Predigt zum Hochfest der Himmelfahrt Christi (Apg. 1:1-12; Lk. 24:36-53) (25.05.2023)
Liebe Brüder und Schwestern,
mit dem heutigen Tag endet die festliche Periode der vierzigtägigen österlichen Frohlockens. In dieser Zeit gedachten wir der Erscheinungen des Auferstandenen, deren Zeugen die Jünger Christi und die Frauen aus Seinem Gefolge waren. Die Himmelfahrt Christi bildet den Abschluss dieser Festzeit und ist die feierliche Erfüllung derselben. Die ihr vorangegangenen Bezeugungen der Auferstehung Christi sind, kaum verwunderlich, nicht mit menschlichen Kategorien zu erfassen. Beginnen wir damit, dass Christus Seinen Jüngern durch die Myrrhe tragenden Frauen am Tag Seiner Auferstehung ausrichten lässt, sie sollten nach Galiläa gehen, wo sie Ihn sehen werden (s. Mt. 28:10; vgl. Mk. 16:7). Das tun sie auch, und es geschieht schließlich, wie es der Herr gesagt hatte (s. Mt. 20:16-20), allerdings erscheint der Herr den Jüngern schon vorher in Jerusalem (s. Mk. 16:14; Lk. 24:36-53; Joh. 20:19-23). Der Herr ändert kurzfristig Seine Pläne – so groß ist Seine „Ungeduld“, dass Er schon vor der vereinbarten und angekündigten Zeit mit Ihnen zusammenkommen will! Warum auch nicht?! Hatte der Herr doch Sein bereits feststehendes Urteil über Ninive rückgängig gemacht, als Er sah, dass sich die Menschen dort bekehrt hatten (s. Jona, Kap. 3). Wenn es um das Heil der Menschen geht, rückt Gott gerne sogar vom eigenen Wort ab.
Die Zeit zwischen Ostern und Himmelfahrt ist eine Heranführung zu den Mysterien unseres Heils. Bei der ersten Begegnung des Auferstandenen mit Seinen Jüngern steht noch der Glaube im Mittelpunkt unserer Betrachtung: Thomas zweifelt an der Echtheit der Zeugnisse seiner Mitbrüder, und glaubt erst acht Tage später, als er sich selbst empirisch von der Authentizität der leiblichen Auferstehung Christi überzeugen kann. Das Zwischenfazit lautet hier: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh. 20:29). Bei der letzten Erscheinung des Auferstandenen vor der Auffahrt in den Himmel, am Ufer des Sees Tiberias, steht dagegen die Liebe im Mittelpunkt. Nach dem wunderbaren Fischfang und dem schlichten Mahl auf dem Kohlenfeuer fragt der Herr Petrus dreimal, ob er Ihn liebhabe. Auch unser Aufstieg zu Gott beginnt mit dem Glauben und findet seine Vollendung in der Liebe. Glaube kann schon ganz zu Beginn nicht ohne Liebe sein (s. Mt. 18:3), so wie die Liebe zu Gott ohne den Glauben undenkbar ist. Wir sollen Gott, den Herrn, ja „lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“ (Dtn. 6:5; vgl. Mt. 22:37; Mk. 12:30; Lk. 10:27), also mit Herz und Verstand (NB: bei Markus und Lukas steht explizit: „… mit all deinen Gedanken“). Die, welche von sich behaupten, sie glaubten an Gott in ihren Herzen, „vergessen“, dass ein Glaube ohne die Liebe zu unserem Herrn Jesus Christus diese Bezeichnung nicht verdient (s. Mt. 10:37; vgl. Lk. 7:47), denn „wer den Herrn nicht liebt, sei verflucht!“ (1 Kor. 16:22). Kriterium der Liebe ist das Befolgen der Gebote Christi und das Festhalten an Seinem Wort (s. Joh. 14:23-24). Für uns ist folglich eine Auffahrt in den Himmel mit Christus, um ewig dort mit Ihm zu sein, nur möglich, wenn wir uns während unseres irdischen Lebens in der Liebe zu unserem Herrn und Erlöser vervollkommnet haben. „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe“ (1 Kor. 13:13). Und an dieser Werteskala kann nicht gerüttelt werden.
Wir beobachten aber, dass die Besucherzahl der Gottesdienste nach Ostern eher wieder abnimmt, dass man sich gerne nach den ´Strapazen` der Großen Fastenzeit und der Karwoche etwas Erholung gönnt, dass man oftmals gedanklich schon mehr bei der Urlaubsplanung ist als beim auferstandenen Herrn. Woran liegt das? Ganz klar – am mangelnden Glauben. Und was ist die Ursache für unseren fehlenden Glauben (s. Mk. 9:24)? Ganz klar – die mangelnde Liebe zu unserem Herrn. Diese zwei Dinge hängen untrennbar miteinander zusammen. Sobald ich meine Gedanken schweifen lasse, kommen mir böse, unreine, eitle oder unnütze Sachen in den Sinn. So sind wir beschaffen nach dem Sündenfall. Ich erkenne also, dass ich dem geistlichen Zustand nach eigentlich in die Hölle gehöre (hl. Siluan vom Athos, +1938), also mit Herz und Verstand Lichtjahre weit weg von Gott bin. Wenn ich aber meinen Herrn mit ganzem Herzen, mit ganzem Verstand und mit aller Willenskraft lieben will, werde ich dagegen ankämpfen und beten, und zwar „ohne Unterlass“ (1 Thess. 5:17), sogar im Schlaf. Wenn mir diese Einsicht hingegen abgeht, werde ich nur weltliche und materielle Dinge für wichtig erachten, d.h. das Leibliche über das Seelische stellen – und danach leben. Wenn ich jedoch so denke und handle, wie kann ich dann um Christi willen „Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern“ (Lk. 14:26), ja sogar mein Leben gering achten? Dann bin ich Seiner, Christi, Liebe nicht wert! Erkenne ich aber mit jeder Faser meines Körpers, dass ich mich an meinem Herrn versündige, werde ich ständig Reue zeigen – und so zum (orthodoxen) Christen werden. Das wäre der Beginn meines Aufstiegs zum Herrn, wozu ich aber aus sündhafter Schwäche selbst nicht in der Lage bin. So bleibt mir nur die Zerknirschung meines Herzens darüber, dass ich den Willen meines Herrn nicht tue und Ihn ständig betrübe. Trotzdem glaube ich aber an die Gnade der Mysterien, welche ich in der Kirche erhalte; ja, und trotzdem liebe ich den Herrn, wenn auch nur als Sein unnützer Knecht (s. Lk. 17:10). Trotz meiner grenzenlosen Unwürdigkeit glaube ich daran, dass dank Seiner vollkommenen Liebe, die mich vor dem Höllenfeuer erlöst, ich trotz meines unvollkommenen Glaubens mit Christus als Glied an Seinem Leib (s. 1 Kor. 12:12-14) in den Himmel auffahren und mit Ihm zur „Rechten des Gottes“ (Mk. 16:19) sitzen werde. Amen.