Predigt zum vierten Herrentag der Großen Fastenzeit / Gedächtnis des hl. ehrwürdigen Johannes Klimakos (Mk. 9: 17-31) (22.03.2015)

(Hebr. 6: 13-20;  Mk. 9: 17-31)

 

Liebe Brüder und Schwestern, 

 

an die Woche nach der Kreuzverehrung schließt sich thematisch nahtlos die fünfte Fastenwoche an, die mit dem Gedenktag des ehrwürdigen Johannes Klimakos eingeleitet wird. In der Lesung zur Kreuzverehrung hörten wir ja die Worte des Herrn: „Wer Mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge Mir nach“ (Mk. 8: 34). Doch wie soll diese Selbstverleugnung um Christi willen aussehen, durch die ja alle, die das Leben gewinnen wollen, es verlieren, und die, die es um Christi und des Evangeliums willen verlieren, gewinnen?! - Finden wir etwa einen weiterführenden Ansatzpunkt in der Lesung zum heutigen Tag von der Heilung des mondsüchtigen Jungen? Auf den ersten Blick gibt es keine Gemeinsamkeiten, doch bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass in beiden Lesungen die kontrastierende Rede von der „ungläubigen Generation“ (Mk. 9: 19) bzw. „der treulosen und sündigen Generation“ (Mk. 8: 38) ist.  Wir können daraus den Schluss ziehen, dass die heutige Episode vom missglückten Heilungsversuch durch die Jünger mit anschließend erfolgter Heilung durch den Herrn diesem Gedankengang folgt, endet sie doch mit den Worten: „Diese Art kann nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben werden“ (Mk. 9: 28). Im kirchenslawischen Text steht jedesmal derselbe Begriff (род = Geschlecht, Art, Generation).

Am Beispiel des hl. Johannes Klimakos (+ 649), der vierzig Jahre in Gebet und Fasten im Hl.-Katharinenkloster in der Sinai-Wüste verbrachte, können wir unschwer ein Muster für das Tragen unseres Kreuzes bei gleichzeitig unbeirrter Verkündigung der Frohen Botschaft an Außenstehende erkennen. Er bietet uns ja in seiner „Himmelsleiter“ an, durch beharrliche Askese (= Selbstverleugnung) den steilen Weg zur Herrlichkeit Christi zu erklimmen. Ihm zu Ehren wird heute auch die Vollversion der  Seligpreisungen (Mt. 5: 3-12), die ja selbst eine Art Himmelsleiter darstellen, gelesen. 

Selbstverleugnung und das Tragen des Kreuzes – nur in dieser Kombination werden wir zu Nachfolgern Christi. Denken wir dabei immer an die Gerissenheit des Widersachers, der für jedes Heilmittel Gottes sein eigenes todbringendes Imitat parat hält. Denn Formen der Selbstverleugnung ohne das Kreuztragen gibt es zuhauf: Alkoholismus, Drogenkonsum, Nymphomanie, Kriminalität etc., ebenso zahlreiche Varianten des Kreuztragens ohne Selbstverleugnung, da viele Menschen zwar sichtbar ein Kreuz wie ein Amulett um den Hals tragen, sich dabei aber durch ihre Lebensweise eher zu dieser treulosen und sündigen Generation, denn zu Christus bekennen. So kann sich der Glaube leicht auf unheilvolle Weise mit Nationalismus oder Neureichen-Zynismus vermischen bzw. zum Nährboden für Bigotterie und Selbstgerechtigkeit werden. In einer Zeit, in der man im Osten Europas wieder bzw. im Westen unseres Kontinents noch ohne Furcht offen seine Zugehörigkeit zur Kirche Christi zeigen kann, bedarf es keines Bekennermutes, seinen Glauben verbal oder visuell zur Schau zu tragen. Allerdings, wenn es darauf ankommt, sich durch echte Taten und eine konkrete Lebenseinstellung vor dem Angesichte einer zunehmend glaubensfeindlichen Umgebung hervorzutun, kann man die tatsächlichen Nachfolger Christi mit der Lupe suchen. Die Heilige Schrift lehrt uns daher, uns von den Verlockungen der uns umgebenden Welt zu distanzieren: „Fort, fort! Zieht von dort weg. Fasst nichts Unreines an! Zieht von dort weg! Haltet euch rein, denn ihr tragt die Geräte des Herrn“ (Jes. 52: 11; vgl. 2. Kor. 6: 17). Es ist zugleich eine prophetische Ankündigung der Verbreitung der von Jerusalem ausgehenden Frohen Botschaft (s. Jes. 52: 7) durch diejenigen, welche diese Heilsbotschaft in ihren Herzen („Geräten“) tragen: die Apostel, Kirchenväter, Martyrer, Eremiten u.v.a. „Alle Enden der Erde sahen das Heil unseres Gottes“ (Jes. 52: 10), das uns durch das Kreuz erschienen ist (s. 1. Kor. 18-32). 

