Die Union von Brest und die Wunden der Russischen Kirche in unseren Tagen
Das Problem der Union bestand auch in früheren Zeiten. Die Tiefendimension der Frage sind theologische, dogmatisch-ekklesiologische Unterschiede zwischen der Orthodoxie und der Römisch-Katholischen Kirche, die Möglichkeit oder die Unmöglichkeit ihrer grundlegenden Bewältigung auf diesem oder jenem Weg. Aber ihre Aufdeckung soll nicht das Thema dieses Artikels sein. Ohne diese Tiefendimension zu vergessen, werden wir uns hier nur mit der kirchlich-politischen Seite des Problems befassen.
Die Union von Brest
Zwei Ereignisse in der Geschichte der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) sind kennzeichnend für das Ende des 16. Jh. Das erste Ereignis ist ein freudiges - die Einführung des Patriarchenamts in Rußland im Jahre 1589. Das zweite ist ein schmerzhaftes. Es ist die sogenannte Union von Brest-Litovsk aus dem Jahre 1596, d.h. die "Wiedervereinigung" der westlichen Diözesen der Rus' mit dem katholischen Rom. Durch das erste geht die 150-jährige Periode der kanonisch unklaren Beziehungen zwischen Moskau und Konstantinopel zu Ende. Durch das zweite entstehen kirchliche Wirren, wird eine Zwiespältigkeit in das religiöse Leben des Teils der russisch-orthodoxen Diözesen hineingetragen, die im damaligen Polen-Litauen lagen. Eine Spaltung des Volkes war die Folge.
Rom hatte erkannt, daß eine Vereinigung gemäß den von ihm selbst erwünschten Bedingungen mit der gesamten ROK - und gerade diese Perspektive zog den Gesandten des Papstes, den Jesuiten Antonio Possevino nach Moskau - nicht realistisch war, und es beschloß wenigstens einen Teil der "Schismatiker" zu "bekehren". Aber bei der Durchführung dieses partiellen Experiments, hatte es dennoch die gesamte orthodoxe Russische Kirche im Auge, die zu jener Zeit zum Bollwerk der Orthodoxie geworden war.
Die Union entstand im damaligen polnisch-litauischen Staat nicht von ungefähr. Die Idee wurde schon früher geschätzt. Die Jesuiten und der polnische König hatten bewußt und geschickt auf sie hingearbeitet. Wegbereitung dahin war die Schaffung einer orthodoxen Hierarchie die dem Geiste des lateinischen Klerikalismus entsprach, der der polnischen Krone genehm war. Das Recht auf Ernennung der Bischöfe durch den König, unter denen deshalb auch Personen waren, die mit dem Priestertum und sogar mit der Orthodoxie nichts gemeinsam hatten, diente der zielstrebigen Zersetzung des Geistes orthodoxer Katholizität1. Darüber hinaus gehörte zur Kompetenz des Königs auch die Ernennung seiner eigenen Kuratoren für die Diözesen, die für das orthodoxe Volk zu lokalen Despoten wurden.
Alles dies führte dazu, daß 1596 eine Kirche des zweifelhaften Kompromisses entstand, die der Unierten, die weder Katholiken noch Orthodoxe waren, oder vielleicht nach Meinung des Papstes, der Jesuiten und der unierten Hierarchen - nahezu Katholiken, nach Meinung der durch das gewohnte Äußere des Ritus getäuschten Laien aber - dennoch Orthodoxe? Sie bezeichneten sich ja als "griechisch-katholisch" oder als "Katholiken des östlichen Ritus"? Zugleich blieben die Unierten (wie die Orthodoxen) für die polnischen Katholiken bis in das 20. Jh. hinein Menschen der "chlopska wiara" (des Bauernglaubens), d.h. des Glaubens "zweiter Klasse". Für die Orthodoxen jedoch waren sie vom Glauben der Väter abtrünnig geworden.
Hatte die Union ihr Ziel erreicht? Was Rom betrifft, wahrscheinlich - ja: Erstmals erstreckte sich die Macht des Papstes real auf orthodoxe Diözesen, war nicht etwa nur von einigen Bischöfen auf dem Papier anerkannt worden, wie es bei den Unionen von Lyon (1274) und Florenz (1439) gewesen war.
Was aber hatten die Orthodoxen, die jetzt zu Unierten geworden waren, gewonnen? Die Bischöfe, die im Gegensatz zum orthodoxen Volk die Union initiiert und durchgesetzt hatten, erhielten Ehren, königliche Protektion und Güter. Um all das waren sie mehr besorgt als um die Kirche und die Fragen des Glaubens. Folgender Briefauszug zeigt, womit Bischof Kyrill Terleckij seinen Amtsbruder und künftigen Gesinnungsgenossen Ignatij Pocej - beide waren später eifrige Verfechter der Union - zu diesem Schritt motiviert: "Sieh doch selbst, welche Unfreiheit! Wenn wir dagegen uns dem römischen Papst unterstellen, dann werden wir nicht nur bis zum Lebensende unsere Bischofssitze bewahren, sondern auch auf der Senatorenbank zusammen mit den römischen Bischöfen sitzen, und die weggenommenen kirchlichen Güter werden wir leichter zurückholen" (s. Bibliographie am Ende des Artikels: 1., S. 12). Dieselben Sorgen und nicht Fragen des Glaubens findet man in der Korrespondenz der Bischöfe mit dem König bei der geheimen Vorbereitung der Union und danach (2., S. 636).
