Einleitung
Wenn der Körper, der aus vielen Teilen besteht, krank wird, bedarf er verschiedener Arzneien. Die unkörperliche Seele ist hingegen einfach und nicht zusammengesetzt, und wenn sie krank wird, kann nur eine Arznei helfen — die Gnade unseres Herrn Jesus Christus.
(Hl. Symeon der Neue Theologe)
Das üppige Wachstum an psychischen Erkrankungen im 20. Jahrhundert resultiert nicht nur aus Streßfaktoren und dem Anwachsen des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts mit seiner „Informationsüberflutung“, sondern auch aus der Abwendung der Menschen von Gott und ist Folge ihrer sündigen Lebensweise.
Die einzig wertvolle psychotherapeutische Unterstützung kann daher nur darin bestehen, die Menschen zu Christus zu bringen und sie unter der Leitung eines Priesters oder gläubigen Arztes dazu zu veranlassen, zu bereuen und ihr Leben zu ändern. In diesem Fall wird das Wort des Arztes oder geistlichen Führers verstärkt durch die gesegnete Kraft Gottes, die in der Lage ist, auch die schwierigste psychische Erkrankung zu heilen.
Psychosen
Dies ist eine ausgedehnte Gruppe von Erkrankungen. Sie haben nichtpsychische Ursachen und sind mit einer ganzen Reihe von genetischen, veränderlichen und weiteren Störungen verbunden. Folgende Grunderkrankungen dieser Gruppe treten auf: Schizophrenie, manisch-depressive Psychose, Epilepsie und Alterspsychosen. Die jeweilige Erkrankung kann kontinuierlich oder in Schüben auftreten, unterschwellig oder akut, schwer oder mäßig. Typische Symptome von Psychosen sind: Delirium, Halluzinationen, das Zerfallen der emotionalen Sphäre, gestörtes Verhalten. Im Laufe der Zeit wird der Verstand geschädigt, das Gedächtnis leidet. Die Persönlichkeit des Menschen verändert sich.
Eine psychotische Erkrankung ist ein sehr schweres Kreuz. Das Geheimnis ihres Ursprungs und ihre geistliche Bedeutung konnte bislang nicht voll bestimmt werden. Meine persönlichen Gedanken darüber sind grundsätzlich folgende: Im Fall von psychotischen Zuständen liegt die Bedeutung des Leidens in der Tilgung von Sünden (entweder jener des Kranken oder seiner Eltern oder seiner Vorfahren). Wenn zudem die Krankheit in der Kindheit auftritt und sich bösartig weiterentwickelt, erhält der Kranke dadurch die Möglichkeit zur Rettung als ein unschuldiges Opfer. Die Mühen und die Geduld der dem Leidenden Nahestehenden werden zu deren Rettung dienen, sofern sie um Christi willen getragen werden. Auch wenn die Psychose im fortgeschritteneren Alter auftritt, wird sie dem Menschen zu dessen Rettung gegeben. Denn der Herr ist absolut gut. Er läßt es zu, daß manche in die Krankheit oder Besessenheit geraten, denn Er weiß, daß der Mensch seinen Verstand und Willen zu seinem Schaden gebrauchen würde; andere bewahrt Er dadurch vor schweren Sünden. Wir lesen im Brief des hl. Paulus an die Korinther: … soll dieser Mensch dem Satan übergeben werden zum Verderben des Fleisches, damit der Geist gerettet werde am Tage des Herrn (1 Kor 5,5). Das Leiden dieser Menschen sollte nicht allein durch Tabletten und Injektion gemindert werden, sondern auch mit Gebeten für die Gesundheit dieser leidenden Diener Gottes. Sie bedürfen sehr der Fürbitte, denn ihre geistliche Stärke ist beeinträchtigt und geschwächt durch die Bürde der Krankheit.
Der getaufte Kranke sollte feinfühlig zur Reue bewegt werden. Dies sollte in der Zeit zwischen den Anfällen oder während einer Besserung des Zustandes geschehen. Es wäre gut, wenn es mehr religiöse Ärzte, Krankenschwestern und Assistenten gäbe. Dann wäre eine orthodoxe Umgebung vorhanden, und ich bin sicher, daß dieselben Arzneien effektiver wirken würden. Wann auch immer es möglich ist, sollten Priester in die Klinik eingeladen werden, um dort Moleben (Bittgottesdienste) zu zelebrieren, verbunden mit Wasserweihen, und orthodoxe Literatur verteilen.
Der größte Teil der psychotischen Pathologie wird traditionell als unheilbar angesehen. Dies trifft besonders auf schwierige Psychosen, degenerativ-dystrophische Erkrankungen des Gehirns, angeborene Formen von Geistesschwäche usw. zu. Doch Gottes Barmherzigkeit vollbringt Wunder entsprechend dem Glauben der Menschen, und die Gesetze der Natur erfahren eine Niederlage. Lassen Sie mich einige Beispiele anführen.
Vor ungefähr fünf Jahren sah ich eine Frau in der Kirche mit einem Kind auf ihren Armen, dessen Gesichtsausdruck jedem Arzt vertraut ist. Die Diagnose stand — wie man in solchen Fällen sagt — im Gesicht des Mädchens geschrieben. Das klingt üblicherweise wie ein Urteilsspruch. Down-Syndrom. Diese pathologische Erkrankung entsteht als Folge von genetischen Störungen.
Ich wandte in der folgenden Woche wiederum meine Aufmerksamkeit auf dieses Mädchen, und dann sah ich sie regelmäßig bei den Gottesdiensten. Das Kind (es war 3 oder 4 Jahre alt) wurde immer zur Heiligen Kommunion gebracht. Und so sah ich sie eines Sommers, vier Jahre später, wieder. Die Kleine kehrte mit ihrer Mutter von der Vesper zurück. Ihr Gesicht war süß, voller Lächern, schön! Zwei schneeweiße Bänder sah man unter ihrem leichten Kopftuch. Es war unmöglich, die „vom Schicksal geschlagene Invalide“ in ihr zu erkennen. Nur ein erfahrener Spezialist konnte noch die Spuren der Krankheit erkennen. Möge der Herr dich schützen, liebes Kind!
Ich möchte ein weiteres klares Beispiel anführen, das in dem Büchlein „Wenn Kinder krank sind» beschrieben ist. Der Verfasser ist der Arzt und Priester Vater Alexej Gračev. „Vor zweieinhalb Jahren kam ein 12 Jahre altes Mädchen aus einem Waisenhaus zu mir zur Beichte. Sie konnte keine zwei Wörter zusammenbekommen, drehte sich wie ein Brummkreisel, hatte einen anormalen Blick, grimassierte ständig — ihre ganze Erscheinung sprach von ihrer ,Minderentwicklung’. Und so begann sie zur Beichte zu kommen und nahm jeden Sonntag die Kommunion.
Innerhalb eines Jahres fühlte sie das Bedürfnis, ihre Gedanken zu offenbaren (wer betet und die Kommunion nimmt, weiß, was das ist). Das Mädchen begann, ein aufmerksames geistliches Leben zu führen […]. Sie begann das Jesus-Gebet zu lesen („Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme Dich meiner, der Sünderin.“), gegen Versuchungen zu kämpfen, Kränkungen zu vergeben und alles zu erdulden. Im Verlauf mehrerer Monate lernte sie Lesen und Schreiben, alle Zeichen der Debilität verschwanden, auf ihrem Gesicht erschien das Siegel des geistlichen Lebens. Es erschienen Empfindung und Vernunft in allem, was sie sagte oder tat.“ Ähnliche Beispiele sind keine Ausnahmen, es gibt eine Fülle von ihnen…
Depressionen
Die Anzahl von depressiv Erkrankten wächst jedes Jahr. Ungefähr 5% der Weltbevölkerung leidet unter depressiven Störungen. Mehr als die Hälfte der psychisch Kranken leiden unter verschiedenen Ausdrucksformen des depressiven Syndroms. Millionen von Menschen in der ganzen Welt nehmen besondere Medikamente (Antidepressiva, Neuro-leptika, Beruhigungsmittel), um psychischen Komfort und Wohlbefinden zu erhalten. Man kann Diskussionen über Depression, verzweifelte Stimmungen, Schwermut, Niedergeschlagenheit überall hören: in öffentlichen Verkehrsmitteln, bei der Arbeit, unter Bekannten… Heutzutage halten viele die Depression für eine Zivilisationskrankheit aufgrund der Anforderungen an das Leben und die Menschen.
Die Wissenschaft kennt viele Ursachen für das Anwachsen der depressiven Zustände, aber unter Wissenschaftlern ist es nicht akzeptabel, von Sünde zu sprechen. Doch dies ist genau die Ursache für viele Formen von krankhafter Niedergeschlagenheit und Verzweiflung. Sowohl die Heilige Schrift als auch die Heiligen Väter sprechen davon, und die Jahrtausende der orthodoxen Erfahrung bezeugen dies.
Die Depression stellt eine Art Signal für die Seele dar, das auf ihren katastrophalen Zustand hinweist. Dies trifft besonders auf jene Depressionen zu, die nicht mit der Verschlechterung der Lebensbedingungen verbunden sind. Ein Mensch leidet unter Kummer und hoffnungsloser Schwermut. Als Arzt versuche ich das Leiden dieser Person durch entsprechende Medikation, Gespräche und menschliche Anteilnahme zu erleichtern. Doch eine Befriedigung entsteht nur bei solchen Krankenbesuchen, bei denen sich die Diskussion auf die Seele, Glauben und Reue richtet. Wir versuchen dann mit dem Einverständnis des Patienten die Symptome der Krankheit von einem geistlichen Blickwinkel zu bewerten. Ich will hier nicht in Details gehen, sondern nur sagen, daß der Herr jene Patienten nicht ohne Hoffnung läßt, die ihren Weg zur Kirche finden, ihre Sünden bereuen und als Christen zu leben beginnen. Einige genesen; andere lernen mit Gottes Hilfe ihre Leidenschaften zu bekämpfen und ihre Schwäche zu kontrollieren. [Siehe auch weiter unten: „depressive Neurosen".]
Neurose — eine spirituelle Erkrankung
Die neuro-psychischen Borderline-Störungen, unter denen die Neurose einen großen Prozentsatz ausmacht, stehen zweifellos an erster Stelle unter den psychischen Erkrankungen. Gemäß der Weltgesundheitsorganisation leiden ca. 10% der Bevölkerung der Industrienationen unter Neurosen, und ihre Zahl ist in den letzten 65 Jahren um das 24fache gestiegen. In Rußland sind 20 bis 25 von 1000 Personen an Neurose erkrankt. Dies sind nur die aufgezeichneten Erkrankungen, und höchst wahrscheinlich stellen sie nur die Spitze des Eisbergs dar.
Neurosen breiten sich wie ein Epidemie überall aus. Es ist bekannt, daß 30 bis 65% der Besucher allgemeinmedizinischer Praxen Menschen mit neurotischen Symptomen sind. Ein trauriger Witz zirkuliert unter den Spezialisten, die diese Pathologie studieren: Statt zu fragen, ob die Person unter Neurosen leide, sollte man fragen: „Unter welcher bestimmten Form von Neurose leiden Sie?“
Die mit dem Ursprung von Neurosen verbundenen Probleme sind in den letzten zehn Jahren aktiv besprochen worden. Die Einstellung gegenüber dieser Erkrankung — als einer leichten Störung der mentalen Funktionen — befindet sich in einer bemerkenswerten Wandlung. Das Prinzip der Funktionalität (einfache Umkehrbarkeit) wird von der modernen klinischen Praxis nicht unterstützt. Gemäß der publizierten Daten findet eine Genesung von Neurosen in weniger als der Hälfte der Fälle statt. Es wurde festgestellt, daß nur 10% der Kranken in den ersten drei Jahren der Krankheit genesen. Oft dauern diese Leiden Jahre oder sogar Jahrzehnte.
Übereinstimmend mit der Definition, die in Rußland akzeptiert wird, ist Neurose eine psychogenetische (in den Nerven auftauchende), in der Regel konfliktgenetische (resultierend aus einem Konflikt mit sich selbst oder anderen) und neuro-mentale Störung, die aus der Unterbrechung einer besonders bedeutsamen Lebensbeziehung des Menschen herrührt. Einfacher gesagt, eine Neurose entsteht, wenn der Mensch -abhängig von verschiedenen Umständen — keine angemessene Antwort auf eine schwierige Lebenssituation findet, ein wichtiges psychisches Problem nicht zu lösen vermag oder ein tragisches Geschehen nicht aushalten kann.
Die Symptome neurotischer Störungen sind gut bekannt:
• Stimmungsabfall,
• Gereiztheit,
• Schlaflosigkeit,
• Gefühl inneren Unbehagens (Bedrückung, Beengung),
• Trägheit,
• Apathie,
• Appetitsverlust,
• Zwangsvorstellungen, Aggressivität, Bösartigkeit usw. können auftauchen.
All diese Symptome werden begleitet von einem allgemeinen Gefühl von Krankheit, unangenehmen körperlichen Wahrnehmungen. Das Erscheinungsbild von Neurosen kann als dauerhafter Verlust des Seelenfriedens bezeichnet werden. Der Mensch mit einer Neurose bewahrt das kritische Denkvermögen, leidet unter der Bürde seines Zu-standes, kann aber nichts dagegen tun.
Zusätzlich dazu bestehen Bedingungen, die deuflich der Neurose ähneln, doch sich auf eigene Art und Weise entwickeln. Sie werden als neuroseähnlich definiert und gehen aus verschiedenen somatischen (körperlichen) Erkrankungen, infektiösen Prozessen, Arteriosklerose der Blutgefäße im Gehirn und anderen pathologischen Prozessen hervor. Außerdem ist das neuroseähnliche Erscheinungsbild oft bei Menschen mit einer schlechten Persönlichkeit oder schweren Erziehungsmängeln anzutreffen.
Der Begriff „Neurose“ hat sich in unserem Leben fest verwurzelt und kann nur für kleine Kinder unbekannt sein. Man spricht von Schul-und Rentnerneurosen; Erfolgs- und Verlassenheitsneurosen; somato-genetischen und ökologischen Neurosen; und noch von vielen anderen Varianten dieser Krankheit. Die sogenannten noogenetischen Neurosen stehen im Zusammenhang mit dem Verlust oder Mangel an Lebenssinn beim Menschen und Wertekonflikten. Die Daten zeigen, daß ungefähr jeder fünfte neurotische Fall einen noogenetischen Ursprung hat; in Wirklichkeit aber wird deutlich, daß fast jede Neurose ihre spirituellen Wurzeln hat. Lassen Sie uns der Reihe nach vorgehen.
Der ursprüngliche Begriff „Neurose“ wurde 1776 vom schottischen Arzt Dr. Cullen vorgeschlagen und seitdem hat die Diskussion um das Wesen dieser Krankheit, die Gründe ihres Entstehens und die sie unterstützenden Mechanismen nicht nachgelassen. Dies bedeutet natürlich nicht, daß es vor Cullen keine Neurosen gab; ihr Auftauchen geschah -wie die Entstehung jeder Krankheit — als Folge der Ursünde des Menschen. Die Beschreibung von Neurosen kann man in den ältesten schriftlichen Quellen der Menschheit finden. Zum Beispiel sind im Papyrus von Kahun (ca. 1700 v. Chr.) und im Papyrus von Ebers (ca. 1700 v. Chr.) Tatsachen über krankhafte Zustände von Frauen beschrieben, die der klinischen hysterischen Neurose ähneln.
Es ist schwer, einen zweiten Begriff in der Medizin zu finden, der so häufig und auch widersprüchlich in den wissenschaftlichen Schulen beschrieben wurde. Neurotische Reaktionen, die im Menschen als Folge von schweren Krisen, Konflikten, körperlichen Krankheiten oder Störungen der Lebensordnung auftauchen können sind sehr verschiedenartig. Ihre Symptome spiegeln sich in der Persönlichkeit des Menschen wider, besonders in seinem Charakter — dies ist der Grund für die Polarität in den Ansichten über dieses Problem.
Die Ursachen der Krankheit
Man findet zudem am Rand der wissenschaftlichen Diskussionen nicht nur Fragen über die Systematik der Neurosen, sondern auch über ihre eigentliche Existenz als nosologische (Krankheits-) Formen. Der extreme Standpunkt einiger Psychiater sieht ungefähr wie folgt aus: Neurose ist ein normales Verhalten in anormalen Situationen.
Gemäß anderer Meinungen ist die Neurose eine Dysfunktion des Gehirns; die Verdrängung eines inneren Konflikts ins Unbewußte; kompromißlose Grundsätze und dogmatische Denkmuster; die Unfähigkeit, Konflikte vorherzusehen und sich darauf vorzubereiten; inkorrektes stereotypes Verhalten; unbefriedigtes Bedürfnis nach Selbstverwirklichung usw.
Einige Forscher schreiben die Ursachen der Neurose den außergewöhnlichen Gedanken der Person zu, andere — der Pathologie der Emotionen; eine dritte Gruppe — der Unterbrechung des Selbsterkenntnisprozesses; eine vierte — psychischer Unreife und Infantilität. Es gibt sogar Autoren, die geneigt sind, sie für eine ererbte Erkrankung zu halten.
Und hier ist noch eine weitere Ansicht: M. M. Chananasvili spricht von der Neurose als einer Krankheit, die auf einer Informations-überfrachtung beruht. In seinem Buch „Informationsneurose“ bietet er folgende Bestätigung seines Gedankens: „Es wurde geschätzt, daß in ökonomisch entwickelten Staaten vor 1970 jeder Mensch im Durchschnitt pro Jahr weitere Entfernungen zurücklegte, mehr Personen begegnete und mehr Informationen erhielt als das, was einem Menschen vor 1900 während seiner gesamten Lebenszeit verfügbar war. Ungefähr 25% der Weltbevölkerung ist dem Einfluß der stark anwachsenden Informationsüberflutung ausgesetzt.“ Dieser Forscher sieht das Risiko in der Entwicklung dieser Krankheiten in der fortdauernden Erfüllung eines großen Arbeitsvolumens unter Zeitmangel und dem Erfordernis eines hohen Motivationsniveaus (Eigeninitiative).
Der Akademiker P. V. Simonov jedoch charakterisiert die Neurose als eine Krankheit des Informationsdefizits. Gemäß der Meinung dieses Gelehrten (deren Beweisführung ebensogut gestützt und logisch ist), ist beispielsweise Zorn die Kompensation für einen Mangel an Tatsachen, die notwendig für die Organisation des adäquaten Verhaltens ist; Angst — ist der Mangel an Daten, die notwendig für die Organisation von Verteidigung ist; Kummer entsteht unter der Bedingung extremer Informationsdefizite über die Möglichkeit, eine Kompensation für den Verlust zu erhalten usw.
Verschiedene Verfasser bringen die Meinung zum Ausdruck, daß Neurotiker unter der Unfähigkeit zu lieben leiden.
Es sollte betont werden, daß jeder psychologische Trend nur dann von Kollegen anerkannt wurde, wenn deren Vertreter in der Lage waren, ihre Sichtweisen des Problems der Neurosen mittels guter Argumentation und auf neue Weise zu vermitteln.
Es gibt also viele Ansichten, aber keine Klarheit; die Wissenschaft ist verwirrt. Dies geschah, unserer Meinung nach, weil neurotische Pathologie, abgesehen von allem anderen, eine spirituelle Grundlage besitzt, die viele Psychiater ignorieren oder sogar verleugnen. Das unbeschränkte Anwachsen von Neurosen im 20. Jahrhundert ist nicht nur auf Streß und wissenschaftlich-technischen Fortschritt mit seiner Informationsüberflutung zurückzuführen, sondern vor allem auf die Intensivierung von Sündhaftigkeit.
Im Verlauf ihrer Geschichte hat die Menschheit Kriege, verschiedene Naturkatastrophen, Ruten, Dürren und Wirbelstürme überlebt, und es ist schwer zu vergleichen, in welchem Maß unsere gegenwärtige Zeit beunruhigender und unsicherer als beispielsweise die Epoche der Herrschaft Ivan des Schrecklichen ist. Warum wurde das Problem der Neurose erst in letzter Zeit so akut? Es gibt dafür, scheint es, nur einen Grund — der wachsende Unglaube, der Verlust der geistlichen Grundlage und mit ihr des Verständnisses der Bedeutung des Sinns und Ziels des Lebens.
Es stellt sich heraus, das die Hauptquelle der Neurose nicht so sehr in äußerem Streß und Schwierigkeiten besteht, sondern eher in der ungenügenden Sinnerfüllung des Menschen, in seinem unglücklichen inneren Zustand. Der hl. Theophan der Klausner schreibt über einen Menschen, der unfähig ist, die Kräfte zu lenken, die in ihm wirken:
„Die Vernunft ist von Wolken eingehüllt, träumerisch und abgelenkt, denn sie wird nicht vom Herzen gehalten und vom Willen gelenkt; der Wille ist eigensinnig und herzlos, denn er hört nicht auf die Vernunft und achtet nicht auf das Herz; das Herz ist unkontrollierbar, blind und launenhaft, weil es nicht den Geboten der Vernunft folgen will und nicht von der Willenskraft ernüchtert wird. Nicht nur verlieren diese drei Kräfte ihre gegenseitige Unterstützung, sondern sie nehmen eine Art feindseliger Haltung gegeneinander ein, die eine verleugnet die andere, als ob sie sie verschlingen und aufzehren wolle.“
Die Sünde — als Wurzel aller Übel — bringt neurotische Störungen mit sich. Wenn sie in den Tiefen des menschlichen Geistes stark wird, bringt sie Leidenschaften hervor, desorganisiert den Willen und nimmt ihm die Kontrolle über die Emotionen und die Vorstellungskraft. Gemäß dem hl. Theophan: „Die innere Welt des sündigen Menschen ist erfüllt von Willkür, Unordnung und Zerstörung.“ Eine tiefe Neurose ist ein Zeichen von moralischer Erkrankung, innerer Unordnung.
Der hl. Theophan der Klausner hebt hervor, daß die „natürliche Beziehung der zusammengesetzten Teile des Menschen nach dem Gesetz der Unterordnung des Niedrigeren unter das Höhere, des Schwächeren unter das Stärkere organisiert sein sollte; der Körper sollte dem Geist unterworfen sein, während der Geist nach seiner Natur auf Gott gerichtet sein sollte. Man muß mit dem ganzen Wesen und Bewußtsein in Gott existieren. Nachdem der Mensch von Gott abgefallen war, geschah, was geschehen mußte: Verwirrung in der Natur des Menschen — der Geist, von Gott getrennt, verlor seine Stärke und wurde dem Körper unterworfen.“
Professor D. E. Melichov glaubt, daß an der Basis vieler psychischer Störungen ein Mangel an Demut (Stolz) liegt. In diesem Sinne ist die Neurose keine Ausnahme. Es wird allgemein akzeptiert, daß sich diese Krankheit infolge eines Konflikts der Persönlichkeit mit sich selbst (intramentaler Konflikt) oder mit anderen Menschen (intermentaler Konflikt) entwickelt. Neurose ist die Kollision zwischen dem Erwünschten und dem Tatsächlichen. Je stärker die Kollision, desto schlimmer die Krankheit.
Einmal sagte eine Frau, die unter einer der Formen der Neurose litt, während eines Besuches wiederholt und emotional erregt: „Doktor, ich bin es leid, krank zu sein und will um jeden Preis gesund werden. Außerdem verstehe ich nicht, über welchen Konflikt zwischen dem Erwünschten und dem Tatsächlichen Sie sprechen.“ Der Arzt antwortete der Patientin ungefähr folgendes: „Der Herr kennt Ihren Kummer, und wenn Er sich nicht beeilt, den gegenwärtigen Stand der Dinge zu ändern, dann, so scheint es, ist es nicht Sein Wille, Sie sofort zu heilen. Wenn z. B. den Heiligen unerfreuliche Dinge — Krankheiten oder Bedrängnisse — widerfuhren, dann dankten sie Gott dafür und sagten: ,Ich verdiene das wegen meiner Sünden.’ Aber was tun wir in diesem Fall? ,Ich will um jeden Preis gesund werden.’ Hier ist der Konflikt zwischen dem Gewünschten und dem Tatsächlichen. Man kann und sollte sich natürlich der Behandlung unterziehen, aber es ist sehr wichtig, sich vor dem Krankheitszustand, der über uns gekommen ist, zu demütigen. Wir müssen es so ansehen, daß wir sie verdient haben und sie mit Dankbarkeit akzeptieren. Der Herr wird Sie nicht vergessen und Ihnen keine Prüfungen senden, die jenseits ihrer Kraft liegen. Der Apostel Paulus versichert uns dies, indem er sagt: Gott ist treu, Er wird nicht zulassen, daß ihr über eure Kraft hinaus versucht werdet (1 Kor 10,13). Daher beruhigen Sie sich und verzweifeln Sie nicht. Die Neurose — ist eine geistliche Erkrankung. Demütigen Sie sich vor Gott, und Sie werden Erleichterung erfahren!“
Wir lesen in der Lebensbeschreibung des hl. Ignatij (Brančaninov) wie viel Erleichterung die Demut bringt: „Das Verhalten des Novizen BranCaninov im Kloster zeichnete sich durch tiefe Demut aus. Zu seiner ersten Aufgabe war er in die Bäckerei eingeteilt. Der Bäcker war ein ehemaliger Leibeigener. Es geschah, daß am ersten Tag seiner Arbeit irgend jemand in das Lager gehen mußte, um Mehl zu holen. Der Bäcker sagte grob zu ihm: „Gut, Bruder, geh du Mehl holen!“ — und warf ihm den Mehlsack so zu, daß er voller Mehl wurde. Der neue Novize nahm demütig den Sack und ging. Im Lagerraum breitete er den Sack mit beiden Händen aus und hielt ihn mit den Zähnen, wie ihn der Bäcker angewiesen hatte, so daß man das Mehl bequemer dort hineinschütten konnte, und er spürte ein neues, seltsames Gefühl in seinem Herzen, daß er noch nie zuvor empfunden hatte: Sein demütiges Verhalten, die Mißachtung des Gefühls der Kränkung, machten seine Seele so süß, daß er sich an diesen Augenblick für den Rest seines Lebens erinnerte.“
Die meisten modernen Forscher stimmen überein, daß die Neurose eine individuelle Krankheit ist. Der Mensch erkrankt nicht sofort voll an einer Neurose: Diese Erkrankung hat ihr vorbereitendes Stadium. Man kann ein charakteristisches Portrait von einem „potentiellen“ Neurotiker zeichnen — in Wirklichkeit wäre es eine ganze Galerie von Typen, wobei jeder die Tendenz hätte, von potentiellen Kräften zu realen überzugehen. Eine der charakteristischen Besonderheiten solcher Menschen ist ihr Denkstil, der das Merkmal des Kompromißlosen trägt. Man kann wahrnehmen, daß ihre Einschätzungen kategorisch sind; die meisten Ereignisse haben keine Schattierungen und sind auf dem Kontrast von gut/böse aufgebaut.
