Predigt zum Samstag der 1. Woche der Großen Fastenzeit (Theodor-Samstag) (Hebr 1,1-12; Mk 2,23-3,5; 2Tim 2,1-10; Joh 15,17-16,2) (08.03.2025) Beliebt
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amin.
Lieber Vater, liebe Gläubigen,
am letzten Herrentag, dem Sonntag des Vergebens, haben wir einander um Verzeihung gebeten. Am heutigen Theodor-Samstag, dem ersten Samstag der Großen Fastenzeit, gedenken wir des Kolyva-Wunders seitens des Hl. Großmartyrers Theodor des Rekruten. Dieser erschien dem Patriarchen Eudoxios und befahl, die Christen anzuweisen, Kolyven zuzubereiten – gekochte Weizenkörner als Symbol der künftigen Auferstehung zusammen mit Weinbeeren, Nüssen, Mandeln und Zucker, wie wir es bis heute kennen –, weil die Lebensmittel vom Markt insgeheim ungenießbar gemacht wurden, nämlich wurden sie aus Hass absichtlich mit Götzenopferblut besprenkelt.
Von einem solchen „Hass der Welt“ hörten wir im heutigen Martyrer-Evangelium. Andererseits hörten wir aber auch von dem Gebot der Liebe, denn der Herr spricht: „Dies gebiete ich euch, dass ihr einander liebet“ (Joh 15,17). Ebenso der Hl. Apostel Paulus: „Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; die größte aber von diesen ist die Liebe“ (1Kor 13,13); und diese drei müssen laut unserem Katechismus im Leben eines jeden Christen präsent sein. Grund genug, um sich heute einmal dem Thema der Liebe zu widmen.
Der Begriff „Liebe“ kommt in der Bibel etwa dreihundertmal vor (je nach Übersetzung). Das Wort, das im Grundtext des Neuen Testaments für „Liebe“ steht (ἀγάπη), kommt fast ausschließlich im Neuen Testament vor und war dem hellenistisch-römischen Heidentum bis dahin unbekannt, diese Liebe ist also etwas Neues. Es meint nicht „Neigung, Leidenschaft“, sondern vielmehr „Wille und innerer Drang zum Wohlmeinen und Wohltun bis zur selbstmitteilenden und selbstverleugnenden Hingabe“. Die ἀγάπη hat ihren Ursprung nicht in der Humanität, sondern „daran haben wir die Liebe erkannt, dass Er sein Leben für uns gelassen hat“ (1Joh 3,16), „nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass Er uns geliebt hat“ (1Joh 4,10).
In der Bibel werden verschiedene Arten von Liebe beschrieben: (1) Die Agape (ἀγάπη) steht für bedingungslose und selbstlose Liebe, oft wird damit die Liebe Gottes zu den Menschen beschrieben (z. B. Joh 3,16); (2) die Philia (φιλία) meint die freundschaftliche Zuneigung, bezeichnet also die Liebe zwischen Freunden (z. B. Joh 15,13); (3) der Eros (Ἔρως) handelt von der leidenschaftlichen Liebe (z. B. das Hohelied Salomos); (4) Storge (στοργή) beschreibt die natürliche Zuneigung, die in Familienbeziehungen vorkommt, z. B. die Liebe zwischen Eltern und ihren Kindern.
Die heiligen Väter sagen, dass die Liebe für die Seele der „Anfang des Heils und des Himmelreichs“ ist (Hl. Antonios der Große). Der Heilige Petros von Damaskos nennt sie „die wesentlichste aller Tugenden“ und schreibt: „Wer etwas über die Liebe sagen will, wagt es, über Gott zu sprechen, wie Johannes der Theologe sagt: ‚Die Liebe ist Gott; und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott‘ (1Joh 4,16)“. Gott also ist Liebe. Daher schreibt Paulus: „die größte aber von diesen ist die Liebe“ (s. o.). Und daher heißt es auch im Gesetz: „Und du sollst den Herrn, deinen Gott, aus deinem ganzen Denken und aus deiner ganzen Seele und aus deiner ganzen Kraft heraus lieben“ (Dtn 6,3).
Den Herrn „aus seiner ganzen Seele“ zu lieben bedeutet, dass die drei Kräfte der Seele (der Verstand, das Ungestüm, die Begehrlichkeit) ihre ganze Sehnsucht auf Gott richten, das heißt: (1) dass unser Verstand (Geist) nur noch an das Göttliche denkt, (2) dass wir nur noch Ihn begehren und (3) dass unsere Wildheit sich nur noch gegen alles wehrt, was dieser Liebesgemeinschaft mit Gott im Wege steht. Und wenn Gott dann sieht, dass unsere Seelenkräfte auf Ihn allein fokussiert sind, wir Ihn aus unserer ganzen Seele lieben, „dann liebt auch Er, da Er gut ist, einen solchen Menschen nicht nur, sondern er wird in ihm auch wohnen und in ihm wandeln“ (Hl. Petros von Damaskos).