Zwei dieser Bischöfe - wieder Terleckij und Pocej - unterschrieben auch im Namen der anderen vier Bischöfe von Polen-Litauen bei einer geheimen, vor dem orthodoxen Volk verborgenen Mission in Rom die Union. Danach luden der König, das katholische Episkopat und die abtrünnigen Bischöfe zu einem "Konzil", das lediglich den Bericht Terleckijs und Pocejs über ihre Romreise absegnen sollte. Die Orthodoxen, die die vom König noch vor dem "Konzil" verkündete Union nicht akzeptierten, versammelten sich zu einem parallelen Konzil, das in einem Privathaus abgehalten werden mußte, weil Pocej alle orthodoxen Kirchen Brests schließen ließ. Das orthodoxe Konzil wurde von Nikephoros, dem rechtmäßigen Exarch des Patriarchen von Konstantinopel geleitet.
Wenn die Hierarchen, die in die Union eintraten, die Orthodoxie und die ihnen anvertrauten Gläubigen deshalb verrieten, weil für sie das äußere Wohlergehen an erster Stelle stand, - wie soll man dann nicht an die Versuchung in der Wüste denken, bei der der Teufel dem Erlöser alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit zu geben versprach, "wenn Du niederfallen und mich anbeten willst" (Mt 4, 8-9). Eine ständige Versuchung ist es nun einmal für uns Menschen, daß wir das irdische Wohlergehen, und sei es die sichtbare Wohlordnung der Kirche, höher schätzen als die innersten Grundlagen des Heiligen Glaubens.
Das sind keine leichthingesagten Beschuldigungen; nicht von ungefähr spricht ja der Kirchenhistoriker Karta‚ev von der "widerlichen Unmoral, die bei den orthodoxen Bischöfen herrschte" und zieht den Schluß: "Die Union wuchs auf dem Boden des moralischen Falls der russischen Hierarchie, die durch das Patronatssystem der negativen Selektion dekadent geworden war". Zwiste führten zeitweise sogar zu bewaffneten Auseinandersetzungen solcher "Kämpfer um materielle Interessen" (2., S. 614f). Noch vor der Union versuchte daher das Kirchenvolk mit dem Segen des Patriarchen von Konstantinopel Jeremias durch die "Bruderschaften" sein Episkopat zu bändigen, die Orthodoxie vor der moralisch schwach gewordenen Hierarchie zu schützen. "Das ist keineswegs eine Absage an die Kanonizität, - unterstreicht Karta‚ev, - sondern ein Mittel ihrer Wiederherstellung, denn das vorübergehende Hervortreten der Stimme der Laien im idealen Chor der Katholizität (=Sobornost'=Konziliarität) setzt ja die notwendige Besserung der Hierarchie selbst voraus" (2., S. 614f).
Nicht zufällig wurden nach der Union gerade die orthodoxen Bruderschaften zum Träger echter orthodoxer Kultur.
Was hatten nun die Orthodoxen, die den Verlockungen der Union widerstanden, von dem Ganzen? Sie gerieten in die Lage der offiziellen Rechtlosigkeit. Ihre Verfolgung wurde offen und unter dem Schutz der Gesetze betrieben. Außerhalb des Gesetzes standen nun auch die Bischöfe Gedeon von L'vov und Michail von Peremy‚l', die an dem orthodoxen Konzil von Brest, das die Union verwarf, teilgenommen hatten und der Orthodoxie treu geblieben waren. Der Exarch Nikephoros starb im Gefängnis.
Die weitere Geschichte der Orthodoxen in diesem Land ist eine Geschichte von Entbehrungen und Glaubensverfolgungen,Tränen und Schmähungen, Schändungen der Heiligtümer und gewaltsam-"gesetzlicher" Übergaben orthodoxer Gotteshäuser und Klöster mit ihrem Besitz an die Unierten, sowie der Beschränkung der Bürgerrechte für Orthodoxe. In diesem ungleichen Kampf wechselten viele Schwache zu den Unierten, viele aber begannen, die unierten Kirchen nur deshalb zu besuchen, weil es in der Stadt keine orthodoxen Gotteshäuser mehr gab. Es war den Orthodoxen sogar verboten, sich in Laubhütten zum Gebet zu versammeln. Zum Jahre 1702 gab es in Polen keine einzige orthodoxe Diözese mehr, dagegen neun unierte. Der aufreibende Kampf der Orthodoxen ums Überleben nimmt erst Ende des 18. Jh. ein Ende, während er in einigen Gegenden nur unterbrochen wird, nach der für Polen tragischen dreimaligen Teilung (1772, 1793, 1795). Damals wurden alle westrussischen Gebiete, mit Ausnahme Galiziens dem russischen Imperium eingegliedert. Innerhalb der zwei Jahre 1794-1796 kehrten nahezu alle Unierten, die es noch in der Metropolie von Kiev gab, sowie die von Podolien und die Mehrzahl von Wolhynien und Weißrußland in die Orthodoxie zurück. Das waren Millionen. "Es gibt keine Hinweise auf etwaige Gewaltanwendung seitens der russischen Regierung und auch die römische Kurie reichte keinen Protest an die russische Regierung ein" (3., S. 172).