Wie es wohl bereits zu Zeiten von Johannes Klimakos schwer war, sein Kreuz in der schon damals sekularisierten Gesellschaft zu tragen, - weshalb die eifrigsten Nachfolger Christi die Weltflucht antraten, - so ist es auch und besonders heute eine große Herausforderung für jeden einzelnen, sich vor dieser Welt durch Wort und Tat zu Christus zu bekennen. Manche versuchen es gar nicht erst und biedern sich regelrecht dem modernen Lebensstil an. Da sie dem Zeitgeist aber hechelnd und mit ausgestreckter Zunge hinterherrennen, können sie dabei nicht auch noch ihr Kreuz tragen – also legen sie das störende „Gerät“ (s. Jes. 52: 11) einfach beiseite, ohne sich auch nur ein Mal nach ihm umzusehen. Andere, vor allem Neophyten, sind eine Zeit lang scheinbar „Feuer und Flamme“, sind sichtlich von allem begeistert – von der Schönheit der Kirche und des Gottesdienstes, vom Chor, dem Priester, der Gemeinde etc., aber haben vollkommen falsche Erwartungen an Christus. Dieser versprach in diesem Leben nichts, außer dem Kreuz; sie aber glauben, dieser „Talisman“ sei eine Art Rundumschutz gegen Krankheit, Unglück und Anfechtungen aller Art. Und genau das ist eine tragische Fehlinterpretation der Kernbotschaft des Evangeliums. Als hätten sie das Gleichnis vom Sämann nie gehört (Mt. 13: 3-16;  Mk. 4: 2-20;  Lk. 8: 4-8), bleiben sie nur treu, solange eitel Sonnenschein herrscht. Sie können und wollen nicht begreifen, dass es gerade die von Gott zugelassenen Prüfungen sind, die den Menschen durch Liebe und Treue zum Himmlischen Vater stark werden lassen.

Gewiss, wer, nach den Worten der Seligpreisungen, weint, der wird getröstet werden (Mt. 5: 4), und wer um Christi willen verfolgt, beschimpft und verleumdet wird, der darf sich glücklich schätzen (5: 11-12;  vgl.  Apg. 5: 41). Aber zu dieser Art Glücklichsein gehört nun mal die Bereitschaft, nach dem Vorbild Christi freiwillig Schmach und Verfolgung zu erdulden. „Mehr noch, wir rühmen uns ebenso unserer Bedrängnis; denn wir wissen: Bedrängnis bewirkt Geduld, Geduld aber Bewährung, Bewährung Hoffnung. Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen durch den Heiligen Geist, Der uns gegeben ist“ (Röm. 5: 4-5), schreibt einer, der sich darin bestens auskennt (s. Apg. 9: 16). 

Um dann, wenn die Zeit auch für uns gekommen sein wird, Schmach und Verfolgung erdulden zu dürfen, müssen wir schon jetzt durch Gebet und Fasten darauf vorbereitet sein. Wer das mit Eifer tut, darf gewiss sein, dass er schon jetzt, während dieser großen Fastenzeit, freudig seinen Lohn empfangen wird. 

Daraus folgt doch, dass wir nicht trotz, sondern gerade wegen des Kreuzes glücklich sein können. Das ist doch die Frohe Botschaft vom Reich Gottes, welches sich unabhängig von äußeren Faktoren manifestiert (s. Lk. 17: 21). Und wie glücklich können wir uns schätzen, dass wir solche Väter, wie den hl. Johannes Klimakos auch in unserer Zeit als leuchtende Vorbilder haben. Vor zwei Monaten wurde Geronta Paisios (+ 1994) kanonisiert, vor ihm Geronta Porphyrios (+ 1991), der ehrwürdige Justin (Popovic, + 1979) oder Vladyka Ioann (Maximovitch, + 1966) u.v.m. Es sind unsere Zeitgenossen, die von der geistlichen Prägung her vollkommen in derselben Tradition der Heiligen früherer Epochen stehen und ihnen in ihren Gnadengaben in nichts nachstehen. Doch der Geist Gottes wird nur dann wirksam, wenn wir uns vom irdischen Denken abwenden, denn gerade dieses hielt die Jünger wenige Wochen vor der Kreuzigung des Herrn davon ab, den Dämon aus dem Jungen auszutreiben.  

Die heutige Apostellesung unterstreicht, dass wir keinen Grund haben, an Gottes verheißener Gnade zu zweifeln: „Als Gott dem Abraham die Verheißung gab, schwor Er bei Sich Selbst, da Er bei keinem Höheren schwören konnte, und sprach: ´Fürwahr, Ich will dir Segen schenken in Fülle und deine Nachkommen überaus zahlreich machen`. So erlangte Abraham durch seine Ausdauer das Verheißene. Menschen nämlich schwören bei dem Höheren; der Eid dient ihnen zur Bekräftigung und schließt jeden weiteren Einwand aus; deshalb hat Gott, weil Er den Erben der Verheißung ausdrücklich zeigen wollte, wie unnabänderlich Sein Entschluss ist, Sich mit einem Eid verbürgt. So sollten wir durch zwei unwiderrufliche Taten, bei denen Gott unmöglich täuschen konnte, einen kräftigen Ansporn haben, wir, die wir unsere Zuflucht dazu genommen haben, die dargebotene Hoffnung zu ergreifen. In ihr haben wir einen sicheren und festen Anker der Seele, der hinreicht in das Innere hinter dem Vorhang; dorthin ist Jesus für uns als unser Vorläufer hineingegangen, Er, Der nach der Ordnung Melchisedeks Hoherpriester ist auf ewig“ (Hebr. 6: 13-20). 

Auch wir werden durch Ausdauer ganz sicher das Verheißene erlangen, wenn wir Gott als Gegenleistung für Seine Verheißung und Seinen Eid (s. 6: 18) unsererseits, nach menschlicher Maßgabe, zwei unwiderrufliche Taten entgegenbringen: Gebet und Fasten. 

Amen.

Jahr:
2015
Orignalsprache:
Deutsch