Und wenn dann „jemand beginnt, die Liebe Gottes reichlich zu erfahren, dann fängt er an, in der Erfahrung des Geistes auch den Nächsten zu lieben“ (Hl. Diadochos von Photike). „Wer aber seinen Nächsten haßt, der bürdet sich offensichtlich durch die Trennung von der Liebe den Haß auf. Wer also den haßt, der ihm (als Mensch) verwandt ist, befindet sich in der Entzweiung mit Gott. Denn Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm“ (Hl. Johannes Karpathios).
Wenn wir also im Zwist miteinander leben, hadern oder gar hassen, dann müssen wir zumindest versuchen zu vergeben. Wir sollen nicht vergessen, aber vergeben, denn die Gerechtigkeit ist nicht bei den Menschen zu finden, sondern allein bei Gott. Auch müssen wir uns selbst verzeihen können. Wir sind nicht unfehlbar, wir sind nicht perfekt, wir sind nicht allwissend. „Es gibt keine Sünde, die nicht vergeben werden könnte, außer jener, die man nicht bereut“ (Hl. Isaak der Syrer).
Und wenn uns jemand um Verzeihung bittet und wir uns zwingen können zu sagen „Gott verzeiht und ich verzeihe“, dann ist unser Groll schon so gut wie zunichte gemacht. Schaffen wir es nicht zu verzeihen, trennen wir uns von Gott. Die Entscheidung liegt gänzlich und allein bei uns, denn der Mensch hat seinen freien Willen und kann sich in manchen Situationen für das Gute und gegen das Böse entscheiden. Damit uns unsere Willensfreiheit jedoch nicht zum Verhängnis, sondern heilsam wird, bedürfen wir der Göttlichen Gnade und der Kraft des Heiligen Geistes.
So ermahnt uns Paulus in der heutigen Epistel auch: „sei nun stark, mein Sohn, durch die Gnade in Christus Jesus“ (2Tim 2,1), denn diese Stärke Christi haben wir bitter nötig. Die Trübsale des Lebens sind normal, zweifelt deshalb nicht an der Liebe Gottes. Er vergisst uns nicht, sondern will uns erretten. Er wünscht sich nicht den Tod des Sünders, sondern dass einer umkehrt und lebt (vgl. Ez 33,11). Aber wahre Umkehr (Metanoia) kostet Kraft und Energie und ist nur mit der Hilfe Gottes möglich. Vertrauen wir Ihm, unserem himmlischen Vater, dass er uns nie verlässt. Übergeben wir unsere Sorgen Ihm, unserem Schöpfer, und beten wir täglich nicht nur für uns, sondern auch für unsere Familie und Freunde, die Kranken und Hilfsbedürftigen. Beten wir aus tiefstem Herzen, ein Gebet, das Ihn, den Barmherzigen, bewegt.
Paulus schreibt zudem: „Leide mit als ein guter Streiter Christi Jesu“ (2Tim 2,3). Seien wir ehrlich zu uns selbst, denn Gott sieht auch im Verborgenen. Er kennt unsere Herzen. Er weiß, was wir bedürfen und wird uns geben. Welcher Vater gibt seinem Sohn einen Stein, wenn dieser ihn um Brot bittet (vgl. Mt 7,9)? Wir können Ihm vertrauen, Er lässt uns nicht im Stich. Wir sind nicht alleine, wie die Israeliten selbst in der Wüste nicht alleine waren. Aber murren wir auch nicht, wenn es schwierig oder eng wird im Leben. Das Leben ist voller Herausforderungen. Mit Seiner Hilfe aber können wir alles schaffen.
Weiter schreibt Paulus: „Halt im Gedächtnis Jesus Christus, der auferstanden ist von den Toten“ (2Tim 2,8). Lasst uns den Herrn im Verstande behalten, immer an Ihn denken, unser ganzes Denken auf Ihn ausrichten. „Lasst uns jetzt ablegen alle Sorgen dieser Welt, um zu empfangen den König des Alls, den unsichtbar geleiten die Scharen der Engel“, wie wir es gleich im Hymnus der Cherubim hören werden, und „Lasst uns einander lieben, damit wir einmütig bekennen: Den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist“ (wie wir vor dem Friedenskuss aufgefordert werden).
Ehre sei Dir, o Gott, für alles! Amin.