Unter den Unierten gab es natürlich auch damals erbitterte Gegner der Wiedervereinigung mit der Orthodoxie, z.B. der Mönchsorden der Basilianer (etwa 170 an der Zahl). Auch in der weißrussischen Diözese gab es Widerstand. Für die Mehrheit des gläubigen Volkes jedoch war die Union eben nur die einzige in Polen staatlich zugelassene quasi-orthodoxe Form der Religionsausübung.. Wichtig zu vermerken ist (besonders angesichts der späteren Mißgriffe bei der Liquidierung der Brester Union) die Rücksichtnahme der Bischöfe Iosif Sema‚ko und Vasilij Luœinskij auf die religiösen Gefühle ihrer Gläubigen. Diese gewährleistete in vieler Hinsicht die allmähliche, friedliche Rückkehr der Unierten in die Orthodoxie. Mit Erfolg widersetzten sich diese Bischöfe in den 30-er Jahren des 19. Jh. der Anwendung von Zwangsmaßnahmen.
Im Jahre 1839 hörte die Union von Brest in Weißrußland zu existieren auf. Auf dem Konzil der unierten Bischöfe in Polock wurde eine Urkunde über die Wiedervereinigung ihrer Diözesen mit der ROK unterzeichnet. 1875 wurde die Diözese von Cholm zwangsweise eingegliedert. Das einzige Gebiet, in dem die Union von Brest in Kraft blieb, war somit Galizien, das bis zum Ende des ersten Weltkrieges zu Österreich-Ungarn gehörte.
Zwischen den zwei Weltkriegen
In unserem Jahrhundert erwarb der Konflikt zwischen dem Katholizismus und der Orthodoxie bezüglich der Union neue Aspekte. Nach der Zerstörung des Rußländischen orthodoxen Imperiums, entstand auf seinen Trümmern der gottfeindliche kommunistische Staat, in dem alle Glaubensbekenntnisse verfolgt wurden. Den Hauptschlag richteten die Kommunisten natürlich gegen die ROK. Wenige wissen, daß die Orthodoxen damals auch in dem nach dem 1. Weltkrieg wiedererstandenen Polen verfolgt wurden. Auch hier wurden orthodoxe Kirchen geschlossen (manchmal sogar gesprengt oder still in Backsteine zerlegt). Im Jahre 1919 wurde in Polen eine administrative "Verfügung über die Rückgabe an die römisch-katholische Geistlichkeit von 497 orthodoxen Kirchen und Kapellen" herausgegeben. Die Mehrzahl von ihnen waren den Orthodoxen in den Jahren der zwangsweisen Einführung der Union weggenommen worden und gehörten nach den polnischen Teilungen denen, die die Union verlassen hatten (1., S. 40 f)1.
Im Jahre 1929 folgte die sogenannte "Revindikation" d.h. das gerichtliche Einklagen durch die katholische Geistlichkeit von mehr als 700 Kirchen und einer Reihe von Klöstern (darunter das Kloster von Poçaev). Dieser - zum Glück erfolglose - Versuch wurde unternommen, weil eine neue Form der Union als Abwandlung der Taktik bei der "Bekehrung Rußlands zum Katholizismus" eingeführt wurde, die in diesen Gegenden, sich als zu wenig effektiv erwies..
Worin bestand die Neo-Union? 376 Jahre lang warf der Jesuitenorden in Rom die Frage einer Gleichberechtigung der Riten auf. 1923 war das Ziel erreicht: der katholische Erzbischof Ropp führte den Plan des Biritualismus unter der Jurisdiktion des päpstlichen Stuhles ins Feld. Das Wesen des Planes bestand darin, daß für die zwei Riten - den westlichen und den östlichen - nur ein katholischer Bischof zuständig sein sollte. Auf diese Weise ist der "Ostritus" nicht mehr die Gottesdienstordnung der Orthodoxen Kirche, sondern nur einer der Riten der katholischen Kirche. Somit wird eine Vereinbarung mit der Orthodoxen Kirche überflüssig. Die katholische Kirche bietet den orthodoxen Gläubigen den "Ostritus" - u.zw. als reinste Imitation seiner Moskauer Form - einfach von sich aus an.
Das ist eine ganz andere Form der "Vereinigung mit Rom" als die alte "Brester Union", die sich in Galizien erhalten hatte. Deshalb wurden frische Gebiete im damaligen Ostpolen (Polesje) zum Versuchsgelände. In diesem Zusammenhang konnte keine Rede von einem Glauben "zweiter Klasse" sein. Im Gegenteil, für die Katholiken und die Unierten eröffnet sich so die scheinbare Perspektive eines "höheren" Glaubens und der Kirchenvereinigung. Hierbei ist die Macht des Papstes das einzige Dogma, in welchem Rom nicht nachgibt. Sie allein erscheint als befähigt - gerade weil sie jetzt über allen Glaubensformen und Dogmen steht, über alle Riten frei verfügt - einer solchen Vermischung den Anschein der Rechtmäßigkeit zu verleihen. Wir haben hier nicht das Resultat einer Überwindung von Gegensätzen in Glaubensfragen vor uns, sondern eine Art der Gleich-Gültigkeit, wie sie dem Geschmack des 20. Jh. eignet, die Panphagie.
