Predigt zum 12. Herrentag nach Pfingsten (1 Kor 15:1-11; Mt. 19:16-26) (08.09.2019)

Liebe Brüder und Schwestern, 

die heutige apostolische Lesung könnte man auch als Glaubensbekenntnis der Frühkirche auffassen, denn in komprimierter Form legt uns der Apostel Paulus, wie schon so oft, die Kernbotschaft des Evangeliums dar: „Ich erinnere euch, Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündet habe. Ihr habt es angenommen; es ist der Grund, auf dem ihr steht. Durch dieses Evangelium werdet ihr gerettet, wenn ihr an dem Wortlaut festhaltet, den ich euch verkündet habe. Oder habt ihr den Glauben vielleicht unüberlegt angenommen? Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf. Danach erschien Er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich; die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen. Danach erschien Er dem Jakobus, dann allen Aposteln. Als letztem von allen erschien Er mir, dem Unerwarteten, der ´Missgeburt`. Denn ich bin der geringste von den Aposteln; ich bin nicht wert, Apostel genannt zu werden, weil ich die Kirche Gottes verfolgt habe. Doch durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und Sein gnädiges Handeln an mir ist nicht ohne Wirkung geblieben. Mehr als sie alle habe ich mich abgemüht – nicht ich, sondern die Gnade Gottes zusammen mit mir. Ob nun ich verkündigt habe oder die anderen: das ist unsere Botschaft, und das ist der Glaube, den ihr angenommen habt“ (1 Kor. 15:1-11).

Das Evangelium kündet von der Auferstehung des Herrn, weshalb wir bei den vier Evangelisten eindeutige Hinweise auf Zeugnisse derselben finden:

  1. der Maria aus Magdala (s. Mk. 16:9; Joh. 20:11-18) 
  2. der übrigen Myron tragenden Frauen (s. Mt. 28:9-10)
  3. zweier Jünger auf dem Weg nach Emmaus (s. Mk. 16:12; Lk. 24:13-51)
  4. des Petrus (s. Lk. 24:34; vgl. 1 Kor. 15:5)
  5. der zehn Aposteln in Jerusalem ohne Thomas (s. Joh.  20:19-23)
  6. der elf Aposteln mit Thomas (s. Mk. 16:14-18; Lk. 24:33,36-53; Joh. 20:24-29)
  7. der elf Aposteln auf einem Berg in Galiläa (s. Mt. 28:16-20)
  8. der acht Jünger am See Tiberias (s. Joh. 21:1-14)
  9. der versammelten Jünger auf dem Ölberg am Tag Seiner Auffahrt in die Himmel (s. Mk. 16:19; Lk. 24:50-51; vgl. Apg. 1:9-11; 1 Kor. 15:5) 

Hinzu kommen folgende drei Zeugnisse aus der heute vorgetragenen Lesung:

  1. des Jakobus (s. 1 Kor. 15:7)
  2. der über fünfhundert Brüder zugleich (s. 1 Kor. 15:6) 
  3. des Apostels Paulus selbst (s. 1 Kor. 15:8)

Macht zwölf Erscheinungen des Herrn nach Seiner Auferstehung, bezeugt von Personen, die über jeden Zweifel erhaben sind! Nimmt man die zeitlich und örtlich sehr eng miteinander verbundenen Begegnungen des Herrn mit Maria Magdalena und den übrigen Frauen als eine, dann sind es deren elf. Entsprechend dieser eher symbolischen Zahl werden in einem Zyklus von elf Wochen elf Auferstehungsevangelien im sonntäglichen Orthros gelesen: eins von Matthäus (28:16-20), zwei von Markus (16:1-8; 9-20), drei von Lukas (24:1-12; 12-35; 36-53) und fünf von Johannes (Joh. 20:1-10; 11-18; 19-31; 21:1-14; 15-25). Zudem ist bekannt, dass der Herr im Verlauf von vierzig Tagen zwischen Seiner Auferstehung und Seiner Himmelfahrt den Jüngern mehrmals erschienen war und zu ihnen vom Reich Gottes gesprochen hatte (s. Apg. 1:3). Und außerdem besagt die kirchliche Überlieferung, dass der auferstandene Herr vor allen anderen Seiner jungfräulichen Mutter erschienen war, die ja als einzige unbeirrt an die angekündigte Auferstehung geglaubt hatte und folglich nicht mit den übrigen Frauen nach der Sabbatruhe zum Grabe ging, um den Leichnam des Herrn zu balsamieren. Jedoch verzichteten die Evangelisten aus gutem Grund darauf, das Zeugnis der eigenen Mutter als Beweis für die Auferstehung Christi in ihren schriftlichen Augen- und Ohrenzeugenberichten einzubringen. Es gibt ohnedies genug Belege für die leibliche Auferstehung des Herrn, aus der auch wir unsere Hoffnung auf die Auferstehung dem Leibe nach schöpfen (s. 1 Kor. 15:44). Diese Botschaft ist der Grund, auf dem wir stehen, und durch dieses Evangelium werden wir gerettet, wenn wir an dem Wortlaut festhalten, wie ihn uns die Kirche seit der Zeit der Aposteln bis heute überliefert hat. Und dieses Evangelium hat bis heute nichts an Aktualität eingebüßt. Es hat die Kraft, aus uns Sündern wahre Diener des Herrn zu machen (so wie einst aus Saulus Paulus wurde). Sein gnädiges Handeln an uns kann auch unsere Transformation zum göttlichen Dasein bewirken, so dass unser bescheidenes Bemühen zusammen mit der Gnade Gottes große Dinge bewirken vermag (s. 1 Kor. 15:58) und wir das Evangelium nicht unüberlegt angenommen haben.

