Predigt zum 8. Herrentag nach Pfingsten (1 Kor. 1:10-28; Mt. 14:14-22) (02.08.2020)

Liebe Brüder und Schwestern,

die wunderbare Speisung der Fünftausend in einer einsamen Gegend (s. Mt. 14:12,15) ist ein neuerlicher Beweis der göttlichen Autorität unseres Herrn Jesus Christus, hatte Gott der Herr seinerzeit doch Sein Volk in der Wüste gespeist. Die heiligen Väter sehen in diesem Zeichen eine Vorandeutung der Heiligen Eucharistie (s. Joh, 6:26-58) – des Himmlischen Brots. Die wunderbare Speisung aus Mitleid gegenüber den zahlreichen Kranken, die Ihm an diesen entlegenen Ort gefolgt waren (s. Mt. 14:14), drückt Gottes Fürsorge für alle von seelischen Gebrechen bedrückten Menschen aus – also für uns alle.

Des weiteren lehrt uns der Herr durch Sein persönliches Beispiel, vor jeder Nahrungsaufnahme Gott den Lobpreis zu entrichten (s. 14:19b), da diese jedes Mal ein Abbild der himmlischen Tafel darstellt (vgl. Lk. 14:15). Die Ähnlichkeit zum Mystischen Abendmahl ist hier augenfällig (vgl. Mt. 26:26-27; Mk. 14:22-23; Lk. 22:17-19). Wie unwirklich es doch heute anmutet, dass die Menschen in reichen Ländern völlig achtlos Speisen und Getränke zu sich nehmen und nicht eine Sekunde daran denken, dass unser tägliches Brot vom Himmlischen Vater kommt und für uns beileibe keine Selbstverständlichkeit darstellt (s. Mt. 6:11; Lk. 11:3). Was würden nur unsere Vorfahren dazu sagen, die sich ohne die Segnungen des modernen Sozialstaates jede Mahlzeit bewusst im Schweiße ihres Angesichts erarbeiten mussten (s. Gen. 3:19a)?! Unser heutiges Dilemma besteht ja zu einem Großteil darin, dass wir die Achtung vor der Nahrung verloren haben (vgl. Mt. 14:20 – alle Reste werden aufgesammelt, damit nichts verlorengeht!). Kaum verwunderlich heute, da wir diese Nahrungsmittel nicht mehr selbst herstellen, sondern von anderen – materiell und rechtlich oftmals Minderbemittelten – industriell für uns produzieren lassen. Die Folgen für Mensch, Tier und Natur sind verheerend. Aber kaum einer stellt beim Einsatz für eine bessere und gerechtere Umwelt den Zusammenhang zur vom Menschen einseitig aufgekündigten Harmonie mit seinem Schöpfer her. Zumindest von den noch verbliebenen Christen könnte man das doch erwarten, aber – weit gefehlt! 

Die Kirche aber bietet das Modell für das harmonische Zusammenleben mit dem Urheber aller Güter – der geistlichen sowie der materiellen –, an. Im vorliegenden Fall lässt der Herr die irdische Nahrung von Seinen Jüngern verteilen; in der Kirche sind es, der Allegorie des hl. Theophan des Klausners zufolge,  die Priester, die dem Volk die himmlische Nahrung darreichen.

Umso tragischer ist es dann, wenn sich das weltliche Denken in der kirchlichen Mitte breitmacht. Das ist aber kein Alleinstellungsmerkmal unserer Zeit. Schon der Apostel Paulus ermahnt die Gemeinde in Korinth zur Einmütigkeit im Herrn. Er selbst geht energisch gegen alle Bestrebungen vor, die Bedeutung seiner Person überzubetonen. Wie gut, sagt er, dass ich nur wenige selbst getauft habe, sonst hätten sich wohl viele darauf ihren eigenen Reim gemacht und die Parteiungen hätten sich dadurch noch weiter vertieft (s. 1 Kor. 1:13-16). Für uns ist die damalige Situation in Korinth heute aber ein Anschauungsbeispiel für den Einsatz für die Einheit der Kirche weltweit. „Ist denn Christus zerteilt?“ (13:13a). Die Mächte der Finsternis werden auch weiterhin nichts unversucht lassen, um Spaltungen im Leib Christi herbeizuführen – aber vergeblich. Christus hat Sich nicht zerteilt, und auch Sein Leib ist nicht teilbar, wovon Sein Gewand auf Golgatha symbolisch Zeugnis ablegt (s. Joh. 19:23-24). Aber keiner in der Kirche, und möge er eine noch so hohe Position einnehmen, ist davor gefeit, ähnlich wie Judas zu einem schändlichen Werkzeug des Satans zu werden. Das irdische, weltliche, politische Denken ebnet den Feinden Christi, deren Speerspitze gerade hochrangige Kirchenvertreter bilden, den Weg. Diese sind aber letztlich doch nur Werkzeuge in der allmächtigen und unvorstellbar weisen Vorsehung Gottes (vgl. Gen. 50:20). Was da gerade in der Ukraine passiert – die Anerkennung der Schismatiker durch das Patriarchat von Konstantinopel – ist nicht in Worte zu fassen. Und ausnahmsweise wollen wir das weltliche Denken parabolisch zur Klärung des Sachverhalts heranziehen: Was Patriarch Bartholomäus vollzogen hat (Anerkennung der Poroschenko-“Kirche“) ist nämlich so, als würde der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika der deutschen Bundeskanzlerin beim G7-Gipfel erklären, dass er ab sofort die Reichsbürger-Bewegung von „Reichskanzler“ Wolfgang Ebel als legitime Regierung Deutschlands anerkennt und Frau Merkel für ihn damit nicht mehr als Ansprechpartnerin zu akzeptieren sei.

Während die Russische Kirche seitdem Fall des Kommunismus dank hunderter neu eröffneter Klöster und mehrerer Dutzend neuer theologischer Lehreinrichtungen in Sachen Weihe neuer Bischöfe inzwischen aus dem Vollen schöpfen kann, muss sich Konstantinopel jedes Mal vor der türkischen Regierung verbiegen, um einen halbwegs passablen Kandidaten für den Patriarchenthron zu finden. Deswegen sucht man den Schulterschluss mit den Mächtigen dieser Welt. Geholfen hat es wenig (s. Hagia Sophia). So wird nicht dem ukrainischen Kirchenvolk der Rücken gestärkt, sondern dem Straßenpöbel (vgl. Apg. 17:5ff) neue Nahrung zur nationalistischen Hetze geliefert. Aber: „Ist denn Christus zerteilt?“ - Mitnichten! So wird durch den Leidensweg der getreuen Diener Christi (vgl. Mt. 5:10-12) die Grundlage für eine Wiederbelebung des kirchlichen Lebens an der Stätte der Taufe der Rus´ durch den heiligen Apostelgleichen Großfürsten Wladimir anno 988 geschaffen. Für uns alle aber, die wir direkt oder indirekt an diesem Konflikt beteiligt sind, muss es nur darum gehen, irdischen Verlockungen zu widerstehen und allein „das Brot des Lebens“ (Joh. 6:48) als Nahrung für die Seele anzustreben. Amen.

Jahr:
2020
Orignalsprache:
Deutsch