Predigt zum 26. Herrentag nach Pfingsten (Eph. 5: 8-19; Lk. 17: 12-19) (18.12.2016)

Liebe Brüder und Schwestern, beide für den heutigen Sonntag ausgewiesenen Perikopen sind identisch mit den Lesungen, die sonst immer bei einem Dankgebet (Moleben) vorgetragen werden. Den beiden Textstellen zufolge kann man Gott auf vielerlei Art danken, ohne dabei seine Spontaneität einzubüßen: "Lasst in eurer Mitte Psalmen, Hymnen und Lieder erklingen, wie der Geist sie eingibt. Singt und jubelt aus vollem Herzen zum Lob des Herrn! Sagt Gott, dem Vater, jederzeit Dank für alles im Namen Jesu Christi, unseres Herrn!" (Eph. 5: 19-20). Was für ein Gegensatz zu sonstigen Festivitäten, die nicht zum Ruhme Gottes begangen werden (vgl. 5: 10-12; 15-18)! Weiter, selbst wenn man formal nicht zu Gottes Volk zählt, aber dennoch den Glauben und die Liebe zu Gott hat, kann man nichtsdestoweniger voller Inbrunst Gott "mit lauter Stimme" preisen (Lk. 17: 15). Ausschlaggebend ist nicht die Form, sondern das, was man im Herzen hat. Die Herzen aller kennt bekanntlich nur Gott (s. Apg. 1: 24; 15: 8). Und da kann sich zeigen, dass ein Alteingesessener weniger Glauben und Liebe hat, als ein Außenstehender (vgl. z.B. Mt. 8: 10; Lk. 7: 9). Im vorliegenden Fall wird es offenbar: allein der Samariter erweist sich als würdiger Empfänger der Gnade des Herrn, während die übrigen neun Geheilten es nicht für nötig halten, Gott ihren Dank kundzutun. Undank trotz Wohlergehens ist zwar widersinnig, entspricht aber dem bekannten Verhaltensmuster der Menschen. Kinder reicher Eltern sind für vielerlei materielle Zuwendungen oftmals weniger dankbar als Kinder armer Eltern für vergleichsweise geringere Beschenkungen. Womöglich liegt der Grund dafür in der Fähigkeit, zu erkennen, wie schwer es dem fällt, der weniger hat, anderen eine kleine/große Freude zu bereiten. Dem im Überfluß Lebenden ist es ja ein Leichtes, nach seinem Gutdünken mal die Brieftasche zu öffnen und sich die gewünschte Dankbarkeit zu erkaufen. Bei Gott gelten allerdings ganz andere Bewertungskriterien (s. Mk. 12: 41-44 u. Lk. 21: 1-4). Soziale Ausgrenzung führt, dazu dass der Verachtete und Verschmähte die Liebe Gottes umso mehr zu schätzen weiß, während die vermeintlich Auserwählten einen bedingungslosen Rechtsanspruch für die Seligkeit zu haben meinten. Und so stellen Letztere bisweilen Ansprüche an Gott, anstatt demütig das von Ihm bestimmte Schicksal anzunehmen und um Milde für die sündige Seele zu flehen. Durch derartiges Anspruchsdenken ohne jede Gegenleistung erlangt man aber keine Gnade vor seinem Herrn. Um diesen fatalen Irrtum nicht zu wiederholen, müssen auch wir auf der Hut sein! Erinnern wir uns an die Parabel vom Weltgericht: die nichts von ihrer Rechtschaffenheit Ahnenden erben das Himmelreich, während die Selbstgerechten zum ewigen Feuer verflucht werden (s. Mt. 25: 31-46). Lasst uns dankbar sein "für alles" (Eph. 5: 20; vgl. 1. Thess. 5: 18)! Gott weiß doch besser, was für unser Seelenheil notwendig ist. Wir denken doch gar nicht daran, wie viele Menschen ihr Schicksal liebend gern mit dem Unsrigen teilen würden. Wir sehen nur, dass es uns, weltlich gesprochen, noch etwas besser gehen könnte - materiell, gesundheitlich, familiär, karrieremäßig etc. Aber begeben wir uns dann nicht auf das Niveau des selbstsicheren Reichen, der in all diesen Dingen den Gipfel der Glückseligkeit vermutete und von Gott dafür zurecht als Narr bezeichnet wurde (s. Lk. 12: 20)?!.. Das, was uns aus irdischer Perspektive vielleicht erstrebenswert erscheint, kann, wenn es Gottes Willen und Vorsehung widerspricht, verderblich für die Seele sein, und vice versa, "denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen, und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen" (1. Kor. 1: 25). Das Beispiel von den zehn geheilten Aussätzigen ist nahezu deckungsgleich mit den Erfahrungswerten des kirchlichen Alltags: die allermeisten Menschen finden den Weg zur Kirche nur dann, wenn sie von Sorgen und Nöten geplagt werden, nicht aber, wenn ihnen das Glück einmal zugelächelt hat. Dabei hilft Gott dem Menschen immer auf dessen Weg zum Heil, nur geht das nie ohne Prüfungen des Glaubens vonstatten, denn nur "wer bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet" (Mt. 24: 13; Mk. 13: 13). Aber in den seltensten Fällen wollen sich die Menschen auf Gottes Spielregeln einlassen: eine Kerze aufstellen - ja, eine Fürbitte abhalten lassen - meinetwegen, aber seine Lebensgewohnheiten ändern - nein, die Beziehung zu Gott an die oberste Stelle setzen - keinesfalls. Mich amüsiert immer die Frage: "Welches Gebet gibt es, damit z.B. in der Familie wieder Frieden herrscht oder dass die Geschäfte besser laufen oder der verflossene Partner wieder zurückkommt?" etc. - Die Kirche wird mal als magischer Dienstleistungsbetrieb für alle erdenklichen Lebenssituationen betrachtet, mal als Kampfbatallion für soziale Gerechtigkeit - nicht aber als Heilsanstalt für die Seelen! Dass diese vor allem einer Wiederbelebung bedürfen, ist heute kaum zu vermitteln; wohl, weil es uns allen zu gut geht - und das weckt Begehrlichkeiten nach noch mehr Wohlergehen und Komfort. Wenn uns die Kirche dazu ermahnt, unsere materiellen Bedürfnisse auf das zwingend notwendige Maß zurückzuschrauben (s. 1. Tim. 6: 8), dann doch nicht etwa, weil sie uns jedweden Wohlstand missgönnt, sondern weil wir durch überzogene Ansprüche Gefahr laufen, uns enttäuscht vom Glauben abzuwenden. Unsere Herzen sollen dem Himmelreich zugewandt sein, dann wird uns auch alles Andere gegeben werden (s. Mt. 6: 33). "Wer aber reich werden will, gerät in Versuchungen und Schlingen, er verfällt vielen sinnlosen und schädlichen Begierden, die den Menschen ins Verderben und in den Untergang stürzen. Denn die Wurzel allen Übels ist die Habsucht. Nicht wenige, die ihr verfielen, sind vom Glauben abgeirrt und haben sich viele Qualen bereitet" (1. Tim. 6: 9-10). Davor will uns die Kirche bewahren. Amen.
Jahr:
2016
Orignalsprache:
Deutsch