Die Neurose resultiert oft aus inneren konflikthaften Prozessen. Die äußeren herausfordernden Faktoren und Ereignisse sind lediglich der „letzte Tropfen“ oder der „Startmechanismus“ zur Entwicklung einer neurotischen Störung. Ein Mensch mit einer Tendenz zu dieser Krankheit entwickelt eine bestimmte nervöse Reaktion auf Ereignisse. Einige Gründe für emotionale Leiden (Konflikte, Streßfaktoren) gehen im Laufe der Zeit vorüber, werden nicht-gegenwärtig, doch bald werden sie durch andere ersetzt, und die Krankheit intensiviert sich. […]
Man kann die Neurose als ausgedehnte Entwicklung von Leidenschaften ansehen (wie sie von den Heiligen Vätern definiert wird, d. h. als sündige Disposition der Seele). Eine Verarmung an Liebe und Demut liegt in den Tiefen der Voraussetzungen verschiedener neurotischer Symptome, und dort — wo Liebe und Demut fehlen — reifen Einbildung wie auch Feindseligkeit, Ungeduld, Reizbarkeit, anhaltender Groll, Neid, Angst usw.
Einige Patienten, die unter anhaltenden Neurosen leiden, bekennen: „Der Neid zerstört mich. Wenn ich sehe, daß mein Nachbar oder Bekannter etwas Besseres besitzt, kann ich nicht still sitzen. Es ist, als ob ich innerlich verbrennen würde.“
Viele Neurotiker sprechen von seelischer Empfindungslosigkeit, einer inneren Kälte. Der hl. Seraphim von Sarov lehrt: „Gott ist Feuer, das die Herzen und das Innere wärmt und entflammt. Wenn wir daher Kälte in unserem Herz fühlen, die vom Teufel stammt (denn der Teufel ist kalt), dann rufen wir den Herrn an, und Er wird durch Sein Kommen unser Herz in vollkommener Liebe erwärmen — nicht nur zu Ihm, sondern auch zu den uns Nahen. Und die Kälte dessen, der Gott haßt, wird durch die Wärme verbannt.“
Wir müssen insbesondere die verschiedenen Arten von Ängsten (Phobien) erwähnen, die im Zusammenhang mit einer Begeisterung für okkulte Praktiken entsteht. Man kann davon ausgehen, daß diese Ängste dem Menschen mitteilen, daß sich seine Seele in einem erbärmlichen, sündigen Zustand befindet. Es ist zu schlimm, daß in der heutigen Zeit viele zum Opfer des Okkultismus geworden sind, wie wir das im folgenden Beispiel zeigen.
Eine 38jährige Frau, N., kam zu einem Besuch. In ihrer Jugend hatte sie einen jungen Mann kennengelernt, doch plötzlich hatte dieser eine andere geheiratet. N. litt schwer darunter, weinte viel und erlag den Vorschlägen ihrer Freunde, den Bräutigam zu „behexen“. Sie gaben ihr detaillierte „Instruktionen“, zu denen sogar Gebete an die Toten gehörten. Bald nachdem sie diese magischen Handlungen vollzogen hatte, empfand N. schreckliche Angst und bedrückende Unruhe, dennoch setzte sie die okkulten Rituale fort. N. suchte dann fast 20 Jahre lang medizinische Hilfe gegen die neurotischen Phobien bei Psychiatern und Psychotherapeuten; die Behandlung brachte wenig Hilfe. Erst als sie darüber nachdachte, was sie getan hatte, erkannte sie, daß sie bereuen und sich Gott zuwenden mußte. Nach der ersten Beichte ihres Lebens empfand sie den lang vergessenen Frieden und Freude in ihrer Seele.
Schwere Krankheit ist ein weiterer psychotraumatischer und neuro-genetischer Faktor. Unglücklicherweise kann nicht jeder Krankheiten auf christliche Weise annehmen. Das mutige Akzeptieren von Gebrechen ist selten, häufiger kommt es zu neurotischen Reaktion. Prof. V. P. Zajcev führt fünf Reaktionen auf Herzinfarkt an, darunter:
• Kardiophobische Reaktion [Herzangst] — die krankhafte Angst „um das Herz"; man fürchtet eine zweite Herzattacke und den plötzlichen Tod; man ist übervorsichtig, besonders wenn es um die Ausweitung des Programms an körperlicher Aktivität geht; wachsende Furcht wird begleitet von körperlichem Zittern, Schwachheit, Erbleichen der Haut, Herzklopfen;
• Depression — Bedrückung, Niedergeschlagenheit, Apathie, Hoffnungslosigkeit beherrschen den seelischen Zustand;
• Hypochondrie — deren wichtigstes Anzeichen die klare Überbewertung der Schwere des eigenen Zustandes ist, eine extreme Fixierung auf den eigenen Gesundheitszustand;
• Hysterie — deren Charakteristika sind Egozentrik, Vorführen der Krankheit, den Wunsch, die Aufmerksamkeit der Umgebung zu erwecken, um Mitgefühl auszulösen;
• Agnosie — kommt im Verleugnen der Krankheit, im Ignorieren ärztlicher Empfehlungen und im groben Brechen der entsprechenden Lebensweise zum Ausdruck.
Jede Krankheit hat ihre geistlichen Wurzeln, aber manchmal ist es unmöglich, sie zu identifizieren, während sich die Neurose unter den anderen Krankheiten dadurch hervorhebt, daß sie sozusagen ein moralisches Barometer darstellt. Ihre Verbindung mit der geistlichen Sphäre ist offensichtlich, und diese Erkrankung kann sich aufgrund von seelischen Qualen und Gewissensbissen rapid entfalten. Doch die Sünde ebnet für das Entstehen der Neurose nur den Weg, das Wachstum neurotischer Ausdrucksformen hängt von den Eigentümlichkeiten der Persönlichkeit, den Lebensumständen und der Erziehung, neurophysio-logischen Vorbedingungen und anderen Streßfaktoren und Bedingungen ab. Viele davon sind schwer abzuwägen. Nicht alles läßt sich in eüic Schema bringen, das Leben ist viel komplizierter. Der eine Mensch kann eine Neurose entwickeln, während sich bei einem anderen die Reaktion auf einen Schock beschränken mag und die Krankheit nicht entsteht. Das innerste Wesen der Neurose ist ein Geheimnis, das nur dem Herrn bekannt ist.
Die Schwierigkeiten, welche im Zusammenhang mit der Erforschung der Gründe für die Entstehung von Neurosen auftreten, sind sehr bedingt zu sehen, denn die meisten Gelehrten und Praktizierenden versuchten und versuchen dieses komplexe Problem unabhängig vom Glauben an Christus zu lösen. Außerdem wird die Spiritualität des Patienten durch Bildung und Gelehrsamkeit ersetzt oder wird überhaupt nicht in Betracht gezogen und verleugnet, obwohl viele Konsequenzen von spirituellen Verletzungen im Menschen, der unter Neurosen leidet, unserer Meinung nach korrekt aufgezeigt werden. Doch wenn wir über den pathologischen Prozeß der Selbsterkenntnis, über die besonderen Eigenschaften der „neurotischen“ Ordnung des Denkens und die charakteristischen Merkmale in der emotionalen Sphäre sprechen, ist es notwendig zu verstehen, daß diese Eigenschaften zuerst auf der geistlichen Ebene beschädigt wurden, was erst später im spirituellen Leben des Menschen zum Ausdruck kam.
Alles Obengenannte bezieht sich nicht nur auf Neurosen, sondern auch auf die große Gruppe von Störungen, die die sogenannte „kleinere“ Psychiatrie ausmachen: die Akzentuierungen oder der Krankheit vorausgehenden Störungen des Charakters, erworbene Psychopathien und andere.
Man muß festhalten, daß sich die klinische Erforschung von neurotischen Störungen in den letzten 10–15 Jahren fundamental geändert hat. Sie wurde komplexer (wie es auch, nebenbei bemerkt, die Seelen der Hilfesuchenden wurden), während sich die Länge der Krankheit ausweitete. Die Mißverständnisse zwischen den Menschen wachsen ständig — selbst unter den einander Nahestehendsten; es wird, unserer Beobachtung nach, immer schwieriger, die Tür des Herzens und Geistes des Patienten aufzuschließen. Dies entspricht nicht nur unserer eigenen Erfahrung, sondern auch der Meinung vieler Kollegen in diesem Bereich.
Neurosen — und besonders einige ihrer Formen: hartnäckige Besessenheitszustände, ständige Ängste — können als Folgen dämonischer Aktivität auftreten. Wie kann man z. B. das unüberwindliche Verlangen, sich mehrere Dutzend mal vor dem Essen die Hände zu waschen oder die Knöpfe an den Mänteln von vorbeigehenden Menschen zu zählen usw., anders bewerten? Und diese Kranken leiden schrecklich, quälen sich mit ihrem Zustand, sind dadurch belastet, können aber nichts dagegen tun. Der medizinische Begriff „Obsession“, der sich auf unüberwindliche Neigungen bezieht, wird mit Besessenheit übersetzt. Bischof Varnaba (Beljaev) schreibt: „Die Weisen dieser Welt, die nicht die Existenz von bösen Geistern akzeptieren, können die Quelle und Wirkung fixer Ideen nicht erklären. Doch der Christ, der ständig mit den dunklen Kräften zu tun hat und — manchmal sogar sichtbar — Krieg mit ihnen führt, kann die Existenz der bösen Geister nicht bezweifeln.“
Ein plötzlicher Gedanke bricht wie ein Sturm über einen Menschen herein und läßt ihm keine Minute mehr Frieden. Aber nehmen wir an, wir sprechen von einem erfahrenen Asketen. Er bewaffnet sich mit dem machtvollen Jesus-Gebet. Und der Kampf beginnt und setzt sich fort, ohne daß ein Ende in Sicht ist. Der Asket erkennt, welche Gedanken seine eigenen sind und welche die fremden, bösen sind, die ihm eingegeben wurden. Doch deren ganze Wirkung hält nach wie vor an. Die Gedanken des Feindes suggerieren oft die Gewißheit, daß sie nicht verschwinden werden, wenn der Mensch ihnen nicht nachgibt. Der Asket gibt nicht nach und betet weiter zu Gott um Hilfe.
Und genau in dem Moment, wenn der Mensch denkt, daß der Kampf vielleicht tatsächlich aussichtslos ist und wenn er den Glauben an die Möglichkeit eines friedlichen Lebens zu verlieren beginnt -verschwinden plötzlich diese Gedanken. Das bedeutet, daß die Gnade Gottes zu Hilfe gekommen ist und sich die bösen Geister zerstreut haben. Himmlisches Licht leuchtet in die Seele des Menschen: Es herrschen Frieden und Stille.
Abschließend möchte ich unterstreichen, daß der Mensch, der unter einer Neurose leidet, nicht besser oder schlechter als irgendein anderer ist; seine Krankheit ist einfach ein persönlicher Fall als Folge von Sünde. Die menschliche Natur ist seit der Zeit unserer Ureltern durch die Sünde beschädigt; daher müssen wir alle bereuen und uns in der Hoffnung auf Gottes Hilfe und Barmherzigkeit bessern.
Fakten schreien auf
Es besteht kein Zweifel, daß das moderne Leben nicht zur seelischen Gesundheit des Menschen beiträgt. Der soziale Druck wächst von Jahr zu Jahr. Andererseits ist eine moralische Krise offensichtlich. Viele Menschen befinden sich in einem Zustand des geistlichen Vakuums: Da sie in ihren Herzen keinen Glauben an Christus haben, geraten sie auf den Pfad der Sünde. Und ein sündiges Leben kann niemals wahres Glück bringen.
Natürlich gibt es auch unter orthodoxen Christen Fälle psychischen Zusammenbruchs, denn niemand auf Erden ist frei von Sünde, doch die Orthodoxen beten zum Herrn um Barmherzigkeit, empfangen die die Seele heilenden Mysterien der Beichte und Kommunion, und der barmherzige Herr, der Mitleid mit dem Büßer hat, heilt ihre Herzen und gibt ihnen geistlichen Frieden.
Wenn der Mensch keine festen moralischen Überzeugungen hat, wenn er nicht von einem geistlichen Zaun vor dem dämonischen „Ansturm“ geschützt ist, dann erhöht sich das Risiko, psychisch zu erkranken, um das Vielfache, was die Fakten beweisen: Fast in allen Ländern steigt die Zahl der psychisch Kranken fortwährend.
Die folgenden Fakten offenbaren den Zustand unserer russischen Gesellschaft. Die Kriminalität ist zwischen 1987 und 1996 um das 2,2fache angestiegen. Die Zahl der Eheschließungen ist 1996 um 17% heruntergegangen, während die Scheidungsrate um 22% angestiegen ist. Die Zahl der unehelichen Kinder hat um 76% zugenommen. Die Zahl der Selbstmorde ist zwischen 1985 und 1995 um 79% gewachsen.
Die geistige Gesundheit unserer jungen Generation ist besonders besorgniserregend. Die ausgehöhlte geistliche Orientierung in der Gesellschaft, die schwierigen sozialen Bedingungen sind eine schwere Bürde für die zarten Seelen der Kinder.
Viele Familien kann man als erfolglos bezeichnen: Eltern sind dem Alkohol verfallen, und alkoholkranke Mütter sind keine Seltenheit. Die Hälfte der 13jährigen Jungen und Mädchen trinken Alkohol. Das Alter für den Beginn des Rauchens ist auf 10 bei den Jungen und auf 12 bei den Mädchen heruntergegangen. Heutzutage ist keiner überrascht, wenn Schulkinder sexuelle Beziehungen haben. Jede 10. Abtreibung wird bei einem heranwachsenden Mädchen vorgenommen. Rauschgiftsucht wächst unter den Jugendlichen. Geschlechtskrankheiten bei Heranwachsenden, Kinderprostitution sind unglücklicherweise die traurigen Merkmale unserer Zeit.
Gemäß den Fakten, die von der Ministerium des Innen Rußlands herausgegeben wurden, gab es zu Beginn des Jahres 1995 50.000 obdachlose Kinder, 620.000 Jugendliche waren vorbestraft. Es sind unter den Heranwachsenden Serienmörder aufgetaucht. Die Gerichtspsychiatrie hatte niemals zuvor solche Fälle, und man kann daraus schließen, welch ein gewaltiges Aggressionspotential sie reflektieren.
Die Prüfungen beginnen schon in der frühen Kindheit. Hier ist ein Auszug aus dem Brief einer jungen Mutter: „Die Kinder sind ihrer Kindheit beraubt worden. ,Dank’ des Fernsehens und des Systems der Massenmedien wissen schon kleine Kinder, was Sex ist, wie und mit wem man das machen kann. Können sie, wenn sie älter werden, reine Liebe hochschätzen? Schauen Sie, was die Zeichentrickfilme den Kindern zeigen. Die Titel sprechen für sich: „Vollgedröhnt“, „Sternenkrieg“ und dergleichen mehr. Die Filme sind unmoralisch und dumm. Neulich wurde der Zeichentrickfilm „Jeder kommt in den Himmel“ gezeigt. Die Essenz des Filmes: Man braucht nicht zu arbeiten, man muß Glücksspiele spielen, bis man gewinnt, und die sinnvolle Freizeitgestaltung — das ist ein Mädchen aus dem Kabarett. Und schauen Sie auf diese Spielzeuge, die den Kindern angeboten werden: Ninjas, Außerirdische, Killerroboter usw. Wohin führt das noch? Was können solche Spielzeuge den Kindern geben?“ Unglücklicherweise empfängt der Verfasser viele ähnliche Briefe, und in jedem von ihnen ist Schmerz und Trauer auf Seiten der Eltern über all das, was in ihrer Umgebung geschieht.
Es gibt eine interessante Studie, durchgeführt im März 1988 von der Polizei und der Behörde für Volksbildung in der Stadt Fullerton im Staat Kalifornien, USA. Hier das Ergebnis:
• Die Hauptprobleme in der Schule im Jahre 1940: Die Schüler reden während des Unterrichts miteinander, Kaugummi, sind laut, laufen in den Gängen, stehen nicht gerade in einer Linie, sind nicht nach Vorschrift gekleidet, hinterlassen Abfälle im Klassenraum.
• Die Hauptprobleme in der Schule im Jahre 1988: Mißbrauch von Narkotika und Alkohol, Schwangerschaft, Selbstmord, Vergewaltigung, Raub, Gewalttaten.
Kommentare sind überflüssig. Man muß besonders hervorheben, daß diese erschreckende Metamorphose in weniger als 50 Jahren geschehen ist, und zwar seit der Zeit des starken Anwachsens des Materialismus in den USA. Man gelangt zu der Annahme, daß dies ein natürliches Resultat für jede Gesellschaft ist, die auf materialistischen Ideen basiert. Der pro-amerikanische Lebensstil wird dem Rest der Welt in den letzten Jahrzehnten aufgedrängt. Die Frage: Wohin wird das führen? — ruft eine beunruhigende Prognose hervor.
Die Programme unserer Fernsehsender sind voller märchenhafter Namen, hinter denen sich Gewalt und Ausschweifung verbergen. Entblößte Körper werden in allen Bereichen der Massenkommunikation gezeigt. Mitglieder aller Sekten arbeiten an unseren russischen Schulen und untergraben direkt die geistlichen Werte der Orthodoxie. Der Geist der Besitzgier und der Vergötzung des Dollars, Geschlechtsumwandlungen, virtuelle Realität und Euthanasie, Satanismus, Kinderpornographie, Anweisungen für Selbstmord und Terrorismus — dies sind die erschreckenden Realitäten unseres Lebens.
Die Kinder sind den Einflüssen von Okkultisten, Hypnotiseuren und anderen dunklen Persönlichkeiten ausgesetzt. Die Folgen dieser Handlungen für ihre zarten Seelen sind sehr gefährlich. Ärzte wissen, wie viele schwerwiegende Komplikationen die Menschen erfahren, nachdem sie sich die Fernseh-Seancen moderner „Zauberer“ angeschaut haben. Doch die Kinder sind unsere Zukunft! Wie wird sie aussehen?!
Hauptformen der Neurose
In der Medizin werden üblicherweise die drei wesentlichen klassischen Formen von Neurosen beschrieben: Neurasthenie, obsessiv-zwanghafte Störung und Hysterie. Wir werden sie in der Ordnung, wie sie im allgemeinen in der Fachliteratur beschrieben werden, betrachten.
Neurasthenie. Man hält diese Form für die am häufigsten vorkommende Form der Neurose. Sie wurde in den 1880er Jahren als individuelles Krankheitsbild beschrieben. Die amerikanischen Ärzte Bird und Van Düsen schrieben, unabhängig voneinander, zuerst 1869 darüber. Seitdem hat sich die Diagnose der Neurasthenie weit verbreitet. Professor B. D. Karvasarskij beschreibt ein kurioses Beispiel: Während des ersten Weltkriegs wurde in der britischen Armee ein besonderes Lernprogramm entwickelt, bei dessen erfolgreichem Abschluß der Arzt den Titel „Experte in Neurasthenie“ erhielt.
Diese Krankheit kommt, wie schon aus dem Namen ersichtlich, durch eine nervöse Schwäche bis hin zu tiefer Erschöpfung der Lebenskräfte zum Ausdruck. Schlafende Infektionsherde werden akut, Cholesterinerkrankungen, Gastritis, Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwüre machen sich bemerkbar. Die Krankheit erscheint als Katalysator, der die somatische Pathologie hervorhebt.
Das typische Portrait eines Neurasthenikers läßt sich wie folgt zeichnen: aufbrausend, reizbar, schnell aufgebracht, „am Rand des Durchdrehens“, die Nerven liegen „an der Oberfläche“ (hyperstheni-scher Zustand) oder — genau das Gegenteil: lethargisch, wehleidig, das Gefühl von Müdigkeit und Erschöpfung in all seinen Lebenskräften (hyposthenische Form). Aber es ist interessant festzuhalten: Die hohe Reizbarkeit und der Jähzorn des Neurasthenikers ist nicht auf sich selbst gerichtet, sondern auf andere! Jeder und alles macht ihn gereizt, er ist oft launenhaft, leicht verärgert und aufgebracht, erhebt sich aber fast nie zur spirituellen Höhe, seine eigenen Mängel, Fehler und Sünden zu erkennen. Auf diese Weise ist die Neurasthenie mehr oder weniger eine egoistische Neurose, gespeist von der Leidenschaft, welche die Heiligen Väter Stolz oder Eigendünkel nennen.
Vater Alexander Elčaninov schreibt: „Nervosität usw. ist Ausdruck von Sünde, insbesondere von Stolz. Der Hauptneurastheniker ist der Teufel. Kann man sich einen bescheidenen, freundlichen, sanftmütigen Menschen als Neurastheniker vorstellen?“ „Gereiztheit kommt aus mangelnder Selbsterkenntnis, aus dem Stolz und auch daher, daß man die Tiefe der Beschädigung unserer Natur nicht erkennt — und den sanftmütigen und demütigen Jesus nicht kennt.“ (Hl. Johannes von Kronstadt) „Keiner sollte die Gereiztheit durch irgendeine Krankheit entschuldigen.“ (Starez Amvrosij von Optina)
Erzbischof Arsenij (Žadanovskij) schreibt folgendes über die Ursachen der Gereiztheit und den Verlust des geistlichen Friedens: „Manchmal erscheint plötzlich bei dir ein gereizter Zustand, Unzufriedenheit mit den Menschen in deiner Umgebung, eine bedrückte Gemütsverfassung, Verzagtheit, Enttäuschung. Die geringste Sache — und deine Stimmung ist zerstört. Warum? Offensichtlich war der seelische Boden für diese Verfassung schon vorbereitet. Reizbarkeit, Unzufriedenheit mit den Menschen wird durch Neid hervorgerufen, Mißgunst ihnen gegenüber.“
Daher kann man schlußfolgern, daß die Neurasthenie mehr oder weniger eine Folge der Entfernung von Christus ist, ein Fall ins Neuheidentum. Sie ist ein Ausdruck von Leidenschaften. Neurasthenie kann gewissermaßen als das Gegenteil von Sanftmut, Demut, Geduld und einer friedlichen Geisteshaltung betrachtet werden.
Die Hirten der Kirche legten besondere Aufmerksamkeit darauf, den Frieden der Seele unter allen Lebensumständen zu bewahren. „Ich wünsche euch keine Reichtümer, Ruhm oder Erfolg, nicht einmal Gesundheit, sondern nur Frieden der Seele. Das ist die Hauptsache. Wenn ihr Frieden habt — werdet ihr glücklich sein.“ (Hl. Aleksij Zosimovskij) Eine logische Ableitung folgt daraus: Die beste Medizin für die Neurasthenie ist tiefe Reue, eine christliche Lebensweise, in der man geduldig und demütig sein Kreuz trägt.
Obsessiv-zwanghafte Neurose. Obsessionen sind außerhalb des Willens und Wünschens des Menschen befindliche zwanghafte Gedanken, Erinnerungen, Vorstellungen, Zweifel wie auch Handlungen. Obsessive Ängste zählen auch zu den obsessiven Neurosen. Wenn ein Mensch unerklärliche Angst vor dem Unbekannten erfährt, wird dies als Angstsyndrom bezeichnet; wenn er etwas Konkretes fürchtet — wie Dunkelheit, Höhen, scharfe Gegenstände, geschlossene Räume und ähnliche zwanghafte Zustände, wird dies als Phobie bezeichnet, wobei deren besondere Art durch die Bezeichnung zum Ausdruck kommt. Zum Beispiel Cancerophobia — Furcht vor Krebs, Claustrophobia — Furcht vor kleinen Räumen, Hypsophobia — Furcht vor Höhen, Misophobia — Furcht vor Schmutz, Pantophobia — Furcht vor der ganzen Umgebung.
Manchmal erscheinen Phobien nur unter den entsprechenden Umständen: Furcht vor Höhen nur dann, wenn man nach oben steigt, Furcht vor Mäusen nur dann, wenn man eine sieht (Peter der Große geriet beispielsweise beim Anblick von Küchenschaben in Panik); manchmal aber genügt schon der Gedanke daran.