Alle Probleme dieser Welt – auch jegliches persönliches Leid – sind völlig unbedeutend im Vergleich zu dem, worum es Gott geht (s. Röm. 8:18; vgl. Joh. 18:36). Er wird uns fragen, weshalb und wofür wir gelebt haben. Und was werden wir Ihm zur Antwort geben?! … Dass wir uns bemüht haben, dass wir doch nichts Böses beabsichtigt haben, dass doch alle Menschen Sünder sind?… Wie können wir vor Ihm rechtfertigen, dass wir den Zeitgeist, politische Ideologien, fleischliches Denken, Hedonismus, Materialismus etc. der Botschaft und dem Glauben, den wir angenommen haben, blindlings vorgezogen haben?! Wie schrecklich wird es sein, beschämt festzustellen, dass wir unser ganzes Leben umsonst zugebracht haben, also nichts für unser Seelenheil (und das unserer Nächsten) getan haben!?.. Christus gab Sein Leben freiwillig für uns und aus Liebe zu uns hin, – und wir?.. – Oh ja, Weltoffenheit, Toleranz, Gleichberechtigung, „Genderwissenschaft“ etc... Rasant hat sich das in aller Öffentlichkeit ausgiebig propagierte „christliche“ Menschenbild in unserer Gesellschaft dahingehend etabliert, dass der Mensch – das Abbild Gottes –  beinahe ausschließlich durch Sexualität, anstatt durch Spiritualität definiert wird.

Folglich entbehren die vor zweitausend Jahren an die hochgebildeten aber auch hochmütigen Korinther gerichteten Worte des Apostels Paulus auch heute nicht ihrer Aktualität. Er hält ihnen derart untrügliche Belege für die Auferstehung vor (zuletzt sein eigenes Zeugnis), weil schon damals – wie heute – die Realität der Auferstehung unter Christen bezweifelt oder sogar negiert wurde. „Wenn aber verkündigt wird, dass Christus von den Toten auferweckt worden ist, wie können dann einige von euch sagen: Eine Auferstehung der Toten gibt es nicht? Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos. Wir werden dann auch als falsche Zeugen Gottes entlarvt, weil wir im Widerspruch zu Gott das Zeugnis abgelegt haben. Er hat Christus auferweckt. Er hat Ihn eben nicht auferweckt, wenn Tote nicht auferweckt werden. Denn wenn Tote nicht auferweckt werden, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos, und ihr seid immer noch in euren Sünden; und auch die in Christus Entschlafenen sind dann verloren. Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen“ (1 Kor. 15:12-19).  

Wollen wir also in für das Heil relevanten Fragen weiterhin festhalten am Wortlaut des Evangeliums, denn wer dies in der zentralen Frage der Auferstehung Christi nicht tut, ist kein Christ, mag er oder sie in noch so vielen Talk-Shows hofiert werden (vgl. 1 Joh. 4:5). Wie die Sadduzäer zu apostolischen Zeiten, welche nicht an die Auferstehung, an Engel und Geister glaubten (s. Apg. 23:8), also de facto Atheisten waren, denen es nur um ihre irdischen Privilegien ging (und die sich bestens mit den Römern arrangiert hatten), sinnieren heutzutage „Theologen“ darüber, dass man die jungfräuliche Geburt Christi und Seine Auferstehung von den Toten in der heutigen Zeit doch als aufgeklärter Mensch nicht mehr wortwörtlich verstehen könne. Hätten sie sich doch nur aufmerksam das Zeugnis der vier Evangelisten zu Gemüte geführt, aus dem eindeutig hervorgeht, dass die Auferstehung des Herrn keine Fata Morgana gewesen sein kann (s. Mt. 28:17; Mk. 16:14; Lk. 24:36-43; Joh. 20:20,27; 21:9-13). Ehrlicher und konsequenter wäre doch gewesen, sich vom Glauben ganz zu distanzieren, anstatt den verkappten Atheismus der Postmoderne als einzig salonfähige und mit der Agenda linksliberaler Parteien zur Zeit gerade noch kompatible Lebensanschauung zu kultivieren.      

Wir Orthodoxe aber können durch die Teilnahme am Leib und am Blut Christi vermöge der uns hierbei vergöttlichenden Gnade selbst zu wahrhaftigen Zeugen der Auferstehung werden („Die Auferstehung Christi haben wir geschaut“ -  singen wir jeden Sonntag im Orthros), was heute viel notwendiger wäre als immer neue Konzepte zur Rettung des Planeten. Die Motivation dafür haben wir in unserem unerschütterlichen Glauben an die Auferstehung Christi. Amen.     

Jahr:
2019
Orignalsprache:
Deutsch