Hl. Neomärtyrer und Bekenner Rußlands Hl. Agafangel, Metropolit v. Jaroslav u. Rostov

Im Oktober 1928 starb in Jaroslavl der Hochgeweihte Agafangel, Metropolit von Jaroslavl und Rostov.
Vladyka Agafangel, in der Welt Alexander Lavrentjeviç Preobraœenskij, der aus dem Gouvernement von Tulsk stammte, wurde am 24. September 1854 geboren. Nach Beendigung des Geistlichen Seminars trat er in die Moskauer Geistliche Akademie ein, die er mit dem Gelehrtengrad eines Doktors der Theologie beendete; darauf trat er den geistlichen Lehramtsdienst an.
Er wurde Lehrer und Gehilfe des Aufsehers der Geistlichen Lehranstalt und nach Annahme des Mönchstandes Inspektor und Rektor des Geistlichen Seminars. Am 10. September 1889 wurde er zum Rang eines Vikarbischofs geweiht; 4 Jahre danach wurde er zum Diözesan-Erzbischof von Tobolsk ernannt und hatte in der Folge im Rang eines Erzbischofs die Bischofsstühle von Riga, Litauen und Jaroslavl inne. Auf dem Konzil von 1918 wurde ihm der Titel eines Metropoliten verliehen.
Der verstorbene Metropolit zeichnete sich durch einen weichen Charakter, ein zartfühlendes Herz, Sanftmut und Weisheit in der Verwaltung aus. An allen Orten seines Wirkens wurde Vladyka von seiner Herde geliebt.
Viel leistete er auch für den Aufbau der Mission und die geistliche Aufklärung. Er nahm lebhaften Anteil an den Arbeiten der Heiligsten Synode der Allrussischen Kirche in den Jahren 1917/18.
Patriach Tichon, der sich 1922 in einer außerordentlich schwierigen Lage hinsichtlich der weiteren kontinuierlichen kirchlichen Verwaltung befand, übergab ihre Leitung an Metropolit Agafangel laut nachstehender Urkunde: “Infolge der außerordentlichen Erschwerung in der kirchlichen Verwaltung, die dadurch entstanden ist, daß ich vor ein Zivilgericht gestellt wurde, dünkt es mir nützlich, zum Wohl der Kirche bis zur Einberufung eines Konzils Ihre Eminenz an die Spitze der kirchlichen Verwaltung zu stellen” (3/16. Mai 1922).
Zuerst verurteilte er in seiner Botschaft streng die neu entstandene “Lebendige Kirche” als eine Pseudokirche, die Anspruch auf eine ungehörige Überarbeitung der heiligen Dogmen und Kanones der Kirche stellt.
Er war der zweite Stellvertreter des Heiligsten Patriarch Tichon, aber zur gegebenen Zeit ließen ihn die Bolschewiken zur Ausübung dieser Funktion gar nicht zu.
Sie erlaubten Metropolit Agafangel nicht, Jaroslavl zu verlassen; bald darauf wurde er zur Zwangsarbeit (tatsächlich nicht selten zur Zuchthausarbeit) verurteilt und in die Verbannung geschickt. Nach Mitteilung ausländischer Zeitungen wurde der alternde Hierarch gezwungen, einen Teil des Weges in klirrendem Frost  zu Fuß zurückzulegen.
