Predigt zum Lobpreis der Allerheiligsten Gottesgebärerin / Akathistos-Samstag (Hebr. 9:24-28; Hebr. 9:1-7; Mk. 8:27-31; Lk. 10:38-42; 11:27-28) (17.04.2021)

Liebe Brüder und Schwestern, langsam neigt sich die Große Fastenzeit ihrem Ende zu. In der vorletzten Woche gedenken wir des heiligen Andreas von Kreta, zu dessen Ehrentag im Orthros der Große Bußkanon komplett gelesen wird und mit der Hesperinos die Liturgie der vorgeweihten Gaben gefeiert wird. und am Ende derselben Woche begehen wir den Lobpreis der Gottesgebärerin. Dem heiligen Andreas entbieten wir unseren Dank für den von ihm verfassten Bußkanon, den wir ganz zu Beginn der Fastenzeit in vier Abschnitten gelesen haben und der für jeden orthodoxen Christen ein erlesenes Stück aus der geistlichen Schatztruhe des liturgischen Lebens unserer Kirche darstellt. Der heilige Andreas reiht sich somit ein mit den anderen großen Asketen, denen während der Großen Fastenzeit jedes Jahr liturgisch ein Denkmal gesetzt wird. Doch über allem steht bei uns der Dank an die Gottesgebärerin, die wir mehr als alle Heiligen verehren und Die sogar höher als die himmlischen Kräfte gestellt ist. Aber wofür konkret gebührt Ihr unser Dank? Hierzu einige Gedanken. Das Fasten stellt für uns das Bemühen dar, durch kontinuierliche Vertiefung in das geistliche Element im Glauben gestärkt zu werden. Doch trotz aller Beharrlichkeit stellen wir immer wieder fest, dass unser Glauben trotz aller guten Vorsätze schwach ist und wir Fleisch sind (vgl. Mt. 26:41), „das heißt: verkauft an die Sünde“. Selbst die größten Heiligen müssen fast schon resignierend eingestehen: „Ich begreife mein Handeln nicht: Ich tue nicht das, was ich will, sondern das, was ich hasse … Dann aber bin nicht mehr ich es, der so handelt, sondern die in mir wohnende Sünde … Das Wollen ist bei mir vorhanden, aber ich vermag das Gute nicht zu verwirklichen. Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, dann bin nicht mehr ich es, der so handelt, sondern die in mir wohnende Sünde. Ich stoße also auf das Gesetz, dass in mir das Böse vorhanden ist, obwohl ich das Gute will. Denn in meinem Innern freue ich mich am Gesetz Gottes, ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das mit dem Gesetz meiner Vernunft im Streit liegt und mich gefangenhält im Gesetz der Sünde, von dem meine Glieder beherrscht werden“ (Röm. 7:14-23). Und doch gibt es keinen Grund für uns zur Verzweiflung: Ein ägyptischer Wüstenvater wurde einst von seinen Jüngern in Bezug auf seine Demut auf die Probe gestellt. Von ihnen gefragt, ob er ein Heuchler, Lügner, Dieb, Unzüchtiger, Mörder etc. sei, bejahte er aufrichtig alle diese Dinge im vollen Bewusstsein seines inneren Zustandes des gefallenen Menschen, obwohl natürlich jeder wusste, dass er sich all dessen niemals durch Taten schuldig gemacht hatte. Doch dann gingen die Jünger aufs Ganze, fragten: „Abba, bist du ein Ketzer?!“ - Darauf der Heilige prompt: „Nein, das bin ich nicht! Denn das würde ja bedeuten, dass ich mich von meinem Herrn Jesus Christus, meinem Erlöser, Den ich liebe, losgesagt hätte. Das ist aber nicht der Fall“ (Sinngemäß wiedergegeben aus dem Gedächtnis). Heilige, die während ihres irdischen Lebens den Himmel gesehen (vgl. 2 Kor. 12:2-4), Tote auferweckt, Kranke geheilt und Dämonen ausgetrieben haben, sehen sich immerzu als Sünder. Alles, was solchen auserwählten Dienern Gottes an Drangsal widerfährt, nehmen sie mit Dankbarkeit als verdiente Züchtigung an, wissend, dass Gott niemals etwas zu unserem Verderben geschehen lässt. Selbst das dämonische Treiben ist Bestandteil des göttlichen Heilplans und der weisen Vorsehung des Höchsten. Und so versuchen uns die bösen Mächte nicht etwa dann, wann sie es wollen, sondern wenn es der Herr zu unserem Heil zulässt. Durch Gebet und Fasten als Gegenreaktion auf dämonisches Wirken (s. Mk. 9:29) können wir alle am Ende auch zum Tempel des Heiligen Geistes werden (s. 1 Kor. 6:19) und so das Böse überwinden. Aber wie viel Demut und Beharrlichkeit uns dafür abverlangt wird! Trotzdem gilt auch dann: „Die Sünde ist immerdar vor mir“ (Ps. 50:5). Auch Heilige sind Sünder vor Gott. Und dennoch hat es einen Menschen gegeben, welcher das Ideal der Unwirksamkeit der Sünde im eigenen Leib auf menschenmöglich vollkommene Weise erlangt hat. Die Jungfrau Maria war deshalb von Gott auserwählt worden, weil Sie als Einzige eine würdige Behausung darstellte, in der Gott zeitweilig wohnen und aus der Er die menschliche Natur annehmen konnte. So vollzog sich das große Geheimnis unseres Glaubens, nämlich, dass Gott Sich im Fleisch offenbarte (s. 1 Tim. 3:16). Dank der seelischen und körperlichen Reinheit der Theotokos konnte dieses Mysterium unserer Errettung verwirklicht werden. Sie ist das Idealbild des Synergismus des Heilsgeschehens, das aus dem Zusammenwirken zwischen dem Schöpfer und der Schöpfung besteht. Es gibt überhaupt keine Worte, mit denen wir Ihr unseren Dank ausdrücken können. Wir singen im Akathistos an die Mutter Gottes: „Selbst wenn wir Dir Dankesgebete zahlreicher als der Sand am Meer darbrächten, würden wir damit noch nichts Würdiges vollbringen“, d.h. etwas leisten, was der uns von der Mutter unseres Herrn zuteilgewordenen Gnade adäquat entsprechen würde. Aus gutem Grund sprechen wir zudem in einem unserer Abendgebete: „Du weißt doch, meine Gebieterin und Gottesgebärerin, dass ich sehr wohl meine bösen Werke hasse, und mit allen meinen Gedanken das Gesetz meines Gottes liebe, doch weiß ich nicht, o Hochreine Herrin, woher ich das, was ich hasse, liebe, das Gute jedoch missachte“. Richten wir also weiterhin unsere hoffnungsfrohen Blicke auf die Gottesgebärerin, Die uns auf unserem Weg zum großen Ziel eine alles vermögende Fürsprecherin vor dem Thron des Herrn ist. Amen.
Jahr:
2021
Orignalsprache:
Deutsch