Furcht gehört zur gefallenen Natur des Menschen („Furcht ist die Abwesenheit von fester Hoffnung“, sagt der hl. Johannes von Damaskus) und tief biologisch, denn der Mensch trägt in sich einen animalischen Anfang, der instinktiv auf Bedrohungen von außen mit Furcht reagiert: Dunkelheit, Angriffe usw. In vielen Fällen dient sie als Verteidigungsmechanismus und schützt uns vor Bedrohungen. Der sich fürchtende Mensch wird vorsichtiger, ist in der Lage, sich zu schützen und sich vor einer nahenden Gefahr zu retten. Die Furcht ist bei uns von Natur aus im Gedächtnis früherer Generation angelegt, im — wie Psychoanalytiker sagen — „kollektiven Unbewußten“ (C. G. Jung).
Doch neurotische Ängste basieren charakteristischerweise auf keiner realen Bedrohung, es sei denn auf einer vorgestellten oder unwahrscheinlichen. Ein Mensch leidet z. B. unter Kardiophobie, d. h. er fürchtet, daß sein Herz in jedem Moment aussetzen wird. Einerseits ist das theoretisch möglich, denn es kommt sogar unter jungen, anscheinend gesunden Menschen zu plötzlichen Todesfällen, doch die objektive Wahrscheinlichkeit, daß es bei diesem Menschen zu einem plötzlichen Herzstillstand kommt, ist äußerst gering. Dies ist ein Fall von künstlich vorgestellter, phantasierter Lebensbedrohung, bedingt durch falsche Gedanken und unbegründete Ängste.
Hier ein weiteres Beispiel: Eine Mutter, die ihr Kind innig liebt, erwischt sich plötzlich beim Gedanken, daß sie es ersticken könnte. Dieser Gedanke erschreckt sie, er paßt nicht zu ihren moralischen Werten, ist nicht durch irgendwelche äußeren Umstände gerechtfertigt -ganz im Gegenteil, er ist absurd, ohne jeden wirklichen Grund. Doch wie ein Splitter bohrt er sich in ihr Bewußtsein und verursacht ihr fortwährend einen Schmerz, den sie aus Scham keinem anderen mitteilt.
Obsessive Gedanken beginnen oft mit der Frage: „Was wäre, wenn…?“ Später werden sie automatisch, verwurzeln sich im Bewußtsein und, häufig wiederholt, schaffen sie wirkliche Schwierigkeiten im Leben. Und je mehr der Mensch mit ihnen kämpft, desto stärker setzen sie sich fest.
Der Hauptgrund für die Entwicklung und die eigentliche Existenz neurotischer Ängste ist eine überbordende sinnliche Vorstellung. In der entsprechenden Fachliteratur wird dieser Punkt im allgemeinen übergangen. Der Mensch hat beispielsweise nicht einfach davor Angst, von einer Höhe herunterzufallen, sondern „entzündet“ die imaginäre Situation, indem er sich seine Beerdigung vorstellt, wie er selbst im Sarg liegt usw.
Davon abgesehen herrscht in ähnlichen Zuständen eine Schwächung der mentalen Abwehr (Zensur) entsprechend den natürlichen individuellen Merkmalen der jeweiligen Persönlichkeit oder als Folge eines sündigen Zustandes. Es ist allgemein bekannt, daß Alkoholiker anfälliger für Suggestionen sind. Sexuelle Ausschweifung (Unzucht) schwächt die spirituelle Stärke wesentlich. Auch der Mangel an einer kontinuierlichen inneren Anstrengung der Selbstkontrolle, geistlicher Nüchternheit und bewußter Steuerung der eigenen Gedanken wirkt sich aus (diese Bemühungen sind in der Literatur der Heiligen Väter beschrieben).
Man muß auch anerkennen, daß einige der Gedanken in Wirklichkeit der Person fremd, und daher dämonisch, sind. Leider ist der Mensch oft nicht in der Lage, die wahre Quelle seiner Gedanken zu bestimmen, und die dämonische Suggestion dringt leicht in seine Seele ein. Nur erfahrene Asketen und heilige Menschen, die schon durch die Askese des Gebets und Fasten gereinigt sind, können das Nahen finsterer Geister offenlegen. Die Seelen gewöhnlicher Menschen, eingehüllt in sündige Dunkelheit, nehmen dies oft nicht wahr bzw. sehen dies nicht, denn es ist schwer, etwas Dunkles im Dunklen zu erkennen.
Der hl. Ignatij (Brjančaninov) erklärt: „Die Geister des Hasses führen gegen die Menschen so klug Krieg, daß die Gedanken und Ideen, die von ihnen eingegeben werden, als die eigenen Gedanken des Menschen erscheinen.“
Bischof Varnava (Beljaev) schreibt: „Der Fehler moderner Menschen besteht darin, daß sie denken, sie litten nur ,unter Gedanken’, während sie in Wahrheit eher unter Dämonen leiden. … Wenn sie dann versuchen, Gedanken mit Gedanken zu besiegen, sehen sie, daß die widerstrebenden Gedanken nicht einfach Gedanken sind, sondern ‚obsessive’ Gedanken, mit denen man nicht umzugehen vermag und vor denen der Mensch hilflos ist. Sie haben keinen logischen Zusammenhang und sind ihm fremd, von außen kommend und widerwärtig. … Doch wenn der Mensch die Kirche nicht anerkennt, die Gnade, die Heiligen Mysterien und den Wert der Tugenden, wie kann er sich schützen? Natürlich kann er das nicht. Und dann kommen Dämonen — denn im Herzen mangelt es an Demut und anderen Tugenden — und machen mit dem Geist und dem Leib des Menschen, was sie wollen“ (vgl. Mt 12,43–45).
Diese Worte von Bischof Varnava sind klinisch voll zu bestätigen. Obsessive Neurosen sind schwerer zu behandeln als irgendein anderer neurotischer Typus. Oft sprechen sie auf keinerlei Therapie an und erschöpfen ihre Opfer mit sehr schweren Leiden. Im Fall hartnäckiger Obsessionen ist der Mensch dauerhaft arbeitsunfähig und wird einfach zum Invaliden. „Angst verursacht großen Schaden“, schreibt Starez Makarij von Optina, „der Körper wird durch den Verfall des Geistes und das Fehlen innerer Ruhe geschwächt, und es entsteht ohne eine Krankheit eine Krankheit.“ Die Erfahrung zeigt, daß wahre Genesung nur durch die Gnade Gottes kommt.
Die Furcht Gottes (die Ehrfurcht vor dem Schöpfer) ist für jeden Menschen notwendig, doch diese große Gabe wird oft verzerrt und durch animalische Feigheit ersetzt. Die Furcht Gottes hat verschiedene Stufen, deren erste jene ist, die Gesetze Gottes zu verletzen — indem man sündigt, etwas in den Augen Gottes Lasterhaftes, Unwürdiges, Kränkendes vollbringt. Die zweite Stufe tritt bei fortgeschritteneren frommen Asketen auf und besteht in der Furcht, von Gott abzufallen, Seine Gnade und den heiligen Frieden zu verlieren, denn dieser Verlust würde den geistlichen Tod bedeuten.
Siehe, die Furcht Gottes ist Weisheit, sagt die Heilige Schrift (Hiob 28,28). „Wenn man ohne die Furcht Gottes lebt, kann man nichts Edles oder Bewundernswertes vollbringen", schreibt der universale Lehrer der Kirch, der hl. Johannes Chrysostomos.
Auf der Grundlage der Literatur der Heiligen Väter können wir schlußfolgern, daß es sich exakt um die Furcht Gottes handelt, die in der Lage ist, die Menschen von seiner Neurose zu befreien. Wenn der Mensch diese geistliche Gabe erlangt, dann trocknet diese edle Furcht die anderen kleinen, von einem Tag zum anderen lebenden Ängste aus. Wie eine große Woge des Ozeans die kleinen Wellen in sich aufnimmt, so verzehrt die wahre Furcht Gottes die neurotischen Ängste — die Phobien.
Und schließlich noch der letzte Aspekt, der im Zusammenhang mit der Ursache der Entstehung von Ängsten steht und auch nicht in der wissenschaftlichen Literatur diskutiert wird — wir sehen ihn in der Heiligen Schrift hervorgehoben: Furcht gibt es in der Liebe nicht, sondern die vollkommene Liebe vertreibt die Furcht; denn die Furcht rechnet mit Strafe (1 Jh 4,18). Es erweist sich, daß das Vorhandensein von Angst und Furcht in der Seele und im Herzen des Menschen bedeutet, daß keine oder zu wenig Liebe zu Gott vorhanden ist.
Lassen Sie uns nun kurz obsessive (zwanghafte) Handlungen diskutieren. Ihr Charakter kann sehr unterschiedlich sein. Sie nehmen oft die Form eines gewohnheitsmäßigen Rituals an und werden entgegen der Logik und Notwendigkeit wiederholt. Z. B. das exzessive Händewaschen; Rituale beim An- und Ausziehen; sinnloses Verschieben von Möbeln; ständiges Geldzählen, Klopfen und Schaukeln; Vermeiden bestimmter Gegenstände; Wiederholung bestimmter Worte und Handlungen beim Kontakt mit etwas scheinbar Bösem. Ein Gefühl von Erleichterung bei der Durchführung der zwanghaften Handlung ist charakteristisch. Aber diese Erleichterung ist nur vorübergehend, und bald taucht der Zwang, das entsprechende Ritual durchzuführen, erneut auf.
Ein wichtiges Moment zum Verständnis der Natur obsessiver Handlungen ist die erwähnte fremdartige Natur und ihr Zwang, sinnlose Handlungen zu begehen. Folgendes schreibt Bischof Varnava (Beljaev) darüber: „Was ist die Quelle dieser gewaltsamen Handlungen, wenn sie der Mensch mit aller Kraft seiner Seele zurückweist und nicht will, da er sie als fremd und anormal erfährt? Es ist ganz klar, daß sie aus einer anderen geistigen Wesenheit stammt — einer bösen und unreinen. Dann versteht man das Alogische des Gedankens, diese Tyrannei, und man versteht — worüber auch die Gelehrten sprechen — die Erleichterung nach dem Vollzug der Handlung (d. h. der Teufel zieht ab, befriedigt, daß er den Menschen gezwungen hat, etwas gegen dessen Willen zu unternehmen). Man versteht die quälende Unzufriedenheit mit sich, denn das Gewissen des Menschen quält ihn, da er auf den Teufel gehört hat.“
In besonders schweren Fällen kann der Mensch sich nicht kontrollieren und wird eine Art von „Bioroboter“. Man erinnere sich z. B. an den Ritualmord an den drei Mönchen des Optina-Klosters, die ein Krimineller verübte, der später zugab, daß ihn eine seltsame Macht gezwungen habe, dieses Verbrechen durchzuführen und der er nicht widerstehen konnte. Andere Verbrecher erwähnen oft eine ähnliche Macht, die den Willen und das Bewußtsein überwältigt. Dies führt, nebenbei bemerkt, nicht dazu, daß sie der rechtlichen Verantwortlichkeit enthoben sind. Drogensüchtige und Alkoholiker erwähnen auch ein seltsam zwanghaftes, unwiderstehliches Verlangen. Die Macht, die hinter all dem steht, ist — denke ich — klar.
Hypochondrie und depressive Neurose
Zwei weitere Formen der Neurose werden gleichfalls häufig hervorgehoben: Hypochondrie und depressive Neurose.
Hypochondrie ist ein exzessives Zurückziehen in eine Krankheit, sie ist das Syndrom des „imaginären Patienten“. Ihre Merkmale besteht in einem ständigen Wühlen in den eigenen Gefühlen, wobei der Brennpunkt der Gedanken und Ideen auf den Problemen der eigenen „kostbaren“ Gesundheit liegt. Manchmal tritt auch der volle Glaube an das Vorhandensein irgendeiner gefährlichen Krankheit zutage, die die Ärzte nicht entdecken können, oder eine vorhandene Krankheit wird stark übertrieben. […]
Normalerweise haben solche Menschen nicht viel Glauben oder gar keinen, denn die Hypochondrie ist die Verletzung des Zweiten Gebots: Du sollst dir kein Götzenbild machen… (Idol, Ex 20,4). Das „Idol» oder „Götzenbild“ ist in diesem Fall die eigene Gesundheit.
Viele Forscher stellen fest, daß es eine „erwünschte Flucht in die Krankheit“ vor den Schwierigkeiten des Lebens in dieser Neurose — wie auch in der Hysterie — gibt. Hypochonder sind im hohen Maß Egoisten. Dies bringt oftmals schwerwiegende Probleme im Leben des Menschen mit sich und führt nicht nur zu psychischen Erkrankungen, sondern auch zu körperlichen. Wenn man nur für sich selbst lebt, verdammt man sich zum Leiden — während man Glück erlangt, wenn man sich für andere aufopfert, denn das wahre Glück kommt aus der Liebe zu Gott und zu anderen.
Und schließlich die depressive Neurose. In der klinischen Psychiatrie werden zwei prinzipielle Typen von depressiven Zuständen unterstrichen. Der eine ist verbunden mit internen (endogenen) Gründen und weniger abhängig von psychologischen Faktoren und Situationen (endogene Depression), während sich der andere im Gegensatz dazu aus verschiedenen Schwierigkeiten und Bedrängnissen entwickelt, die in den individualpsychologischen Besonderheiten des Menschen, auf der Skala seiner Werte aufgeschichtet werden (neurotische Depression).
In verschiedenen psychischen Erkrankungen ist der Ausdruck depressiver Störungen bemerkbar. Es ist das am weitesten verbreitete
Syndrom seelischer Störungen. Ungefähr 5% der Erdbevölkerung leidet darunter, und bis zu 60% der gesamten psychischen Pathologie besteht aus depressiven Zustandsformen. Die Depression hat sich „verjüngt“: Ihre Opfer sind nicht länger die Älteren oder Menschen mittleren Alters, sondern auch Jugendliche oder sogar Kinder.
Niedergeschlagenheit, Freudlosigkeit und Verzagtheit — dies ist so charakteristisch für unsere Zeitgenossen. Viele halten die Depression heutzutage für eine Zivilisationskrankheit. Die Wissenschaft weiß viel über den Ursprung depressiver Störungen, doch unter Wissenschaftlern ist es nicht akzeptabel, über Sünde zu sprechen, während der Grund für viele Formen abnormer Niedergeschlagenheit exakt in der Sündhaftigkeit des Menschen besteht.
Depression ist auf ihre Art das Signal der Seele über ihren unglücklichen, katastrophalen Zustand. Aber dies ist kein „Weinen über Sünden“, sondern das Leiden einer nicht bereuenden Seele, welcher der Dämon zuflüstert: „Alles ist verloren, es gibt keine Hoffnung mehr… Außer dem Tod ist nichts zu erwarten…“ Leider hört man oft solche Klagen von Patienten.
Depressive Neurose beginnt manchmal aufgrund von Lebenskomplikationen. Die Stimmung des Menschen fällt, nichts macht ihn glücklich, durch alles wird er gereizt, er wird bedrückt und sieht seine ganze Umgebung in düsterem Licht. Oft entstehen ähnliche Szenarien, weil das Leben nicht dem „richtigen Szenario“ folgt — der Art und Weise, wie man es gern hätte. Etwas Begehrtes wurde nicht erlangt, irgendein Konflikt trat auf, ein Scheitern, man verletzte einander…
Die Depression hat verschiedene Masken: Manchmal äußert sie sich körperlich, z. B. durch Magenschmerzen, Kopfschmerzen, anhaltende Schlaflosigkeit. Dieser Typ von Störung wird maskierte Depression genannt.
Der hochgeweihte Bischof Varnava (Beljaev) erwähnt in einem seiner Werke die Darstellung des hl. Sinclitius von Alexandria: „Es gibt Trauer, die Gewinn bringt, und Trauer, die schadet. Gewinnbringende Trauer besteht darin, daß man über die Sünden trauert, über das Leiden anderer und über das Böse im allgemeinen, das in unserer Umgebung geschieht… Dies ist die gottgewollte Traurigkeit (1. Kor 7,10). Aber unser Feind bringt uns weltliche Traurigkeit, die zu Verzagen und Schwermut führt. Dieser Zustand muß hauptsächlich durch Gebete und Psalmengesang beseitigt werden.“ Er schreibt weiter: „Es gibt eine Handlungsweise in der Wissenschaft der Rettung, die den Menschen auf kürzestem Weg zu Gott bringt. Das ist — die Trauer über die Sünden [Bußtrauer] … Die geistliche Erfahrung und der Vorschein der Gnade im Herzen überzeugen uns, daß das einsame Gebet, begleitet von heißen Tränen der Reue das machtvollste Verfahren der Tröstung ist. Wahrlich, die ersten Tränen sind bitter und beißend, aber später fühlt man Linderung, Freude, einen Lichtstrahl. Je weiter sich der Mensch auf dem Pfad der Rettung bewegt, desto leichter wird die Last auf der Seele… Dies ist eine wundervolle Wirkung der Gnade."
Doch es gibt eine andere Traurigkeit, die der Apostel Paulus weltlich (2 Kor 7,10) nennt. Eine Modenärrin weint darüber, daß sie keinen neuen Frühlingshut hat und ihre Stiefel aus der Mode gekommen sind, daß „dieser“ „jener“ den Hof macht und daß „jene“ hübscher oder glücklicher ist als sie. Ein Jugendlicher ist traurig darüber, daß er nicht genug Taschengeld hat, um es für Vergnügungen auszugeben. Er Paar ist miteinander unglücklich und sieht beim anderen nur die Mängel. Arbeiter, Ärzte, Ingenieure, Richter — alle sind unglücklich über ihr ungenügendes Einkommen, es ist niemals genug. Ein Händler ist verzweifelt über einen Verlust und so weiter und so fort. Jeder weint und klagt, selbst diejenigen, die in Reichtum und Luxus leben. Sie sind über vergängliche Dinge bekümmert. Dies ist eine dämonische Traurigkeit… Ein Mensch leidet, seufzt, versucht, sein Leben ohne Kummer zu leben und vergißt darüber Gott und die Rettung seiner Seele.
Man geht zum Arzt, und dieser verschreibt Beruhigungsmittel und Medikamente zur Stimmungsaufhellung. Es ist klar — das ist nicht die Heilung einer seelischen Erkrankung, sondern Betäubung des Bewußtseins. Aber wir müssen bedenken, daß wir hier eine neurotische Depression im Sinn haben. In diesen Fällen, wenn der depressive Zustand mehr als zwei oder drei Wochen anhält, tägliche (morgens — schlechter, abends — besser) oder jahreszeitliche (Frühling und Herbst) Fluktuationen hat, bedarf der Kranke ärztlicher Hilfe.
Es bestehen höchst unmittelbare Zusammenhänge zwischen neurotisch-depressiven Störungen und dem moralisch-sittlichen Zustand des Menschen. […] Die geistlichen Wurzeln der Neurose führen hinunter zu Egoismus, Stolz, Leidenschaften… Der Christ gewinnt große Freude daraus, gute Werke zu vollbringen, für andere zu sorgen und auf persönliche Vorteile zu verzichten.
Die Sünde des Selbstmords
Zum Abschluß des Kapitels über Depressionen ist es passend, über den Selbstmord zu sprechen, denn genau die Verzweiflung ist der Vorläufer dieser schrecklichen Handlung.
Selbstmord ist das freiwillige Beenden des eigenen Lebens. Die traurige Statistik über Selbstmorde in Rußland war lange Zeit geheim. Anfang 1989 wurden — zum ersten Mal seit 60 Jahren — die überwältigenden Zahlen veröffentlicht. Hinter jedem einzelnen Fall steht hoffnungslose Verzweiflung, der Verlust des Lebenssinns. Jährlich legen mehr als 60.000 Russen Hand an sich — das ist eine ganze Stadt von Selbstmördern. Und dies ist besonders tragisch, denn die Selbstmordrate ist unter jungen Menschen zwischen 20 und 24 um das 2,9fache gestiegen. In anderen Altersgruppen wuchs diese Zahl um das 1,6 bis l,8fache an.
Eine weitere beredte Tatsache: Die Selbstmordrate in Rußland lag 1915 bei 3,4 Personen auf 100.000,1985 betrug sie 24,5, 1991 lag sie bei 31 und 1993 schon bei 38,7. Noch höhere Werte wurden für 1998 notiert.
Zwanzig Prozent aller Selbstmorde werden von Kindern und Jugendlichen bis zum Alter von 19 durchgeführt. Allein im Jahr 1996: 5–14jährige — 2756 Selbstmorde; 14–19jährige — 2358, und das sind nur die aufgezeichneten Selbstmorde. 92% der Kinder, die Selbstmord begingen, lebten in unglücklichen Familien.
Was sind die Gründe für den Selbstmord? Der ärztliche Standpunkt ist folgender: Eine überwältigende Zahl von Selbstmordopfern ist psychisch gesund. Selbstmord ist eine persönliche Krise. Soziale Faktoren haben keinen entscheidenden Anteil; es handelt sich um ein spirituelles Problem.
Erzbischof Ioann Šachovskoj schreibt: „Arme leidende Selbstmörder! Ihr habt nicht die Buße angenommen, die kurzfristigen irdischen läuternden Leiden, die demjenigen, der sie akzeptiert, süß sind — süßer als jene imaginären Genüsse, und derentwillen ihr im Kummer gestorben seid. Ja, es war in eurer Macht, das zu tun, was euch die böse Macht einflüsterte, die keinerlei Macht über euch in diesem Augenblick hatte, doch es war auch in eurer Macht, dies nicht zu tun. Es war in eurer Macht, zu erkennen, daß Gott existiert, daß Er nicht nur der höchste Ausdruck von Wahrheit und Gerechtigkeit ist — all unser Verständnis übersteigend -, sondern sogar noch größer als diese menschlichen Ideen. Es war in eurer Macht, zu verstehen, daß es nicht sein kann, daß Gott ein Kreuz gibt und nicht auch die Kraft, es zu tragen — daß es in eurer Macht war, sich Gott zuzuwenden und (nicht heuchlerisch) Seinen Namen anzurufen.“
Die Selbstmörder wissen vor ihrem Selbstmord nicht, daß ein verderbenbringender, unaussprechlich bösartiger Geist hinter ihrem Rücken steht und sie dazu drängt, den Körper zu töten, das kostbare „irdene Gefäß“ zu zerbrechen, das die Seele schützt, bis Gott die Zeit bestimmt. Und dieser Geist schlägt vor und drangt und fordert und überredet und droht mit allen Arten von Ängsten: einzig, damit der Mensch abdrückt oder über das Fensterbrett springt, vor dem Leben fortläuft, vor seiner unerträglichen Bedrückung… Der Mensch ahnt nicht einmal, daß der „unerträgliche Druck“ nicht aus dem Leben herrührt, sondern aus seinem bedrückten Geist, der alles im „schwarzen Licht“ sieht. Der Mensch denkt, er würde selbst nachdenken, und gelangt zur suizidalen Entscheidung. Doch in Wirklichkeit ist es nicht er, sondern es spricht jener durch seine Gedanken, den der Herr „Mörder von Anfang an“ nannte.
Nur unwissentlich stimmt der Mensch zu; ohne es zu erkennen, nimmt er die Sünde des Teufels auf sich und verbindet sich mit der Sünde und dem Teufel… Ein einziges reuevolles Wort des Gebets, nur ein einziges Zeichen des rettenden Kreuzes und ein Blick darauf mit Glauben — und das Netz des Bösen ist zerrissen, der Mensch wird gerettet durch die Macht Gottes… nur ein kleiner Funken lebendigen Glaubens und Hingabe an Gott — und der Mensch ist gerettet!
Einfluß der Stimmung auf die körperliche Gesundheit
Neurose ist nicht die einzige Folge eines inneren Konflikts, es können auch verschiedene körperliche Krankheiten entstehen. Nervöse „Lava“ schlägt wie eine Peitsche auf die Gefäße und Bronchien, durchdringt den Magen, quetscht das Herz mit einer stählernen Faust. Die Wissenschaftler beschreiben eine besondere Gruppe von Störungen, die nun psychosomatisch genannt werden, denn nervöse Faktoren sind eine der Hauptursachen für ihr Entstehen.
Traditionell werden folgende Krankheiten dieser Gruppe zugezählt: Magengeschwüre und Zwölffingerdarmgeschwüre, Hypertonie, Ischämie [örtl. Blutleere] und Bronchialasthma. Später ist folgendes, nicht unbegründet, hinzugekommen: geschwürbildende Kolitis [Dickdarmentzündung], Gebärmuttermyome, rheumatoide Arthritis und eine Reihe anderer Krankheiten. Die moderne Medizin meint, daß ungefähr 80% aller Krankheiten auf die eine oder andere Weise mit psychischen Störungen verbunden sind.
Der hl. Amvrosij von Optina schreibt in einem der Briefe an Laien, daß „Krankheiten sehr häufig als Folge eines unruhig-besorgten Zustandes der Seele entstehen.“ Und der hl. Ephrem der Syrer sagt: „Der zornige Mensch mordet und zerstört seine Seele, denn sein ganzes Leben verbringt er in Verwirrung und ist dem Frieden fern. Der Friede ist ihm fremd, auch ist er weit von der Gesundheit entfernt, denn sein Körper schmerzt, seine Seele ist bekümmert, sein Körper welkt, sein Gesicht ist bleich, sein Denken betrübt, seine Vernunft ist erschöpft, und dunkle Gedanken strömen wie ein Fluß.“
Verwirrung und Nervosität haben oft — wie wir zuvor erwähnten — sündige Wurzeln. Die Sünde, welche sich in den Tiefen des Geistes ausbreitet, überwältigt sowohl die Seele als auch den Körper des Menschen. Der Ursprung der psychosomatischen Pathologie als Prozeß der Veräußerlichung oder „Materialisierung“ der Sünde kann umrissen werden: Sünde — Charakter — Krankheit. Offensichtlich sollte aber dieses Schema vorsichtig und nicht auf alle Fälle angewandt werden.
