Predigt zum 14. Herrentag nach Pfingsten / Herrentag vor Kreuzerhöhung) (Gal. 6:11-18; 2 Kor. 1:21-2:4; Joh. 3:13-17; Mt. 22:1-14) (26.09.2021)

Liebe Brüder und Schwestern, das Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl folgt beim Evangelisten Matthäus direkt nach dem Gleichnis von den bösen Weingärtnern, über das wir vor einer Woche gesprochen haben. Auch hier ist allegorisch vom Volk Israel die Rede, für welches Gott das Hochzeitsmahl Seines Sohnes exklusiv ausrichten ließ – die Kirche Christi, in der sich Gott und Mensch zu einem Leib vereinigen (s. Eph. 5:21-33). Die geladenen Gäste hatten diese Einladung jedoch brüsk abgelehnt, indem sie die zu ihnen gesandten Knechte des Königs verhöhnten, misshandelten und umbrachten. Nachdem der König die Mörder ihrer gerechten Strafe zugeführt hatte, schickte er seine Knechte erneut auf die Straßen, und die riefen nun jeden zur Hochzeitsfeier, wen sie nur fanden – Böse und Gute –, so dass alle Plätze an der königlichen Tafel besetzt wurden. Na gut, bis zu diesem Punkt fällt die Deutung des Gleichnisses nicht schwer: Anstelle der Juden nahmen nun die Heiden von allen Enden der Erde deren Plätze ein, klar (vgl. Jes 65:1-2; Röm. 10:20-21). Doch dann erzählt uns der Herr von einem Gast am Hochzeitstisch, der kein hochzeitliches Gewand anhatte (dieses Detail schildert nur der Evangelist Matthäus, bei Lukas findet es hingegen keine Erwähnung – s. Lk. 14:16-24). Warum wird dieser Mann auf Befehl des Königs in Ketten gelegt und in die äußerste Finsternis hinausgestoßen, wo „Heulen und Zähneklappern“ (Mt. 22:13) herrschen? Was hat es mit dem fehlenden Gewand auf sich? War der Verstoß gegen die Kleiderordnung so gravierend, dass er gleich solch eine drastische Maßnahme nach sich ziehen musste? Zunächst müssen wir wissen, dass den Gleichnissen des Herrn stets Tatsachen und Bilder aus dem realen Leben zugrunde liegen, die den zumeist einfachen Zuhörern ja allesamt geläufig sein mussten. Nicht anders verhält es sich mit dem Bildnis vom Gewand, das königliche Diener in der antiken Welt den ärmeren Menschen beim Betreten des Palastes aushändigten, womit der König ihnen seine Wertschätzung entgegenbrachte. Es war ein bekanntes Bild für die Leute der damaligen Zeit. Im übertragenen Sinne ist mit dem königlichen bzw. hochzeitlichen Gewand natürlich die Taufe gemeint, durch die wir alle zu Gottes Kindern in Christus Jesus werden (s. Gal. 3:36-27). Der König in unserem Gleichnis handelt ja aus Liebe zu seinen Untertanen, da er möchte, dass alle an der Freude seines geliebten Sohnes teilhaben. Das Gewand war Ausdruck dieser Liebe und dieses Respekts selbst für die Ärmsten der Armen: „Ihr seid als teure Gäste an meiner Tafel nun Teilhaber meiner königlichen Herrlichkeit (vgl. Mt. 5:3). Egal was vorher war – ob ihr Räuber, Huren oder Säufer gewesen seid – jetzt seid ihr bei mir, mit mir und Teil von mir! Und ich werde für euch sorgen. Ihr seid vollständig rehabilitiert“ (vgl. Ps. 31). Dieses unfassbare Geschenk der Gnade zeugt von der königlichen Huld gegenüber den Angehörigen der niederen Stände. Aber die Tatsache, dass sie nun auch Träger der Königswürde geworden sind, verpflichtet die Angehörigen des einfachen Volkes im Gegenzug doch zu einem völlig neuen Verhalten am Hofe des Herrschers. Keiner wird es wagen, seinem königlichen Wohltäter ins Gesicht zu spucken, ihn verbal zu beleidigen oder sich ihm gegenüber sonst wie despektierlich zu verhalten. So etwas wäre unvorstellbar, unerhört. - Und doch findet sich einer, der die Spielregeln (bewusst) ignoriert und auf den sichtbaren Ausdruck der Liebe des Königs pfeift. Das ist keine formalistische Lappalie, keine versehentliche Missachtung der Konventionen - es ist ein Affront! Und so stellt ihn der König zunächst freundlich zur Rede (s. Mt. 22:12), gibt ihm Gelegenheit zur Rechtfertigung – wer weiß, womöglich gab es ein Missverständnis oder Versäumnis und man hat ihn beim Verteilen der Gewänder übersehen –, aber der Mann bleibt eine plausible Antwort schuldig. Demnach ist er, wie alle Übrigen auch, die man von den Straßen und Plätzen gerufen hatte, in den Königspalast hinein spaziert, doch im Gegensatz zu den anderen unverhofft Eingeladenen wies er die ihm entgegengebrachte Huld des Königs ab und hatte noch dazu die Kühnheit, seine eigenen Regeln im Hause seines Herrschers aufzubauen – und das ohne jegliches Unrechtsbewusstsein (s. Röm. 10:3; vgl. Spr. 28:5). Nach diesem Vorgehensschema handeln im Grunde die, welche zwar getauft sind, sich aber überhaupt nicht um die Regeln im Hause Gottes (der Kirche) scheren (s. Spr. 28:9). Wie oft hören wir sie sagen: „Wir glauben auf unsere Weise“ oder, noch deutlicher: „Ich glaube an meinen eigenen Gott“ (!) - Was aber werden sie antworten, wenn sie dann vor dem seienden Gott stehen (vgl. Ex. 3:14; 6:2; Mal. 3:6; Offb. 1:4,8)? Dass ihnen niemand den rechten Weg gewiesen habe oder dass ihnen keiner von der Wonne im Hause des Herrn erzählt habe (s. Ps. 25:8)?!!.. Nein, sie werden verstummen (vgl. Mt. 22:12). Solche Menschen manövrieren sich in ihrer überheblichen Sorglosigkeit in eine Situation, in der sie sogar dem gnädigen Gott keine andere Wahl lassen. Indigene Völker im Regenwald am Amazonas werden vor Gott eine Entschuldigung vorbringen können, doch auf Erstere treffen die Worte des Herrn zu, die Er an die Pharisäer gerichtet hat: „Wärt ihr blind, so hättet ihr keine Sünde; weil ihr aber sagt: Wir sind sehend, bleibt eure Sünde“ (Joh. 9:41). Gott kann mir hundert Jahre Leben schenken oder es heute beenden; Er kann mir Gesundheit, Glück, Erfolg, Reichtum und jegliches Wohlergehen geben oder mir das alles verwehren bzw. entziehen. Warum, das weiß nur Er. Er ist mir keinerlei Rechenschaft schuldig (s. Ps. 50:6). Ich aber weiß, dass ich davon unbenommen noch die Möglichkeit habe, für mich die ewige Glückseligkeit im Königtum meines Herrn zu erlangen, im Vergleich zu der alles Irdische wie ein Staubkorn neben dem Universum der Herrlichkeit Gottes ist. Amen.
Jahr:
2021
Orignalsprache:
Deutsch