Wort zum Tag des hl. Märtyrers Andreas Stratilates und der 2.593 Soldaten mit ihm

Die Weisheit der Märtyrer ist jedem Christen vonnöten

Der Herr spricht, indem Er Seine Schüler belehrte, von den Prüfungen, die uns bevorstehen: Prüfungen, die vor allem von unseren Nächsten, von Freunden, Geschwistern, Eltern, von Verwandten auf uns zukommen. Und Er beginnt seine Unterweisung so: “Ihr werdet vor Könige und Herrscher geführt werden Meinetwegen und ihr werdet Zeugnis ablegen müssen” (Lk. 21,12-13). Von welchem Zeugnis ist hier die Rede? Die Zeugenschaft, von der der Herr spricht ist das Zeugnis von Ihm Selber. Das Zeugnis darüber, daß Er Fleisch geworden ist in dieser Welt, daß Er die Wahrheit ist. Der Zeuge aber ist, wie wir wissen, ein Märtyrer. Das griechische Wort martu`¾ wird im Russischen mit einem Wort übersetzt, welches eher auf die Leiden hinweist (Leidendulder), aber eigentlich bedeutet es Zeuge. Gegen diese Zeugen, gegen die Zeugen der Wahrheit, gegen die Zeugen Christi als Gottessohn haben sich bereits die jüdischen Synagogen, bewaffnet mit Gesetz und Tradition, sowie mächtige heidnische Machthaber erhoben, und es war nicht wenig Weisheit vonnöten, gegen diese Tradition zu beharren, gegen ihre Lügen, gegen ihre Macht, gegen ihren Zorn. Im Laufe der Jahrhunderte sind die Feinde der christlichen Weisheit verschiedene gewesen. Sie haben ihr Antlitz gewechselt, aber im Kern blieben sie dieselben.
Auf ein solches Zeugnis hat der Herr Seine Schüler vorbereitet, indem Er sprach: “So nehmet nun zu Herzen, daß ihr nicht vorher sorget, was ihr antworten sollt” (Lk. 21,14). Warum lehrt der Herr solches? Warum sollen Seine Schüler sich nicht im voraus vorbereiten auf das, was sie ihren Peinigern antworten werden? Der Herr gebietet uns so, weil Er Selber und der Heilige Geist uns lehren werden zu antworten (Mt. 10,19-20; Mk. 13,11; Lk. 21, 11-12), denn der wahre Märtyrer, der wahre Zeuge Christi ist nur derjenige, der den Herrn Selbst in sich trägt.
Das Märtyrertum, liebe Brüder und Schwestern, ist vielleicht nicht für alle, aber der Weisheit des Bezeugens bedürfen nicht allein die Märtyrer nötig, sondern alle Christen. Darum laßt uns die Worte der Weisheit Selbst hören, um zu verstehen, welche Klugheit sie uns lehrt (Weish. 8,7). Die Klugheit und das Wissen, das wir aus der Weisheit Gottes erhalten, liegen darin, daß die Märtyrer und viele, die ihnen folgten, die ganze Torheit der Vielgötterei erkannten. Ist es nicht auch für uns an der Zeit, die Vielgötterei zu erkennen, die in unseren Herzen in Form von Ablenkung durch vielzählige und vielfältige unchristliche Gedanken, Taten und Worte herrscht? In unserer Welt gibt es genügend moderne Götzen, die uns von der Quelle der Wahrheit in jedem Moment unseres Lebens ablenken wollen. Und wieder sind es vor allem unsere Nächsten, die uns abzulenken versuchen, Zeugen, Märtyrer des Glaubens, zu sein.
Die alten Märtyrer haben das Ungenügende des jüdischen Gesetzes erkannt und haben die Notwendigkeit der Gnade, ihre göttliche Kraft, die wir so dringend brauchen, und ihre Wirksamkeit in unserem Leben empfunden und begriffen. Ohne diese Gnade kann niemand auch nur den ersten Schritt auf dem Weg zum Zeugnis und Martyrium tun.
Die Weisheit Christi lehrt uns die Mäßigkeit und Klugheit, Gerechtigkeit und Starkmut, das Nützlichste im Leben für die Menschen (Weish. 8,7). Die Enthaltsamkeit der Märtyrer besteht nicht nur darin, sich von den Leidenschaften des Vergnügens fernzuhalten, sondern sie liegt auch darin, sich sogar unschuldiger Vergnüglichkeiten zu enthalten. Die Heiligen Märtyrer haben sich für das Leiden entschieden, vor allem um die Reinheit des Denkens, die Reinheit des Herzens, die Reinheit des Gewissens, die Reinheit der Seele und des Leibes zu bewahren. Wovor wollten sie die Reinheit ihres Herzens schützen? Vor falschen Lehren. Nicht nur von dem äußeren, dem materiellen Blut des Götzendienstes, sondern vor allem von dem Blut, welches Herz, Seele, Leib und Gewissen des Menschen beflecken kann.
Denen unter uns, die nach einer solchen Weisheit streben, schickt der Herr den Heiligen Geist. Jene “überkörperliche” Kraft, welche uns den Sieg über die Weisen dieser Welt gibt. Darum müssen wir uns nicht sorgen, was und wie wir antworten sollen.
Der Heilige Geist nimmt Platz im demütigen Menschen. Der Heilige Geist spricht aus ihm, spricht in ihm und durch ihn. Würdig der Einwohnung des Heiligen Geistes ist jedoch nur der, der sich selber demütigt, der sich freimacht von allen fremden, weltlichen Worten und Gedanken. Nur wenn wir uns demütigen, verwandelt uns der Geist von Kraftlosen und Schwachen zu Mächtigen und Kräftigen.
Unsere leibliche Schwäche gibt den Dämonen die Möglichkeit, uns durch leibliche Genüsse zu versuchen. Doch nach den Worten des Heiligen Apostels Paulus sind wir gekreuzigt aus Schwachheit (2. Kor. 13,4), doch wir wissen, daß unser Kampf nicht gegen Fleisch und Blut ist, sondern gegen die körperlosen Mächtigen und Gewaltigen, mit den Herren dieser Welt (Eph. 6,12). Wir müssen also tapfer im Glauben stehen, um diese Prüfungen, diese tagtäglichen, minütlichen Versuchungen zu bestehen, ohne die es keine Rettung gibt. Wenn wir um Befreiung von Versuchungen bitten, dann verstehen wir darunter nur die Versuchungen des Glaubens. Wir beten nicht um Befreiung von denen des Leibes, die von den Dämonen an uns herangetragen werden. Denn viele dieser Prüfungen und Versuchungen sind nötig, damit wir den Sieg erringen.
Die Grundlage des Glaubens und unserer Hoffnung auf Gott ist die Liebe, und nur deshalb sagt der Heilige Apostel Paulus: Wer den Herrn nicht liebt, der möge verflucht sein (1. Kor. 16,22). “Maranatha”, d.h. “unser Herr kommt”. Der Herr hat uns beigestanden und hat uns die Kraft gegeben, alle dämonischen Heerscharen zu besiegen. Deshalb können sie uns vor Könige und Fürsten ziehen um des Herrn Namen willen. Und wir brauchen nicht im voraus auswendig zu lernen, was wir ihnen zu antworten haben, denn die Wahrheit, die wir auf dem Weg zu Ihm pflegen müssen, wird Selbst aus uns sprechen. Amen.

Erzbischof Mark