Diese Neo-Union war jedoch und bleibt nur einer der Wege. Erst 1930 brach die römische Kurie mit der Hoffnung, irgendwie mit den Kommunisten in Übereinkunft zu kommen und die neue Situation in Rußland für ihre eigenen Ziele zu nutzen. Für den heutigen Tag sind daher drei Kraftlinien der Einwirkung Roms auf die Orthodoxie zu benennen: die alte Form der Union, die Neo-Union des Ostritus und, natürlich, die direkte Einwirkung der römischen Kurie.
Anzumerken ist dabei, daß die katholischen Instanzen keine Unierten der galizischen Form (und des Ritus) in die Gebiete zuließen, wo die Neo-Union eingeführt wurde. Die Unierten ihrerseits aber litten immer wieder unter der Latinisierung, was für sie ein Motiv zur Rückkehr in die Orthodoxie war. So kehrten ganze Gemeinden galizischer Unierter Anfang dieses Jahrhunderts in Nordamerika in die Orthodoxie zurück (von staatlichem Zwang kann natürlich keine Rede sein). Bei den Unierten in Galizien selbst gab es die östliche und die westliche Tendenz, zwischen denen sich das Bewußtsein eines eigenen, besonderen "dritten Weges" herausbildete. Diese Idee wiederum ist mit den Vorstellungen von einer kulturell-politischen Eigenständigkeit der Ukraine aufs engste verknüpft.
Die Tragödie des russischen Staates führte noch zu einer weiteren Neubildung: zur Frage der kirchlichen Autokephalie (d.h. völligen Unabhängigkeit), u.zw. parallel in der Ukraine wie in Polen. Hierbei wurde die Idee der Autokephalie nicht nur in Polen von seiten des Staates unterstützt, sondern auch von den Bolschewiki im Jahre 1920 (näheres zu Polen s. 4., zur Ukraine s. 5. u. 6.).
Im Jahre 1919 wurde unter S. Petljura durch Staatsgesetz die Autokephalie der Ukrainischen Kirche erklärt. Aber kein orthodoxer Bischof fand sich bereit, diesen Schritt anzuerkennen. Eine Versammlung von Vorkämpfern der Autokephalie beging daraufhin einen dreisten unkanonischen Akt: Sie "weihten" sich selbst durch allseitige Handauflegung ein "Episkopat", was nach dem Namen des Oberhaupts zur sogenannten "Lypkiv'skij Hierarchie" führte. Ende 1926 erhielt die "Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche" (UAOK) von den Sowjetbehörden - NKVD - die "Legalisierung", was der Staatssicherheit die Tür zum inneren Eingreifen öffnete. 1927 wurde der "Metropolit" V. Lypkivskij ausgewechselt. Ihm half nicht einmal seine "Loyalitätsdeklaration", die der Zeit und dem Inhalt nach der berüchtigten "Deklaration" des Metropoliten Sergij (Stragorodskij), dem damaligen Moskauer stellv. Patriarchatsverweser, so nahe steht.
Bei allen taktischen Schwankungen richteten sich die Aktionen der Bolschewiki zielstrebig auf die Spaltung und Zersetzung der Kirche. Die GPU (=Hauptpolitabteilung) unterstützte aus genau diesem Grund in Rußland einerseits von 1922 an die "Erneuerer" und die "Lebendige Kirche" (s. unten, in dieser Nummer des "Boten" 3/90, S. 23 ff), und andererseits ließen die gleichen Sowjetinstanzen ab dem Jahre 1927 die Moskauer Synode "sergianischer" Prägung zum Zuge kommen (unter überwiegender Teilnahme ehemaliger "Erneuerer"). In diesem Sinne wurde auch die UAOK ausgenutzt. Im Jahre 1930 vollzog sie eine "Selbstliquidierung", bei der sie sich als "antisowjetische und konterrevolutionäre Organisation" bezeichnete, wo-nach alle ihre Bischöfe verhaftet wurden.
Die Frage einer ukrainischen Nationalkirche wirkte jedoch in Polen weiter und während des 2. Weltkrieges kam es unter der deutschen Besatzung zu einer Wiedergeburt der UAOK, die nach dem Krieg nur in der Emigration weiterbestand. Parallel zur UAOK gab es im Kriege auch eine Ukrainische Autonome Kirche. Deren Bischöfe schlossen sich - nach dem Krieg ebenfalls in westlicher Emigration - der Russischen Auslandskirche an.
Das "Konzil" von L'vov (8.-10. März 1946)
Der Krieg des nazional-sozialistischen Deutschland mit der UdSSR brachte die orthodoxen Menschen in der Ukraine und Weißrußland in eine tragisch ausweglose Lage. Gemeint sind hier vor allem die, die nicht erst jetzt - in der Zeit der von oben abgesegneten "Glasnost'", sondern eben auch schon damals über den höllischen Abgrund der Verwerflichkeit des gottesfeindlichen Regimes klar waren. Einerseits behinderten die Deutschen die Wiedereröffnung von Kirchen und Klöstern in den besetzten Gebieten nicht, was nicht ohne positiven Widerhall in den Herzen der Gläubigen bleiben konnte, andererseits galt der Krieg des Nazi-Regimes, das ja ebenso zynisch und unmoralisch war wie das kommunistische, nicht der Befreiung des russischen Volkes von der kommunistischen Unterdrückung, sondern wurde gegen das russische Volk selbst geführt. Darin bestand das Unterpfand der Niederlage Deutschlands. Das Volk stand auf, um seine nationale Freiheit zu verteidigen.
