Predigt zum 9. Herrentag nach Pfingsten (1 Kor. 3:9-17; Mt. 14:22-34) (25.08.2024)
Liebe Brüder und Schwestern,
jeder Satz des heutigen Abschnittes aus dem Evangelium ist eine Quelle der Inspiration. Nach der wunderbaren Speisung der Fünftausend durch unseren Herrn unweit des Sees Genezareth „fordert Er die Jünger auf, ins Boot zu steigen und an das andere Ufer vorauszufahren. Inzwischen wollte Er die Leute nach Hause schicken“ (Mt. 14:22). Bemerkenswert, wie die Jünger scheinbar widerspruchslos gehorchen. Er „schickt sie voraus“, was wohl impliziert, dass Er später nachkommen wird. Bloß wie?!.. Und dann lässt Er Sich auch noch enorm viel Zeit damit, denn „nachdem Er sie weggeschickt hatte, stieg Er auf einen Berg, um in der Einsamkeit zu beten. Spät am Abend war Er immer noch allein auf dem Berg. Das Boot war aber schon viele Stadien vom Land entfernt und wurde von den Wellen hin und her geworfen; denn sie hatten Gegenwind“ (14:23-24). Er hat sie auf die Reise geschickt, und sie befolgen „blind“ Seine Anweisungen wider die menschliche Vernunft. Wegen des Gegenwindes kommen sie, mitten auf dem See befindlich, keinen Meter voran, kehren aber nicht entnervt wieder zum Ausgangspunkt zurück, sondern kämpfen gegen die Naturgewalt an. Auch das spricht für sie. Intellektuelle Besserwisser hätten hier schon längst die Initiative an sich gerissen und sich auf dem sicheren und bequemen Weg vom Wind an Land treiben lassen. Nicht so aber die Jünger des Herrn. Sie vertrauen dem Herrn und wissen – auch wenn es gerade nicht danach aussieht –, dass der Herr sie nicht im Stich lässt. Er liebt sie doch. Und, in der Tat, betet Er zeitgleich auf dem Berg. Sie sind den irdischen Elementen ausgeliefert, Er aber wendet Sich gen Himmel – und das weit nach Mitternacht. Dann aber, „in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen; Er ging auf dem See. Als Ihn die Jünger über den See kommen sahen, erschraken sie, weil sie meinten, es sei ein Gespenst, und sie schrien vor Angst“ (14:25-26). Bislang haben sie sich vorbildlich verhalten und ihrem Meister alle Ehre gemacht, doch jetzt ist ihr Glaube erschüttert, denn Christus lässt sie weiter, bis ans absolute Limit ihrer geistigen und körperlichen Kräfte gehen. Es folgt somit eine neue, noch höhere Stufe der Herausforderung für die Jünger. Zuvor waren sie schon in einer ähnlichen Situation gewesen, aber da war der Herr ja mitten unter ihnen, schlief seelenruhig im Boot (s. Mt. 8:23-27; vgl. Mk. 4:35-41; Lk. 8:22-25). Doch jetzt müssen sie lange Zeit ohne Seine physische Anwesenheit auskommen! Welch eine Anforderung an ihr Vertrauen und ihre Ausdauer (s. Lk. 8:15; 21:19)! Und als Er dann endlich kommt, sind sie wohl derart von Angst ergriffen, dass sie ihren eigenen Meister für ein Gespenst halten. Lange waren sie tapfer, doch jetzt sind die Grenzen ihrer seelischen Kräfte überschritten. Es spricht nun die pure Verzweiflung aus ihnen. Aber sogleich tröstet sie der Herr, denn „Jesus begann mit ihnen zu reden und sagte: ´Habt Vertrauen, Ich bin es; fürchtet euch nicht!´“ (Mt. 14:27). Dieses Wellenbad der Gefühle hat sie alle extrem mitgenommen. Sie waren lange standhaft gewesen, erreichten aber die vom Herrn erkenntlich gemachte Grenze ihres Gottvertrauens, so dass sie nun einfach nicht mehr in der Lage sind, auf dieser Achterbahn weiterzufahren. Es kommen Zweifel, die sie auch noch nach der Auferstehung Christi nicht ganz ablegen werden (s. Mt. 28:17; Mk. 16:11-14; Lk. 24:36-38; Joh. 20:25,27). Deshalb wohl „erwiderte Ihm Petrus: ´Herr, wenn Du es bist, so befiehl, dass ich auf dem Wasser zu Dir komme`. Jesus sagte: ´Komm!` Da stieg Petrus aus dem Boot und ging über das Wasser auf Jesus zu“ (Mt. 14:28-29). Petrus ist bemüht, wieder Mut zu fassen. Aber so einfach ist das nicht. Erstaunlich, dass das Alphatier nicht eigenmächtig aus dem Boot klettert, sondern auf einen entsprechenden Befehl des Herrn wartet. Auch der eingebaute Konjunktiv („Wenn Du es bist…“) zeugt nicht gerade von strotzendem Zutrauen in seine Sinne. Hier überwiegt noch die Furcht, die bekanntlich mit der Liebe nicht vereinbar ist (s. 1 Joh. 4:18). Der Erste in der Hackordnung der Jünger schlüpft vorübergehend wieder in die Rolle des Knechts. In einem anderen Gemütszustand hätte Petrus sicher nicht so reagiert (vgl. Mt. 17:4; Mk. 9:5; Lk. 9:33). Und so tastet er sich vorsichtig, Schritt für Schritt in Richtung des Herrn, und, solange er Diesen fest im Blick hat, geht alles gut. Aber er lässt sich durch ein erneutes Hindernis vom eingeschlagenen Weg zu Christus abbringen, denn als er sah, „wie heftig der Wind war, bekam er Angst und begann unterzugehen. Er schrie: ´Herr, rette mich!`“ (Mt. 14:30). So lässt der Herr uns unsere Hilflosigkeit spüren. Doch im Moment der größten Verzweiflung hilft Er uns umgehend, wenn wir auf Ihn hoffen und Ihn um Hilfe anrufen. Das zeigt sich oft in unserem Leben. Der Herr ist ja immer bei uns. Und „Jesus streckte sofort die Hand aus, ergriff ihn und sagte zu ihm: ´Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?`“ (14:31). Wie wir so oft beschämt feststellen müssen, war unser Glaube nicht standhaft genug. Oh, hätten wir doch nur auf den Herrn vertraut, anstatt unsere Hoffnung auf uns selbst oder auf die Elementarmächte dieser Welt zu setzen (s. Kol. 2:8)! Aber auch unsere Schwachheit ist in Gottes Vorsehung eingeplant. Der Herr meint es gut mit uns, denn „als sie ins Boot gestiegen waren, legte sich der Wind“ (Mt. 14:32). Keine Prüfung dauert ewig, auch wenn Gott Sich Zeit lässt mit Seinem aktiven Einschreiten (s. Lk. 18:7). Aber dann geschieht es doch, und wir erkennen die Gottheit Christi, denn auch „die Jünger im Boot (…) fielen vor Jesus nieder und sagten: ´Wahrhaftig, Du bist Gottes Sohn!`“ (Mt.14:33). Welch ein Glück für uns, dass uns auch in der schlimmsten Drangsal kein Haar gekrümmt wird (s. Lk. 21:18), denn „der Herr wird mich allem Bösen entreißen; Er wird mich retten und in Sein Himmlisches Königtum führen. Ihm sei die Ehre in alle Ewigkeit. Amen“ (2 Tim. 4:18).