Predigt zum 4. Herrentag der Großen Fastenzeit / hl. Johannes Klimakos (Hebr. 6:13-20; Mk. 9:17-31) (14.04.2024)
Liebe Brüder und Schwestern,
am vierten Herrentag der Großen Fastenzeit hören wir die Erzählung von der Heilung eines mondsüchtigen Jungen durch unseren Herrn Jesus Christus. Während der Herr mit dreien Seiner Jünger noch auf dem Berg Thabor war, bat der Vater des Jungen die dagebliebenen Jünger darum, seinen Sohn von der fürchterlichen dämonischen Besessenheit zu heilen, was diese aber nicht zu tun vermochten. Erstaunlich, hatten sie doch kurz zuvor von ihrem Meister die Vollmacht erhalten, Kranke zu heilen und Dämonen auszutreiben. Hier aber gelingt es ihnen nicht, wohl, weil sie sich zu sehr auf ihre eigenen Fähigkeiten verlassen und mit der zuvor noch andachtsvoll empfangenen Gnade nunmehr „gewohnheitsmäßig“ umzugehen gedachten. Routine, Dienst nach Vorschrift, sozusagen? Vielleicht. Klar ist auch, dass beide Seiten ihren Teil erfüllen müssen – wenn der Bittsteller, wie im vorliegenden Falle, selbst offensichtlich nicht den unerschütterlichen Glauben hat und nicht einmal von der Heilkraft unseres Herrn vollkommen überzeugt zu sein scheint, sind die Widerstände für die Jünger (die hier noch keine Aposteln sind) groß. Und so gesehen ist diese „ungläubige Generation“ (Mk. 9:19) natürlich ein Spiegelbild unserer heutigen Gesellschaft – der weltlichen sowieso, aber auch der vermeintlich kirchlichen.
Zu Zeiten des irdischen Dienstes unseres Herr gab es in Israel offiziell keine „Ungläubigen“, so wie sich heute viele unserer Zeitgenossen selbst als „Christen“ bezeichnen. Doch hätten die Menschen damals mehrheitlich wirklich fromm gelebt, hätte sich die Macht des Teufels nicht in ihrer Mitte derart wirkungsvoll ausbreiten können. Und wären unsere heutigen getauften Christen wirklich gottesfürchtig, gäbe es nicht die schrecklichen Dinge in unserem Alltag, die das Leben besonders für Kinder unerträglich machen. Der Vater des besessenen Jungen hatte es höchstwahrscheinlich versäumt, seinen Sohn durch ein Leben im Einklang mit den Geboten Gottes Gnade zuzuführen, denn die Versuchungen für junge Menschen im multikulturellen Galiläa um 30 n. Chr. waren unter der in religiösen und moralischen Angelegenheiten betont toleranten Pax Romana bestimmt sehr groß. Was müssen wir dann erst über die heutigen jungen Menschen sagen, die ja längst nicht mehr mit Papa und Mama am Abend gemeinsam vor der Glotze sitzen, sondern dank moderner Kommunikationsmittel ein von den Eltern völlig abgeschirmtes mediales Eigenleben führen?! So leicht hatte es der Teufel noch nie. Wenn offensichtliche dämonische Auswüchse vor zweitausend Jahren und auch noch bis vor wenigen Jahrzehnten für Aufsehen und Entsetzen bei den Leuten sorgten, sind sie heute zur alltäglichen Norm geworden, und das nicht nur bei Rockkonzerten, Liebesparaden und Fußballspielen, sondern auch bei pseudo-religiösen Versammlungen, für welche die Bezeichnungen „Gottesdienst“ oder „Kirchentag“ wie eine Verunglimpfung des christlichen Glaubens klingen.
„Diese Art“, - gemeint sind die Dämonen, - „kann nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben werden“ (Mk. 9:29). Was aber, wenn weit über 90% der orthodoxen „Gläubigen“ (40% der orthodox Getauften in Russland glauben an Gott und 30% an ein Leben nach dem Tod – vgl. Joh. 6:64) nicht einmal im Traum daran denken und auch nichts davon wissen wollen, ihr Leben nach irgendwelchen Geboten auszurichten?! Aus einem Herdentrieb ließ man sich zunächst selbst taufen, danach taufte man seine Kinder (zumindest die, welche man nicht vor der Geburt getötet hatte), und blieb dann doch de facto dieselbe ungläubige und ehebrecherische Generation. Dass daraus keine rosigen Zukunftsaussichten für Land und Volk entstehen konnten, hätte jedem bewusst sein müssen. Und, ehrlich gesagt, sind mir die „ehrlichen“ Gottesleugner da fast lieber, oder zumindest solche Christen, die die Unvollkommenheit ihres Glaubens freimütig anerkennen (s. Mk. 9:24)
Das Fazit aus der heutigen Lesung aus dem Evangelium: wir, die Gläubigen, zuvörderst aber der Klerus tragen die größte Verantwortung für dieses Dilemma durch unsere eigene Glaubensarmut und lassen Gott somit praktisch keine andere Möglichkeit als die Menschen durch großes Leid zur Besinnung zu rufen. Aber es gibt keinen Grund, jetzt aufzustecken. Im Gegenteil, wir dürfen einfach nicht müde werden und müssen den Leuten weiter verkünden, dass Beten und Fasten ein Inbegriff des kirchlichen Lebens sind, dass sie quasi eine Zugangsberechtigung für die Teilnahme am Mysterium des allerheiligsten Leibes und des kostbaren Blutes des Herrn darstellen – und uns ferner nicht scheuen zu sagen, dass diejenigen, welche bewusst nicht daran teilnehmen, nicht orthodox und auch überhaupt keine Christen sind (s. Joh. 6:53).
Können Sie sich Patienten vorstellen, die vom Arzt Medikamente verschrieben bekommen, diese aber nicht nehmen wollen? Sie wissen nicht, wozu diese Arzneien gut sind oder, besser gesagt, wogegen sie Abhilfe schaffen, - und das interessiert sie auch nicht. Deshalb lehnen sie jegliche vom medizinischen Fachpersonal verordneten Heilprozeduren ab. Das wäre in etwa so, wie wenn ich zur Kur oder zur Reha fahre, dort aber keine der angebotenen gesundheitsfördernden Anwendungen in Anspruch nehme! Dann müsste ich mich doch fragen lassen, wozu ich überhaupt die weite Reise ins Kurhotel auf mich genommen habe! Sich jedoch in das „geistliche Sanatorium“ einliefern zu lassen, deren „Chefarzt“ jeden freudig persönlich willkommen heißt und noch dazu kostenfrei aufnimmt, - dann aber jegliche Kooperation mit dem „Ärzte- und Pflegeteam“ zu verweigern, das scheint in unserer dämonisierten Welt „normal“ zu sein. Wir leben folglich in einer Zeit, in der wir alle für den unverfälschten Glauben einstehen müssen – u.a. durch Gebet und Fasten. Amen.