Belehrung zum Tag der Geburt Christi
Tag spricht dem Tage das Wort aus, und Nacht verkündet der Nacht die Erkenntnis. Nicht sind Reden noch Worte, und nicht sind hörbar ihre Stimmen.
(Ps. 18, 3)
Der Evangelist Lukas sagt, daß die Heilige und Allerreinste Jungfrau Maria im sechsten Monat nachdem Elisabeth den Hl. Vorläufer im Schoße empfangen hatte, die Verkündigung von dem Erzengel Gabriel empfing und zu Ihrer Verwandten, der Hl. Elisabeth, kam und sie begrüßte. Und da wurde das Kind im Schoße der Elisabeth sofort lebendig und bewegte sich, und sie begann durch den Heiligen Geist zu prophezeien, indem sie mit David sprach: Woher kommt mir das, daß die Mutter meines Herren zu mir kommt? Siehe... Vor Freude hüpfte das Kind in meinem Leibe (Lk. 1, 43-44). Erbarmen und Wahrheit begegneten sich, Gerechtigkeit und Friede küßten sich. Wahrheit sproßte aus der Erde, und Gerechtigkeit blickte vom Himmel (Ps. 84, 11-12). Das Erbarmen war der Vorläufer, da er der Prediger des Erbarmens war und, während er sich noch im Mutterschoß befand, seinen Herrn erkannte. Denn er sproßte aus der Erde, da er von seinem Vater Zaccharias gesät war, aber geboren von seiner Mutter Elisabeth. Die Gerechtigkeit aber ist Christus unser Gott: Er wurde geboren aus der Allerreinsten Jungfrau gemäß der Verkündigung, als Anfangloser vom Anfanglosen Vater, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott; Er wurde geboren nach dem Fleische, aber nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater und dem Heiligen Geist vor allen Zeiten.
Einige Juden aber sagen, der Herr habe angeblich zu Seiner Weisheit gesprochen: laßt Uns den Menschen schaffen nach Unserem Abbild und Ebenbild (Gen. 1, 26). Es ist schon klar, daß sie sich selbst und ihren Unglauben anklagen, da auch Salomon sprach: die Weisheit schuf sich ein Haus (Spr. 9, 1). Unter Weisheit versteht er den Sohn Gottes, unter dem heiligen Tempel, aber, die allerreinste, mackellose und untadelige Jungfrau und Gottesgebärerin Maria. Wenn also der Sohn Gottes nicht die Weisheit Gottes wäre, so hätte Er nicht Fleisch angenommen. Daher geziemt es nicht, die Gottheit von der Menschheit, und die Menschheit von der Gottheit zu trennen. Wenn aber die Juden und Häretiker diese trennen, so folgt für sie bald das Ende ihres Untergangs. Wir aber predigen so wie wir glauben. Da die Allerreinste Jungfrau keine Fleischeslust kannte, Ihm jedoch den körperlichen Bestand mitteilte, wurde Er aus der Natur der Mutter und des Herrn empfangen; Er war wahrer Gott und bekleidete Sich mit dem Fleische und ward wahrer Mensch. Und da in Ihm sowohl menschliche Schwäche als auch die Größe der Gottheit vorhanden sind, so schuf Er mit dem Wort das, was Ihm eigen ist, erfüllte aber mit dem Körper, was dem Körper eigen ist; durch das Wort vollbrachte Er Wunder, im Körper aber nahm Er die Schmähung der Juden an. Eben dafür wurde Gott Mensch. Denn wie das Wort nicht der Ehre der Gleichheit mit dem Vater verlustig ging, so entfernte sich auch der Körper nicht von der Natur unseres Geschlechts: Er allein ist der wahre Sohn der Jungfrau; Er nahm den Körper von der Jungfrau an und trug in ihm göttliche Kraft. Also ist hieraus offenkundig, daß Er Gott ist denn am Anfang war das Wort (Joh. 1, 1). Denn die Engel wußten