In einer besonderen Lage befand sich Galizien, das bis 1939 dem polnischen Staatsverband angehörte, nach der Teilung Polens aber durch Hitler und Stalin der UdSSR zugeschlagen wurde.
Es gilt im Auge zu behalten, daß Ostgalizien bis 1918 zum Imperium von Österreich-Ungarn gehörte, wo seiner Bevölkerung schon seit dem 19. Jh. mit aktiver Unterstützung der Regierung die Idee der Eigenständigkeit der Westukraine eingepflanzt wurde, u.zw. mit gezielt Anti-Moskauer Akzentuierung. Das führte in Galizien zu einer Spaltung zwischen den Ukrainisierenden und den Rusinen, d.h. jener, die sich dem kulturellen Erbe der Rus' bewußt verpflichtet fühlten. Während des 2. Weltkrieges waren für die Galizier sowohl die deutschen als auch die sowjetischen Truppen - Besatzer. Aber furchtbarer schienen ihnen die "blutsverwandten" Russen, da sie das Joch des Kommunismus mit sich brachten. (Leider wird das vom Kommunismus versklavte Rußland unseres Jahrhuinderts von vielen mit der Sowjetunion einfach identifiziert).
Im Jahre 1946, d.h. schon ein Jahr nach Kriegsende, wurde in L'vov (Lemberg) ein sogenanntes "Konzil" zusammengerufen, das die Frage der Rückkehr der Westukraine in den Schoß der Orthodoxie lösen sollte. Konnte man sich über das Vorhaben freuen? Der entscheidende Faktor für die Existenz der griechisch-katholischen Kirche in Galizien war zweifelsohne die viele Jahrhunderte andauernde Trennung dieses Gebietes von Rußland. In allen anderen Gebieten wurde die Einheit mit der ROK erst mit dem Eintritt derselben ins russische Imperium möglich. Auf den ersten Blick entstand mit dem Anschluß der Westukraine an die UdSSR eine vergleichbare Situation. Aber Galizien wurde in der Mitte des 20. Jh. eben nicht dem orthodoxen russischen Staat eingegliedert, sondern der gottlosen Sowjetunion. In der allumfassenden Rechtlosigkeit des Sowjetsystems war die ROK nur durch die offizielle "sergianische" Spitze vertreten, die unter der Bezeichnung Moskauer Patriarchat (= MP) gehorsam den politischen Ambitionen des Regimes dienend die Kirche zu einem administrativen Bestandteil des Systems herabgewürdigte.
Kennt man die ganze politisch-ideologische Basis der historischen Situation, dann kann man kaum umhin in den Worten des Metropoliten Filaret von Kiev, die er zur Zeit Gorbaçevs sagte, eine große Unwahrheit, die Unwahrheit sowjetischer Prägung zu fühlen: "... die Wiedervereinigung der galizischen Griechisch-Katholischen erfolgte ebenfalls (hier hat der Metropolit die allmähliche Wiedervereinigung der Unierten im 19. Jh. im Auge - P.E.) unter den Bedingungen einer nationalen Befreiung von der Fremdherrschaft". Und weiter: "In der einen Familie der Sowjetunion kennen die blutsverwandten Völker , nämlich das russische, das ukrainische und das weißrussische keinen nationalen Hader. Die Brüderlichkeit und der Aufbau der sozialistischen Gesellschaft vereint sie" (ŒMP 8/1986, S.8).
In der Tat, die "Befreiung" wurde für die Galizier auf das einzige Recht (richtiger: die Pflicht) reduziert, nämlich das "Recht", die sowjetische "lichte Zukunft" unter dem gemeinsamen Joch des stalinistischen Internationalismus aufzubauen.
Und in der Tat wurde das L'vovsche "Konzil" vom 8-10. März 1946 ganz und gar nach sowjetischen Methoden vorbereitet und durchgeführt. Die Bolschewiken bewegte natürlich nicht das kirchliche Anliegen der Wiedervereinigung der Unierten mit der Orthodoxen Kirche, sondern die Frage der effektiven und schnellen Liquidierung im Geiste der stalin'schen Epoche einer organisierten, vom Sowjetsystem nicht kontrollierten Bewegung. Die Kommunisten stellten sich hinsichtlich der Griechisch-Katholischen in etwa dieselbe Aufgabe, die sie zuvor schon erfolgreich bei der Russischen Kirche gelöst hatten1. Ab Ende 1944 waren in der Westukraine in dieser Richtung das NKVD (Volkskommissariat für interne Angelegenheiten), der Parteiapparat und die Presse aktiv. Am 28. Mai 1945 wurde ein Initiativkomitee mit dem Ziel der Einberufung eines "Konzils" mit dem Zweck der Liquidation gebildet.