Denn manchmal kann der Herr eine Krankheit zulassen, umden Glauben des Menschen zu prüfen oder für seine geistliche Vervollkommnung. Man muß sich an die großen Leiden von Hiob, dem Vielleidenden, erinnern, an die Krankheiten des hl. Seraphim von Sarov, des hl. Amvrosij von Optina und jene vieler anderer Gottgefälliger.
Sündige „Zusammenbrüche“
Innerer Druck, Verwirrung, Sorgen zusammen mit anderen Sünden können zum Trinken oder zum Gebrauch von Rauschmitteln verleiten. Beispielsweise haben Psychologen eine Reihe von Charaktermerkmalen von „Alkoholikern“ festgestellt. Gemäß der Daten, die V. T. Kondrašenko vorlegte, sind einige leicht verletzt, wenig vorbereitet für das praktische Leben und haben einen schwachen Willen; andere — sind übertrieben selbstgewiß, eitel, haben Schwierigkeiten mit den Unglücksfällen des Lebens, dürsten hartnäckig nach Aufmerksamkeit. Wenn zu diesen Charakterzügen noch Psychotraumata kommen, wächst die Wahrscheinlichkeit eines nervösen Zusammenbruchs beträchtlich.
Doch lassen Sie uns daran erinnern, daß der Hauptgrund für den Mißbrauch von Alkohol und Rauschmitteln bewußte Sünde ist, und der Herr sie auf dem Weg der Reue behandelt. Ärzte und Psychologen, Arzneien und psychologische Korrekturprogramme (moralisch anwendbar) sind einfach nur Hilfsmaßnahmen, mehr nicht.
Die charakteristischen Merkmale von Kindheitsneurosen
Das Ausmaß von neuro-psychischen Borderline-Zuständen unter Kindern und Jugendlichen hat ein zuvor unbekanntes Ausmaß erreicht — ungefähr 80% der Kinder in Rußland benötigen medizinisch-psychologische Hilfe. Unter den Jugendlichen, die als untauglich für den Militärdienst eingeschätzt werden, sind 47% psychisch krank. Wachsende Nervosität, Aufregung, emotionale Instabilität, die Tendenz zu Konflikten, Schlafstörungen sind typische Symptome, die manbei 8 von 10 Kindern antrifft.
Die meisten Verfasser unterstreichen die negative Rolle schlechter Erziehung beim Entstehen neurotischer Reaktionen unter Kindern. Prof. A. I. Sacharov, der bekannte Spezialist für Kindheitsneurosen, betont die folgenden Aspekte:
1. Forderung von Seiten der Eltern, die die Fähigkeiten und Bedürfnisse der Kinder übersteigen.
2. Die Eltern akzeptieren das Kind nicht, was durch eine gereiztungeduldige Haltung, häufigen Tadeln und körperliche Bestrafung, Mangel an notwendiger Zärtlichkeit und Fürsorge zum Ausdruck kommt.
3. Unkoordinierte Herangehensweise an die Erziehung, die dadurch zum Ausdruck kommt, daß ein Elternteil strenge Einschränkungen und Verbote ausspricht, während der andere Elternteil nachgiebig ist und viel erlaubt.
4. Inkonsequente Erziehung, unausgewogen und mit Widersprüchen.
5. Unbeständigkeit der Haltungen gegenüber den Kindern; erhobene Stimme, allgemeine emotionale Instabilität.
6. Überbesorgtheit — ständige Beunruhigung über das Kind, das Vorhandensein übermäßiger Befürchtungen und Schutzmaßnahmen.
Kindheitsneurosen kommen in verschiedenen Formen zum Ausdruck: Emotionale Instabilität und Überempfindlichkeit, Quengeln, leicht wechselnde Stimmungen, Launenhaftigkeit, Einschlafstörungen, Alpträume, nächtliche Ängste, Daumennuckeln, Nagelhaut zerbeißen, Stottern, Bettnässen, nervöse Ticks usw. Einige Symptome tauchen eher in der einen, andere in einer anderen Altersgruppe auf.
Lassen Sie uns ein Beispiel anführen. Eine Großmutter sucht den Arzt wegen ihrer 9 Jahre alten Enkeltochter auf. Deren Eltern stritten sich oft, hatten heftige Auseinandersetzungen und trennten sich schließlich; der Vater verließ die Familie. Aus diesem Grund entwickelte sich beim Kind Bronchialasthma, aber es wurde keine Allergie oder Veränderung im Bronchial- und Lungengewebe festgestellt, und das Mädchen hatte auch keine häufigen Erkältungen. Es stellte sich heraus, daß das Mädchen eine neurogenetische Form von Asthma hatte. Der neurotische Konflikt war der Grund für die asthmatischen Attacken. Diese Krankheit ist der Schrei der Seele des Kindes.
Ein weiteres Kennzeichen von Kindheitsneurosen ist eine Veränderung im Verhalten. Einige Kinder laufen von zu Hause fort, schwänzen die Schule, andere beginnen zu rauchen, trinken Alkohol. Die meisten dieser Kinder wachsen auf der Straße auf und werden durch ihre Regeln erzogen. Wer hat schuld? Die Eltern. Die Kinder müssen geliebt und erzogen werden, man muß für sie beten. Die Verbesserung des seelischen Zustandes beim Kind hängt zum großen Teil von den Eltern, ihrer Spiritualität, ihrer Beziehung und von der Atmosphäre, die sie zu Hause schaffen, ab.
Die Kinder müssen vor allem schädlichen Einfluß geschützt werden, denn heutzutage ergießt sich ein ganzer Schwall verschiedener Arten von Obszönitäten auf ihre zarten Seelen. Die Frömmigkeit der Eltern ist ein wirksames Vorbild, das die Kinder nachahmen können. Ihr Gegenteil ist Trunkenheit, mangelnde geistliche Orientierung, amoralisches Verhalten — wehe, auch dies sind wirksame Vorbilder, aber sie führen zum Tode. […]
Lassen Sie uns nun jene psychopathologischen Zustände betrachten, die im Kleinkindalter und in der frühen Kindheit auftreten können und die der ärztlichen Aufmerksamkeit bedürfen.
Neuropathie — charakterisiert durch gesteigerte Reizbarkeit, Launenhaftigkeit des Kindes, instabile Stimmungen, die durch Ängstlichkeit zum Ausdruck kommen. Ein solches Kind schläft schlecht, hat wenig Appetit, verliert leicht Gewicht, seine Aufmerksamkeit wird leicht abgelenkt. Ständig leicht erhöhte Temperatur kann ein Symptom sein, Durchfall, neurogenetisch bedingtes Erbrechen.
Das Syndrom des frühkindlichen Autismus(Zurückgezogenheit) — charakterisiert durch den Mangel an Bedürfnis, mit Gleichaltrigen oder Erwachsenen in Kontakt zu treten. Das Kind ist emotional kalt, anderen gegenüber gleichgültig, spricht wenig, manchmal lehnt es jegliche Gemeinschaft ab, neigt dazu, sich stereotyp zu bewegen. Bei Neugeborenen mit dieser Pathologie gibt es als Reaktion auf emotionale Zuwendung kein „Verhaltensbild der Belebung“.
Das hyperkinetische Syndrom — charakterisiert durch unkontrollierte motorische Abläufe und extreme (ungesunde) Aktivität. Das Kind ist unausgeglichen, hysterisch, handelt ohne Berücksichtigung der Umstände, unfähig, akzeptierten Rollen des Verhaltens zu folgen. Es fällt diesen Kindern ungewöhnlich schwer, sich an die Schule anzupassen, sie finden keine Ruhe, sind geistesabwesend, versetzen ständig alle in Anspannung und provozieren andere Kinder zu falschem Verhalten. Wenn sie spüren, daß sie abgelehnt werden, scheint es, als verhielten sie sich den anderen gegenüber mit Absicht so — und ein Teufelskreis beginnt.
Das hyperkinetische Syndrom hat zwei Entwicklungstendenzen. In dem einen Fall schwächt es sich ab und verschwindet im Alter von 12 bis 14 mit Gottes Hilfe durch die kompetenten Maßnahmen der Eltern, Psychologen, Lehrer und Ärzte. Im anderen Fall verwandelt es sich in Psychopathie, und die Person wird noch weniger gemeinschaftsfähig, wird noch isolierter. Die zweite Tendenz ist extrem unerfreulich.
Unter den neurotischen Störungen, die in der Kindheit oder Jugend beginnen, sind Ticks — unwillkürliche, schnelle, nicht-rhythmische Bewegungen einer begrenzten Gruppe von Muskeln (Blinzeln, Zucken); nicht-organisch bedingtes, dem Alter nicht entsprechendes unwillkürliches Urinieren am Tag oder in der Nacht; Stottern.
Schulneurose kann sich während der ersten Schuljahre entwickeln. Die Gründe dafür bestehen in der mangelnden seelischen Bereitschaft des Kindes für die Schule, Ablehnung durch die Gleichaltrigen, Demütigungen, Angriffe, übermäßige Strenge und mangelnde Erfahrung des Lehrers. Das aufgrund einer Neurose stotternde Kind sieht deprimiert aus, sträubt sich, zur Schule zu gehen, und ahmt (häufig unwissentlich) verschiedene Krankheiten nach. Die Eltern sollten aufmerksam sein und in der Lage, seine seelischen Schwierigkeiten zu überwinden, und ihm helfen. Eine ärztliche Konsultation oder der Rat eines erfahrenen Psychologen kann nützlich sein.
Aber es ist wichtig, sich daran zu erinnern, daß die Kinderpsychologie nicht in die Bereiche des Glaubens an Gott und die orthodoxe Spiritualität, christliche Tugend und Kirchenbesuch vordringt, daß sie Sünden und Leidenschaften nicht erwähnt. Das heißt, die Wissenschaft der Seele wird entwickelt, während sie zugleich die Existenz der menschlichen Seele verleugnet und den Schöpfer ignoriert. Während solche Säkularisierung z. B. in der Geometrie oder bei der Automobilkonstruktion möglich ist, ist sie gänzlich unerlaubt in einer Wissenschaft, welche die Gesetzmäßigkeiten des seelischen Lebens des Menschen erforscht.
Die Psychologie sieht — während sie viele Bruchstücke und Einzelheiten korrekt beschreibt — leider nicht das ganze Bild. Kinder im Geist der wahren Tugend anzuleiten, nicht einer fiktiven geistigen und seelischen Gesundheit, ist ohne den Glauben an den Herrn Jesus Christus und ohne die Hilfe Gottes unmöglich. Nur durch Gottes Hilfe wird die Seele des Menschen gereinigt, erleuchtet und mit Einsicht erfüllt. Ohne die Gnade ist sie nicht nur unfähig zur Vervollkommnung, sondern vermag auch nicht die ganze Tragödie ihres katastrophalen Zustandes zu erkennen.
Durch Gottes Gnade erscheinen nun Bücher und Artikel von religiösen Psychologen, darunter auch Priester, die eine psychologische Ausbildung erhielten, bevor sie ordiniert wurden. Auf diese Weise füllt sich das spirituelle Vakuum der Psychologie, das aus gut bekannten Gründen die letzten acht Jahrzehnte beherrscht hat.
Die Heilung von Neurosen — Vorschläge und Warnungen
In diesem Kapitel werden wir versuchen, mehr in die Tiefe zu gehen in bezug auf die Heilung neurotischer Störungen, die spirituelle Herangehensweise an dieses Problem zu diskutieren, über Psychotherapie sprechen, den Leser mit verschiedenen Methoden der psychologischen Selbsthilfe vertraut machen und Ratschläge für die Gesundheit anbieten.
Geistliche Klinik
Der einzig wahre Weg zur Heilung von Neurosen liegt im orthodoxen Glauben, in der Reue und der Verbesserung des eigenen Lebens, um nach den Geboten Gottes zu leben. Das Wichtigste für den Menschen ist, die sündigen Quellen seiner Krankheit zu verstehen, seine Schwäche gründlich zu erkennen, die Sünden des Stolzes, des Eigendünkels, des Zorns, der Verzagtheit, der Lüge, der Unzucht, der Eß- und Besitzgier zu hassen. Er muß den Willen haben, sich zu ändern und sich mit aufrichtiger Reue dem Herrn zuwenden.
Es ist absolut notwendig für den Kranken, die Gottesdienste zu besuchen und an den Mysterien der Kirche teilzuhaben — Buße (Beichte) und Kommunion. Folgende Worte gehören zu dem Gebet, das der Priester vor der Beichte liest: „Du bist ins geistliche Krankenhaus gekommen, auf daß du nicht ungeheilt fortgehst (durch Verheimlichen gewisser Sünden).“ Man sollte an den Mysterien häufig und mit zerknirschtem Herzen, tiefem Glauben und Hoffnung auf Gottes Barmherzigkeit teilnehmen.
Es ist wesentlich, die Heilige Schrift zu lesen, besonders die Evangelien, und die Gebote Christi zu erfüllen, die darin enthalten sind. „Es gibt keine einzige unter den Krankheiten, welche die menschliche Natur — die seelische wie die körperliche — belasten, die nicht aus der Heiligen Schrift ärztliche Behandlung erhielte.“ (Hl. Johannes Chrysostomos)
Die Schriften der Heiligen Väter und die Heiligenleben, in denen Vorbilder zur Nachahmung angeboten werden, in denen die wahre Bestimmung des Menschen, die Größe der moralischen Schönheit und die Geduld und Standhaftigkeit in Bedrängnissen, offenbart wird, bieten unschätzbare Hilfe.
Ein geistliches Leben ohne Fasten und Gebet ist unmöglich. Diese Art wird nur durch Fasten und Gebet ausgetrieben (Mt 17,21). Mit dem Segen des geistlichen Vaters ist es gut, einzelne Psalmen und Gebete auswendig zu lernen. Die Rolle des Gebets zum Erlangen und Bewahren des inneren Friedens ist sehr groß. Starez Sampson (Sievers) versichert, daß der Frieden der Seele bei einem beständig Betenden vor äußeren Beeinträchtigungen geschützt ist.
Die Seele wird durch Pilgerfahrten zu heiligen Stätten, orthodoxen Klöstern gestärkt. Von großem Nutzen ist die Kommemoration in der Göttlichen Liturgie und die Durchführung von Bittgottesdiensten (Moleben); außerdem, das zu Epiphanie geweihte Heilige Wasser mit Prosphoren oder Stückchen des Artos [das am Ende des Ostergottesdienstes mit besonderen Gebeten geweihte Brot, das in der Lichten Woche in der Kirche verbleibt und am Lichten Sonnabend ausgeteilt wird] zu sich zu nehmen; die Wohnung, den Kranken und seinen persönlichen Besitz mit Weihwasser zu besprenkeln.
Es ist unbedingt notwendig, den Prozeß, der in der Seele stattfindet, zu verfolgen. Man muß auf die eigenen Gedanken achten, denn jeder schlechten Handlung geht ein schlechter Gedanke voraus. Man muß definitiv alles Negative, Sündige, Lasterhafte austilgen und darf sich nicht auf sündige Gespräche einlassen. Die Orthodoxe Kirche lehrt, wie man mit der Sünde von Anfang an — auf der Ebene des Gedankens -kämpft.
„Der Prozeß der Wandlung der Sünde vom Gedanken zur Tat wurde von den Heiligen Väter genau bestimmt. Der gesamte Ablauf stellt sich wie folgt dar: Zuerst geschieht die Einführung(d. h. ein sündiger Gedanke taucht aus dem Nichts auf), später die Aufmerksamkeit(„Gespräch“ mit dem sündigen Gedanken — dies ist schon der Beginn der Zustimmung zur Sünde), daraufhin (sündige) Ergötzung[am Gedanken bzw. an der vorgestellten Verwirklichung der sündigen Handlung], danach das Begehren(die Sünde durchzuführen), dann Entschlossenheit, und schließlich die Tat(vgl. Philotheos vom Sinai, Philokalia, Bd. 3, Kap. 34f). Je länger der Mensch der Versuchung gestattet, sich in der Seele festzusetzen, desto näher ist er dem Sturz.
Einführung[auch als Vorschlagbezeichnet] ist die einfache Präsentation eines Objekts im Bewußtsein, entweder aus Sinneswahrnehmungen und Gefühlen oder aus dem Gedächtnis und der Vorstellung. Darin besteht keine Sünde, denn das Entstehen dieser Bilder liegt nicht in unserer Macht. Manchmal jedoch kann hier die Schuld darin liegen, wenn das verführerische Bild mit dem Geist betrachtet wird und der Mensch in das eintritt, was man als ein Gespräch damit bezeichnen kann.
Manchmal erweckt das Objekt allein durch seine Neuheit Aufmerksamkeit, Erstaunen, danach aber, wenn seine Unreinheit erkannt wird, muß es gebannt werden, sonst entsteht daraus Aufmerksamkeit. Wer einen sündigen Gedanken verbannt, beendet damit den inneren Krieg. Ergötzung[oder Gefallen] an sündigen Objekten ist schon eine Sünde. Es ist nur noch ein kleiner Schritt bis zum Begehren [Wünschen oder Verlangen]. Entschlossenheit entsteht aus dem Begehren. Der Mensch, welcher begehrt, hat schon seine Zustimmung zur Tat gegeben, doch noch nichts erdacht oder in die Wege geleitet, um sein Ziel zu erreichen; der Entschlossene hat alles erwogen und eine Entscheidung gefällt; es bleibt nur noch — die Tat.
Daher muß man alle möglichen „Gedankenspiele“, Phantasien und fruchtlose Vorstellungen, besonders sinnlicher Natur, vermeiden.
Man muß lernen, andere nicht zu richten. Wenn jemand verleumdet oder verurteilt wird, während man zugegen ist, sollte man das Gespräch auf ein anderes Thema lenken oder — wenn das nicht möglich ist — fortgehen.
Man muß sich immer selbst die Schuld für alles, was im Leben geschieht, zuschreiben; dann wird die Seele Gleichmut, geistlichen Frieden und Stille erlangen. „Wenn jeder sich selbst die Schuld gäbe, würde Frieden daraus erwachsen“, schreibt Erzbischof Arsenij (Žadonovskij) und weiter: „Der Selbsttadel führt uns dazu, Verletzungen ruhig zu erdulden und sie nicht zu fühlen.“
Es ist nützlich, die Gewohnheit der Geschwätzigkeit und des Streitens über Nichtigkeiten aufzugeben. Man muß entschieden alles Lügnerische, Wichtigtuerische, Theatralische, alle Heuchelei, Übertreibung und Falschheit von sich streifen — alles Sündige, sogar in den geringen Dingen.
Kann der Blinde den Blinden leiten?
Normalerweise werden Neurosen durch Psychotherapie behandelt. Die Orthodoxe Kirche hat sich stets sehr entschieden gegen alle okkulten und magischen Verfahrensweisen ausgesprochen. Das „Buch der Regeln“, das auf den Entscheidungen der Sieben Ökumenischen Konzile und den Anweisungen der Heiligen Väter beruht und die Sammlung der kirchlichen Gesetze darstellt, stellt klar und deutlich fest, daß diese Aktivitäten zerstörerisch und satanisch sind. Daher wird natürlich kein geistlicher Vater vorschlagen, zu einem Medizinmann, einem Wahrsager oder Medium zu gehen. Doch er kann den Segen geben, sich an einen professionellen Psychotherapeuten zu wenden, um Hilfe zu erhalten. Allerdings entsteht häufig auch in diesem Fall für den Menschen eine ernste Gefahr.
Psychotherapie ist eine Spezialisierung der Medizin, die nicht so sehr mit Heilung im üblichen Wortsinn zu tun als mit dem Einwirken auf die Persönlichkeit des Kranken, auf seine Seele. Sie setzt sich gute Ziele, versucht den leidenden Menschen zu trösten, hilft ihm zum seelischen Gleichgewicht. Doch in der Praxis entsteht die folgende komplexe Situation: Dieser Bereich der Medizin ist geistig machtlos, wenn er versucht, die Seele des Menschen zu heilen und in engem Kontakt mit ihr ist, denn er hat keine moralischen Bezugspunkte. Man kann nicht die seelische Bürde eines anderen Menschen erleichtern, wenn man keine eigenen geistlichen Werte hat. Kann ein Blinder einen Blinden führen? Werden nicht beide in eine Grube fallen? (Lk 6,39)
Ein Arzt kann einen Doktortitel haben, kann Professor oder Akademiker sein, doch auch dies verändert die Situation nicht, wenn er ein materialistisch ausgerichteter Mensch ist oder sich an nicht-christlichen Standpunkten orientiert. Seine Versuche werden der Seele nicht die notwendigen Bezugspunkte geben, überdies kann sie dadurch in die Tiefen der Sünde geführt werden, und das Leiden des kranken Willens wird nur wachsen. Viele Menschen, die zuerst Pseudopsychotherapeu-ten, Psychoanalytiker, Hypnotiseure usw. aufgesucht haben, wandten sich dann hilfesuchend an uns.
Geistliche Unbestimmtheit, die Hilflosigkeit der Psychologie und Psychotherapie, die auf moralischem „Pluralismus“ basiert, gestattete die Einführung einer großen Menge okkulter Psychotechnologien — westliche, östliche und „hausgemachte“, welche sich als moralisch unakzeptabel erweisen.
Eines der Prinzipien der modernen psychologischen Praxis lautet: „Der Zweck heiligt die Mittel.“ Oft geben Ärzte „Ratschläge“, die der Seele offenkundigen Schaden bringen. Nicht nur einmal kam es vor, daß in bestimmten Situationen Ärzte den Patienten außereheliche Verbindungen empfahlen — angeblich mit dem Ziel, familiäre Konflikte zu normalisieren — was schlicht und einfach bedeutet, Unzucht zu empfehlen. Es wird dem Menschen geraten, zu lügen oder andere Menschen zu manipulieren, wenn ihm dies Vorteile verschafft (viele ähnliche Empfehlungen sind in den Büchern von Dale Carnegie zu finden).
Die Tragödie der modernen Wissenschaft von der Seele besteht darin, daß sie menschlichen Leidenschaften nachgibt, indem sie auf jede mögliche Weise versucht, das Selbstwertgefühl zu erhöhen oder Nachdruck auf Meditation zu legen — psychische Selbstregulierung durch veränderte Zustände. […]
Der Arzt wählt nicht die Patienten. Meistens kommen zu uns Menschen, die ungläubig sind oder den wahren Gott nicht kennen -Menschen anderer Glaubensrichtungen, Neuheiden. Doch es gibt auch viele, die die Wahrheit suchen. Genau deshalb ist der Psychotherapeut sowohl als Arzt wie auch als Mensch verantwortlich. Seine Aufgabe ist, dem Patienten zu helfen, der durch Krankheiten und Konflikte, Verwirrung und Verlust eingeschränkt ist.
Für den Arzt, der sich der Psychotherapie widmet, ist es wichtig, wahre geistliche Werte zu besitzen, die seine Arbeit mit den Patienten bestimmen. Ohne eine eigene und — wir ergänzen — orthodoxe geistliche Basis wird er nicht fähig sein, die durch die Situation bedingten (psychosozialen) und biologischen Gründe für die Krankheiten von den existentiellen, weltanschaulichen zu unterscheiden. Wenn der Patient jemand ist, dessen Seele den Herrn zu finden wünscht, muß derorthodoxe Psychotherapeut ihm dabei helfen.
Der Arzt kann natürlich kein Ersatz für einen Priester sein, er geht ihm nur voran, manchmal dient er als „Barriere“, die den Patienten davor bewahrt, in größere Versuchungen und Sünden zu fallen — Trunksucht, Unzucht, Selbstmord.
Leider sind heutzutage die christlichen Psychiater und Psychotherapeuten in der Minderheit. Dies ist unseres Erachtens einer der Gründe für die geringe Effektivität der Hilfe bei Neurosen. Die Psychotherapie verfügt über Tausende von Techniken zur Korrektur psychischer Störungen. Allein die Menge zeigt, daß die Psychotherapeuten nicht wissen, wie ein Mensch zu heilen ist. Wahre Genesung von psychischen Störungen beginnt mit einer reuevollen Haltung Gott gegenüber. Aber in diesem Bereich sind die meisten Psychotherapeuten völlig ahnungslos.
Zusammenfassend können wir sagen, daß die einzige psychotherapeutische Hilfe, die wirklich hilfreich und gesund ist, jene ist, die zu Christus führt und von einem orthodoxen Arzt oder Psychologen durchgeführt wird, der auf christliche Weise lebt. In diesem Fall wird das Wort des Spezialisten unterstützt von der gesegneten Kraft Gottes, den Kranken trösten und ihm den Weg zu Ihm zeigen, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist!
Psychologische Selbsthilfe
Für den Kranken ist auf dem Weg zur psychologischen Selbsthilfe die korrekte Erforschung seiner eigenen Sünden und Fehler von größter Bedeutung. Wir versuchen oft uns zu rechtfertigen und die Ursachen bei anderen oder in den äußeren Umständen festzumachen. Die Weisheit der Heiligen Väter lehrt uns, uns niemals zu rechtfertigen, denn die Menschen sind von Natur aus von Eigenliebe geprägt und werden immer ein Alibi zu ihren Gunsten finden (beispielsweise: „Vielleicht bin ich tatsächlich zornig geworden, aber ich bin auch nur ein Mensch, während der das und das hätte tun sollen…“ usw., und allmählich wird man mehr und mehr von der Schuld des anderen und der eigenen Rechtfertigung überzeugt).
