Predigt zum 31. Herrentag nach Pfingsten / Herrentag nach Theophanie (Eph. 4:7-13; Mt. 4:12-17) (23.01.2022)

Liebe Brüder und Schwestern, am Herrentag nach der Taufe Christi lesen wir u.a. folgende eindringliche Worte des Apostels Paulus über die aktive Verantwortung, die sich aus dem Empfang der göttlichen Gnade im Mysterium der Taufe für uns ergibt: „Denn jeder von uns empfing die Gnade in den Maß, wie Christus sie ihm geschenkt hat. (…) So sollen wir alle zur Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, damit wir zum vollkommenen Menschen werden und Christus in Seiner vollkommenen Gestalt darstellen“ (Eph. 4:7,13). Aber unsere Gedanken sind ständig ganz woanders. Der nachfolgende Text scheint gleichsam für uns in diesen Zeiten geschrieben worden zu sein: „Wir sollen nicht mehr unmündige Kinder sein, ein Spiel der Wellen, hin und her getrieben von jedem Widerstreit der Meinungen, dem Betrug der Menschen ausgeliefert, der Verschlagenheit, die in die Irre führt. Wir wollen uns, von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten und in allem wachsen, bis wir Ihn erreicht haben. Er, Christus, ist das Haupt. Durch Ihn wird der ganze Leib zusammengefügt und gefestigt in jedem einzelnen Gelenk. Jedes trägt mit der Kraft, die ihm zugemessen ist. So wächst der Leib und wird in Liebe aufgebaut“ (Eph. 4:14-17). Jeder Einzelne trägt seinen Teil der Verantwortung, aber nicht isoliert, nicht als Individuum, sondern als lebendiges Glied am Leib Christi. So viel für die, welche in unruhigen Zeiten Rat bei Politikern, Wissenschaftlern, selbsternannten Heilspropheten usw. suchen. Doch welche Verantwortung bringt die Taufe für jeden persönlich mit sich?: „Ich sage es euch und beschwöre euch im Herrn: Lebt nicht mehr wie die Heiden in ihrem nichtigen Denken! Ihr Sinn ist verfinstert. Sie sind dem Leben, das Gott schenkt, entfremdet durch die Unwissenheit, in der sie befangen sind, und durch die Verhärtung ihres Herzens. Haltlos wie sie sind, geben sie sich der Ausschweifung hin, um voll Gier jede Art von Gemeinheit zu begehen. Das aber entspricht nicht dem, was ihr von Christus gelernt habt. Ihr habt doch von Ihm gehört und seid unterrichtet worden in der Wahrheit, die Jesus ist. Legt den alten Menschen ab, der in Verblendung und Begierde zugrunde geht, ändert euer früheres Leben, und erneuert euren Geist und Sinn! Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit!“ (Eph. 4:17-24). Die Gebote des Neuen Testamentes leiten uns demnach an, den alten Menschen abzulegen und stattdessen den neuen Menschen anzuziehen. Nur so werden wir zu Söhnen Gottes. Das ist ergibt sich unzweideutig aus der Taufe in Christus (s. Gal. 3:26-27). Der alte Mensch kann nicht in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes Willen erfüllen. Er kann gemäß moralischen Prinzipien handeln, ein entwickeltes Gerechtigkeitsdenken anwenden, vom Naturell her herzensgut sein und bis zur Selbstaufgabe gewissenhaft leben. Und doch kommen am Ende nur Werke des Fleisches bei ihm heraus, weil sich seine gesamte Daseinstätigkeit nach irdischen Dingen orientiert. Er kämpft für soziale Gerechtigkeit, setzt sich für den Schutz Bedrängter und Benachteiligter ein, engagiert sich für die Belange von Minderheiten etc. Aber was ist, wenn nicht Christus den Mittelpunkt seiner Überlegungen bildet? Dann wird sein unbestritten selbstloser Einsatz zum „Trachten des Fleisches“, das vom geistlichen Standpunkt betrachtet zum Tod führt (Röm. 8:6). Dieses Trachten impliziert nämlich, dass es eine Gerechtigkeit ohne Christus und ein Heil außerhalb des Glaubens an Ihn gibt. Wir lesen aber in der Heiligen Schrift: „Ihr seid mit Christus auferweckt; darum strebt nach dem, was im Himmel ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt. Richtet euren Sinn auf das Himmlische und nicht auf das Irdische! Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen in Gott. Wenn Christus, unser Leben, offenbar wird, dann werdet auch ihr offenbar werden in Herrlichkeit“ (Kol. 3:1-4). Wenn wir nun meinen, ohne Christus bessere Menschen sein, eine bessere Welt schaffen oder gar das ewige Leben erlangen zu können, dann ist das so, als ob wir dem am Kreuz hängenden Erlöser im Vorbeigehen dieselben Schmährufe entgegenwerfen wie die Ältesten und Schriftgelehrten Israels. Sie kannten zwar die Schriften, erkannten im Messias aber nicht, „dass Sein Auftrag ewiges Leben ist“ (Joh. 12:50). Die Weltverbesserer zu allen Zeiten kämpfen zu Anfang gewiss für hehre Ideale, werden aber nichtsdestoweniger zu Werkzeugen des Teufels. Unterstützt werden sie dabei von der breiten Masse der Gutmenschen, welche das Monopol für Gerechtigkeit für sich beanspruchen. Sie sehen in Anderen, vor allem in ihren Opponenten nur das Böse, werfen ihnen die schlimmsten Dinge vor, beschuldigen sie aller möglichen Verbrechen. Die unvermeidliche Radikalisierung führt in der Konsequenz dazu, dass anfangs friedliche Protestbewegungen in Aufruhr und Randale ausarten, dass sich die Gesellschaft spaltet, Feindbilder entstehen. Manchmal geschieht das vorgeblich im Namen des Glaubens, aber ohne den Geist Gottes (s. 1 Joh. 4:1-6). Der Teufel reibt sich vergnügt die Hände. Vom Aufbegehren gegen die Staatsmacht steht in der Bibel aber nichts geschrieben, – im Gegenteil (vgl. 1 Petr. 2:13-17; Röm. 13:1-7). Wer jedoch aus dem Geist lebt, wird auch dem Geist folgen (s. Gal. 5:25) und Werke des Glaubens vollbringen (Demut, Reue, Sanftmut, Wahrheitsliebe, Barmherzigkeit, seelische Reinheit, Friedfertigkeit, Duldsamkeit). Der Hass dieser Welt wird ihm dafür sicher sein (s. Mt. 5:1-12). Doch nur so lässt sich eine Gesellschaft erneuern, – wie geschehen im Römischen Reichs oder im Kommunismus. Der Glaube besitzt die sprichwörtliche Kraft, Berge zu versetzen (s. Mt. 17:20; 21:21; Mk. 11:23). In ihm allein erweist sich die Kraft Gottes – trotz menschlicher Unzulänglichkeit (s. 2 Kor. 12:9-10). Amen.
Jahr:
2022
Orignalsprache:
Deutsch