Predigt zum Hochfest der Verkündigung der Allheiligen Gottesgebärerin (Hebr. 2: 11-18; Lk. 1: 24-38) (07.04.2017)

Liebe Brüder und Schwestern,

 

das Mysterium dessen, was sich in der heutigen Evangeliumslesung ereignet, ist nicht in Worte zu fassen und durch menschlichen Verstand nicht zu begreifen: "Gottes Sohn wird als Sohn der Jungfrau geboren und Gabriel bringt die frohe Botschaft der Gnade" (aus dem Troparion zum Fest). Die Menschwerdung Gottes ist eine Zeitenwende, "denn wie die Sünde herrschte und zum Tod führte, so soll auch die Gnade herrschen und durch Gerechtigkeit zu ewigem Leben führen, durch Jesus Christus, unseren Herrn" (Röm. 5: 21). Doch die Gnade Gottes benötigte ein reines Gefäß, um hienieden wirksam werden zu können. Und zu dieser irdischen Wohnstätte Gottes wird heute die allreine Jungfrau Maria.

Man wird entgegnen können, dass jeder Mensch direkten Zugang zu Gott hat, so wie es in der Gegenwart in diesem Lande und anderswo zahlreiche Menschen gibt, die sich selbst als religiös oder zumindest als gläubig bezeichnen, die aber keinerlei Bindung zur Kirche haben, weder formal noch faktisch. So gesehen, hätte der Erlöser der Welt auch von jeder x-beliebigen Frau geboren werden können. Wozu, in aller Welt, braucht man also heute noch die Kirche?!..

Die Gottesgebärerin wuchs im "kirchlichen" Kontext auf, wurde mit drei Jahren in Erfüllung des elterlichen Gelübdes in den Tempel Gottes gegeben, wo Sie in der Liebe zu Gott aufgewachsen war. Sie lernte die Heilige Schrift und übte Sich im Gebet unter Anleitung von geistlichen Lehrern und Erziehern. Dies war der beste Schutz gegen dämonische Täuschung, die das schlimmste Übel schlechthin ist und die größte Gefahr für die Seelen der Menschen darstellt (vgl. Gen.. 3: 5-6). Die künftige Gottesgebärerin war vorbereitet für den Dienst, den Gott in Seinem urewigen Ratschluss für Sie vorgesehen hatte. Ihre Reaktion auf die seltsame Begrüßung durch den Erzengel fällt ja sehr bedächtig und zurückhaltend aus (s. Lk. 1: 29) - Ausdruck der Demut und der Geringschätzung der eigenen Stellung vor Gott (vgl. Lk. 1: 48a). Dadurch erweist nur Sie Sich als würdig vor dem Herrn, Ihm im Namen der gesamten Menschheit "das Ja-Wort zu geben" (s. Lk. 1: 38). Wie hätte wohl eine Andere an Ihrer Stelle reagiert?.. Mit Spott (vgl. Gen. 18: 12), Skepsis (vgl. 4. Kön. 4: 16) oder, weitaus schlimmer noch, - mit dämonischer Selbstüberschätzung?.. Denn wie Viele haben schon die Erscheinungen des Teufels als Offenbarung Gottes angenommen (vgl. 2. Kor. 11: 13-15;  Gal. 1: 8) und dadurch Millionen und Milliarden von Menschen vom wahren Glauben abgebracht?! Und das nur, weil sie es an der Reinheit des Herzens vermissen ließen! Zur gesegneten Heimstatt Gottes auf Erden konnte folglich nur die Allerreinste werden (s. Hebr. 9: 24). Und den Beginn dieser göttlichen Wohnungsnahme auf Erden feiern wir heute.

Das soeben über die Gottesmutter Gesagte wird durch das Zeugnis der hl. Elisabeth, die vom Heiligen Geist erfüllt war, bekräftigt: "Selig ist Die, Die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr Ihr sagen ließ" (Lk. 1: 45). Und Elisabeth wusste, wovon sie sprach. Sechs Monate zuvor wurde ihr Mann Zacharias mit Sprachlosigkeit bestraft, weil er an ein vergleichsweise geringeres Wunder nicht glauben konnte (s. Lk. 1: 20). Dabei waren aus dem Alten Bund schon Geburten von hochbetagten und zeugungsunfähigen Eltern bekannt (s. Gen. 21: 1-2; 25: 21;  Ri. 13: 2- 24;  1. Kön. 1: 19-20;  4. Kön. 4: 17), die Geburt Mariens von den greisen Joachim und Anna aus der eigenen Verwandschaft (vgl. Lk. 1: 36) geschah quasi vor seinen Augen, - und trotzdem fiel es sogar dem gerechten Priester schwer, Gottes Wort zu glauben. Folglich hätte auch niemand sonst der Erfüllung der Prophezeiung von der jungfräulichen Geburt (s. Jes. 7: 14) Glauben schenken können. Nur die Begnadete  (s. Lk. 1: 28) und mehr als alle Frauen Gesegnete (s. Lk. 1: 42) erwies Sich als würdig, so wie Sie später auch als Einzige sofort an die Auferstehung Ihres Sohnes glauben sollte.

Durch Sein Herabkommen in diese Welt hat Gott auch die Kindsgeburt gesegnet, so wie Er durch Sein Erscheinen in Kana in Galiläa die Ehe geehrt und durch die Taufe im Jordan die Materie geheiligt hat. Das gibt uns Anlass zu eigener Reflektion: Ohne die Einwilligung durch die Gottesgebärerin wäre der Messias nicht in der Welt erschienen. Punkt! Eine weitere Vertiefung dieses Gedankenganges würde zu theologischer Spekulation führen, wobei der theologische Aspekt gar nicht Gegenstand der augenblicklichen Betrachtung ist. Mir geht es vielmehr nur um die Hervorhebung der menschlichen Geburt. Dazu folgende Begebenheit: In einer hitzig geführten Debatte bei einer Talk-Show im russischen Fernsehen sitzen Vertreter verschiedener Gesellschaftsschichten:  PolitikerInnen, JournalistInnen und ein Vertreter der Kirche. Wir kennen das zur Genüge, wie liberale PolitikerInnen vehement das Recht der Frauen verteidigen, "mit ihrem Bauch  machen zu können, was sie wollen". Russland hat immer noch die höchste Abtreibungsrate der Welt, weil die Gesetzgebung und die sekulare Gesellschaft Abtreibungen nicht nur nicht behindern, sondern praktisch fördern. Die Russen sind somit das Milliardenvolk der Ungeborenen. Die "Menschenrechtler", welche Embryonen bis drei Monate das Menschsein absprechen (ich erinnere in diesem Zusammenhang an den eingangs zitierten Satz aus dem Troparion zum heutigen Fest - s.o.),  hatten wie immer in solchen Sendungen die Lufthoheit über das anwesende Publikum für sich beansprucht, bis das Thema auf den Wert jedes einzelnen Lebens kam. Der Kirchenvertreter (Metropolit Ilarion Alfeev) wandte sich an die Abtreibungsbefürworter und sagte ganz ruhig: "Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, dass sie hier nur deshalb sitzen, weil sich ihre Mutter einst dazu entschlossen hatte, sie zur Welt bringen zu wollen?!"... Danach war Stille im Saal. Amen.

Jahr:
2017
Orignalsprache:
Deutsch