Statt der Selbstrechtfertigung ist es besser, sich selbst schuldig zu sprechen und zu versuchen, die Gründe für den Fall zu bestimmen, die sich üblicherweise in Eigenliebe, Eigendünkel und besonders Stolz verbergen. „Wenn sich ein Sturz ereignet, hat sich zuerst der Stolz eingenistet; denn Stolz ist der Vorläufer des Sturzes.» (Hl. Nikodemos vom Heiligen Berg)
Eine der aktiven psychologischen Methoden ist die Rationalisierung. Zuerst muß man sich beruhigen, beten; dann nehme man ein sauberes Blatt Papier, einen Stift und analysiere aufmerksam und nüchtern die entstandene Konfliktsituation, schreibe die Hauptgründe für die Auseinandersetzung und mögliche Wege für die Lösung des Konflikts auf, wäge die „Pros» und „Kontras» ab, schaue auf die Bedürfnisse und Ängste aller Beteiligten der entstandenen Mißverständnisse und finde verläßliche Beweise zugunsten von Zurückhaltung, Selbstbeherrschung und Demut.
Im Zusammenhang damit kann man mehrere zuvor unbemerkte Situationen beobachten, wesentliche psychologische Nuancen. Das Ergebnis der Rationalisierung muß eine bestimmte Entscheidung sein, denn je länger eine unbestimmte, doppelte Beziehung dem Konflikt gegenüber besteht, desto schwerer ist er zu lösen und desto schwieriger ist es daher auch, das seelische Gleichgewicht wiederzuerlangen. Der Feind unserer Rettung versucht immer, unseren geistlichen Frieden fortzunehmen, uns in Verwirrung, in Kleinmut zu stürzen. Wir werden uns nicht auf seine Suggestionen einlassen.
Vorsorge treffen. Ungeachtet der Unterschiedlichkeit der Lebens-umstände, wiederholen sich viele häufig, und man kann in ihnen ein bestimmtes „Klischee“ entdecken. Durch Erfahrung wird deutlich, daß wir „stolpern“ können, den geistlichen Frieden verlieren oder einer Versuchung unter denselben Umständen wieder und wieder erliegen. Daher müssen wir uns im voraus auf Schwierigkeiten vorbereiten… Wir können natürlich nicht alle voraussehen, doch wir können uns auf viele vorbereiten und versuchen sie abzuwehren. Die Vorbereitung muß nicht nur in Gedanken bestehen, sondern auch in Gebet, Gesprächen mit einem geistlichen Führer, seinem Rat und Segen.
Der hl. Theophan schlägt vor: „Am Morgen nach dem Gebet setze dich und stelle dir vor, was du im Verlauf des Tages tun mußt, wo du sein wirst, wer und was dir begegnen wird, was möglich ist, bestimme im voraus was zu denken, was wo zu sagen, wie Geist und Körper zu bewahren sind usw. Das bedeutet, daß der wahre Christ ,sich unter Kontrolle’ haben muß, daß er die Vorgänge in seiner Seele kontrollieren muß und ihnen nicht gestatten darf, in alle Richtungen zu schweifen, wie es ihnen gefällt. Er muß der Herr seines inneren Zustandes sein.“
Ersetzen — ist ein einfaches und wirksames Verfahren. Wer weiß nicht, wie angenehm es ist, Kirchengesang zu hören, geistlich erhebende Literatur zu lesen, einen Waldweg zu gehen, dem Gesang der Vögel zu lauschen, die Blumen im Feld zu bewundern… Der eine mag es, an seinem Sommerhaus zu bauen, der andere, Freunde zu besuchen und einen Abend in einer aufrichtigen und für die Seele nützlichen Gesellschaft zu verbringen usw. Es gibt viele ähnliche Empfehlungen; jeder kann zu dieser Liste im Hinblick auf sich selbst etwas hinzufügen. Die Fähigkeit, sich mit Gewinn für die Seele zu erholen, ist Weisheit, und Wert zu gewinnen.
Medizinische Hilfe
Ein paar Worte in bezug auf die Verwendung von Arzneien für Neurosen (Tranquilizer, Antidepressiva). Im Fall von neurotischen Zuständen, wenn die Symptome der Krankheit in direkter Verbindung mit psychologischen Ursachen und Lebensbedingungen stehen, spielen Medikamente eine unterstützende Rolle. Sie mindern den inneren Druck und dämpfen die Heftigkeit der Leiden. Sie werden normalerweise für eine kurze Zeitspanne verordnet. Die wesentliche Bedingung der Genesung wird die Suche nach der bestmöglichen Lösung des Konflikts sein und auf der geistlichen Ebene — Demut und Buße.
Bei Neurosen und neuroseähnlichen Zustände ist Phytotherapie von großer Hilfe: die Verwendung von medizinischen Heilkräutern. Doch wir müssen festhalten, daß sie nicht die Gründe für die Neurose entfernen und nur die Symptome lindern.
Üblicherweise werden die folgenden Kräuter angewandt: Baldrianwurzeln, Pfefferminz (Blätter), Hopfen (Zapfen), Herzgespann (Gras), Ruhrkraut (Gras), Hagedorn (Blüten), in der Apotheke erhältliche Kamillenblüten, Kümmelsamen. Hier ist eine kleine Liste von Beruhigungsmitteln, die man selbständig anwenden kann. Sie sind (in Rußland) rezeptfrei erhältlich. Baldrianextrakt (oder Tinktur), Percen, Glycin, Herzgespannextrakt (oder Tinktur), Novopassit, Deprim, Valocerdin, Korvalol, Korvaldin, Adonis-Brom, Validol, Valokardin, Selenintropfen. Wie man sie verwendet und dosiert, steht entweder auf der Beilage oder auf der Verpackung.
Wohltuend auf das Nervensystem wirken Rosinen, getrocknete Aprikosen und Honig…
Lassen Sie uns eingehender über das Heilen mit Honigsprechen, dessen Wirksamkeit wohlbekannt ist. Es zeitigt gute Ergebnisse bei Neurasthenie, nervöser Übererregung, nach langwierigen und psychologisch schwierigen Aufgaben.
Der bulgarische Wissenschaftler Stojmir Madenov bietet das folgende Schema für das Heilen mit Honig: 100–120 g Blutenhonig pro Tag 2 ½bis 3 Wochen lang. Man sollte 30 g Honig morgens und nachts zu sich nehmen und nach dem Mittagessen 40 g. Am Abend sollte der Honig in einem Glas kalten Wassers aufgelöst und eine halbe Stunde vor dem Einschlafen getrunken werden. Nach 10 bis 12 Tagen nach Beginn der Behandlung schlafen die Kranken oder Menschen mit der Krankheit vorausgehenden Symptomen in der Regel gut, gewinnen Kraft und ihre Arbeitsfähigkeit wächst.
Der Gewinn, der in der Abhärtung des Organismus besteht, ist ebenfalls erwähnenswert: körperliche Arbeitim Rahmen der eigenen Kraft, Gartenarbeit, leichte Läufe, Spaziergänge, Schwimmen. Ein geschwächter Körper stiftet in der Seele Verwirrung durch Reizbarkeit und unschickliche Gedanken.
Nun wollen wir auf die Schlaflosigkeiteingehen, denn die Klage darüber hört man von den Mehrzahl der Patienten mit neurotischen Störungen. Der Schlaf ist ein sensibles moralisches Barometer. Er ändert sich (wird schlechter oder besser) im Zusammenhang mit unseren geistigen und seelischen Zuständen. Man schläft schlecht nach unerfreulichen Gesprächen, nach Sünden, welche die Seele quälen. Der Herr gewährt guten, tiefen Schlaf.
Wir wiederholen für jene Patienten, deren Herzen für den Glauben offen sind, wohlbekannte Wahrheiten: Es ist absolut notwendig, sowohl morgens als auch abends zu beten (die Erfahrung zeigt, daß, wenn man aus irgendeinem Grund das Gebet vor dem Einschlafen opfert, auch des tiefen Schlafes beraubt wird), das Evangelium zu lesen, vor dem Einschlafen im Zimmer und über dem Bett das Kreuz zu schlagen, Weihwasser zu trinken und das Haus damit zu segnen, wenn es nicht gesegnet ist. Und das Wichtigste: Man gehe zur Beichte und nehme an den heiligen Mysterien Christi teil. Viele Menschen, die beginnen, diesem Plan mit Glauben und Hoffnung auf den Herrn zu folgen, spüren eine große Verbesserung ihres Wohlbefindens und erlangen geistlichen Frieden.
Psychologisch kann man folgendes vorschlagen: An erster Stelle erlauben Sie sich, nicht zu schlafen. Belasten Sie sich nicht übermäßig mit Gedanken an den Schlaf und daß er sofort einsetzen müsse. Oft leidet der Mensch mehr unter der Sorge über die Schlaflosigkeit als unter der Schlaflosigkeit selbst. Der späte Abend ist eine Zeit für stille Tätigkeiten und entspannte Gespräche. Gehen Sie vor dem Schlaf etwas spazieren, verzichten Sie auf eine große Mahlzeit, lüften Sie das Zimmer. Nehmen Sie eine warme Dusche oder ein warmes Fußbad.
Hier ein anderer Vorschlag: Geben Sie zwei Teelöffel Hopfen in ein Glas kochenden Wassers, lassen Sie es 4 Stunden stehen, gießen Sie es ab und trinken Sie das Glas vor der Nacht. Vor dem Schlaf reiben Sie Lavendelöl auf die Schläfen oder tropfen Sie 3 bis 5 Tropfen Lavendelöl auf einen Zuckerwürfel und lutschen Sie ihn vor dem Schlaf. Es ist hilfreich, ein Leinensäckchen mit getrockneten Baldrianwurzeln ans Kopfende zu legen. Man hat beobachtet, daß dunkle Bettwäsche das Nervensystem zu beruhigen hilft.
Es gibt Beruhigungsmitteln in Apotheken, die auch zur Verbesserung des Schlafs dienen. Ein Besuch beim Arzt könnte helfen. Schlaftabletten sollten nur unter ärztlicher Kontrolle genommen werden. Kräuterabsud und beruhigende Extrakte können selbständig angewendet werden.
Erinnern Sie sich daran, daß geistige und körperliche Gesundheit eine Gabe Gottes ist und man sie mit Sorgfalt behandeln muß.
Probleme des Alterns
„Doktor, sagen Sie mir, was ich tun soll. Ich bin 50 Jahre alt. Bis 50 war ich ein ruhiger und ausgeglichener Mensch. Jetzt aber erkenne ich mich wegen des Alterns kaum wieder: Ich bin reizbar, launisch, habe Schlafstörungen und keine Kraft. Mir fällt es schwer, die Gottesdienste durchzustehen. Erst ist mir kalt, dann heiß. Ich schwitze, mein Kopf dreht sich. Ich habe begonnen, weniger zu beten, ich schaffe den Haushalt nicht. Was soll ich tun? Hochachtungsvoll, E. K.“
„Verehrte E. K.! Wie Sie korrekt diagnostisiert haben, sind die bekannten Probleme der Wechseljahre (Menopause) die Wurzel ihres Problems. Viele Veränderungen geschehen in Ihrem Organismus im Zusammenhang mit der hormoneilen Umstellung. Die Symptome, über die Sie klagen, sind leider typisch.
An erster Stelle möchte ich Sie beruhigen. Diese Zeit wird vergehen, und Ihre Gefühle werden sich normalisieren. Alles, was Sie brauchen, ist Zeit und Geduld. Sie sind weder die erste noch die letzte. Verlangen Sie nicht das frühere Maß an Aktivität von sich. Der seelische Konflikt entsteht genau daraus, daß die Frau automatisch versucht, auf ihrem gewohnten Niveau zu bleiben, so aktiv wie zuvor, und mit allem zurechtzukommen. Aber dies ist in jener Zeit entweder sehr schwierig oder einfach unmöglich.
Daher beruhigen Sie sich, versöhnen Sie sich mit der Tatsache, daß Sie einfach ein bißchen krank sind. Sprechen Sie mit Ihren Familienangehörigen. Wenn Sie Kinder haben, die schon älter sind, dann ist es jetzt die rechte Zeit, daß sie die Ärmel aufkrempeln und im Haushalt helfen.
In der Kirche sollte man sich einen Platz suchen, an dem nicht so viele Menschen stehen, wo mehr Luft ist. Alles kann organisiert werden; es ist nicht wert, in Panik zu geraten oder entmutigt zu sein.
Lindernde Kräutertinkturen werden von großer Hilfe sein. Es ist gut, Honig zu sich zu nehmen. Essen Sie Aprikosen, Rosinen, nehmen Sie Multivitamine. Spaziergänge im Freien sind sehr gesund.
Ich möchte auch hinzufügen, daß es nun Mixturen verschiedener Zusammensetzungen und Wirkungsweisen gibt, die die unangenehmen Erscheinungen der Menopause beseitigen.
Auf der geistlichen Ebene ist folgendes interessant: In dieser Zeit können die schon früher vorhandenen negativen Seiten (lies: Sünden) im Charakter der Frau deutlicher hervortreten. Nehmen wir an, eine Frau empfand zuvor eine Tendenz zur Verzagtheit oder Reizbarkeit, so sind jetzt diese Merkmale deutlicher spürbar, und sie kann sich nicht länger kontrollieren. Beziehen Sie dies mit ein. Möge der Herr Ihnen Gesundheit und geistlichen Frieden geben.“
Gefährliche „Infektion“ (moderne Versuchungen)
Eine 50jährige Frau besuchte den Arzt mit ihrer 23jährigen Tochter V. Die Umstände, die zu diesem Besuch geführt hatten, sind folgende: Das Mädchen — bis vor kurzem eine Studentin an einer der Hochschule der Hauptstadt — hatte sich in die Kreativität (wenn man das so nennen kann) einer berühmten westlichen Rockband vernarrt. Sie legte sich eine ganze Sammlung von Audio- und Videoaufnahmen, Ausschnitten aus Zeitungen und Zeitschriften, Photographien dieser Musiker an. Dies hielt ein bis anderthalb Jahre an.
Rockmusik hat einen starken Einfluß, sowohl auf die psychische als auch auf die physische Konstitution des Menschen. Der bekannte Erforscher des Rock 'n' Roll Jean-Paul Regembal schreibt: „Die Kraft des Rock liegt in den stoßartigen rhythmischen Pulsationen, die eine bio-mentale Reaktion des Organismus hervorrufen und in der Lage sind, die Funktionen verschiedener Körperorgane zu beeinflussen (insbesondere kann der Beat den Herzschlag steigern und die Menge des Adrenalins erhöhen, wie auch sexuelle Erregung hervorrufen).
Wenn beispielsweise der kurze Rhythmus anderthalb Schläge pro Sekunde beträgt und von einem starken Druck sehr tiefer Frequenzen (15–30 Hertz) begleitet wird, kann dies beim Menschen starke Erregung auslösen. Wenn der Rhythmus 2 Schläge pro Sekunde beträgt — bei denselben Frequenzen —, fällt der Zuhörer in eine tanzende „Trance“, die der narkotischen ähnelt. Moderne Rockgruppen benutzen das Spektrum von 80.000 bis 20 Hertz oder sogar noch niedrigere Frequenzen. Die Schallintensität erreicht 120 Dezibel, obwohl das menschliche Gehör für ein durchschnittliches Maß von 55 Dezibel eingerichtet ist. Dies ist ein echter Sturm, der über den ganzen Menschen hereinbricht. Es gab Fälle, in denen ein Übermaß an hohen oder tiefen Frequenzen das Gehirn stark traumatisierte.
Nicht selten kommt es bei Rockkonzerten zu Schallquetschungen und -verbrennungen und zu Verlusten des Gehörs und der Erinnerung. Es ist unmöglich, sich längere Zeit der Rockmusik auszusetzen und dadurch nicht psychoemotional traumatisiert zu werden. Außerdem entsteht ein Verlust an Kontrolle über die Konzentrationsfähigkeit: die Kontrolle über die geistigen Prozesse ist signifikant geschwächt; uneingeschränkte Ausbrüche führen zu Zerstörung, Vandalismus undRevolte, besonders bei Massenveranstaltungen, auf denen das psychische Feld der Masse und die zuvor erwähnten Einflüsse des Rock in verstärkter Form den Menschen praktisch seiner Individualität berauben und ihn in den Teil einer Maschine verwandeln, die von satanischen Führern gesteuert wird.
„Wie wir sehen können, hat die Rockmusik einen destruktiven Einfluß auf den Charakter des Menschen. Es ist kein Zufall, daß viele Solisten der Rockmusik Drogen nehmen oder sogar offene Satanisten sind“ (aus einem Artikel von N. Bogoljubov).
In jenem Institut, in dem V. studierte, gibt es einen kostenlosen Internetzugang. Was geschah? Das Mädchen begann, Vorlesungen zu schwänzen, ihre Noten fielen stark ab. All ihre Gedanken waren von den Rockidolen eingenommen. Sie sprang von der einen Website zur nächsten, forschte nach neuen Details über das persönliche Leben, Vorlieben und Gewohnheiten ihrer Favoriten.
Mit der Zeit genügte ihr diese Möglichkeit, im Internet zu „surfen“ nicht mehr, und V. begann andere Verbindungsvarianten auszuprobieren. Der Interessenbereich des Mädchens weitete sich aus, und sie beschäftigte sich mit vielen Dingen, die — wie sie es ausdrückte — „zu erwähnen beschämend“ sind. Das Internet zog sie wie ein Magnet an. V. konnte keinen Tag mehr ohne Internet leben. Sie dachte, sie würde Zeit vergeuden, wenn sie nicht in dieses „Meer faszinierender Informationen“ eintauchen konnte.
Ihr Verhalten veränderte sich merklich. Sie wurde reizbar, stritt mitihrer Mutter. Aufgrund des Schlafmangels (denn das Internet ist nachts billiger) begann ihr Kopf zu schmerzen, ihr Sehvermögen verschlechterte sich. Im Internetcafe, das sie regelmäßig aufzusuchen begann, machte sie dubiose Bekanntschaften. Einmal wurde ihr Heroin angeboten und „Gras“, das sie, wie sie zugab, mehr als einmal versucht hat. „Ich dachte“, sagte sie, „es würde mir gegen meine Müdigkeit helfen, um die Schläfrigkeit zu überwinden.“ Innerhalb eines Jahres wurde sie aufgrund ihrer schlechten Ergebnisse vom Institut verwiesen, doch auch dies ernüchterte sie nicht. Ihre Mutter läutete Alarm, sie begriff, daß der Computer, oder besser die Leidenschaft, ihre einzige Tochter völlig zerstören würde.
Die Mutter bezeichnet sich als religiösen Menschen. V. sagt: „Ich glaube an Gott, gehe aber fast nie zur Kirche.“ Doch sie stimmte zu, einen orthodoxen Psychotherapeuten zu besuchen.
Gott sei Dank — das Mädchen erkannte, daß sie in den letzten beiden Jahren nicht ein wirkliches, sondern ein „virtuelles“ Leben gelebt hatte und eine Gefangene ihrer Leidenschaften gewesen war. Diese Leidenschaft kann man offensichtlich Internetmanie nennen. V. fragte mit einem Blick auf die Ikone der Heiligen Mutter Gottes in meinem Sprechzimmer hoffnungsvoll: „Wird der Herr mir helfen?“
„Natürlich wird Er helfen“, antwortete ich, „nichts ist für Gott unmöglich. Sie müssen Ihn darum von ganzem Herzen bitten, anfangen zur Kirche zu gehen, wirklich Ihre Sünden bereuen und den festen Entschluß haben, nicht mehr zu ihnen zurückzukehren.“
Das Mädchen hörte aufmerksam zu und in ihren tränenvollen Augen tauchte ein Hoffnungsstrahl auf, wie mir schien. Ich verschrieb Beruhigungsmittel, sprach einige Empfehlungen aus, und wir gingen mit der Vereinbarung auseinander, daß sie nach einer Woche wiederkommen solle. Dies war der erste klinische Fall mit Bezug auf das Internet in meiner Praxis. Leider sieht es so aus, daß man andere ähnliche Fälle erwarten kann.
Wenn die Seele „zittert“
Einmal begegnete mir ein eigenartiger klinischer Fall. Ich hatte eine Konsultation zu führen, in der Mutter und Sohn unter obsessiven Ängsten um ihre Gesundheit litten und sich damit gegenseitig ansteckten. […]
Während des Gesprächs stellte sich heraus, daß die Mutter meines Patienten längere Zeit von Psychiatern wegen dieser obsessiven Ängste behandelt worden war, während der Sohn als ein sehr eindrucksfähiger, gefühlvoller Junge heranwuchs. Die erste obsessive Angst tauchte bei ihm im Alter von 18 Jahren auf: Er meinte, er habe eine bösartige Geschwulst. Der Patient untersuchte ständig seinen Körper, studierte medizinische Literatur über Onkologie, war bedrückt und niedergeschlagen. Der junge Mann fügte hinzu, daß die Angst plötzlich aufgetaucht war, nachdem ihm seine Mutter von ihrer alten Krankheit erzählt hatte.
Dann entstanden bei der Mutter neue Ängste bezüglich ihrer Gesundheit. Sie entschied, sie habe Leukämie, denn sie fühlte sich lustlos und apathisch. In der Untersuchung beim Onkologen wurden sie beide für gesund befunden, und sie erholte sich bald von ihrer eingebildeten Krankheit, litt danach aber zwei weitere Male unter Phobien.
Einmal standen sie im Zusammenhang mit dem Herzinfarkt der Großmutter — und sie entschieden, daß sie unter Herzerkrankungen litten. Das andere Mal ängstigten sie sich davor, in einem Autounfall zu sterben. Diese Angst tauchte zuerst beim einen, dann beim anderen auf.
Es gibt ähnliche Fälle, in denen ein Familienmitglied unter obsessiven Ängsten litt, andere erkrankten. S. N. Davidenko schreibt über einen Patienten, der unter einem Tick litt und unter der Furcht, rot zu werden und zu schwitzen. Die Schwester seiner Mutter litt unter einer Obsession bezüglich übermäßigen Schwitzens, eine ihrer Töchter unter der Angst, rot zu werden, die Schwester des Patienten selbst unter der Angst vor Herzinfarkten. Welche Möglichkeiten…
Es kam einmal eine Familie zu mir, deren Mitglieder nicht gläubig waren. Wenn ein Mensch keinen Glauben hat, gibt es keine Furcht Gottes und statt dessen können andere Ängste „blühen“ — krankhafte, absurde, obsessive Ängste. Die Seele ist christlich von Natur aus, und wenn sie daher in einer nicht-geistlichen Atmosphäre lebt, leidet sie und „zittert“ aus irgendeinem Grund.
Unwillkürliche Melancholie (über die Psychologie des Alterns)
„Mutter erhielt die Diagnose ‚unwillkürliche Melancholie’. Bitte erzählen Sie mir von dieser Krankheit.“
Unwillkürliche Melancholie ist eine Krankheit, die im fortgeschrittenen Alter an die Oberfläche gelangen kann. Schon der Name macht klar, daß es sich bei dieser Pathologie um eine krankhaft depressive Stimmung handelt. Die Hauptsymptome der unwillkürlichen Melancholie sind unruhige Besorgnis und Niedergeschlagenheit, die in verschiedenen Schweregraden zum Ausdruck kommen können.
Normalerweise entwickelt sich diese Krankheit allmählich. Die anfängliche Periode dauert gewöhnlich 2 bis 3 Monate, in denen die vorangehenden Symptome spürbar werden: Verschlechterung des Schlafs, Schwäche, Gedächtnisverlust.
Auslösende Faktoren können für dieses Alter charakteristischerweise sein: Veränderungen im sozialen Status, den materiellen Bedingungen, Verlust des Ehepartners, erzwungener Wohnortwechsel, Konflikte mit den Kindern. Viele ältere Menschen sind über die politische, wirtschaftliche Instabilität unserer Zeitepoche, lokale Kriege, internationalen Währungseinbruch mit dem Verlust des Ersparten und über viele andere Umstände besorgt.
Ein altes französisches Sprichwort sagt: „Jeder altert, wie er gelebt hat.“ In diesen Worten liegt ein tiefer Sinn. Der Körper altert mit jedem Jahr, doch die Seele ist unstofflich, und wenn sie mit Gott ist, dann bringt sie mit dem Alter gute Frucht hervor. Der hl. Theophan der Klausner spricht über die verschiedenen Alter eines tugendhaften christlichen Lebens und beschreibt das hohe Alter wie folgt: „Dies ist die Zeit, wenn sich der innere Kampf beruhigt und der Mensch den Frieden und die Süße der gesammelten geistlichen Segnungen zu kosten beginnt. Der Landmann, der die Früchte seiner Mühen nach der Ernte genießt, oder Hefeteig, voll durchsäuert und aufgegangen — dies sind Bilder des hohen Alters. Der weise Sirach schildert, wie die Weisheit ihren Geliebten zuerst prüft, sich ihm dann zuwendet, ihn erfreut und ihm ihre Geheimnisse offenbart (Sir 4,18ff). Letzteres ist der Charakter der geistlichen Reife. Wir schreiben einem solchen Menschen Stärke, Würde, Standhaftigkeit und Erfahrung zu.“
Der Priester und Arzt Vater Valentin Žochov schreibt über den Christen im Alter: „Vor uns steht nicht ein alter Mann, sondern ein Altvater, der das Gefühl von Respekt auslöst. Solche Christen, mit Gesichtern wie Ikonen, kann man nur unter den Orthodoxen finden. Dieses gute Aussehen kommt nicht von allein, sondern ist das Ergebnis von Anstrengungen und geduldig getragenem Leiden.“
Einer meiner alten Freunde erzählte mir, daß er lange Zeit nach der Wahrheit gesucht, über die Ewigkeit nachgedacht habe, doch erst dann zu einem überzeugten orthodoxen Christen geworden sei, nachdem er dem Blick einer alten Frau, die aus dem Gottesdienst kam, begegnet sei. „Wie viel Einfalt, Demut, Adel in ihrer Erscheinung, in ihrem Gang waren… Und so viel Freundlichkeit in ihren Augen!“, erinnerte er sich.
