Predigt zum 32. Herrentag nach Pfingsten / Herrentag vor Theophanie (2 Tim. 4:5-8; Mk. 1:1-8) (17.01.2021)

Liebe Brüder und Schwestern, das Hochfest der Geburt Christi ist vorüber, auch das Fest Seiner Beschneidung liegt nun hinter uns. Immer noch erfreuen wir uns in diesen Tagen am festlichen Frohlocken der fastenfreien Zeit zwischen der Geburt Christi und Seiner Taufe. Liturgisch richtet sich unser Blick bereits auf das bevorstehende Fest der Erleuchtung, also der Taufe Christi. Auch die für den Herrentag vor Theophanie vorgesehenen Lesungen erfüllen den Zweck der Vorbereitung auf die Erscheinung Gottes in der Welt. Im Prolog des Markus-Evangeliums lesen wir von der prophetisch angekündigten Predigt des Vorläufers Christi in der Wüste (s. Mk. 1:2-3; vgl. Jes. 40:3-5; Mt. 3:3; Lk. 3:4-6; Mal.3:1). Johannes fungiert als Wegbereiter des Herrn. Er verkündete: „Nach mir kommt Einer, Der ist stärker als ich; ich bin es nicht wert, mich zu bücken, um Ihm die Schuhe aufzuschnüren. Ich habe euch nur mit Wasser getauft, Er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen“ (Mk. 1:7-8). Der größte unter den Propheten (s. Mt. 11:11; Lk. 7:28) bezeugt die göttliche Herrlichkeit Christi!.. Wie jemand hernach auf die Idee kommt, dass es nach dem Messias noch einen weiteren von Gott gesandten Heilverkünder geben kann, kann sich meinem logischen Verständnis nicht erschließen (s. Apg. 4:12). Jedenfalls diente die zurückliegende vierzigtägige Fastenzeit nicht nur unserer Vorbereitung auf die Geburt Christi, sondern auch auf Sein öffentliches Erscheinen, das nach der Taufe im Jordan und dem vierzigtägigen Fasten in der Wüste erfolgte (s. Mk. 1:12-13). Bemerkenswert ist, dass Christus nach dem Herabkommen des Heiligen Geistes auf Ihn vom Geist in die Wüste getrieben wurde (s. Mk. 1:12; vgl. Mt. 4:1; Lk. 4:1), um dort vom Satan versucht zu werden. – Es ist ein eindeutiger Hinweis darauf, dass auch die Nachfolger Christi – alle in Seinen Namen Getauften – Versuchungen und mancherlei Prüfungen in dieser Welt ausgesetzt sein werden (s. Lk. 8:13; Apg. 20:19; Jak. 1:2-3,12-13; 1 Petr. 1:6; 4:12-13; 2 Petr. 2:9; 1 Kor. 10:13; 1 Tim. 6:9; Offb. 3:10 u.v.m.). Unser Anspruch ist es, in diesen Anfechtungen mit Gottes Hilfe standhaft zu sein. Nichts anderes bezweckten wir mit unserer Taufe „mit dem Heiligen Geist“ (Mk. 1:8)! Wer meint, alles in seinem Leben werde nach der Taufe wie am Schnürchen laufen, täuscht sich gewaltig. Dem widerspricht auch die heutige Lesung aus dem Apostelbuch, die wir komplett wiedergeben. Der Apostel Paulus schreibt an seinen Ziehsohn Timotheus: „Du aber sei in allem nüchtern, ertrage das Leiden, verkünde das Evangelium, erfülle treu deinen Dienst! Denn ich werde nunmehr geopfert, und die Zeit meines Aufbruchs ist nahe. Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten. Schon jetzt liegt für mich der Kranz der Gerechtigkeit bereit, den mir der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tag geben wird, aber nicht nur mir, sondern allen die sehnsüchtig auf Sein Erscheinen warten“ (2 Tim. 4:5-8). Dann lasst uns doch „sehnsüchtig auf Sein Erscheinen warten“!.. Wenn wir uns jetzt nicht liturgisch auf den Beginn des Auftretens Christi in der Welt vorbereiten, wie wollen wir bereit sein, wenn Er am Ende der Zeit als Richter über alle Menschen kommt (s. Mt. 25:1-13; Mk. 13:32-37; Lk. 21:34-36; 1 Petr. 4:7; 5:7-9; 1 Kor. 16:13 u.v.m.)?!.. Sicher können wir nicht (buchstäblich) unentwegt wachen und beten – schließlich haben wir Obliegenheiten in dieser Welt – Familie, Beruf, Gesellschaft etc. Was also sollen wir tun, wenn wir den „guten Kampf“ führen, den „Lauf vollenden“ und die „Treue bewahren“ wollen? Wenn wir uns die Beispiele aus den Heiligenviten zum Vorbild nehmen (s. 1 Kor. 11:1), werden wir schnell merken, dass es mit unserer Glaubenskraft, unserem asketischen Eifer und unserer spirituellen Standhaftigkeit nicht zum Besten bestellt ist. Aber: Gott beruft keine Übermenschen, sondern schwache und fehlbare Kreaturen. Auch der Apostel Paulus war kein Supermann (s. 2 Kor. 12:7-10; Gal. 4:13-14). Von Natur aus hochbegabte Menschen stellen ihre Talente eher selten in den Dienst Gottes, und die meisten bekannten Häretiker, Schismatiker und Sektierer waren und sind charismatische Persönlichkeiten. Der Heilige Geist sucht Sich aber in bescheidenen Gefäßen eine Wohnstatt (s. Apg. 4:13) – in demütigen Herzen (s. Spr. 3:34; Jak. 4:6; 1 Petr. 5:5; vgl. Ps. 9:38; 33:19; 50:19; 137:6; 146:6; 149:4; Jes. 57:15; Lk. 1:52; Röm. 12:16; 2 Kor. 7:6). Was Gott folglich von uns erwartet, ist nicht Askese auf Weltrekordniveau, nicht Fasten bis zum Umfallen, sondern schlicht und ergreifend die Entschlossenheit, nach Seinem Willen (s. Mt. 6:10) zu leben. Johannes der Täufer war Gott nicht etwa durch seine äußere Lebensführung gefällig, sondern durch seine völlige Hingabe an den Willen des Herrn. Und so soll auch unser irdisches Schaffen und unser ganzes Dasein auf die Erfüllung des göttlichen Willens zu Seiner Verherrlichung ausgerichtet sein (s. 1 Kor. 10:31). Wer sich das zur Lebensmaxime macht, „ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute“ (Mt. 7:24; vgl. Lk. 6:47-49; s. auch Eph. 2:20). Aber ohne tränenreiche Buße, Selbstbezichtigung und Zerknirschung des Herzens kann es keine Demut vor Gott geben, höchstens eine zur Schau gestellte pharisäische Pseudo-Demut, um den Menschen zu gefallen (s. Gal. 1:10-12; 1 Thess. 2:4). Das ist der authentischen orthodoxen Lebensweise jedoch zuwider. Es geht doch um unser Seelenheil: „Sucht den Herrn, ihr Gedemütigten im Land, die ihr nach dem Recht des Herrn lebt. Sucht Gerechtigkeit, sucht Demut! Vielleicht bleibt ihr geborgen am Tag des Zornes des Herrn“ (Zef. 2:3). Wenn wir so leben, haben wir die Gnade im Mysterium der Taufe nicht umsonst empfangen und haben dann auch den Glauben nicht unüberlegt angenommen (s. 1 Kor. 15:2). Amen.
Jahr:
2021
Orignalsprache:
Deutsch