Ein gewisser Teil der Unierten wollte sich vielleicht wirklich aufrichtig der Orthodoxie angliedern, aber die erdrückende Mehrheit von ihnen war einfach gezwungen, sich den Anordnungen der weltlichen, gottesfeindlichen Macht unterzuordnen. Wer sich nicht unterwarf, stand außerhalb des Gesetzes und mußte in den Untergrund gehen. Es folgten die für jene Zeit typischen Festnahmen, Inhaftierungen, Verbannungen, der Tod in den KZs...
Wir müssen verstehen, daß ebenso wie Galizien im Jahre 1939 nicht in den rußländischen Staat, sondern in die UdSSR inkorporiert wurde, auch die Unierten 1946 nicht einfach von der Orthodoxen Russischen Kirche aufgenommen wurden, sondern von dem Moskauer Patriarchat, dessen Existenz und kanonisches Leben von der charkateristischen "Union" mit dem Sowjetregime bestimmt ist.
Unsere Tage
Die heutigen Unierten betrachten das L'vover "Konzil" als unrechtmäßig (unkanonisch) und sa-gen, auf diesem "Konzil" seien keine unierten Bischöfe vertreten gewesen. Metropolit Filaret läßt dieses Argument nicht gelten und weist auf die Anwesenheit von zwei Bischöfen auf dem "Konzil" hin. Er schweigt darüber, daß sie beide am 24/25. Februar 1946 vom MP geweiht wurden, d.h. nur zwei Wochen vor dem "Konzil". Auf dem "Konzil" jedoch traten sie als die unierten Priester A. Pel'veckij und M. Mel'nik auf. Daß sie Bischöfe waren, wurde den Delegierten des "Konzils" erst nach der Abstimmung mitgeteilt. In derselben Nummer des ŒMP und zu denselben Argumenten "der ausländischen ukrainischen Unierten" gibt der Metropolit von L'vov und Ternopol' Nikodim eine andere Information hinsichtlich der Anzahl der Bischöfe - seiner Behauptung zufolge waren es sechs. Der uninformierte Leser wird schwerlich erraten, daß sie zum MP gehörten. Kann solche List der Kirche Christi nützen? Verstärkt nicht ein solches Verhalten nur die Atmosphäre des Mißtrauens und den Zorn?
Die Fakten bleiben und man wird sie eingestehen müssen. Das MP hat ja schließlich (aber mit welcher Verspätung, die die Not nur steigerte!) die Existenz der Unierten anerkannt. Ja, es ruft sie zum Dialog. Die Bischöfe, die kategorisch die Existenz des Problems der griechisch-katholischen Kirche bis hin zur Reise Gorbaçevs zum römischen Papst leugneten, verwiesen gerne darauf, daß dies nicht in ihrer Kompetenz stehe, sondern in der Kompetenz der sowjetischen Instanzen. Im Jahre 1990 hat dieses Insistieren auf der "staatlichen Kompetenz" ihnen eine andere, für sie unerwartete Seite zugewandt: die westukrainischen sowjetischen Instanzen haben begonnen ohne Wissen der Bischöfe des MP Kirchenschlüssel den Unierten zu übergeben. Zeugt das etwa davon, daß die leitenden Kommunisten der Westukraine in Wirklichkeit nur heimliche Unierte waren oder wenigstens eifrige Verfechter der Menschenrechte? Nein, sondern hier kommt der nationale Instinkt zum Zuge, der mit der politischen Berechnung verbunden ist, die Sympathie des Volkes zu gewinnen. Solchen friedlichen Aushändigungen der Schlüssel gingen die gewaltsame Besetzung der Kathedralkirche in L'vov und vieler Kirchen in der Provinz durch die Unierten voraus. Viele Priester begannen zu den Unierten überzuwechseln. Diese Rückkehr in die Union aus dem MP ist eine organische Folge der vorausgegangenen Gesetzlosigkeiten und deckt die Unwahrheit dessen auf, daß das "Konzil" von L'vov eine "freiwillige Rückkehr" gewesen sein soll. Im Augenblick herrscht zwischen den Unierten und den Orthodoxen in der Ostukraine der Kriegszustand.
Man muß sich darüber klar sein, welches Gewicht die Westukraine in der Struktur des MP hat. Vor dem Beginn der "Perestroika" gab es dort bereits mehr als 1.500 Kirchen, was dem Viertel aller orthodoxen Gotteshäuser in der UdSSR gleichkommt! Im Jahr der Tausenjahrfeier der Taufe Rußlands kamen noch 500 hinzu. Im Vergleich mit anderen Diözesen in der UdSSR ist dies eine astronomische Zahl: zwar besteht auch innerhalb der Ukraine ein Ungleichgewicht, aber wenn es im gleichen Jahre 1988 in der Diözese von Charkov 64 Kirchen gab, so waren es in anderen Diözesen noch weniger. Z.B. in der von Archangelsk - 24 Kirchen, in der von Irkutsk -16, von Chabarovsk - 15, und in der Diözese von Omsk-Tjumen' gar 13 Kirchen. Nimmt man also die Ukraine als ganzes, so steht dort mehr als die Hälfte aller Kirchen des MP.