Der Stellvertreter von Patriarch Tichon, Metropolit Agafangel  befand sich in der Verbannung im Gebiet von Narym, in einem 200 Werst von der Ortschaft Kopy‚ev entfernten, entlegenen Dorf. Nach der Festnahme in Jaroslavl befand sich der Metropolit von August bis zum 28. Dezember im Lubjanka-Gefängnis der GPU in Erwartung einer gerichtlichen Untersuchung und eines Prozesses, aber bevor es so weit kam, wurde er auf Anordnung der GPU nach Narym gesandt und unter Aufsicht der örtlichen Tscheka gestellt. Es ist erwähnenswert, daß während der Anwesenheit von Metropolit Agafangel in Jaroslavl kurz vor seiner Gefangennahme bei ihm eine Deputation der “Lebendigen Kirche” erschien, die ihm seine Unterstützung versprach und die Erhaltung des Metropolitentitels, falls er die Dogmen der “Lebendigen Kirche” anerkenne und teilnehme an ihrer Arbeit. Der Metropolit lehnte ab, und bald darauf wurde er verhaftet. Die Vikarbischöfe der Diözese von Jaroslavl wurden sogleich nach dem Metropoliten arrestiert und ohne Gerichtsverhandlung auf Befehl von Moskau verbannt. Im Exil war es dem Metropoliten verboten, zu zelebrieren. Der verbannte Metropolit war damals etwa 70 Jahre alt; er ertrug geduldig alle Entbehrungen und ernährte sich von der monatlichen Hunger-Ration, die ihm auch nicht immer ordnungsgemäß von dem örtlichen Sowjet ausgehändigt wurde. Bevor er den Ort der Verbannung erreichte, mußte der alternde Metropolit viele Qualen auf dem Weg erdulden, da die Bolschewiken - offenbar mit dem Ziel ihn zu verhöhnen - ihn zwangen, etappenweise in die Verbannung zu ziehen, indem sie ihn zusammen mit Verbrechergruppen aus dem Gefängnis einer Stadt ins Gefängnis der nächsten Stadt schickten. Nach einiger Zeit wurde Metropolit Agafangel befreit und kehrte zu seiner Kathedra zurück.
In der Annahme, daß Metropolit Sergij die Rechte des Stellvertreters des Patriarchatsverwesers nicht  richtig wahrnehme, erklärte Metropolit Agafangel sich 1926 entsprechend einem brieflichem Erlaß des Heiligsten Patriarchen und einer Resolution des Patriarchatsverwesers, des hochgeweihten Metropoliten Pjotr, zu dessen Stellvertreter, aber dann verzichtete er um des kirchlichen Friedens willen auf seine Rechte. Als Metropolit Sergij seine schreckliche Deklaration abgab, lehnte er sie kategorisch ab und wollte nichts mit ihr zu tun haben.
Im Januar 1928 erfolgte die Abtrennung des Kirchenbezirks von Jaroslavl, und nach dieser Trennung wurde Erzbischof Serafim von Ugliç in die Umgebung von Mogilev  gesandt, und Metropolit Iosif in das Modenskij Kloster des Gouvernment von Novgorod. Metropolit Agafangel wurde es verboten, die Stadt Jaroslavl zu verlassen. Bischof Evgenij von Rostov wurde verhaftet, und für den ganzen Kirchenbezirk von Jaroslavl blieb nur Bischof Varlaam übrig, der sich bei dem kranken Metropoliten Agafangel aufhielt.
Die Einwohner von Jaroslavl bildeten kein neues Kirchenzentrum, sondern sie überließen es jedem Bischof, auf eigene Gefahr und nach eigenem Gewissen zu handeln. Metropolit Sergij, der den Kanon 15 des Quinisextum Konzils vorschützte,  befand sich nicht  in der Lage eines Angeklagten, sondern eines Richters, während Metropolit Agafangel seiner wahren Helfer beraubt wurde und ohne jegliche Unterstützung zurückblieb. Metropolit Sergij sandte Deputationen - Metropolit Serafim von Tver und Erzbischof Sylvester von Vologda - zu Metropolit Agafangel, die jedoch keinen Erfolg hatten. Danach wurde Juvenalij, der frühere Erzbischof von Kursk und dann von Rjazan, gesandt, der aus Solovki kam und ein ständiges Mitglied des Synods von Metropolit Sergij war. Nach ihm fuhr Bischof German (Bischof von Vjaznikov) hin, der aus der Verbannung angereist  kam. Aber alle diese Deputationen blieben ohne Erfolg. Obwohl Metropolit Agafangel aller Unterstützung beraubt war, gab er nicht nach; er willigte nur ein, die Erklärung abzugeben, daß “wir kein Schisma verursachen, daß wir prinzipiell die Vollmacht des Verwesers nicht leugnen, daß wir dem Verweser niemand abspenstig machen, aber wir haben bisher keinerlei  seiner Anordnungen ausgeführt, die uns und dem Volksgewissen entgegen stehen und werden sie auch weiterhin nicht ausführen”. Dieser Erklärung stimmten auch seine Vikarbischöfe bei, und zwar hauptsächlich, um die Einheit mit ihrem Metropoliten - dem Engel der Kirche von Jaroslavl - zu wahren und den Mund ihrer Feinde zu stopfen, den Gefolgsleuten von Metropolit Sergij, und den Mund ihrer Brüder, die ihren Eifer für den Ruhm Gottes, die Freiheit und das Wohl der Kirche nicht verstanden. Diese Erklärung vom 10. Mai 1928 nahm Metropolit Sergij den Anlaß weg, ein - ohnehin nicht ordnungsgemäßes - Zelebrierverbot aufzuerlegen. Der Preis für dieses Verbot war folgender: Erzbischof Serafim von Ugliç wurde gleichzeitig mit dem Interdikt der weiße Metropolitenklobuk und eine Eparchie seiner Wahl angeboten, wenn er nur die Ernennung durch Metropolit Sergij und seinem Synod annimmt. Er antwortete jedoch, daß er es vorziehe, für die Kirche zu leiden.