nicht um die Barmherzigkeit des Herrn, welche Er vollbringen wollte, indem Er Fleisch annehmen und aus der Jungfrau geboren werden wollte. Als aber unser Herr Jesus Christus, der Sohn Gottes, aus unserer Allerreinsten Gebieterin, der Gottesgebärerin und Immerjungfrau Maria geboren wurde, - denn es gefiel Ihm aus dem Geschlecht Abrahams geboren zu werden von der Tochter Joachims und Annas, aus dem Geschlecht Juda, - deshalb verwunderten sich im Moment der fleischlichen Geburt unseres Herrn Jesus Christus die Engel und riefen freudig einander zu: Oh, Barmherzigkeit! Wie wurde Er ohne Vater im Fleische geboren, da Er doch früher ewig war ohne Mutter mit dem wesenseinen Vater? Und anfanglos vom Vater geboren seiend als vollkommener Gott, unbeeinträgtigt in sich die Eigenschaft der väterlichen Natur tragend erscheint Er wiederum aus der Jungfrau als vollkommener Mensch, da Er nach der Barmherzigkeit das menschliche Wesen völlig aufgenommen hat”. Zu der Jungfrau aber sagten die Engel wiederum: “Wie verherrlichen wir Dich, Gottesgebärerin, oder wie preisen wir Dich angemessen, da Du, Jungfrau seiend, gebahrst als Mutter, und nach der Geburt die Jungfräulichkeit nicht zerstörtest und die Reinheit nicht beflecktest, sondern Jungfrau bleibst, Du Allbesungene? Wer kann, - sagten sie, - das Wunder dieses Mysteriums aussprechen? Doch bringen wir den Lobpreis auf Den dar, Der Adam erneuerte”. So sprachen sie in großer Freude verwundert, indem sie lobpriesen: Ehre sei Gott in der Höhe und auf der Erde Frieden und den Menschen Wohlgefallen (Lk. 2,14).
Dem Geschlecht Abrahams entstammte also die Allerreinste Jungfrau, die Tochter Joachims, in welcher das Wort Gottes Wohnung nahm, und das Wort ward Fleisch (Joh. 1,14). Sie ist der Schößling vom Geschlecht Juda (Gen. 49,9), die Tochter Joachims und Annas, heilig, rein, edel, untadelig und makellos. Als bei Ihr noch nicht das zutage trat, was Frauen eigen ist, empfing Sie vom Heiligen Geist und gebar den Schöpfer der Kreatur und blieb dann nach der Geburt Jungfrau. Obwohl unser Herr Jesus Christus aus dem Geschlecht Abrahams geboren zu werden geruhte, von der Tochter Joachims, werden doch nicht alle irdischen Geschlechter durch Abraham gesegnet, sondern durch Gott, Der Himmel und Erde geschaffen. Denn das ist kein Glaube, wenn jemand an Abraham glaubte; auch Abraham selbst bedurfte des Segens durch den Namen Jesu, da die Allerreinste Jungfrau, von der unser Herr geboren wurde, nur aus dem Geschlecht Juda hervorging. Durch Ihn aber empfingen die Völker den Segen und die Taufe in Seinem Namen. Unser Herr also, Jesus Christus, nahm Fleisch an vom Heiligen Geist und zog ein in den Leib der Jungfrau Maria, um das verführte Menschengeschlecht zu retten. Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns (Joh. 1,14). Diese Frucht ist so zu verstehen, daß Dieser Schößling den wahren Gott und wahren Menschen gebar, denn Er, Der zwei Naturen besitzt, kleidete die Gottheit in die Menschheit. Deshalb war Sein Weg vielen nicht verständlich, als Jesus Christus, unser Gott, aus dem Stamme Jakobs hervorging, von der Allerreinsten Jungfrau in Bethlehem in Judäa geboren wurde, in den Tagen des Königs Herodes. Denn Er - steht geschrieben - will das Ferne mit dem Nahen verbinden (Eph. 2,17).
Amen.