Wahrscheinlich sind viele Orthodoxe mit dem bewegenden und ehrfurchtgebietenden Gefühl vertraut, das man spürt, wenn man mit einem erfahrenen Altvater, einem Starez spricht. Nach solchen Begegnungen ist Süße, Frieden und Ruhe im Herzen. Doch der Großteil der heutigen älteren Generation sind Kinder der 30er und 40er Jahre. Jahr für Jahr, Jahrzehnt um Jahrzehnt wurde die atheistische „Ordnung“ in ihre Seelen gesät. Partei und Komsomol behandelten sie mit ihren „Werten“. Im Überdenken des Lebens sind besonders in den letzten Jahren einige von ihnen zur Kirche gekommen, haben bereut, Gott gefunden, während andere Gefangene ihrer „Ideale“ geblieben sind, die Zeit vergeuden und mit schwindender Kraft zu den Treffen gehen, die bürgerlichen Autoritäten verfluchen, verletzt und enttäuscht sind.
Für sie wird die Melancholie so natürlich wie das Atmen. Warum das so ist, kann man auf einer menschlichen Grundlage verstehen: das Leben verging, doch die Gerechtigkeit trat nicht ein. Verantwortlichkeiten und Auszeichnungen sind Vergangenheit, das Geld hat nach den Reformen an Wert verloren. Die Seele ist in Unruhe; das Empfinden nahender Krankheiten, Furcht und Bitterkeit im Angesicht realer oder vorgestellter Einsamkeit vertreiben den Frieden. Es gibt Fälle, in denen dann solche alten Menschen Selbstmord begehen.
Es ist interessant, folgendes zu bemerken: Der Kern der Persönlichkeit offenbart sich im Alter. Zum Beispiel verliert ein guter, freundlicher Mensch seine Freundlichkeit und Güte nicht, der Empfindsame kann weinerlich oder heiter gestimmt sein, während der Selbstsüchtige geizig wird usw.
„Ihre Mutter sollte regelmäßig von einem Psychiater untersucht werden. Wenn sie ein religiöser Mensch ist, dann wäre es gut, wenn sie ihren Geistlichen Vater oder den Priester aufsuchen würde, zu dem sie zur Beichte geht. Erklären Sie die Krankheit ihrer Mutter dem Priester, so daß er die notwendige Strategie entwickeln kann, um für ihre Seele zu sorgen, bitten Sie ihn um seine Gebete.“
Wenn ein Kind schlecht schläft
„Unser Kind ist 4 Jahre alt. Es schläft in der Nacht nicht gut, wirft und dreht sich herum, knirscht mit seinen Zähnen im Schlaf, wacht auf und kommt aus seinem Bett in unseres. Was sollen wir tun?“
„Es kann dafür viele Gründe geben, daß das Kind nicht gut schläft. Man muß die folgenden Bedingungen in Betracht ziehen: Ist das Kind gesund, ist es oft genug an der frischen Luft, ist es beim Spiel übermäßig aufgeregt, hast es Angst vor der Dunkelheit, ist sein Bett bequem usw.? Wenn es in eine Kindertagesstätte geht, muß man herausfinden, wie seine Beziehungen mit den Gleichaltrigen sind, mit seinem Lehrer. All diese Umstände sind sehr wichtig.
Manchmal schläft das Kind tagsüber gut, dann aber in der Nacht schlecht. Im Durchschnitt sollte ein Kind von 3–4 Jahren 10–11 Stunden schlafen. Viele Kinder in diesem Alter kommen gut ohne Mittagsschlaf aus. Wenn das Kind während des Tages geschlafen hat, sollte das Intervall zwischen dem Mittagsschlaf und der Nachtruhe nicht weniger als 3–3½ Stunden betragen.
Was Empfehlungen betrifft, möchte ich zuerst die Notwendigkeit hervorheben, einen täglichen Stundenplan einzuhalten. Man sollte das Kind zu einer festgelegten Zeit ins Bett bringen. Man sollte dann einige Zeit bei ihm bleiben, das Zeichen des Kreuzes über ihm machen und es für den kommenden Schlaf segnen. Sprechen Sie sanft, freundlich, ruhig. Vielleicht mag es sich nicht von Ihnen trennen, weil es eine unbewußte Angst davor hat, seine Eltern zu verlieren und sich allein zu finden. Umarmen Sie es, küssen Sie es, machen Sie ihm ein bequemes „Nest“, lassen Sie es ein Lieblingsspielzeug mit ins Bett nehmen. Wenn während des Tages irgend etwas nicht voll ausgesprochen wurde, wenn Sie das Kind bestraft haben, dann müssen Sie erklären, warum es bestraft wurde und ihm alles vergeben. Mit einem Wort, die Situation sollte am Abend gelöst sein.
Und erinnern Sie sich daran: Der Herr gewährt einen gesunden, tiefen Schlaf. Orthodoxe Eltern lehren ihre Kinder Gebete, das Zeichen des Kreuzes, und das Kind wird nicht einschlafen, bevor es sich nicht bekreuzigt hat. Es weiß, daß es beschützt wird, daß es nicht allein ist: Der Herr ist mit ihm, die Allheiligste Mutter Gottes, sein Schutzengel, die Vielzahl der Heiligen betet für das Kind, für die Mutter, den Vater und für alle orthodoxen Christen. Das Kind nimmt an den Gottesdiensten teil, an den Heiligen Mysterien Christi. Seine Eltern haben in der Kirche geheiratet, ihr Haus ist im Namen der Allheiligen Dreiheit gesegnet. Es gibt ein Kreuz, Ikonen, eine Lampada im Zimmer des Kindes. Es hat den Segen Gottes und den der Eltern, auf seiner Brust ist ein Kreuz, das es nie ablegt. Dies ist die innere und äußere Welt eines Kindes in einem orthodoxen Heim.
Sie fragen, was Sie tun sollen, wenn das Kind ans Bett der Eltern kommt. An erster Stelle sollten Sie ruhig bleiben. Sie können ihm vorschlagen, aufs Töpfchen zu gehen. Dann entscheiden Sie: Soll es bis zum Morgen bei Ihnen bleiben, oder bringen Sie es zurück ins Bett. Und in der Zukunft seien Sie immer konsequent, bleiben Sie bei der einmal gefällten Entscheidung.
In bezug auf das Zähneknirschen: Es entsteht durch ein unwillkürliches Zusammenziehen der Kiefermuskeln und deutet daraufhin, daß der Schlaf nicht tief genug und das Kind innerlich erregt ist. Man kann Kräuter verwenden, die als Mittel zur Beruhigung des Nervensystems dienen. Ich empfehle Glizin, 1–2 Tabletten pro Tag unter der Zunge, einen Teelöffel Honig unmittelbar vor dem Schlaf, eine warme Dusche vor dem Schlafengehen.
Es gibt Audiokassetten mit Heiligenleben, erzählt für kleine Kinder, die man in den Kirchen kaufen kann. Wenn zu Hause ein Abspielgerät vorhanden ist, ist es gut, dem Kind etwas für die Seele Nützliches 20–30 Minuten vorzuspielen. Wenn der Schlaf dann immer noch nicht besser geworden ist, kommen Sie zu mir oder suchen Sie einen anderen Spezialisten auf.“
Denkwürdiges Ereignis
Ich zeichnete diese Geschichte nach den Worten eines Patienten auf. „Ich wurde in Moskau geboren, als Kind getauft, wuchs aber nicht kirchlich auf. Ich wuchs zu einem gesunden, aktiven Jungen heran, in der Schule begriff ich alles sofort, war immer ein guter Schüler. Ging auf die Hochschule, studierte Ökonomie. Im Institut schmeckte ich die Freiheit und sündigte bis zur Zerstörung, was völlig normal schien.
Am Ende des vierten Jahres wurde ich plötzlich übermäßig gesprächig, lebendig, konnte nicht an einer Stelle sitzen, nicht einmal ein paar Minuten. Schlief 2–3 Stunden am Tag, verlor eine Menge Gewicht. Nach einem Monat beruhigte sich dieser Zustand irgendwie von allein, vielleicht, weil ich Beruhigungsmittel zu nehmen begann. Aber im Herbst dieses Jahres begann alles von vorn, aber genau gegenteilig: Ich wurde deprimiert, wollte nicht mehr leben.
Wegen der hartnäckigen Bitten meiner Eltern wandte ich mich an einen Psychiater, und bald erhielt ich die Diagnose ,manisch-depressive Psychose’. Viele Arzneimittel wurden verschrieben, die ich fast ständig einzunehmen hatte. Ich war schrecklich besorgt über den Stempel geisteskrank' und fürchtete, daß meine Freunde und Bekannten von dieser psychischen Krankheit erfahren könnten.
Ungefähr zu dieser Zeit überschritt ich zum ersten Mal die Schwelle einer Kirche. Meine Krankheit führte mich zu Gott. Der Priester, der meine erste Beichte abnahm, wurde mir sofort sehr nahe. Ich begann, an Gottesdiensten teilzunehmen, die Kommunion zu empfangen. Ich mochte alles in der Kirche: den Gesang, das Äußere und die Gesichter der Betenden… Ich fühlte mich, als wäre ich nach langer Abwesenheit ins Haus des Vaters zurückgekehrt.
Aber dann ,geriet ich in einen Wirbel’. Ich begann mich ,erträglich' zu fühlen und dann ging ich weniger regelmäßig zur Kirche, seltener zur Beichte und verließ die Kirche dann völlig. Ich beendete das Studium, hatte zwei weitere Rückfälle in die Krankheit, schluckte Tabletten, die mir der Psychiater verschrieb…
Und dann klingelte eines Abends das Telefon. Ich nahm den Hörer ab und traute meinen Ohren nicht — der Priester war am Apparat Woher aber hatte er meine Telefonnummer? Er kannte doch weder meinen Nachnamen noch meine Adresse — nur den Vornamen! Bald wurde die Überraschung von solch einer Wärme, einem Frieden der Seele abgelöst, daß ich es nicht beschreiben kann. Ich fühlte Tränen aufsteigen, und in meinem Kopf drehten sich die Gedanken mit kaleidoskopartiger Geschwindigkeit: ,Herr! Wie konnte ich Dich verlassen? Warum habe ich aufgehört, zur Kirche zu gehen?!’
Ich begann mich zu schämen. Doch das waren nur meine eigenen Gefühle. Der Priester fragte mich, ob ich krank gewesen sei und irgendeine Hilfe von ihm benötigen würde. Er sagte noch anderes, sehr schlicht und warm, gab mir seinen Segen und verabschiedete sich. Stellen Sie sich vor, er tadelte mich überhaupt nicht, im Gegenteil, er war so gütig und freundlich.
Ich schlief die ganze Nacht fast nicht. Ich schaute auf die Ikonen, betete und weinte, bat den Herrn um Vergebung. Gegen Morgen hatte ich den Gedanken, ich müsse zur Kirche zurückkehren und tief bereuen. Ich las irgendwo, daß eine solche Beichte als ,Generalbeichte' bezeichnet wurde — das ganze Leben umfassend. Der Herr gewährte mir, auf diese Weise zu beichten. Ich möchte nicht meinen geistigen Zustand in diesem Augenblick beschreiben, sondern nur sagen, daß ich mich fühlte, als ob von meiner Seele eine Eisschicht flöß. Und… die Krankheit verschwand. Im Verlauf mehrerer Jahre war ich praktisch gesund. Die Ärzte waren überrascht und fragten sich: ,Wie ist das möglich?’
Später suchte ich Psychiater auf, doch spürte ich niemals mehr die Symptome der Krankheit in solcher Heftigkeit. Reue — ist ein großer Segen, der uns vom Herrn gewährt wird. Ehre sei Gott für alles!“
In den Jahren meiner Tätigkeit als Arzt habe ich — wie viele meiner orthodoxen Kollegen — wunderbare und erstaunliche Beispiele von Gottes Hilfe gesehen. Der Herr, Seine Allheilige Mutter und Seine Heiligen gewähren reichlich heilende Hilfe gemäß dem Glauben der Leidenden. Genauer gesagt stellt jedes Heilungsgeschehen eine große Gnade Gottes dar. Die Überwindung sündiger Leidenschaften ist ein Wunder und kann als nichts anderes bezeichnet werden, wenn beispielsweise der Unzüchtige ein tugendhaftes Leben zu führen beginnt und der Trinker oder Drogenabhängige tiefen Glauben gewinnt und zu einem kirchlichen Leben findet. Ich war oft Zeuge, wie die Reue der Mutter zur Genesung des Kindes führte — oder sogar zur wunderbaren Rettung seines Lebens. In den Jahren meiner medizinischen Praxis habe ich vielfach erlebt, wie Menschen sich von schwersten, vom medizinischen Standpunkt her unheilbaren Erkrankungen erholten. Das obige Beispiel ist nur eines von vielen ähnlichen. Wunderbar sind Deine Werke, o Herr!
„Die Große Vortäuschung“
Der Begriff „Hysterie“ ist abgeleitet vom griechischen Wort für „Uterus“. Zu jener Zeit, als diese Krankheit zum ersten Mal beschrieben wurde, dachte man, daß nur Frauen unter Hysterie litten (später fand man heraus, daß sie auch bei Männern auftrat).
Die Hysterie wurde schon im Altertum erwähnt. Hippokrates und Avizenna schrieben darüber. Später wurde die Hysterie von berühmten gelehrten Psychiatern wie Jaques Charcot, Pierre Janet und vielen anderen studiert. Insbesondere widmeten die Psychoanalytiker der Hysterie große Aufmerksamkeit. Dennoch war die Erforschung der Hysterie lange Zeit einseitig. Es gab praktisch keine geistlich-sittlichen Kommentare über dieses Thema.
Also: Hysterie. Nach geistlicher Einschätzung könnte dieser psycho-pathologische Zustand als ein „Zur-Schau-Stellen“ charakterisiert werden. Hysterische Menschen fallen leicht durch ihre emotionale Unausgeglichenheit auf, die durch stürmische und deutliche Stimmungswechsel zum Ausdruck kommt. Die Sprache dieser Menschen ist bildreich, bestimmte Bruchstücke realer Fakten werden übertrieben. Die Mimik ist ausdrucksvoll, manchmal theatralisch. Schauspielerei schleicht sich ein, Selbstgefälligkeit. Der Hysterische dürstet nach Aufmerksamkeit und leidet sehr, wenn ihm keine entgegengebracht wird. Der Hysterische möchte charakteristischerweise größer erscheinen als er im wirklichen Leben ist.
Gemäß dem bekannten russischen Professor P. B. Gannužkin ist das Verhalten von hysterischen Menschen erfüllt von Unnatürlichkeit und Verstellung. „Jede Handlung, jede Geste, jede Bewegung ist auf den Beobachter und den Effekt hin kalkuliert. Sie müssen notwendigerweise originell sein und verschmähen keine Methode, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen."
„Der Hysteriker, der die eine Sache extrem genau und scharf wahrnimmt, bleibt einer anderen gegenüber unempfindlich“, schreibt P. B. Gannuzkin, „Freundlich und sanft in einer Situation, bekunden sie in einer anderen Gleichgültigkeit und Egoismus.“
Prof. G. E. Suchareva bemerkte, daß hysterische Menschen von Kindheit an Verhaltensschwierigkeiten haben. Sie sind sehr launisch, ungehorsam, lieben es, die führende Rolle zu spielen und werden aggressiv, wenn sie das nicht können. Ihre Stimmung ist auf bemerkbare Weise sehr unausgeglichen.
Wenn diese Kinder dann zur Schule gehen, haben sie Schwierigkeiten mit der Gruppe, denn sie können ihre Interessen nicht mit den Interessen der anderen abstimmen und streben immer danach, die ersten zu sein, sie können es nicht ertragen, wenn jemand in ihrer Gegenwart gelobt wird.
Wenn sie intelligent sind, können sie in der Schule gut zurechtkommen, aber ihr Wissen ist oberflächlich, ihre Interessen sind nicht beständig.
Erhöhte Reizbarkeit, eine Tendenz zum Lügen bereitet ihrer Erziehung Schwierigkeiten. Wenn man jedoch eine Aktivität findet, die ihren Interessen entgegenkommt, dann verbessert sich ihr Zustand merklich.
Hohe Labilität, ständiges Verlangen, im Vordergrund zu stehen, besser zu erscheinen als man ist, die erhöhte Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit — dies alles ist die Quelle konfliktreicher Schwierigkeiten. Hysterische Kinder reagieren oft unangemessen auf irgendeinen Mißerfolg im Leben, und charakteristische Zeichen der Hysterie sind Teil dieses Bildes.
Ich möchte ein Beispiel anführen. Ein Kind bittet um Süßigkeiten (ein Spielzeug usw.), doch die Mutter weist diese Bitte zurück. Dann wirft sich das Kind auf den Boden, schreit, windet sich und fordert weiterhin die Süßigkeiten. Die erschrockene Mutter gibt dem kreischenden Kind eine Handvoll Süßigkeiten, um es zu beruhigen. Das bedeutet in Wirklichkeit: „Soll das Kind doch alles haben, was es will, wenn es nur nicht schreit.“ Und das zufriedene Kind ißt die Süßigkeiten und vergißt völlig seinen „untröstlichen Kummer“. Was bedeutet das alles? Dies ist eine typische hysterische Reaktion auf kindlicher Ebene, ziemlich grob und direkt. Und wie reagierte die Mutter darauf? Sie erfüllte den Wunsch des Kindes und garantierte damit das Auftreten ähnlicher Reaktionen. Und es kann kein Zweifel daran bestehen, daß das Kind diese Reaktion mehr als einmal wiederholen wird, denn sie brachte das gewünschte, beabsichtigte Resultat.
Wir Eltern ermutigen manchmal unbewußt demonstrative Züge bei unseren Kindern, indem wir sie zu viel loben, ihnen gestatten, in Erwachsenengespräche hineinzuplatzen, den Sprecher zu unterbrechen usw. Das Kind bemerkt dies und tut bald alles als Show. Gedichte aufsagen, Tanzen, Singen, Spielen. Die Erwachsenen sind gewöhnlich davon berührt, lächeln, loben, küssen das Kind und denken überhaupt nicht über die Tatsache nach, daß das Verhalten des Kindes deutlich demonstrativ ist. Dies wird noch durch die Tatsache verstärkt, daß es in modernen Familien ein oder meistens zwei Kinder gibt, die natürlich zum „Zentrum des Universums» für ihre Eltern werden. In der Vergangenheit, in der patriarchalischen russischen Familie, die in der Regel viele Kinder hatte, wagte niemand, bei der Mahlzeit eher als der Vater seinen Löffel in die Suppenschüssel zu tauchen. Jetzt ist die Situation anders. Manchmal ist die ganze Familie mit Löffeln, Gabeln, Bratpfannen vor ihrem Liebling beschäftigt und möchte ihn mit Delikatessen und im Übermaß verwöhnen. Und dann wundern wir uns über den Egoismus, den unmäßigen Stolz des „Nesthäkchens“. Es gibt im Alltagsleben eine Fülle ähnlicher Beispiele, unzählig viele. Im Grunde genommen vermittelt der ganze Tenor im Leben des modernen Menschen Hysterie, beginnend in der Vorschule bis zum Rentenalter. Natürlich nimmt jeder diese „Lektionen“ unterschiedlich auf. Es hängt alles von der Erziehung und der Weltanschauung des Menschen ab.
Wie zuvor erwähnt, ist das Hauptmerkmal der hysterischen Persönlichkeiten das ständige Streben danach, die Aufmerksamkeit anderer zu erlangen. Betonte Affektiertheit, unnatürliches Gehabe, Unehrlichkeit zeigt sich in ihrem Verhalten. Sie tun alles, greifen zu jedem Trick, um die allgemeine Aufmerksamkeit zu erlangen, manchmal nehmen sie Zuflucht zu offener Lüge und nutzen die Gefühle anderer zu ihrem Vorteil aus.
Klarer Ausdruck der Eigenschaften hysterischer Personen sind Unreife und Infantilität, die in unausgegorenen Interessen und Neigungen, leicht wechselnden Stimmungen erscheinen. Sie sind schnell von Freunden enttäuscht und wechseln sie leicht, selbst wenn ihre Freundschaft zuerst ewig schien. Für Hysteriker ist es nur ein Schritt von der Liebe zum Haß.
Die klassische Literatur enthält klare Beispiele hysterischer Persönlichkeiten. Gogols Chlestakov kann als klassischer Hysteriker bezeichnet werden.
Wir sehen bei den hysterischen Menschen häufig die Variante der sogenannten Pseudologie [krankhaftes Lügen]. Neben der Demonstra-tivität gibt es in ihrem Verhalten ein stürmisches Spiel der Imagination, eine Tendenz zum Phantasieren. Und die Person selbst ist gewöhnlich der Held in diesen Phantasien.
ki einigen psychiatrischen Klassifizierungen wird eine Gruppe erwähnt, die man als „narzißtische (in sich selbst verliebte) Personen“ bezeichnet. Das Hauptsymptom einer narzißtischen Person ist, wie Professor U. A. Alexandrovskij betont, der in der Jugend entstehende Glaube an die eigene besondere Bedeutung, an seine Talente, sein ungewöhnlich anziehendes, allgemeines Entzücken hervorrufendes Äußeres. „Das Bedürfnis nach Bewunderung, der Wunsch, sich von Bewunderern und Anbetern umringt zu sehen, rückt diesen Typus zweifellos nahe an die Hysterie, desgleichen die Unfähigkeit dieser Menschen, Mitgefühl zu haben, teilnahmsvoll zu sein.“
„Diese Personen tendieren zum Phantasieren, und die Themen ihrer Phantasien betreffen ihre Erfolge, das Erringen unbegrenzter Stärke, Macht, Reichtum. Sie lieben es, viel über ihre berühmten Freunde zu sprechen — Schauspieler, Politiker, die Mächtigen dieser Welt —, über ihre Verbindungen zu Geheimgesellschaften oder sehr wichtigen Organisationen. Und ihre Geschichten basieren entweder auf oberflächlichen ,Nick’-Bekanntschaften oder erweisen sich (häufiger) als das Produkt einer überaktiven Vorstellung. Wenn diese narzißtischen Personen ihre Informationen preisgeben, erwarten sie nicht nur besonderes Entzücken in jenen, die sie umgeben, sondern verlangen ohne Grund eine respektvolle Haltung, Unterordnung ihnen gegenüber, als wären sie eine Person, die über ihnen steht“, schreibt derselbe Verfasser.
Hysteriker sind manchmal verschlagen und ausweichend. Es gibt viele Schwindler unter ihnen. Sie besitzen oft große Intuition.
Viele Sektengründer — wie z. B. Mary Baker Eddy (Christian Science) — hatten zweifellos einen hysterischen Charakter. Dasselbe kann man von vielen anderen „charismatischen“ Persönlichkeiten sagen. Beispielsweise ist bekannt, daß die Gründerin der Theosophie Helena Blavatskaja in ihrer Jugend für ihre bemerkenswerte Lügenhaftigkeit und ihr stürmisches Phantasieren bekannt war, worüber ihre nahen Verwandten schrieben.
Dieser Mechanismus der „konditionalen Freude oder Erwünschtheit“ der Krankheitssymptome ist spezifisch für die Hysterie. Dies ist quasi ein Kriterium zur Unterscheidung der Hysterie von verschiedenen nicht-hysterischen Erscheinungen. Die verschiedenen Krankheitssymptome können für den Hysteriker angenehm oder von ihm gewünscht sein, da sie eine Art Gewinn oder Befreiung von irgendeiner Art Verantwortlichkeit versprechen.
Der Hysteriker braucht ein Publikum. Wenn z. B. Robinson Crusoe hysterische Tendenzen gehabt hätte, wären sie niemals zur Entfaltung gelangt, denn es gab niemanden, der ihn hätte sehen können. Sie sind leicht beeinflußbar. Doch ihre Beeinflußbarkeit ist sehr speziell. Der Hysteriker greift gewöhnlich nur Ideen auf, die zu seinem Vorteil dienen. Die klinischen Erscheinungsweisen der Hysterie sind erstaunlich verschiedenartig. Es gibt hysterische Anfälle und Lähmungen. Man findet hysterisch Hypermotorische, was darin zum Ausdruck kommt, daß sie ihren Körper oder einzelne Teile schütteln. Es kommt zu hysterisch bedingten Ausfällen der Wahrnehmung (verschiedene Arten von Erkrankungen, stechender Schmerz, Taubwerden von Gliedmaßen). Ich bin hysterisch Taubstummen und Blinden begegnet. In der Vergangenheit sah man den sog. „hysterischen Bogen“. Heutzutage betonen viele Psychiater, daß hysterische Reaktionen jetzt in subtileren Formen auftreten.
