Predigt zum 13. Herrentag nach Pfingsten und zum Gedenktag der Enthauptung des Propheten, Vorläufers und Täufers Johannes (1 Kor. 16:13-24; Apg. 13:25-32; Mt. 21:33-42; Mk. 6:14-30) (11.09.2022)

Liebe Brüder und Schwestern,

 

am heutigen Tag gedenken wir der Enthauptung des Propheten, Vorläufers und Täufers des Herrn Johannes. Dieser größte von Frauen Geborene (s. Mt. 11:11; Lk. 7:28) wird gemeinhin auch „Vorläufer der Gnade“ genannt. Für jemanden, in dessen Wertekanon das geistliche Leben keine dominierende Rolle spielt, mag diese in kirchlichen Kreisen gebräuchliche Titulierung abstrakt vorkommen. Dabei bedarf es keiner übermäßiger theologischer Fertigkeiten, um einleuchtend darzustellen, dass mit der Predigt des Vorläufers des Herrn zugleich auch der Morgenstern der Gnade der „Sonne der Gerechtigkeit“ (s. Troparion zur Hypapante) aufgegangen war. Noch vor dem Erscheinen des Herrn Selbst in der Welt beginnt Dessen Vorläufer seine Verkündigung exakt mit den selben Worten, wie es kurz nach ihm der Herr Jesus Christus tun wird: „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe“ (Mt. 3:2; vgl. 4:17). Im Evangelium des Markus lesen wir sinngemäß die gleichen Worten der ersten öffentlichen Rede des Herrn, ergänzt durch einen kleinen Zusatz: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ (Mk. 1:15). Diese Worte ergingen laut der Darstellung des Evangelisten an das Volk, als der Herr Jesus Christus aus der Wüste von Judäa wieder nach Galiläa zurückgekehrt war und nachdem der Vorläufer ins Gefängnis geworfen worden war (s. Mk. 1:14). Der Herr fordert die Menschen auf, die Verkündigung der Frohen Botschaft mit gläubigem Herzen aufzunehmen, wie sie ihnen bereits von Seinem Vorläufer dargebracht worden war, und die Er Selbst nun mit göttlicher Macht zur Gänze entfalten wird. Ausgangspunkt dieser Botschaft vom Königtum Gottes aber ist der Aufruf zur Buße.

Das Königtum der Himmel ist bekanntlich nicht an äußeren Zeichen erkennbar; es ist mitten unter uns (s. Lk. 17:20-21). Es ist das Königtum der Gnade, an welcher wir durch den lebendigen Glauben teilhaben dürfen (s. Joh. 1:14-17;  Röm. 6:15). Es erschließt sich für jeden für uns zunächst durch die Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden (s. Mk. 16:15-16; Lk. 24:47). Nach der Taufe besteht aber ebenfalls größter Bedarf an der Vergebung der Sünden zur Erlangung des Himmlischen Königtums (s. Joh. 20:22-23; vgl. Mt. 16:19), dessen „Vorstufe“ wir hier auf Erden in den lebenspendenden Mysterien der Kirche bereits erfahren können (s. Mt. 26:28; Joh. 6:53-58). Daraus ergibt sich, dass wir nur dann an der Gnade des Himmlischen Königtums teilhaben können, wenn wir reumütig unsere Sünden bekennen (s. Mt. 5:3). So und nicht anders bezeugten die Apostel „das Evangelium von der Gnade Gottes“ (Apg. 20:24).

Es müsste doch allen halbwegs geradeaus Denkenden ersichtlich sein, dass die Rettung unserer Seelen nur durch die Gnade Gottes möglich ist (s. Eph. 2:5). Wer meint, ohne die in der Kirche gespendete Gnade auskommen zu können, lästert – bewusst oder unbewusst – tatbestandsmäßig den Heiligen Geist. „(Gott)  uns mit Christus auferweckt und uns zusammen mit Ihm einen Platz im Himmel gegeben. Dadurch, dass Er in Christus Jesus gütig an uns handelte, wollte Er den kommenden Zeiten den überfließenden Reichtum Seiner Gnade zeigen. Denn aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet, nicht aus eigener Kraft – Gott hat es geschenkt –, nicht aufgrund eurer Werke, damit keiner sich rühmen kann“ (Eph. 2:6-9). Es „rühmen“ sich aber die ihrer selbst aufgerichteten Gerechtigkeit, die keinen Bedarf an Bußfertigkeit bei sich erkennen. Sie gehen so der Gnade Gottes verlustig (s. Jak. 4:6; 1 Petr. 5:5). „Da sie die Gerechtigkeit Gottes verkannten und ihre eigene aufrichten wollten, haben sie sich der Gerechtigkeit Gottes nicht unterworfen“ (Röm. 10:3). 

Wir alle sind Sünder. Ich unterschreibe auch jederzeit eine Erklärung darüber, dass Atheisten bessere Menschen sein können als Christen (und müsste dabei nicht einmal in frommer Absicht lügen). Zu viele bei uns bemühen sich lediglich um externe Frömmigkeit. Der Unterschied eines wahren Christen aber zu einem oberflächlichen oder zu einem Andersgläubigen bzw. auch zu einem Ungläubigen besteht darin, dass der echte Christ sein Herz erforscht und Buße tut für seine Sünden (in Worten, Taten, Gedanken Gefühlsregungen, durch Unterlassung, bei Tag und bei Nacht, bewusst oder unbewusst, absichtlich oder unabsichtlich begangen etc.), während ein anderer bestenfalls nach außen hin anständig lebt und rein äußerlich gute Werke tut, und dabei schon meint, gerecht vor Gott zu sein (vgl. Mt. 9:12-13; Mk. 2:17; Lk. 5:31-32; 18:14). Doch nicht dazu hat uns der Herr „den Zugang zu der Gnade“ gegeben, damit wir uns selbst rühmen, sondern vielmehr, damit wir uns unserer „Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes“ rühmen (Röm. 5:2). Streben wir also „die Gnade des Herrn Jesus Christus“ (Röm. 16:20,24; 1 Kor. 16:23; 2 Kor. 13:13; Gal. 6:18; Phil. 4:23; 1 Thess. 5:28; 2 Thess. 3:18; Philem. 24; Offb. 22:21) für ein Leben im Geiste an, denn „jetzt gibt es keine Verurteilung mehr für die, welche in Christus Jesus sind. Denn das Gesetzt des Geistes und des Lebens in Christus Jesus hat uns frei gemacht vom Gesetz der Sünde und des Todes“ (Röm. 8:1-2).

Der Herr sagt auch: „Wer nicht für mich ist, der ist gegen Mich; wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut“ (Mt. 12:30). Das Gleichnis von den bösen Winzern ist eine eindringliche Mahnung an alle Halbherzigen, denen das Reich Gottes anvertraut worden ist (also wohl an uns alle). Wenn sie die ihnen geschenkte Gnade nicht für ein Leben in Christus verwenden, werden sie früher oder später explizit (durch Worte) oder implizit (durch ihre Lebensweise) zu Mittätern derer, die den Herrn verraten haben und Ihn umbringen ließen. Ihr Ende wird schrecklich sein, wovor uns der Herr jedoch bewahren möge. Amen.

Jahr:
2023
Orignalsprache:
Deutsch