In der Westukraine ist die Union unlösbar mit dem nationalen Selbstbewußtsein der Galizier verbunden. Über die nationale Frage erweitert sie ihre Perspektiven auf die ganze Ukraine. Aber parallel zur Bewegung der Unierten erhielt die Idee der ukrainischen Autokephalie den Anspruch, Ausdruck nationaler Eigenständigkeit zu sein. Im Oktober 1989 erklärte Bischof Ioann (Bodnarçuk), der frühere Bischof von Œitomir, seinen Wechsel in die ukrainische autokephale Kirche. Postfaktum wurde er vom MP laisiert, die Ukrainer in der Emigration aber erhoben ihn zum "Erzbischof". Sogleich schlossen sich ihm Dutzende von Priestern an, die das MP verließen, teilweise aber von den Unierten zurückkehrten. Der Übertritt zu den Autokephalisten von Gemeinden und Priestern, die schon in die Union gewechselt haben, zeugt davon, daß die Menschen nicht die Orthodoxie, sondern vielmehr das MP als das Dienstmädchen der Sowjetmacht verließen. (Genauso wollen ja die Priester, Laien und sogar ganze Gemeinden in Rußland, die an einem Wechsel unter die Obhut der Russischen Auslandskirche denken, nicht die Orthodoxie verlassen, sondern dieses MP). Die ukrainischen Nationalisten, die sich an das Nationalbewußtsein der orthodoxen Ukrainer wenden, sagen, daß es nicht so wichtig sei, ob sich die Ukrainer zur autokephalen oder zur unierten Kirche zählen. Die Hauptsache ist "nicht unter Moskau zu sein". So sehen wir, daß nicht Fragen der Kanonizität oder der dogmatischen Unterschiede im Vordergrund stehen. Die Idee der nationalen Selbstbestimmung, die praktisch alle Republiken der UdSSR ergriffen hat, wird also nicht nur mit der Union, sondern auch mit der Autokephalie identifiziert. Das MP, das die Gefährlichkeit der Situation endlich erkannt hat, nahm eine neue Satzung "über die Exarchate - das ukrainische und das weißrussische" an. Aber wird denn das Volk derartigen Halbheiten Glauben schenken? Wird ein solcher Schritt es ermöglichen, das Knäuel der heißen und miteinander verbundenen Probleme des kirchlichen nationalen, und politischen Bereichs lösen können, die jetzt vor uns allen aufbrechen?
In welch einer tragischen Situation befinden sich die bewußt orthodoxen Gläubigen in der Ukraine, die zwischen Hammer und Amboß geraten sind, und von denen das MP noch dazu in einem streng klerikalistischen Geiste den blinden Gehorsam seiner Hierarchie gegenüber fordert!
Was geht im Tiefsten vor sich? Die orthodoxe Kirche leidet! Der Leib der Kirche wird zerrissen! Ist es nicht so, daß der Herr selbst uns durch die Ereignisse in der Westukraine - so tragisch sie für uns auch sind (wenn z.B. nach einem religiösen Disput ein orthodoxer Vater von fünf Kindern auf die Heugabel gehoben wird, oder der Abt eines orthodoxen Klosters mit Messerstichen schwer verletzt seit Wochen im Krankenhaus liegt) - dennoch nur einen kleinen Teil der Wahrheit offenbart, daß - ungeachtet aller Verhandlungen und Konferenzen, ja aller menschlicher Vereinbarungen, die erreicht werden können - unweigerlich das Verderben über uns kommen wird (1. Thess 5,3), wenn wir uns nicht bis zuletzt von der in das Leben der Kirche eingeschleppten Befleckung reinigen?
Das MP, das bis heute die Rechtmäßigkeit des L'vover "Konzils" bekräftigt, solidarisiert sich dadurch faktisch weiterhin mit der stalinistischen Gewalt, und besudelt den Namen der Russischen Kirche in der ganzen Welt. Zwar wurde der Anfang bei der Aufteilung der Gotteshäuser gelegt, - ein schwerwiegendes Problem, das recht und schlecht auf politische Weise gelöst werden kann. Aber das löst nicht das grundlegende Problem, das geistliche... Die Sache endet doch nicht damit, die Kirchen untereinander aufzuteilen und endlich wieder unbehelligt den "orthodox-katholischen Dialog" zu pflegen, der wie der "Moskauer Kirchenbote" jetzt unterstreicht, so "erfolgreich nach dem II. Vatikanischen Konzil begann, das bekanntlich den Katholiken erlaubte, sakramentale Gemeinschaft mit den Orthodoxen zu haben" (MCV 3/1990, S.7). Was heißt denn das? Neigt etwa das MP, das die alte Form der Union verwirft, in seinen Diskussionen zu einer neuen Form derselben, zu einer Art Über-Neo-Union? Oder ist das vielmehr, was wahrscheinlicher ist, wieder nur ein unwürdiges, politisierendes Scharwenzeln noch dazu anhand der "sakramentalen Gemeinschaft"?