Jacques Charcot nannte die Hysterie die „große Simulation“, auch wenn man nicht sagen kann, daß Hysterie und das Simulieren von der Bedeutung her gleich sind. Der Hysteriker leidet wirklich; aber sein Leiden wird von konditionaler Erwünschtheit begleitet. Der Simulant bringt einen einfach dazu zu glauben, er sei krank.
Das Spektrum des hysterischen Verhaltens ist weit und vielgestaltig. Es kann sich um Jugendliche — zum Beispiel — mit Ohrringen in der Nase und grün-rot-blauen Haaren handeln. Oder um einen Politiker, für den die Selbstverliebtheit wichtiger als alles andere ist.
Leider kann man hysterisches Verhalten auch in orthodoxen Kreisen antreffen. Ich habe solche „Matuschkas“ gesehen (wie sie sich nennen), die in einem Augenblick mit Entzücken einen jungen Priester in einen „Wundertäter“ oder „Seher“ verwandelt haben. Der Hysteriker stellt sofort eine „Diagnose“, unterscheidet Kirchen und Hierarchen zwischen jenen, welche „Gnade haben» und solchen, die „keine Gnade haben“. Das Kriterium ist dabei natürlich der eigene „Instinkt“. Manchmal erhält man das Gefühl, daß solch ein Mensch in Wirklichkeit nach irgend welchen „heißen Fakten“ dürstet, sensationellen Informationen oder einfach Klatsch. Und dann befindet er sich in seinem Element. Außerdem hält er die Fakten an sich für nicht so wichtig im Vergleich zu seiner persönlichen Interpretation.
Hysteriker stechen nicht nur mit ihrer extravaganten Erscheinung, theatralischen Mimik oder ungewöhnlichen Sprache hervor. Auch können sie im Äußeren unscheinbar auftreten, doch ihre Rede wird mit Zitaten gefüllt sein, die den Anschein von wissenschaftlicher Bildung erzeugen. Und wenn es ganz schlimm kommt, können sie einfach in mysteriöses Schweigen ausbrechen. Aber all dies ist Pose. Man kann die Falschheit und Unnatürlichkeit in ihrem Verhalten spüren.
Die Gefühle des Hysterikers sind, während er warm und sanft erscheint, immer mit einer bestimmten Kälte vermischt. Er selbst ist für sich das Wichtigste.
Klinische Psychiatrie unterscheidet zwischen hysterischer Neurose und hysterischer Psychopathie. Diese Zustände unterscheiden sich voneinander durch die Tiefe, den Ausdruck und den Ursprung der hysterischen Erscheinungsformen. Hysterische Neurose ist im allgemeinen durch die Personifizierung des Konflikts gekennzeichnet, d. h. die Manifestation der Hysterie in Form verschiedener körperlichen Gebrechen und Wahrnehmungen. Beispielsweise erscheint sehr oft ein hysterischer „Knoten“ in der Kehle. Man erinnere sich an Beispiele in der klassischen Literatur, in denen junge Frauen vor Kummer dahinschwinden.
Psychopathie ist eine individualisierte Anomalie, die durch die Disharmonie der psychischen Struktur gekennzeichnet ist. Die Kriterien für Psychopathie sind: 1) der Ausdruck psychischer Störungen, die zu mangelnder soziale Anpassung führt; 2) völlige Veränderung der gesamten Geistesverfassung des Menschen; 3) relative Stabilität psychischer Besonderheiten (P. B. Gannuškin).
Man unterscheidet die Psychopathen in konstitutionelle — infolge verschiedener Krankheiten, Kopftraumata, Infektionen usw. — und erworbene. Bei dieser letzteren Gruppe ist die Psychopathie Folge der Erziehung und von Bedingungen des Umfelds und der Situation.
Leider ist unsere Realität oft der „Lieferant“ für die Psychopathen.
Psychopathie bildet die Mitte zwischen Psychosen und Neurosen. In gewisser Weise „führt sie sich nicht so auf“ wie die Psychose (in der Regel fehlen Delirien, Halluzinationen usw. im klinischen Bild), doch sie unterscheidet sich wesentlich von den neurotischen Störungen. Außerdem sind Neurosen gewöhnlich mit irgendeiner Art emotional bedeutsamer Erfahrungen verbunden, die den Menschen durch Ereignisse und Lebensumstände in Unruhe versetzen. Doch der Psychopath ist — wie es heißt — immer Psychopath. Natürlich kann sein Verhalten in isolierten Momenten sich verschlechtern, während man in anderen Lebensabschnitten mäßigende Kompensationen beobachten kann; doch der im allgemeinen anomale psychopathische Hintergrund bleibt bestehen.
Wenn der Mensch unter einer Neurose leidet, dann verletzt er sich im Grunde selbst, während der Psychopath durch sein Verhalten auch andere in seiner Umgebung verletzt. Fraglos variiert der Ausdrucksgrad psychopathischer Züge individuell bei den betroffenen Personen. Es gibt auch Unterschiede in der Behandlungsweise der verschiedenen Arten von psychopathischen Störungen. Zum Beispiel werden folgende Typen von Psychopathen unterschieden: erregte, hysterische, reaktiv-flüchtige, zwanghafte und andere. In früheren Klassifikationen können wir z. B. folgende Varianten finden: Sonderlinge, Phantasten, Lügner, emotional Stumpfe, Reizbare, Neurotische, Depressive.
Die Behandlung der Psychopathen ist lang, schwierig und bleibt häufig ohne Ergebnis. Dasselbe läßt sich über die geistliche Rehabilitation psychopathischer Persönlichkeiten sagen! Aber was für den Menschen unmöglich ist, ist für Gott möglich.
Eine schwere Krankheit kann ein machtvoller psychotraumatischer Faktor sein. Leider sind nicht viele fähig, Krankheiten auf christliche Weise zu tragen. Adäquaten, beherzten Reaktionen auf Krankheiten begegnet man selten, viel häufiger geschieht es in solchen Situationen eine neurotische Reaktion. So umreißt Professor V. P. Zajtsev fünf Typen ähnlicher Reaktionen auf Herzinfarkte, worunter auch die Beschreibung der hysterischen Reaktion fällt. Egozentrik, Demonstrativität, der Wunsch, Aufmerksamkeit und Sympathie zu erlangen, sind charakteristisch.
Ich wiederhole: Zwei Bedingungen müssen vorhanden sein, damit die Hysterie sich voll entfalten kann: ein Gewinn für sich und ein Publikum. Nichts schmerzt Hysteriker mehr als der Mangel an Aufmerksamkeit für ihre Person. In diesem Fall wird das Leben dumpf und verliert seine Attraktivität.
Bischof Varvara (Beljaev) verwendet den folgenden Ausdruck: „eine Lüge leben“. Hysteriker in extremen Erscheinungsformen lügen in ihrem ganzen Leben.
Viele hysterische Persönlichkeiten sind Stammgäste verschiedener Kundgebungen, Demonstrationen. Es ist für sie nicht wichtig, wen oder was sie verteidigen, für wessen Rechte sie kämpfen. Sie werden durch die Möglichkeit angezogen, im Auge der Öffentlichkeit zu stehen. Mit dem Einsetzen der Demokratie im letzten Jahrzehnt, auf den Wogen der Krise der moralischen Werte, die infolge des Mangels an Spiritualität die Gesellschaft mehr als siebzig Jahre lang regiert hat, greift eine große Armee die Seelen der Menschen an. Darunter befinden sich verschiedene Typen von Magiern, Zauberern, Medien usw., die den Menschen, welche zu ihnen kommen, viel Schaden zufügen. Obwohl ich nicht in die Details dieser okkulten Zerstörung gehen will, möchte ich nur sagen, daß die große Mehrheit dieser „Heiler» in ihrer individuellen Veranlagung Hysteriker sind, die nach Ehre und Anerkennung verlangen. Natürlich gibt es unter ihnen auch bewußte Diener des Bösen, die verschiedene Weihegrade haben. Viele von ihnen sind aber einfach Schwindler, die keine Kenntnis über irgendeine Art von Okkultismus haben, sondern lediglich ihren Vorteil aus ihren spirituell unbedarften Landsleuten schlagen, indem sie ihnen nicht geringe Geldbeträge aus den Taschen ziehen. Zweifellos enthebt dieser Umstand den Menschen, der bei einem solchen Scharlatan nach „Hilfe» sucht, nicht von seiner Verantwortung. Es ist eine schwere Sünde.
Der Wunsch gesehen zu werden, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, ist oft mit sexueller Ausschweifung verbunden. Hysteriker sind, besonders in ihrer Jugend, ständig verliebt, sind in einem „Ozean» erotischer Phantasien. Hysterische Frauen können nicht einmal kurze Zeit auf das Flirten und die Koketterie verzichten. Häufig sind hysterische Menschen und besonders Psychopathen vom Laster der Unzucht völlig besessen und führen ein entsprechendes Leben.
Der orthodoxe Psychologe Erzpriester Boris Ničiporov schreibt zu Recht: „Die Ideale, welche das soziale Bewußtsein heutzutage kultiviert, sind folgende: Als erstes Alltagsideal — ein Mädchen wie ein Photomodell. Hübsche Erscheinung und gute Figur sind erforderlich, weiße Zähne, äußerliche Attraktivität usw. Im allgemeinen ist der Ausgangspunkt von allem nicht das Herz oder der Geist, sondern die Hüfte. Alles muß von der Hüfte kommen und nicht höher als die Hüfte — Gedanken, Wünsche und Gefühle.“
Besessenheit. Dr. V. K. Nevjarovič hebt wahrheitsgemäß folgendes hervor: „Beginnend mit dem Ende des 19. Jahrhunderts versuchten atheistisch orientierte Gelehrte zu beweisen, daß weder Besessenheit noch Wahnsinn existierten, sondern all dies einfach Erscheinungsformen der Hysterie seien. V. M. Bechterev (1857–1927), ein großer russischer Gelehrter, der Psychiatrie, Neurologie und Psychologie studierte, teilte leider diese Meinung. Doch die Experimente fanden auf der Grundlage einer strikt materialistischen Position statt, wodurch unvermeidlich seine wissenschaftlichen Ergebnisse beeinflußt wurden. So versuchte er in einem seiner Werke (wie furchtbar!) sogar zu versichern, daß alle Wunder des Erlösers in den Evangelien — die Heilungen und die Auferweckungen der Toten — durch die hysterischen Leiden jener Menschen, die an Christus glaubten, zu erklären seien.
Leider unterscheidet auch jetzt noch die offizielle Medizin — zur Freude der ganzen dämonischen Welt — nicht zwischen seelischen und geistigen Krankheiten [душевныхнедуговотдуховных] und versucht, viele besessene Menschen mit Insulin, Hypnose oder chemischen Präparaten zu heilen und in jüngster Zeit sogar mit okkulten Methoden (Meditation, der Methode von Stanislav Grof usw.).“
Derselbe Verfasser schreibt: „Hysterie und Besessenheit sind nicht dasselbe, doch es gibt keine bessere Vorbereitung für Besessenheit als Hysterie, denn der Teufel ist der ,Vater der Lügen', und alle Hysteriker lügen. Der Teufel ist — den Worten der Heiligen Väter gemäß — ein ,Künstler’ und ein ,Affe’ [Nachahmer], und die Charakteristika der Hysteriker sind Imitation, Schauspielerei und eine kränkliche künstlerische Vorstellungswelt. Der Fall des Teufels geschah aufgrund von Eitelkeit und Stolz — und die Ähnlichkeit ist offensichtlich…“
Vater Alexander ElCaninov schreibt folgendes über diese seelische Krankheit: „Hysterie ist die Zersetzung der Persönlichkeit, und sie setzt eine gewaltige, in ihrer destruktiven Kraft katastrophale Energiemenge frei — wie ein Atom, das gespalten wird.“
Stolz und Eitelkeit, Lügen und Posieren — das ist die spirituelle Substanz der Hysterie.
Was also ist Hysterie in Wirklichkeit: Sünde oder Krankheit? Ich denke, daß Hysterie ein sündiger Aufbau der Seele ist, der häufig zu kränklichen Leiden führt.
Was möchte ich dadurch erreichen, daß ich dies schreibe? Ich schreibe dies, damit wir dem „Feind ins Auge schauen“ — wie es heißt — und mit ihm kämpfen, um das Unkraut der Hysterie aus unseren Seelen zu reißen. Außerdem, damit wir diese sündige Krankheit in der uns umgebenden Realität besser sehen.
Wie sollte man auf hysterisches Verhalten reagieren? An erster Stelle: Es ist nicht wert, sich vom Hysteriker gängeln zu lassen. Bewahren Sie Ihre Würde und Ruhe und, wenn nötig, vernünftige Strenge. Ich möchte Sie noch einmal daran erinnern, daß die Hysterie aufhört, wenn kein Zuschauer anwesend ist. Daher hätte die oben erwähnte Mutter die „Zuckungen“ des rasenden Kindes ignorieren und ruhig mit ihrer Arbeit fortfahren sollen.
Psychotherapie
Psychotherapie nimmt eine einzigartige Position in der Medizin ein. Zwei Menschen begegnen sich in einem wechselseitigen Prozeß. Eine Seele wird durch eine Seele geheilt. Jene Menschen, die unter einem psychotherapeutischen Profil leiden, sind ein ganz besonderes Kontingent. Ihre Leiden stehen häufig in Verbindung mit moralischen Konflikten, familiären Schwierigkeiten, Problemen nach schweren Krankheiten, geistlicher Suche. In der Regel empfindet der Mensch, der einen Psychiater oder Therapeuten aufsucht, einen Mangel an Liebe, Verständnis von anderen oder Unterstützung durch nahe Freunde. Er wendet sich an den Spezialisten, wenn das Leiden seine ganze Seele erfüllt, seinen ganzen Organismus und keine Kraft mehr vorhanden ist, es zu tragen. Manchmal verwandeln sich seine Leiden in schwere somatische Symptome, verschiedenartige Schmerzen, Taubheitsgefühle und andere Störungen.
Meistens muß ich entweder ungläubige Menschen oder solche mit schwachem, ungeformtem Glauben behändem und beraten. Aus diesem Grund hat der Psychotherapeut eine große Verantwortung, sowohl als Arzt wie auch als Mensch. Seine Aufgabe ist es, dem Patienten zu helfen, der von Krankheiten und Konflikten, Verwirrung und Verlusten bedrängt ist. Für den psychotherapeutisch tätigen Arzt ist es wichtig, daß er persönliche geistliche Werte besitzt, die seine Arbeit mit den Patienten bestimmen. Ohne eine persönliche (ich füge hinzu: orthodoxe) geistliche Basis wird er nicht in der Lage sein, die durch die Situation bestimmten (psychosozialen) und biologische Ursachen von den existen-tiellen, weltanschaulichen zu unterscheiden.
Die Vorherrschaft des Materialismus und entsprechend der Mangel an geistlichen Anforderungen an den Arzt ist in diesem im medizinischen Sinne sehr komplexen und sehr spezialisierten Beruf nicht unbemerkt vorübergegangen. Es ist sehr traurig, daß in dieser Gesellschaft orthodoxe Spiritualität kein Kriterium für die Tätigkeit des Psychotherapeuten ist. Doch wie richtig wäre es, in einer solch komplexen Angelegenheit wie der Behandlung von Seelen von christlichen Werten geleitet zu werden! In der Realität aber arbeitet jeder Psychotherapeut im Rahmen seiner Weltanschauung, seiner Lebensprinzipien. Andererseits gibt es ein weiteres schwieriges Problem: Auch wenn der Glaube in der Seele des Arztes vorhanden ist, stößt er nicht immer auf Widerhall im Herzen des Patienten.
Der Arzt wählt seine Patienten nicht. In seine Praxis kann ein überzeugter Atheist oder ein Repräsentant einer anderen philosophischreligiösen Richtung kommen. In diesen Fällen ist das medizinische Credo, „keinen Schaden zuzufügen“ voll anwendbar. Meine Erfahrung zeigt, daß bei der Heilung von Ungläubigen und Nicht-Orthodoxen der Schwerpunkt auf gesundem Menschenverstand, seelischer Unterstützung und Medikamenten liegen sollte. Das heißt, sie müßte mehr psychophysiologisch orientiert sein. Wir sollten die Seele eines solchen Menschen gleichfalls mit Ehrfurcht behandeln, denn auch sie ist im Bildnis des Schöpfers geschaffen. Wenn jemand in die Praxis kommt, dessen Seele Gott finden möchte, aber durch Unwissenheit verwirrt ist, dann muß der orthodoxe Psychotherapeut diesem Menschen auch geistlich helfen. Er ersetzt dabei den Priester nicht, sondern geht ihm nur voraus. Der Arzt ist manchmal eine „Barriere“, die den Patienten vor noch größeren Versuchungen (Alkohol, Unzucht, Selbstmord) bewahrt.
Oft fragen mich die Patienten über die Bedeutung des persönlichen Lebens, wenn sie Ikonen und das Evangelium in meinem Sprechzimmer sehen. Jenen, deren Herz offen ist, erzähle ich vom Christentum, über das christliche Verständnis des Lebenssinns und der Bedeutung des Leidens. Ich bin gewiß, daß eine Psychotherapie, die dem Prinzip folgt: „Gedulde dich, alles wird vorübergehen“, in den meisten Fällen nicht zulässig ist. Ich möchte ein paar Beispiele anführen.
Vor ungefähr anderthalb Jahren kam ein 52jähriger Unternehmer zu mir mit dem Ausdruck ängstliche Unruhe. Er erzählte mir, daß er nicht mehr leben wolle, denn er sähe keinen Sinn mehr im Leben. In den letzten acht Jahren war er dreimal mit Frauen verheiratet, die halb so alt waren wie er, verdiente viel Geld — und dies ist das traurige Ergebnis…
Ein weiteres Beispiel. Eine Frau mittleren Alters verlor ihren einzigen Sohn. Seit dem Autounf all vor zwei Jahren verließen sie Trauer, Tränen, Hoffnungslosigkeit nicht mehr… Ein anderes Beispiel. Ein junger Mensch, der mit 38 Jahren schon zwei Herzinfarkte hinter sich hat… Es gibt ein Thema, das in der säkularen Medizin und Psychologie praktisch verboten ist: das Thema des Todes. Die Ärzte bevorzugen es, über den Tod zu schweigen. Die Wissenschaft ist hier hilflos. Schwerkranke Patienten werden ständig getröstet: „Alles wird gut sein.“ „Alles wird sich normalisieren.“ Und der Mensch stirbt in dieser Lüge. Er stirbt unvorbereitet, ohne Reue, ohne geistliches Erbe.
Ich habe häufig den Tod von ungläubigen Menschen gesehen. An einen Fall erinnere ich mich besonders gut. Entsetzen und Panik waren auf seinem Gesicht, er war von höchster Angst erfüllt. Es gibt keine Worte, die diese eisige Furcht der Seele beschreiben können, in der sie sich befand. Selbst der Gedanke an den Tod löst beim Atheisten Verzweiflung aus. Für den Orthodoxen ist die Erinnerung an die Todesstunde ein wichtiger Faktor zur Verbesserung des Lebens. Von Kindheit an bittet der Christ den Herrn um ein schmerzloses, friedliches Ende ohne Schande und eine gute Verantwortung vor dem furchtbaren Richterstuhl Christi. Wenn man über das Leben und Sterben der Gerechten und Heiligen liest, erfüllt sich die Seele mit tiefer Rührung und tröstlicher Freude, nicht mit Trauer.
Die Einflußnahme durch die psychotherapeutische Behandlung sollte meines Erachtens einer Hierarchie von Zielen folgen: von den nächstliegenden (beruhigen, Hoffnung spenden, Krankheitssymptome lindern) zu den wichtigsten — dem inneren Wachstum und der Entwicklung, der Bekehrung zu bleibenden Werten. Im gegenteiligen Fall kann die psychotherapeutische Praxis zu einer gefährlichen Seelenmanipulation werden oder nur einen „kosmetischen“ Effekt haben.
Ich bin tief überzeugt, daß Psychotherapie nach Möglichkeit eine „Brücke“ zum Glauben an Gott sein sollte. Ich freue mich von Herzen, wenn ich meine ehemaligen Patienten in der Kirche sehe. Wenn sie mich später noch einmal aufsuchen, dann nur als Gäste, denn sie haben in ihren Seelen den Allmächtigen Heiler — Jesus Christus gefunden.
Ich möchte Ihnen ein weiteres Beispiel mitteilen. Vor drei Jahren arbeitete ich in der Reha-Abteilung der kardiologischen Klinik. Ich mußte die psychologische Rehabilitation von Personen betreuen, die sich von einem Herzinfarkt erholten. Die Patienten — hauptsächlich Männer im arbeitsfähigen Alter — waren verstört, fassungslos und glaubten nicht, daß ihnen das widerfahren war. Natürlich hat man im Alter von 45–50 Jahren eine Menge Pläne und Projekte. Und dann schlägt ganz plötzlich eine schwere Krankheit zu — Herzinfarkt. Das Wort allein läßt die Menschen erschaudern, man bekommt eine Gänsehaut.
Als psychotherapeutischer Arzt und Psychiater hatte ich meiner Weisung zufolge psychische Anomalien zu diagnostizieren und medikamentös und psychotherapeutisch zu behandeln. Verschiedene Forscher haben entdeckt, daß 90% der Patienten sogar noch 6–12 Monate nach dem Herzinfarkt in depressiver Verfassung sind. Der Grund für die Hartnäckigkeit der Depression war, wie die Beobachtungen zeigten, mit dem Verlust des Lebenssinns, der Zerstörung von Hoffnungen, verbunden.
Als ich mich eingehend mit der Literatur bezüglich der psychischen Rehabilitation von Herzinfarktpatienten vertraut machte, bemerkte ich eine Tendenz, die man Abwendung von der Realität, Gleiten über die scharfen Kanten oder Ablenkung nennen könnte. Natürlich ist es wichtig, sich zu beruhigen, aber was dann? Ich stellte mir häufig diese Frage.
Im Zentrum für psychische Gesundheit der russischen Akademie der medizinische Wissenschaften fand im Mai 1993 eine Konferenz unter der Überschrift „Psychische Störung und kardiovaskuläre Pathologie“ statt, an der ich teilnahm. Das Thema der psychischen Rehabilitation von Herzinfarktopfern wurde im Zusammenhang mit der Frage nach der „Lebensqualität“ diskutiert. Es gab viele Präsentationen und Vorlesungen über psychologische Rehabilitation.
Der grundlegende philosophische Gedanke der Sprecher folgte dem Motto: Lebe würdig — sei mit Würde krank — stirb würdig. Dabei wurde „würdig“ mehr im sozialen und existentiellen Sinn verstanden, nicht aber im Sinne moralischer Rechtschaffenheit. Es fiel kein einziges Wort über Spiritualität, Gott oder Glaube. Die Gelehrten — schien mir -versuchten sich hinter ihrer wissenschaftlichen Terminologie zu verstecken, um einer Antwort auf die Hauptfrage auszuweichen: „Was ist der Krankheit entgegenzusetzen?“ Dies ist genau die Frage, mit der sich die säkulare Medizin und Psychologie in einer Sackgasse befinden. Der Ausweg ist nicht einfach, man kann ihn nur in einer Hinwendung zu Christus finden, in der Demut.
Metropolit Venjamin (Fedcenkov) schreibt: „Zweifellos existiert ein Zusammenhang zwischen dem Unglauben und der sogenannten Bildung. Aber das Problem liegt — unserer Meinung nach — nicht in der Bildung an sich, sondern in etwas anderem. Worin genau? In der mangelnden Demut. Oder schlicht im Stolz. Dies ist zumindest meine Meinung. Die Bildung hebt den Menschen aus den Massen heraus, verschafft ihm Vorteile, der Eigendünkel wächst… und daraus entsteht Hochmut. ,Glaube ist Demut’, sagt der hl. Barsanuphius der Große. Doch das ist noch nicht die Hauptsache; ein gebildeter Mensch beginnt, an sich selbst zu glauben: an seinen Verstand, sein Wissen, nicht an Gott, nicht an die Gnade Gottes.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Meine Mutter Galina Petrovna Avdeeva war die Leiterin der Klinik, an der ich 14 Jahre lang Patienten betreute. Sie — ein religiöser Mensch — versuchte auf alle nur mögliche Weise ein warmes christliches Klima im Krankenhaus zu schaffen. Unter ihrer Leitung arbeiteten wir ein Programm zur Unterstützung der Kranken in der Ambulanz aus. Einer der Hauptgedanken des Programms bestand darin, daß ein Herzinfarkt (oder eine andere schwere Pathologie) ein Ereignis ist, aus dem man unbedingt etwas für die Zukunft Wertvolles gewinnen, die Leiden in etwas Sinnvolles verwandeln und die Krankheit auf dem psychischen und spirituellen Niveau überwinden müsse. Mit Gottes Hilfe versuchten wir eine ganzheitliche Herangehensweise in der Einheit aller Bereiche der menschlichen Existenz: biologisch, sozial-psychologisch und geistlich. Der Slogan unseres Programms war: „Arzt und Patient auf der Suche nach dem Sinn.“
Mein geistlicher Vater, Priester Boris Zakirov, der mit den Fragen der Psychologie und Philosophie gut vertraut ist, kam häufig in unsere Klinik. Er traf sich mit den Ärzten, machte sich mit unseren Plänen vertraut, gab viele Kommentare dazu und segnete das Programm „zur Ehre Gottes und zur Hilfe für andere“. Den Patienten, die dies wünschten, begannen wir die Lehren der Heiligen Väter vorzulesen, besonders jene, in denen es um die demütige Annahme von Krankheiten um Christi willen ging. In meinem Büro hörten wir Aufnahmen von orthodoxem Gesang und trafen Priester. Nachdem ich aus dem Heiligen Land zurückgekehrt war, erhielten wir den Segen, uns mit dem Öl aus der Lampada vom Grab des Herrn und dem Grab der Allerheiligsten Mutter Gottes zu salben. Zu unserer großen Freude war die kardiologische Klinik nur 100m von der Kirche des Eintritts der Mutter Gottes in den Tempel entfernt. Einige der Kranken nahmen, soweit möglich, an den Gottesdiensten teil, bereiteten sich auf die Beichte und Heilige Kommunion vor. Bevor sie nach Haus entlassen wurden, waren sie wahrhaft orthodox geworden! Ehre sei Gott, der uns Gnade und Güte schenkt!
