Predigt zum Festtag der heiligen Märtyrerinnen Vera, Nadezhda, Liubov´ und ihrer Mutter Sophia (30.09.2020)

Liebe Brüder und Schwestern,

 

wer die von mir versandten Predigten regelmäßig liest oder im kirchlichen Leben mit mir zu tun hat, der weiß bestimmt, dass ich ein „Lieblingsthema“ habe: die „Gott-im-Herzen-Tragenden“. Gemeint sind solche, meist anständige und sympathische Menschen, die sich selbst als gläubig bezeichnen, aber so gut wie nie zur Kirche kommen und nach der Taufe partout nicht am liturgischen und vor allem mystischen (= sakramentalen) Leben der Kirche teilnehmen. Meistens argumentiere ich gegen diese Denkweise mithilfe biblischer Zitate, theologischer Disputation oder einfacher logischer Überlegungen („Kann sich ein an der Uni Immatrikulierter, der nie zu den Vorlesungen erscheint und keine Prüfungen ablegt, de facto als Student bezeichnen?“). Heute werde ich es durch das Hauptargument der Befürworter des „entkirchlichten Christentums“ versuchen zu tun, die behaupten, an Gott „im Herzen“ zu glauben. Aber ist Glaube gleich Glaube?!..

Wir leben in einer „aufgeklärten“ Gesellschaft – nicht nur im Abendland. Auch in den von der orthodoxen Tradition geprägten Ländern denken die nicht tief im Glaubensleben verwurzelten Menschen in Kategorien, die auf Aufklärung, Reformation und die inzwischen unaufhaltsam fortschreitende Säkularisierung zurückzuführen sind. Diese Denkweise hatte sich zunächst in der westlich geprägten Gesellschaftsordnung gegen den Widerstand der vormals allmächtigen Römischen Kirche durchgesetzt und erhebt in der globalisierten Welt nun unverhohlen den Alleingültigkeitsanspruch. Von diesem Denken beeinflusste Menschen meinen, in ihrem individualistischen Sinnieren frei zu sein, doch merken sie nicht, dass sie durch und durch von Denkmustern und Wertevorstellungen ihrer Zeit beeinflusst sind – moralisch, politisch, religiös. In dieses diffuse Geflecht von Liberalismus, Pluralismus und Toleranzdenken lässt sich jede religiöse Überzeugung komfortabel und bequem einbetten, solange sie keine moralisch-spirituellen Grundsätze höher stellt – sei es durch militantes Bekämpfen und radikales Ablehnen, sei es durch innere Hinwendung zu unvergleichlich Höherem und Erhabenerem. Diese stillschweigende Abgrenzung von nicht mehr auf christlichen Grundsätzen basierenden moralischen „Werten“ (im Unterschied zu der politischen und gesellschaftlichen Ordnung an sich – s. Röm. 13:1) ist ein Merkmal der Christen unserer Zeit, und ich wage sogar zu sagen – ein Merkmal des lebendigen Glaubens. Angepasster „Glaube“ in einer glaubensfeindlichen Gesellschaft ist Verrat am Glauben! Das wissen wir schon seit der Zeit der Urkirche. Christliche Märtyrer, die als Soldaten für ihre heidnischen Herrscher ihr Leben riskierten (hll. Georgios, Demetrios, Ioannikios, Menas, Merkurios, Johannes, Theodoros, Andreas Stratylates u.v.a.) weigerten sich, auch nur symbolisch den Götzen zu opfern. Die römischen Kaiser, die z.T. philosophisch gebildet waren (z.B. Marc Aurelius), glaubten ja selbst nicht wirklich an die Macht der Götzen, doch als Pontifex Maximus empfand der jeweilige Kaiser das obligatorische Götzenopfer als eine Art Treueschwur der Krieger gegenüber seiner Person. Umso härter traf es sie, wenn ausgerechnet die besten und treuesten ihrer Soldaten sich weigerten, diese Opfer darzubringen. Alle Überredungskünste, diese Opfer nur pro forma zu leisten, und Christus „im Herzen“ die Treue zu bewahren, blieben vergeblich. So erlitten diese Märtyrer Qualen und Tod für Christus.

Das wohl krasseste Beispiel sehen wir aber nicht in Kriegsknechten, die ja für den Kampf auf Leben und Tod gedrillt wurden, sondern in drei minderjährigen Schwestern und ihrer Mutter. Vera (14), Nadezhda (12) und Liubov´ (9) (lat. Fides. Spes, Caritas, griech. Pistis, Elpidis, Agapis, ins Deutsche übersetzt – Glaube. Liebe, Hoffnung) waren von edler Herkunft und seltener Schönheit. Sie sollten in der Hauptstadt des Reiches Günstlinge des Kaisers heiraten und ein Leben in Ansehen und Wohlstand genießen. Doch dafür mussten sie ihrem christlichem Glauben abschwören und den Götzen Opfer bringen. Ihre Mutter bestärkte sie jedoch darin, ihren Herrn unter keinen Umständen zu verleugnen (s. Mk. 8:38; Lk. 9:26). Sophia musste ansehen, wie ihre Töchter nacheinander unvorstellbare und unbeschreibliche Martern erduldeten, ihrem Herrn aber bis in den Tod die Treue hielten. Sie selbst übergab bald darauf ihre Seele dem Herrn, weil ihr Herz diesen Anblick nicht ertragen konnte... Das ist GLAUBE!!!

Der „aufgeklärte“ Christ würde heute aber sagen: „Wozu dieser Fanatismus? Diese Frau ist wahnsinnig gewesen. Sie hätte den Kindern sagen sollen, dass sie während des Götzenopfers ´Gott im Herzen` haben können – dann hätten sie statt der grausamen Folter und dem frühen Tod ein schönes Leben mit ihren angesehenen Ehemännern im Kreise ihrer Familien genießen können“… - Aber aus Sicht des Glaubens werden diese drei Schwestern und ihre Mutter als außerordentliche Heilige verehrt – und das zurecht! Kann man die Wahrheit des Glaubens an Christus denn eindrucksvoller bezeugen als dadurch, dass man bereit ist, das Teuerste, was man auf Erden hat, für Ihn hinzugeben?!.. Im Grunde ist jeder „Glaube“, welcher der Liebe Gottes etwas Irdisches vorzieht, kein Glaube an sich (s. Mt. 10:37-39). Aber wie erklärt man das heute einem „aufgeklärten“ Zeitgenossen?

Jedenfalls kann jeder von uns jetzt schon, und zwar von frühester Jugend an, Gott seine Liebe zeigen, indem er/sie jetzt damit beginnt, die richtigen Prioritäten zu setzen: Gottesdienst statt Disco, Kirche statt Stammkneipe, Athos statt Ballermann, Bibellektüre statt Hollywood, Heilige Väter statt Bestsellerautoren. Natürlich wird diese Umstellung anfangs schwerfallen, aber für den, der standhaft bleibt, ist ein späteres Bereuen ausgeschlossen. Amen.

Jahr:
2020
Orignalsprache:
Deutsch