Die Orthodoxe Russische Kirche kann nicht etwas anderes wollen, als die Rückkehr der Unierten zur heiligen Orthodoxie. Aber eine solche muß aufrichtig und daher völlig freiwillig sein, verwurzelt in der geistlichen Gewißheit, daß dieser Weg richtig ist. Da genügt es nicht, einen klaren und eindeutigen Gewaltverzicht in kirchlichen Angelegenheiten auszusprechen. Mit dem eigenen Leben selbst muß man der Welt die Reinheit der Orthodoxie bezeugen. Es steht uns die Anstrengung bevor, jede Unwahrheit entschieden zu verwerfen, und die Wahrheit Christi wirklich aufleuchten zu lassen. Wenn wir dies nicht tun, verhindern wir es, daß die Unierten die Zweideutigkeit ihrer Situation erkennen können.
Gibt es heute die Bestrebung zu der erforderlichen Reinigung?
Wir glauben, daß es so ist. Ebenso wie nach der Union von Brest-Litovsk 1596 die Bruderschaften zum Bollwerk des Glaubens der heiligen Väter wurden, so sind auch jetzt in Rußland nicht die Hierarchen, die hartnäckig behaupteten, es sei "unvernünftig, das erfundene Problem der Gewissensfreiheit in unserem Lande hochzuspielen" (anlälich der Unierten; ŒMP 7/1986, S. 5), sondern das orthodoxe Volk selbst ist der wahre Hüter der Orthodoxie. Die Hierarchen aber gleiten in ihren Erklärungen auch heute auf der schiefen Ebene der Halbwahrheit entlang. Verbal jegliche Gewalt verurteilend und sich davon distanzierend sagt der Vorsitzende des Moskauer Kirchlichen Außenamtes, Erzbischof Kyrill (Gundjajev): "Heute kann die Russische Kirche sich unmöglich von dem Konzil von L'vov lossagen... Wir verfügen heute nicht über Dokumente, die die Unrechtmäßigkeit dieses Konziles bestätigen würden". Und: "Dieses Ereignis hätte auch gar nicht stattzufinden brauchen... zur Liquidierung des Schismas, das vor 400 Jahren hereingetragen wurde, bedarf es eigentlich überhaupt keiner konziliaren Entscheidungen". Und dann das gleiche Gleiten: "Was die stalinschen Unterdrükkungsmaßnahmen gegen die katholische Kirche in der Ukraine betrifft, so wiederholen wir diesbezüglich immer wieder: Die Russische Orthodoxe Kirche ist entschieden gegen jede Gewalt und hat mit den stalinschen Methoden der Unterdrückung von Andersdenkenden nichts gemein, von denen unsere Kirche, die Großmärtyrerin, soviel leiden mußte" (MCV 2/1990, S.7). Ja, viel früher als der kommunistische Zugriff die Unierten ereilte und viel länger erlitt die gesamte ROK ihr Martyrium - mehr als 200 ihrer Bischöfe, Zehntausende von Priestern und Millionen von Laien wurden in demselben Sowjetsystem der Lüge vernichtet! Aber im Sowjetsystem starben nicht nur diejenigen, die standhaft Zeugnis ablegten für die Wahrheit Christi wider die Gottlosigkeit, sondern auch die, welche sich anfänglich der Lüge angepaßt und an der Ermordung ihrer Brüder mitschuldig gemacht hatten, auch die Verräter und die gottlosen Verfolger gingen im Fleisch-wolf des Stalinsystems unter - nehmen sie nun auch alle gleichermaßen an der Herrlichkeit dieser Großmärtyrerin Kirche teil? Nein. Und daher ist es unzulässig, die Großmärtyrerin jetzt in der obigen Weise - zwecks Selbstschutz - zu vereinnahmen.
Die Lüge des "Konzils" von L'vov ist nur ein kleiner Teil all der Lügen der vorangegangen "Konzile" des MP im Namen der ROK (1943 und 1945), der "Loyalitätsdeklaration" (1927), der Einpflanzung des totalitären Sowjetpatriotismus, des zynischen Komplotts mit der Sowjetmacht, des vielfältigen Betrugs der Gläubigen in der Heimat und im Ausland. Litt nicht gerade die Mutterkirche selbst, die wahre Großmärtyrerin, unter der Lüge des MP alle diese Jahrzehnte, sowohl vor als auch nach L'vov? Ist doch das sowjetische Siegel wie ein Malzeichen nicht nur in die "Loyalitätsdeklaration" vom Jahre 27 eingeprägt...
Leidet die wahre Orthodoxe und Katholische (=Konziliare=Sobornaja) Russische Kirche nicht auch am heutigen Tage gerade unter all diesem - und daran am meisten? Und ist es nicht Zeit, der Wahrheit Christi den Weg zu öffnen und den Gedanken an die Notwendigkeit eines KONZILS DER REINIGUNG anzunehmen? Nur auf diesem Wege wird eine echte Lösung nicht nur des Problems der Union und des "Ostritus" sichtbar, sondern auch des Lebens der Russischen Kirche in Zukunft.
P.E.
Bibiliographie:
1. A. Popov, Die Verfolgung der Orthodoxie und der Russen in Polen im 20. Jh. (russ.), Belgrad 1937.
2. A.V. Karta‚ev, Skizzen der Geschichte der Russischen Kirche (2 Bde., russ.), Paris 1959.
3. K.N. Nikolajev, Der Ostritus (russ.), Paris 1950.
4. A. Svitiç, Die orthodoxe Kirche in Polen und ihre Autokephalie (russ.), Buenos Aires 1959. ‘ ‘ ‘