Predigt zum 30. Herrentag nach Pfingsten, HT v. Christi Geburt, der Väter (Eph. 11: 9 - 10; Mt. 1: 1-25) (31.12.2017)

Liebe Brüder und Schwestern,

 

mit dem Herrentag der "heiligen Väter" am Sonntag vor Christi Geburt wird die letzte Etappe unserer Einstimmung auf das Geburtsfest Christi eingeleitet. Wie kann man aber die Bedeutung dieses Festes, dem wir uns mit großen Schritten nähern, richtig einordnen? - Kleine Anleihe aus dem Alltag: wenn Fußballspiele im Fernsehen live übertragen werden, wird in der Halbzeit zur Überbrückung ins Nachrichtenstudio umgeschaltet. Ein beliebter Satz des Sportkommentators ist: "Und jetzt kommt das, was wirklich wichtig ist". Sport ist Nebensache; Politik, Terroranschläge, Unglücke und Naturkatastrophen sind Hauptsache. Wirklich?

Letzte Woche sprachen wir davon, dass die einzigartige Bedeutung der Fleischwerdung des Göttlichen Logos im irdischen Leben dadurch zum Tragen kommt, dass die Geburt des Erlösers seit zwei Jahrtausenden in allen Winkeln der Erde gefeiert wird und die weltweit einheitliche Zeitrechnung in diesem Ereignis ihren Ursprung hat. Heute aber wollen wir u.a. darüber sprechen, wie die Menschheit vor der Geburt des Messias diesem göttlichen Wunder entgegensah. Stellvertretend für die Menschheit stand vor Christi Geburt das Volk Israel, dessen edelster Spross zur Gottesgebärerin wurde: "Aus dem  Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht. Der Geist des Herrn lässt sich nieder auf Ihm; der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht" (Jes. 11: 1-2). Derselbe Jesaia verkündete zudem: "Siehe, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, Sie wird einen Sohn gebären, und man wird Ihm den Namen Immanuel (Gott ist mit uns) geben" (Jes. 7: 14). Der hl. Johannes Chrysostomos kommentiert diese Stelle wie folgt: "Warum wurde Ihm denn dann nicht der Name Immanuel gegeben, sondern Jesus? Weil es da nicht heißt, du wirst Ihm den Namen geben, sondern man wird Ihm den Namen geben, d.h. gemeint sind die Völker und das Ereignis an sich. Hier wird der Name vom Ereignis abgeleitet, so wie es der Schrift zueigen ist, Ereignisse durch Namen zu bezeichnen. Und folglich bedeuten die Worte man wird Ihm den Namen Immanuel geben, dass man Gott zusammen mit den Menschen sehen wird. Denn Gott war von jeher mit den Menschen, doch niemals war Er es so offensichtlich". Nach Jesaia hatte der Prophet Ezechiel in Babylon die Offenbarung vom Osttor des Heiligtums: "Es war geschlossen. Da sagte der Herr zu mir: ´Dieses Tor soll geschlossen bleiben, es soll nie geöffnet werden, niemand darf hindurchgehen, denn der Herr, der Gott Israels, ist durch dieses Tor eingezogen; deshalb bleibt es geschlossen. Nur der Fürst darf, weil er Fürst ist, sich dort niedersetzen, um vor den Augen des Herrn die Opfermahlzeit abzuhalten. Dabei soll er von der Vorhalle des Tores eintreten und auf dem gleichen Wege wieder hinausgehen`" (Ez. 44: 1-3).

Ebenfalls in babylonischer Gefangenschaft deutete der Prophet Daniel den Traum des Königs Nabukadnezzar vom Standbild: "Du sahst, wie ohne Zutun von Menschenhand sich ein Stein von einem Berg löste, gegen die eisernen und tönernen Füße des Standbilds schlug und sie zermalmte. (...) Der Stein aber, der das Standbild getroffen hatte, wurde zu einem großen Berg und erfüllte die ganze Erde" (Dan. 2: 34-35). Und den drei Jünglingen im Feueroffen war, "als wehte ein taufrischer Wind", denn "das Feuer berührte sie gar nicht; es tat ihnen nichts zuleide und belästigte sie nicht" (Dan. 3: 50).

Vor den Patriarchen Israels sah schon Jakob "eine Treppe, die auf der Erde stand und bis zum Himmel reichte. Auf ihr stiegen Engel Gottes auf und nieder" (Gen. 28: 12). Moses hingegen erschien "der Engel des Herrn in einer Flamme, die aus einem Dornbusch emporschlug. Er schaute hin: da brannte der Dornbusch und verbrannte doch nicht" (Exod. 3: 2).

All diese prophetischen Zeichen Gottes - vom Volk Israel, das trockenen Fußes das Meer durchschritt (s. Exod. 14: 21-22), bis hin zu den drei Jünglingen, denen die Flammen im Ofen nichts anhaben konnten, sind Urbilder des unfassbaren Wunders der jungfräulichen Geburt. Der Messias ist der ohne Zutun von Menschenhand gelöste "Stein"; die Jungfrau ist die "Treppe", auf der Gott vom Himmel zur Erde herabstieg. Maria wurde Mutter und blieb Jungfrau!

Wenn wir uns nun mit reinem Herzen und mit vom Glauben erleuchteten Verstand der kirchlichen "Berichterstattung" vom göttlichen Heilsgeschehen zur Errettung der Menschheit zuwenden, erscheint uns indes das aktuelle weltpolitische Geschehen im Vergleich zur Geburt des Heilandes wie ein Spielbrett von Zinnsoldaten in der Kinderstube. Ja, selbst wenn heute der dritte Weltkrieg begönne, wäre es vor dem Hintergrund der Menschwerdung Gottes nur ein unbedeutenden Randereignis. Wir müssen es nur mit unserem Verstand und unserem Herzen begreifen, damit diese göttliche Heilstat nicht wirkungslos an uns bleibt. Deshalb setzt die Kirche eine mehrwöchige Vorbereitungszeit ein. Eine intensive Auseinandersetzung mit dem Wirken Gottes in dieser Welt hat nebenher auch den Lerneffekt, dass wir auch sonst, außerhalb der Fastenzeiten, unsere geistlichen Augen zunehmend auf das Heilsrelevante richten. Panikattacken angesichts der globalen Bedrohungen unseres auf inneren und äußeren Komfort orientierten Lebens oder die weit verbreitete Warum-lässt-Gott-das-zu?-Mentalität als Folge einschneidender Ereignisse würden dann mühelos als verzichtbarer Ballast aus unserem Alltag entsorgt werden. Schließlich war auch eine Konsequenz der Geburt des Erlösers der Menschheit die Tötung unschuldiger Kinder. Nur Gott weiß, warum dies geschehen musste. Er kennt die Antwort auf all die müßigen Fragen, die wir uns meist umsonst stellen, anstatt uns um das zu kümmern, was wirklich wichtig ist. Amen.

Jahr:
2017
Orignalsprache:
Deutsch