Predigt zum Herrentag nach Theophanien / Synaxis des heiligen Vorläufers und Täufers des Herrn Johannes (Eph. 4:7-13; Apg. 19:1-8; Mt. 4:12-17; Joh. 1:29-34) (20.01.2019)

Liebe Brüder und Schwestern,

die Bedeutung der Taufe als Geburt „aus Wasser und Geist“ (Joh. 3:5) erschließt sich uns heute aus dem vorgelesenen Abschnitt aus dem Epheserbrief: „...Jeder von uns empfing die Gnade in dem Maß, wie Christus sie ihm geschenkt hat. (…) Und Er gab den einen das Apostelamt, andere setzte Er als Propheten ein, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer, um die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes zu rüsten, für den Aufbau des Leibes Christi. So sollen wir alle zur Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, damit wir zum vollkommenen Menschen werden und Christus in Seiner vollendeten Gestalt darstellen“ (Eph. 4: 7,11-13).

Den höchsten Dienst „zur Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes“ leistete zweifellos Johannes der Täufer, der „mit der Taufe der Umkehr getauft und das Volk gelehrt  hat, sie sollten an Den glauben, Der nach ihm komme: an Jesus“ (Apg. 19:4). Wenn bei der Menschwerdung Christi die heilige Jungfrau zum Tempel des Heiligen Geistes wurde, so hat bei der Taufe im Jordan Johannes der Täufer den Himmel sich öffnen und den Geist Gottes wie eine Taube auf den Herrn herabkommen sehen (s. Mt. 3:16). Nach dem Sündenfall des ersten Menschen war der Himmel für den Menschen verschlossen, bei der Geburt Christi wurde schon die nahende Rettung vom Himmel verkündigt (s. Lk. 2:13-15). Und heute wird Johnannes der Vorläufer Zeuge der Öffnung der Himmel. Nach dem Ende der Sintflut diente die Taube, ein reines und friedfertiges Wesen, als Sinnbild für die Besänftigung von Gottes Zorn und den Beginn eines neuen Lebens auf Erden in der Gemeinschaft mit Gott. Heute feiern wir die Erfüllung dieses Urbildes in der Herabkunft des Heiligen Geistes auf dem Menschensohn in Gestalt einer Taube und den Beginn eines neuen Lebens mit Gott im Taufbad. Wie schon die Höhle und die Windeln bei der Geburt Christi den lebenbringenden Tod des Erlösers andeuteten, so deutet das Eintauchen in die Fluten des Jordans ebenfalls auf den erlösenden Tod Christi und auf Sein Begrabensein in der Höhle hin (auf der Festtagsikone sind beide Ufer des Jordans in Form einer Höhle dargestellt): „Wisst ihr denn nicht, dass wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf Seinen Tod getauft worden sind? Wir wurden mit Ihm begraben durch die Taufe auf den Tod, und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben“ (Röm. 6:3-4).

So unendlich groß ist Gottes Gnade zu uns! - eine Gnade freilich, die wir bewusst annehmen müssen, damit wir „alle zur Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen“, „zum vollkommenen Menschen werden und Christus in Seiner vollendeten Gestalt darstellen“. Das Werk, das Christus unter Mitwirkung des Täufers und Vorläufers Johannes begonnen hat, muss durch uns alle im Heiligen Geist erst vollendet werden. Zu diesem Zwecke empfing jeder von uns „die Gnade in dem Maß, wie Christus sie ihm geschenkt hat“. Überflüssig zu erwähnen, dass – entgegen anderslautender Beteuerungen von „Christen“, die das Neue Testament nie in den Händen gehalten haben – die Zurüstung der Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes „für den Aufbau des Leibes Christi“ nur in der Kirche, und nicht außerhalb ihrer Grenzen, vonstatten gehen kann.

Um uns zu vergegenwärtigen, wie so ein Dienst in etwa auszusehen hat, haben wir das gesamte Leben des heiligen Vorläufers als Protoyp für „die Erfüllung des Dienstes“ in der Gnade des Heiligen Geistes. Aus der Apostelgeschichte wissen wir bereits, dass man Gott nicht ohne den Heiligen Geist dienen kann (s. Apg. 6:3-6; 19:1-6; 20:28). Der Vorläufer des Herrn wurde vom Heiligen Geist schon durch die Propheten vorherverkündigt: „Seht, ich sende Meinen Boten; er soll den Weg für Mich bahnen“ (Mal. 3:1; vgl. Mt. 11:10; Mk. 1:2). Er ist der letzte der Propheten und zugleich der erste der Aposteln; mit ihm schließt sich der Kreis des Alten und des Neuen Bundes. Er wurde gewürdigt zu sehen, wie sich der Himmel, der seit der Ursünde Adams verschlossen gewesen war, wieder öffnete. Und wenn wir vom Dienst des Johannes reden, dann erkennen wir u.a. aus der Überlieferung der Kirche, dass sein Leben ein einziger Gottesdienst gewesen ist. Wer im Heiligen Land gewesen ist, hat möglicherweise die Höhle besucht, in der sich die hl. Elisabeth mit ihrem kleinen Sohn nach der Ermordung des Zacharias (s. Mt. 23:35 und Lk. 11:51) vor den Schergen des Herodes versteckt hielt. Nach dem Tode seiner hochbetagten Mutter lebte der Vorläufer des Herrn bis zu seiner Erscheinung in der Welt allein in der Wüste, hatte folglich keine Kindheit, keine „Freizeit“, keine Freunde und Verwandten, mit denen er sich hätte vergnügen oder austauschen können. Auch wenn unsere Vorstellungskraft für so etwas nicht ausreicht und Nachahmungseffekte wohl von vornherein ausgeschlossen sein dürften, können wir uns nichtsdestoweniger auf das Wesentliche fokussieren: das Leben im Dienst Gottes. Wir stellen uns insgeheim immer die Frage: „Was könnte Gott uns noch Gutes tun?“, während Johannes der Täufer nur an das Dienen dachte. Er hatte von Gott im irdischen Sinne nichts bis garnichts erhalten, und zahlte es mit seiner unvergleichlichen Treue zurück. Uns hingegen geht es ganz gut hier auf Erden. Empfinden wir denn kein Verlangen, Gott etwas davon zurückgeben zu wollen?.. Wie wäre es denn damit, wenn sich jeder von uns fragen würde: „Was kann ich im Rahmen meiner Möglichkeiten tun, um Christus Gott und Seiner Kirche etwas von dem zurückzugeben, was ich an guten Dingen im Leben erfahren habe?“... Amen.

Jahr:
2019
Orignalsprache:
Deutsch