Predigt zum Vorabend der Taufe des Herrn (1 Kor. 9: 19-27; Lk. 3:1-18) (18.01.2020)

Liebe Brüder und Schwestern, 

das Fest der Taufe Christi wurde als Theophanie in der Frühzeit der Kirche  zusammen mit dem Geburtsfest Christi als ein Feiertag begangen. Dies ist rudimentär an der identischen liturgischen Struktur beider Feiertage bis heute erkennbar. Dadurch befindet sich die Taufe des Herrn auf „gleicher Augenhöhe“ mit der Geburt des Herrn. Ikonographisch ist dies z.B. an der prophetisch angedeuteten Grabhöhle auf beiden Festtags-Ikonen sichtbar auszumachen, womit zu verstehen gegeben werden soll, dass der Logos Fleisch angenommen und dem Leibe nach getauft wurde, um mit uns in unserem Begrabensein zu sein, damit wir am dritten Tag mit Ihm auferweckt werden können. Beide Erscheinungen im Fleische geschehen zu unserem Heil: Gott wird Mensch zur Einswerdung mit uns; Er empfängt die Taufe, damit wir auf Erden mystisch mit Ihm in Seinem Leibe vereint sein können. All das ist Voraussetzung dafür, dass wir auch an Seinem Tode, Seiner Auferstehung und an Seiner Himmelfahrt teilhaben können. Das ist es, was mit den Worten gemeint ist: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch Mich“ (Joh. 14:6). Welch eine Gnade das für uns Menschen doch ist! Aber auch welch eine Verantwortung dies uns Menschen mitbringt! Die Taufe ist eine unermessliche Gabe Gottes an uns! Wenn aber der König seinen Knechten ein kostbares Geschenk macht, dann verdient er doch Dankbarkeit und kann eine würdevolle Annahme des Geschenks erwarten, oder?... 

Es bringt einen schlichtweg zur Verzweiflung, dass manche Menschen das nicht begreifen wollen. Da fährt man über hundert Kilometer zu einem Taufgespräch in eine entlegene Stadt, unterweist die Leute und gibt ihnen die Kontaktdaten unserer Gemeindekatechetin zur weiteren ernsthaften Vorbereitung auf die Taufe. Doch dann spricht kurz darauf eine der jungen Dame mit ihrer Großmutter aus Kasachstan, die ihr offenbart, dass es doch vollkommen ausreichend sei, „an Gott in seinem Herzen zu glauben“ - und schon ist die geleistete katechetische Vorarbeit im Handumdrehen wie mit einem Strich weggeputzt. Hat es der Teufel aber auch leicht heute!.. Da redet man stundenlang mit den Leuten, und er dreht den Spieß in einer Sekunde durch sein bestens bekanntes Totschlagargument einfach um… Der Herr sagt zwar in Seinem Evangelium: „Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen; denn viele, sage Ich euch, werden versuchen hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen“ (Lk. 13:24; s. auch weiter 13:25-28). Aber was gelten diese Worte schon im Vergleich zur unerschütterlichen Autorität der Oma aus Kasachstan?!.. Im Grunde bedeutet es ja, dass Christus gar nicht hätte geboren werden müssen, Sich nicht zu unserem Heil hätte taufen lassen müssen und Sich auch nicht ans Kreuz hätte schlagen lassen müssen… 

Das Heil des Menschen erfolgt aus Gnade und aufgrund des Glaubens (s. Eph. 2:5,8). Aber damit es dazu kommen kann, muss der himmlische Samen, Gottes Wort auf den „guten Boden“ unseres Herzens fallen (s. Mt. 13:8; Mk. 4:8; Lk. 8:8). Der Mensch ist frei (s. Gal. 5:1). So will Gott, dass der Mensch Ihm seine ungezwungene Zustimmung zu seiner Errettung gibt. Bei der Menschwerdung Gottes war es die heilige Jungfrau Maria (s. Lk. 1:38), bei der Taufe im Jordan war es Johannes der Täufer (s. Mt. 3:13-16), die im Namen der Menschheit Gott „gewähren ließen“. Schließlich ist unser Herz das Einzige, das uns wirklich ganz und gar gehört. Alles um uns herum geschieht unabhängig von unseren Willen, auch können wir nicht nach Belieben über unseren Leib bestimmen, aber über unsere Herzen können und dürfen wir allein verfügen. 

Wir erwähnten soeben die Zustimmung zu Gottes Heilsplan aus dem Herzen und dem Munde der beiden würdigsten Vertreter der Menschheit vor Gott aus den Evangelien nach Matthäus und nach Lukas. Sehen wir uns doch die Prologe aller vier Evangelien etwas genauer an, und wir werden feststellen, dass Gottes in Vorsehung zur Errettung des Menschen beide Aspekte zum Vorschein kommen: Gottes Gnade und menschliche Mitwirkung: 

- Das Evangelium von Matthäus beginnt mit der menschlichen Abstammung des Herrn, Seinem Stammbaum (s. Mt. 1:1-17), bevor der Evangelist uns gleich darauf von der Geburt aus der Jungfrau berichtet (s. 1:18-25). Somit dient der Mensch das Symbol für dieses Evangelium.

- Das Evangelium von Markus beginnt mit dem Auftreten des Vorläufers in der Wüste (s. Mk. 1:1-8), bevor uns der Evangelist gleich darauf von der Taufe  Christi durch den Täufer berichtet (s. 1:9-11). Somit dient der Löwe als Symbol für dieses Evangelium (bis zum 13. Jhd. lebten noch Löwen in der Wüste).

- Das Evangelium von Lukas beginnt mit dem Priesterdienst des Zacharias (s. Lk. 1:5-22) und setzt sich gleich darauf fort mit der wundersamen Empfängnis des Täufers (s. 1:23-25), der aus gottesfürchtigen und hochbetagten Eltern, eben diesem Zacharias und Elisabeth, hervorging. Somit dient der Stier als Symbol (s. Ex. 29:9-14; Lev. 8:14-17) für dieses Evangelium.          

- Das Evangelium nach Johannes beginnt mit der göttlichen Herkunft des Logos (s. Joh. 1:1-14), ergänzt durch das Zeugnis des Vorläufers und den Hinweis auf die menschliche Mitwirkung bei der Gesetzgebung durch Mose (s. 1:15-17). Folglich steht der Adler, das Königstier, als Symbol für dieses Evangelium. 

Das Evangelium ist von göttlicher Abstammung (s. Gal. 1:11-12), wofür die vier erwähnten Symbole stehen (vgl. Ez. 1:10). Und doch wurde es von Menschen niedergeschrieben und verkündet. Es ist das Evangelium, das der ganzen Schöpfung zur Errettung durch die Taufe im Glauben an Jesus Christus (s. Mk. 16:15-16) verkündigt wurde. Amen.      

Jahr:
2020
Orignalsprache:
Deutsch