Predigt zum Heiligen und Hohen Mittwoch (01.05.2024)
Liebe Brüder und Schwestern,
am Großen Mittwoch kommt der mit dem Einzug in Jerusalem begonnene Leidensweg unseres Herrn in seine entscheidende Phase. Jener triumphale Einzug in die heilige Stadt war das Fanal zur Überwindung des Bösen, zum Erlösungswerk des Herrn, um dessen willen Er in die Welt kam und dessen Abschluss in den Worten des Apostels zum Ausdruck kommen wird: „Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod“ (1 Kor. 15:26). Nichts ist dem Zufall überlassen – wie auch sonst nichts in dieser Welt „einfach so“ geschieht. Alles passiert so wie es passieren muss – auch und vor allem der Verrat durch Judas (s. Mt. 26:24; Mk. 14:21; Lk. 22:22), dessen wir am heutigen Tag besonders gedenken und an den wir uns an jedem Mittwoch im Jahr erinnern.
Wenn wir vom Verrat des Judas hören, erscheint es doch verwunderlich, dass der „Sohn des Verderbens“ (Joh. 17:12) seine Schandtat bereut hat und die dreißig Silberlinge den Hohepriestern und Ältesten wieder zurückgab (s. Mt. 27:3). Wenn wir aber den Prozess des Umgeistens (slaw. покаяние; gr.: metanoia) in seinen Komponenten betrachten, sehen wir, dass Judas zwei von drei Schritten zur vollkommenen Umkehr getan hat: a) er erkannte seine Schuld und b) es reute ihn, was er getan hatte. Doch ein letzter Schritt zur Tilgung seiner Schuld fehlte noch: die Hinwendung zu Gott oder, in diesem Falle, zu Seinem Meister, dem Mensch gewordenen Gott. Petrus wurde ja vergeben, nachdem er den Herrn verleugnet hatte. Er verfiel im Beweinen seiner Schuld nicht der Todsünde der Verzweiflung, die von ihrem Wesen her eine Schmähung Gottes ist. Wer nämlich aus falsch verstandener (= dämonische eingegebener) Demut meint, es gäbe keine Vergebung für ihn bei Gott, der lästert den Allerhöchsten, Dessen Menschenliebe wahrhaft unermesslich ist.
Und das führt uns zur Analyse unserer geistlichen Realität. Wer als getaufter Christ an einem Tag wie diesem (ohne entschuldbaren Grund) nicht in der Kirche ist, der Verrät Christus ebenfalls. Wie das?! Eben deshalb, weil er sich nicht als Sünder sieht. „Christus Jesus ist in die Welt gekommen, um die Sünder zu retten“ (1 Tim. 1:15). Wer sich nicht für einen Sünder hält und dies dadurch zeigt, dass er als getaufter Christ der Kirche fernbleibt, verzichtet demnach unbewusst und ungewollt auf die Errettung durch Christus. Das „Lösegeld“ an den Feind ist bezahlt (s. Mt. 20:28; Mk.10:45; vgl. 1 Kor. 6:20; Eph. 1:7), aber die Gefangenen erachten es nicht als notwendig, sich befreien zu lassen. Das ist der schlimmste Verrat am Menschen liebenden Gott. Amen.