich ein einzelner Mensch immer irren kann und weil Hinz und Kunz nicht kompetent in theologischen Angelegenheiten sind, ist in allen relevanten Dingen sowohl aus Sicht des gesunden Menschenverstands, als auch vor allem aus geistlicher Perspektive der consensus patrum das Kriterium für die Bewahrung der göttlichen Wahrheit. Bis heute. Amen.

Jahr:
2023
Orignalsprache:
Deutsch