Mit besonderer Aufmerksamkeit lasen wir zusammen mit den Kranken und Genesenden die Lehren des hl. Theophan des Klausners. Wie klar, wie präzis spricht Bischof Theophan, dieser große Gottgefällige, über Krankheiten und ihre Bedeutung für unser Leben. Ich möchte mit Freude den Heiligen zitieren: „Alles ist von Gott, sowohl Krankheiten als auch Gesundheit, und alles, was von Gott ist, wird uns zu unserer Rettung gegeben. Daher sollte man seine Krankheit akzeptieren und Gott dafür danken, daß Er für die eigene Rettung sorgt. Auf welche Weise das, was Gott gibt, zu unserer Rettung dient, müssen wir nicht erforschen, denn man wird es vielleicht nie herausfinden. Manchmal schickt uns Gott etwas als Bestrafung, als Bußauflage; manchmal als Weckruf, um den Menschen zur Besinnung zu bringen; zuweilen, um jemanden aus einer Gefahr zu retten, die dem Menschen gedroht hätte, wäre er gesund gewesen; wiederum, damit sich der Mensch in Geduld übe und so eine größere Belohnung erhalte; dann wieder, um den Menschen von allen Leidenschaften zu reinigen, und aus anderen Gründen. Wenn du dich daher an deine Sünden erinnerst, sprich: ,Ehre sei Dir, o Herr, daß Du mir eine Bußstrafe zur Besserung auferlegt hast!' Wenn du dich daran erinnerst, daß du dich in der Vergangenheit nicht immer an Gott erinnert hast, sprich: ,Ehre sei Dir, o Herr, daß Du mir einen Grund gegeben hast, Deiner häufiger zu gedenken!“ (Werke Bd. 1, Brief 42, S. 41)
Die Heiligen Väter über Leidenschaften und Tugenden*
* Zusammenstellung: D. A. Avdeev als Anhang zu „Orthodoxe Psychotherapie“.
Wer den Weg der Geduld und Sanftmut gefunden hat, der hat den Weg des Lebens gefunden. Es ist besser, den Ärger mit L einem Lächeln zu unterbinden als unbändig zu toben.
Gereiztheit und Nachtragen sind dasselbe wie Schlangengift, denn sie verzerren das Gesicht, schwächen die Muskeln und führen dazu, daß der Mensch nicht die Kraft hat, das Werk [der Tugenden] zu verrichten; Sanftmut und Liebe aber legen dies alles ab.
Sei aufmerksam dir selbst gegenüber, daß du nicht von Jähzorn, Gereiztheit und Nachtragen erfaßt wirst, woraus ein Leben voller Unruhe und Unordnung folgt. Doch erlange Großmut, Sanftmut, Freundlichkeit und alles, was einem Christen zusteht, um ein friedliches und ruhevolles Leben zu führen.
Wenn du etwas gegen jemanden hast, oder es hat jemand etwas gegen dich, schließe Frieden. Wenn du dies nicht tust, wird alles, was du zu Gott bringst, nicht angenommen werden (Mk 11,25; Mt 5,23–24). Wenn du dieses Gebot des Herrn erfüllst, kannst du mit Freimut zu Ihm beten: „Herr, vergib mir meine Schuld, wie auch ich die meines Bruders vergebe und dadurch Dein Gebot erfülle.“ Und der Menschenliebende wird antworten: „Wenn du sie ihm erlassen hast, erlasse Ich sie auch dir. Wenn du vergeben hast, vergebe auch Ich dir deine Schuld.“
Denke nicht, daß du allein mehr zu leiden hast als jeder andere, Wie keiner, der auf Erden lebt, der Luft entfliehen kann, so ist es unvermeidlich, daß man von Kümmernissen und Krankheiten versucht wird. Wer mit dem Irdischen beschäftigt ist, wird irdischen Kummer erfahren; wer nach dem Geistlichen strebt, wird um des Geistlichen willen leiden. Doch die Letzteren werden gesegnet sein, weil ihre Frucht reichhaltig sein wird im Herrn.
Gott erlaubt nicht, daß eine Seele, die auf Ihn hofft und geduldig ist, in einem Maß geprüft wird, daß sie in die Verzweiflung fällt, das heißt, daß sie in Versuchungen und Leiden gerät, die sie nicht tragen kann (1 Kor 10,13). Und der Böse kann die Seele nicht versuchen und belasten, wie er es will, sondern nur so viel, wie Gott zuläßt. Möge die Seele einzig mutig erdulden, indem sie daran festhält, im Glauben zu hoffen und Gottes Hilfe und Hoffnung zu erwarten; und es ist unmöglich, daß sie verlassen wird.
Hl. Efrem der Syrer
Der Haß entsteht aus der Erinnerung an Verletzungen;
die Erinnerung an Verletzungen — aus dem Stolz;
der Stolz — aus der Eitelkeit;
die Eitelkeit — aus dem Mangel an Glauben;
der Mangel an Glauben — aus Hartherzigkeit;
die Hartherzigkeit — aus Nachlässigkeit;
die Nachlässigkeit — aus Trägheit;
die Trägheit — aus Verzagtheit;
die Verzagtheit — aus Ungeduld;
die Ungeduld — aus Eigenliebe.
Das Gebet hängt ab von der Liebe;
die Liebe — von der Freude;
die Freude — von der Sanftmut;
die Sanftmut — von der Demut;
die Demut — vom Dienen;
das Dienen — von der Hoffnung;
die Hoffnung — vom Glauben;
der Glaube — vom Gehorsam;
der Gehorsam — von der Einfachheit [Einfalt].
Hl. Makarius von Ägypten
Traurigkeit dürfen wir nur als gesund für uns erachten, wenn sie aus der Reue über die Sünden, einem eifrigen Verlangen nach Vollkommenheit oder aus der Betrachtung der zukünftigen Seligkeit entsteht. Der selige Paulus sagt darüber folgendes: Die gottgewollte Traurigkeit verursacht nämlich Sinnesänderung zum Heil, die nicht bereut zu werden braucht; die weltliclte Traurigkeit aberführt zum Tod (2 Kor 7,10).
Es gibt eine andere Art von Traurigkeit, die höchst unziemlich ist und die sündige Seele nicht mit der Absicht erfüllt, das eigene Leben zu bessern und sich von den Leidenschaften zu reinigen, sondern mit zerstörerischer Verzweiflung. Diese war es, die Kain nicht gestattete zu bereuen, nachdem er seinen Bruder ermordet hatte, und Judas nicht nach seinem Verrat nach Mitteln zur Wiedergutmachung suchen ließ, sondern ihn dazu brachte, sich zu erhängen, indem sie ihn in die Verzweiflung stürzte.
Hl. Johannes Kassian
Wer Enthaltsamkeit übt, ist nicht bekümmert, wenn er keine Nahrung erhält; der Keusche — daß er keine schändlichen Unanständigkeiten treiben kann; der Nichtzürnende — daß er keine Vergeltung übt; der demütige Weise — daß er der weltlichen Ehre beraubt ist; der Selbstlose — daß er einen Verlust erleidet. Sie haben in sich solche Begierden völlig getilgt — und daher fühlen sie keinen Kummer; denn die Leidenschaftslosen werden von keinem Kummer verletzt, wie die Pfeile den Gepanzerten nicht durchbohren.
Der Kummer entsteht aus dem, was abstoßend ist (Katastrophen, Leiden, Ärgernisse); aus dem Kummer erwächst auch ein düsterer Geisteszustand (wie man sagt: er ist schlecht gestimmt); und aus beidem entsteht unsinnige Streitsucht (mit jedem zürnen).
Wenn du den Kummer und den düsteren Geisteszustand unterbinden willst, dann ergreife die heiter gestimmte Liebe und hülle dich in sanftmütige Freude.
Hl. Nil vom Sinai
Der Zorn ist die Erinnerung eines verborgenen Hasses bzw. das Gedenken an erlittene Verletzungen. Der Zorn ist das Verlangen, demjenigen, der uns verletzt hat, Böses zuzufügen. Der Jähzorn (Galligkeit) ist die plötzliche Entflammung des Herzens. Die Bitterkeit ist ein unangenehmes (widerwärtiges) Gefühl des Herzens, das sich in der Seele niederläßt. Der Grimm ist die Zerstörung der guten Sitten und die Schande der Seele.
Der Zorn ist wie die schnelle Bewegung des Mühlsteins, die mehr geistlichen Weizen und Früchte in einem Augenblick zerstören kann, als etwas anderes in einem ganzen Tag zu tun vermag. Daher muß man sorgfältig auf sich achtgeben. Wie eine Feuersbrunst, entfacht von starken Winden, verbrennt und zerstört er das geistliche Feld schneller als ein langsames Feuer.
Wie die Finsternis beim Erscheinen des Lichtes verschwindet, so verschwindet alle Traurigkeit und aller Zorn vor dem Duft der Demut.
Hl. Johannes Klimakos
Wenn jemand gut zu uns ist oder wir Böses von jemandem erdulden, müssen wir zu den Höhen schauen und Gott für alles danken, das uns widerfährt und uns dabei stets selbst tadeln, indem wir sprechen — wie die Väter sagten: Wenn uns etwas Gutes widerfährt, ist dies Gottes Vorsehung, wenn uns aber Böses zustößt, dann geschieht dies wegen unserer Sünden, denn wirklich alles, was wir zu ertragen haben, erdulden wir aufgrund unserer Sünden. Wenn die Heiligen litten, so litten sie um Gottes Namen willen, oder damit sich ihre Tugenden offenbarten um vieler anderer willen, oder damit ihre Kronen und Belohnungen von Gott größer würden.
Hl. Abba Dorotheus
Der Herr ergänzt den Mangel an guten Werken entweder mit Krankheiten oder Kümmernissen.
Hl. Dimitij von Rostov
Wenn beispielsweise der Kranke plant, seine Krankheit guten Mutes zu tragen und das auch tut, legt es der Teufel, welcher weiß, daß sich der Mensch auf diese Weise fest in der Tugend der Geduld verwurzelt, darauf an, seinen guten Willen zu brechen. Zuerst bringt er den Menschen dazu, über alle guten Werke nachzudenken, die er vollbringen könnte, wenn er sich in einem anderen Zustand befände, und versucht ihn zu überzeugen, daß er — wäre er gesund — gut für Gott arbeiten könnte und was dies für Nutzen ihm und anderen bringen würde, er könnte zur Kirche gehen, Unterredungen führen, lesen und schreiben, um anderen zu helfen und so fort.
Der Feind, welcher erkennt, daß solche Gedanken Zustimmung erhalten, wiederholt sie immer häufiger, vervielfältigt sie und zeichnet sie heller, führt sie hin zu Gefühlen, läßt Wünsche entstehen und fordert zu entsprechenden Handlungen auf, indem er darstellt, wie gut diese oder andere Werke wären, ruft Selbstmitleid darüber hervor, daß man durch die Krankheit an Händen und Füßen gebunden ist.
Nach und nach verwandelt sich dieses Verlangen infolge der Wiederholung solcher Gedanken und Bewegungen in der Seele in Unzufriedenheit und Ärger. Der frühere gute Wille wird auf diese Weise zerstört, und man akzeptiert die Krankheit nicht länger als Arznei von Gott, sondern betrachtet sie als etwas, das nicht zum Werk der Rettung gehört. Der Wunsch, sich davon zu befreien, wird unkontrollierbar, wobei man immer noch die Freiheit von der Krankheit als Freiheit, gute Werke zu vollbringen und so dem Gott aller Wesen zu gefallen, ansieht.
Wenn der Mensch dort angelangt ist, stiehlt der Feind diesen guten Grund für den Wunsch, gesund zu sein, von seinem Geist und aus dem Herzen und — indem er nur noch den Wunsch nach Gesundheit um der Gesundheit willen zurückläßt — zwingt den Kranken dazu, auf die Krankheit mit Zorn zu blicken, nicht mehr, weil sie ihn daran hindert, Gutes zu tun, sondern weil er sie als Feind an sich erfährt. Daraus entsteht Ungeduld, die nicht durch gute Gedanken geheilt werden kann, Kraft raubt, sich in Klagen ergießt und den Kranken des früheren Friedens aus dem guten Seelenzustand der Geduld beraubt. Und der Feind freut sich, daß er es geschafft hat, ihn zu durchbrechen.
Auf genau dieselbe Weise zerrüttet der Feind den Armen, der geduldig sein Geschick trägt, indem er ihm darstellt, welch große Werke er vollbringen könnte, wenn er reich wäre.
Es ist leicht, diese Versuchungen loszuwerden, wenn derjenige, der einen erfahrenen geistlichen Führer, Berater oder Menschen, mit dem er sprechen kann, hat und seinen Weisungen in demütiger Unterordnung folgt. Doch wem aus irgendeinem Grund ein solcher Segen nicht zur Verfügung steht, der möge aufmerksam auf sich achten und lernen, strikt nach den Prinzipien des Christentums, auf denen unser ganzes Leben aufgebaut sein sollte, das Gute vom Bösen zu unterscheiden. Wenn Geschehnisse von Gott geschickt werden, die (wie uns scheint) unsere Möglichkeiten beeinträchtigen, den Spielraum guter Werke zu erweitern, dann akzeptiere sie mit Unterordnung und höre nicht auf irgendwelche Einflüsterungen, die dich von deiner Unterordnung abbringen. Wenn Gott ein solches Ereignis schickt, dann erwartet Er nichts von dir, außer daß du dich bewahrst und dich verhältst, wie es die Krankheit erfordert und gestattet. Krank oder arm, sei geduldig. Nichts außer Geduld verlangt Gott von dir. Wenn du guten Mutes erträgst, vollbringst du unablässig ein gutes Werk. Immer wenn Gott auf dich schaut, sieht Er, daß du Gutes tust oder im Guten existierst, wenn du den Zustand in guter Seelenverfassung erduldest, während ein gesunder Mensch Gutes nur in Abständen vollbringt. Warum willst du im Wunsch nach einer Veränderung deines Zustandes, das Bessere für das Schlechtere eintauschen?
Hl. Nikodemos vom Heiligen Berg
Gott erlaubt keine Versuchungen, die unsere Kräfte übersteigen. Der Meister schlägt das Kristall- oder Glasgefäß nur leicht an, um es nicht zu zerbrechen, doch das silberne oder bronzene schlägt er kräftig; auf diese Weise werden den Schwachen nur leichte, den Starken aber sehr schwere Versuchungen gegeben.
Der Zorn wird zu Haß und Rachlust, wenn er lange gehegt und im Herzen gespeist wird. Aus diesem Grund ist uns geboten, ihn schnell zu beseitigen, so daß er nicht zu Haß und Bosheit anwächst und auf diese Weise dem Übel ein noch größeres Übel hinzufügt. Die Sonne soll über eurem Zorn nicht untergelien. Gebt dem Teufel keinen Raum!,sagt der Apostel (Eph 4,26–27).
Hl. Tichon von Zadonsk
Man muß unbedingt versuchen, den geistlichen Frieden zu bewahren und sich nicht über Kränkungen entrüsten, sondern sie mit Gleichmut erdulden, als würden sie nicht zu einem gehören. Solch eine Übung wird dem Herzen Frieden geben und es zu einem Wohnort des Heiligen Geistes machen.
Wenn du nur wüßtest, welche Freude die gerechte Seele im Himmel erwartet, würdest du dich entschließen, allen Kummer, Verfolgungen und Verleumdungen mit Danksagung zu erdulden.
Wäre diese Zelle voller Würmer und zerfräßen sie unseren Köper im Verlauf des ganzen irdischen Lebens, so müßte man doch damit einverstanden sein, um sich nicht dieser himmlischen Freude zu berauben, die Gott jenen bereitet hat, die Ihn lieben.
Hl. Seraphim von Sarov
Wenn sich der Geist Gott unterwirft, unterwirft sich das Herz dem Geist. Darin besteht die Sanftmut. Was ist Sanftmut? Sanftmut ist die demütige Hingabe an Gott, vereint mit dem Glauben, gesegnet durch Gottes Gnade.
Hl. Ignatij Brjančaninov
Züchtigung an sich heilt den Menschen nicht von seiner Sündhaftigkeit. Es kann jemand furchtbar leiden, doch diese Leiden werden ihm als Prüfung geschickt, ob er sie geduldig erträgt, mit Unterwerfung, und Gott dafür dankt, daß Er ihm das einzig vertrauenswürdige Mittel, das zu den himmlischen Wohnungen führt, gegeben hat, oder ob in ihm Zorn aufkommt, Gereiztheit, Haß auf jeden in der Umgebung, ob er Worte der Verzweiflung spricht und vielleicht sogar die Ursachen, die diese Leiden verursacht haben, verflucht. Dann wird er nur seine Sündhaftigkeit vergrößern und den alten, noch nicht bereuten Sünden durch diese Leiden eine weitere hinzufügen, eine der schlimmsten aller Sünden: die Auflehnung gegen Seinen heiligen Willen.
Hl. Makarij, Metropolit von Moskau
Maßlose Trauer über die Sünden, die den Punkt der Verzweiflung erreicht, wird in den Lehren der Heiligen Väter zurückgewiesen. Die Trauer sollte von der Hoffnung auf die Barmherzigkeit Gottes aufgelöst werden; man sollte zugleich trauern und hoffen. Trauern, weil wir Gott mit unseren Sünden erzürnen und uns von Ihm entfernen. Hoffen, weil wir einen allmächtigen Arzt für unsere Sünden haben, den Herrn Jesus Christus, der sein Blut für uns vergossen hat. Um nicht Anlaß für Gereiztheit und Zorn zu geben, darf man sich nicht übereilen.
Hl. Amvrosij von Optina
Wo ist das wahre Ideal, das die ganze menschliche Natur in ihrer Fülle und nicht endenden Entfaltung umfaßt, allen nahe und zugänglich ist, leicht erfahrbar; das den Schwachen Geringeres, den Starken Größeres gibt, alle aber anzieht und befriedigt? Es gibt nur ein solches Ideal — das ist der Gott der Christen: Seid daher vollkommen, so wie euer Vater im Himmel vollkommen ist…
Versucht einem Menschen das größte Bedürfnis der Natur zu zeigen, das in Ihm keine Befriedigung fände; stellt euch die höchste Vollkommenheit vor, in der Er nicht wäre. Er ist Wirklichkeit, Liebe, Güte, Reinheit, Wahrheit, Selbstlosigkeit, Selbstverleugnung, Liebe zur Mühe, Geduld und Kühnheit — aber wer vermag all Seine Vollkommenheiten aufzuzählen? Ist es nicht so, daß Er nicht in den Geist der Zeit paßt, weil keine Leidenschaften in Ihm sind, mit denen wir uns rechtfertigen können und die Er uns nicht durchgehen läßt, denn auf Seinen Lippen wurde kein Falsch gefunden (Js 53,9).
Christliche Eltern bringen ihre Kinder zu Ihm, stehen vor Ihm in dieser heiligen Schule, welche die Kirche genannt wird. Hier wird die Erziehung gemäß aller Gesetze der menschlichen Entwicklung vollbracht.
Zunächst durch die Sinne — durch Eindrücke. Wie der Mensch die Natur wahrnimmt und ihre Schönheit in ihren allgemeinen Erscheinungsformen vor jedem Lernen zu lieben beginnt, indem er mit ihr durch einfache Betrachtung und kindliche Erfahrungen vertraut wird, so kommen in der Kirche Gottes die ersten Begriffe von Gott — die frühesten und wichtigsten im Leben des Menschen -durch die Betrachtung von Bildern, Handlungen und Symbolen, die auf die geistliche Welt verweisen.
Die Mutter, das Ziel der ganzen Liebe und Zärtlichkeit des Kindes, steht mit einem ehrfürchtigen Ausdruck und betet vor der Ikone des Erlösers; das Kind schaut auf sie, dann auf das Bild — und verlangt keine langen Erklärungen darüber, was das bedeutet. Dies ist der erste, stille Unterricht in der Ehrfurcht vor Gott, die durch keine kunstvolle Rede eines religiösen Lehrers ersetzt werden kann.
In diesen Unterrichtsstunden kann man den Augenblick erleben, in dem die Kinder zu verstehen beginnen, was in der Kirche gelesen oder gesungen wird. Wir wissen nur, daß wir unseren Erlöser lange vor dem katechetischen Unterricht geliebt haben, denn wir hörten oft Lesungen über Ihn, beteten oft zu Ihm, küßten Sein Evangelium, weinten über Ihn, wenn die Leidensevangelien gelesen wurden und freuten uns aus ganzem Herzen, wenn wir Seine Lichte Auferstehung feierten.
Dieses Reichtums an gesegneten Eindrücken und der eigentliche Gnade Gottes berauben Eltern ihre Kinder, wenn sie sie nicht in die Kirche bringen, um von frühester Kindheit an die Heilige Kommunion zu empfangen, mit der Begründung, das Kind verstünde nichts — als ob nur eine analytische Weisheit der Führer zu allen Einflüssen sei, die auf die Entwicklung des Menschen einwirken! Insbesondere wird hierbei das religiöse Empfinden des Menschen aufgebaut, der Hauptantrieb des geistlichen Lebens. Der Verlust dieser Zeit und Methode zur Entwicklung des Herzens ist ein irreparabler Verlust. Später wird das Kind auch abstrakte Begriffe lernen und das im Unterricht Gelernte wiederholen, doch das Herz, das schon von anderen Einflüssen und Tendenzen besetzt ist, wird dumpf und taub gegenüber geistlichen Eindrücken sein.
Erzbischof Amvrosij (Ključaev)
Der Mensch, welcher dem Zorn unterworfen ist und Bosheit atmet, fühlt deutlich die Gegenwart einer bösen, feindlichen Kraft in seiner Brust; in der Seele bringt sie genau das Gegenteil dessen hervor, was der Erlöser über Seine Gegenwart sagt: Mein Joch ist sanft und meine Last leicht (Mt 11,30). In jener Gegenwart aber fühlt man sich grauenhaft schlecht und schwer — sowohl geistlich als auch körperlich.
Hl. Johannes von Kronstadt
Klage nicht, mein Kind, das ist nicht nötig, denn wenn der Herr dich vergessen hätte oder dir gegenüber nicht barmherzig wäre, würdest du nicht leben. Du siehst nur Seine Erbarmungen nicht, denn du willst deine eigenen und betest für deine eigenen, doch der Herr weiß, was besser und gesünder für dich ist. Immer bete, natürlich, um die Befreiung von Kummer und von deinen Sünden, aber am Ende deiner Gebete füge stets hinzu: „Doch es möge Dein Wille geschehen, Herr.“
Starez Alexij Zosimovskij
Wieviel die Seele ansammeln kann im Erdulden von Kümmernissen, soviel kann sie auch von der Gnade Gottes aufnehmen.
Starez Alexander von Gethsemane
Wenn der Herr die Kranken heilt, fügt er gewöhnlich hinzu: „Deine Sünden sind dir vergeben.“ Daraus können wir folgern, daß die Mehrzahl der Krankheiten als Bestrafung für Sünden geschickt werden. Aus diesem Grund sollten wir, wenn uns eine Krankheit heimsucht, nicht bekümmert sein, sondern uns freuen, denn sie dient zum Nachlaß unserer Sünden.
Wenn der Mensch erkennt, daß alles in seinem Leben durch den Willen Gottes geschieht und dies niemals vergißt, erduldet er alle Enttäuschungen und Veränderungen des Lebens leicht, denn er versteht, daß alles vom Herrn zu seinem Gewinn oder zur Tilgung von Sünden geschickt wird, und daher ist er stets ruhig und voller Freude.
Erzbischof Alexander (Tolstopiatov)
Erduldet Verletzungen, Tadel, Ungerechtigkeiten, tragt einander die Lasten im Wunsch, die Mängel im geistlichen Werk auszu-gleichen. Man muß sich für würdig halten, alle Kränkungen und Schwierigkeiten zu verdienen („Wir empfangen, was unsere Taten verdienen“).
Ist Ihnen bekannt, daß die Menschen am Ende der Zeit die Rettung durch Leiden erlangen werden? Sind wir von diesem Gesetz ausgeschlossen? Nicht umsonst empfahlen die Heiligen Väter, sich häufiger (viele Male am Tag) an den Tod zu erinnern, an das Gericht, an die Notwendigkeit, vor Gott für jedes Wort, jede Tat, jeden Gedanken, jede Hinterlist, Anhänglichkeit an die Welt, Eitelkeit, für alles, was im verborgenen geschieht und nur dem Herrn und dem eigenen Gewissen bekannt ist, Rechenschaft ablegen müssen.
Igumen Nikon (Vorobjev)
______________________________________________________________________
Copyright © Dmitry A Avdeev
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
+7-926-533-09-09