Als Metropolit Agafangel starb, sangen ihm tatsächlich die Mitglieder des Synods von Sergij die Seelenmesse, da Metropolit Sergij den Anschein wecken wolle, als habe sich  Metropolit Agafangel mit ihm versöhnt, und Hierarchen, die Metropolit Sergij nicht anerkannten, wurden von der Sowjetmacht in Jaroslavl  zur Seelenmesse von Metropolit Agafangel nicht zugelassen.
Die Rigaer Zeitung “Heute” teilt Einzelheiten über das Begräbnis des verstorbenen Höchstgeweihten Metropoliten Agafangel mit: sie fand am 21. Oktober statt, und nicht am 20., wie ursprünglich beschlossen war. Der 20. Oktober fiel nämlich auf einen Samstag. Die Arbeiter des Jaroslavler Industriegebietes wandten sich an die örtliche Sowjetmacht mit der Bitte, daß ihnen gestattet würde, die Beerdigung am folgenden Tag, den 21. Oktober durchzuführen, da dann alle Arbeiter wegen des Sonntags frei sind und an den Feierlichkeiten teilnehmen könnten. Der Bitte der Arbeiter wurde stattgegeben, und die Beerdigung fand am 21. Oktober statt.
Die Seelenmesse für Metropolit Agafangel wurde in der Nikita-Kirche von Jaroslavl zelebriert, in der Nähe welcher der verstorbene Hierarch nach seiner Rückkehr aus der Verbannung den Gottesdienst wiederaufgenommen hatte.
Unter dieser Nikita-Kirche wurde Vladyka Agafangel begraben in Anwesenheit einer großen Menge von örtlichen Arbeitern, die während der Beerdigung die Ordnung in der ganzen Stadt aufrechterhielten. Zum Begräbnis des Metropoliten kam die gesamte Bevölkerung aus der Stadt und aus der Umgebung.
Nach der Kirchensatzung hätte Metropolit Agafangel unter den Mauern der Kathedrale von Jaroslavl begraben werden müssen. Aber angesichts dessen, daß die Kathedrale seit einiger Zeit von den Erneuerern besetzt worden war, die dem verstorbenen Metropoliten die Möglichkeit genommen hatten, dort zu zelebrieren, war  er genötigt gewesen, kirchliche Amtshandlungen in Häusern von Jaroslavler Gemeindegliedern vorzunehmen, und daher wurde er auch nicht unter dem Dach der Kathedrale begraben.
Am Morgen des Beerdigungstages wurden in allen Jaroslavler Kirchen Gottesdienste für die Ruhe des Verstorbenen vollzogen. Nach ihrer Beendigung bewegten sich Prozessionen, an denen eine gewaltige Volksmenge teilnahm, zur Nikita-Kirche.
In dieser Kirche, wie auch am Grab des verschiedenen Metropoliten wurden 40 Tage lang täglich bischöfliche Gottesdienste und Panichiden vollzogen, zu denen unentwegt viele Bürger der Stadt und der Umgebung herbeiströmten.