Predigt am 8.10.2022, Lk 5:1-11
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn,
in der Sonntagslesung aus dem Evangelium hören wir am heutigen Tag über den Fischzug des Petrus. Diese Geschichte hat man schon in diversen Auslegungsvarianten behandelt und daher ist sie uns zur Genüge bekannt. Doch wir wissen, dass das Evangelium eine unermessliche Tiefe der Wahrheit ist und kann trotz der Schlichtheit seines Inhaltes lebenswichtige Dinge enthalten.
Auch jetzt scheint mir solche auf den ersten Blick unbemerkbare Aussage von Petrus bedeutsam zu sein. Als er sah wie beide Boote auf eine unerklärbare Weise voll mit Fischen wurden, sagte er Jesus „Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch.“ Er schrie, weil er Angst hatte, was in dieser Situation für jedermann verständlich und ist. Das ist eine normale Reaktion auf die Dinge, die einem nicht geläufig sind. Wenn man selbst an einem Wunder teilnimmt oder dessen Augenzeuge ist, sind dann Angst und Strebung, sich irgendwo zu verstecken, eine Antwort des gesunden Verstandes. Zudem hat Petrus nach diesem Wunder nicht gesucht! Was ihm widerfahren ist, war für sein Leben selbstverständlich, denn es folgte aus seinem tiefen Glauben und der Ehrfurcht. Wenn man aber im Leben nur nach Wunder bzw. Zauberei sucht, die einem angeblich ein märchenhaftes Leben ermöglichen sollten, ist kein normaler Mensch. Vielleicht ist er psychisch und auch körperlich völlig gesund, fehlt ihm aber die angemessene Gottesfurcht, wie es bei Jesaja der Fall war: "Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen; denn ich habe den König, den HERRN Zebaoth, gesehen mit meinen Augen.“ Das ist eine gesunde Antwort auf die furchterregende Begegnung mit dem Herrn: Ich bin unwürdig, ich bin voller Sünden, geh weg von mir.
Man darf ein Wunder nicht suchen, nach ihm verlangen. Im christlichen Leben ist alles umgekehrt: Wunder selbst finden die Bedürftigen, und aus dem Verhältnis zu ihnen erwächst dann gewisse Handlung unseres Herrn. So war auch bei Jesaia: „Da flog einer der Seraphim zu mir und hatte eine glühende Kohle in der Hand, die er mit der Zange vom Altar nahm, und rührte meinen Mund an und sprach: Siehe, hiermit sind deine Lippen berührt, dass deine Schuld von dir genommen werde und deine Sünde gesühnt sei.“ Dasselbe geschieht mit uns bei jeder Liturgie. Der Leib Christi ist diese glühende Kohle, die der Priester vom Opfertisch nimmt und wie der Seraphim unter uns verteilt. Somit werden auch unsere Sünden getilgt. Ist das nicht das wahre Wunder, dass man jeden Sonntag die Gelegenheit hat, dem lebendigen Christus zu begegnen? Wir brauchen deshalb den Glauben des Petrus und die Furcht Jesaias, um die Sühne unserer Sünden zu erhalten.
Noch ein Aspekt dieser Geschichte möchte ich hervorheben: Alle Wunder dieser Welt, die von unserem Herrn herabfahren, geschehen und geschahen in voller Ruhe. Hier meine ich die Entfernung von allerlei Hektik unseres Lebens und davon hervorquellende Ruhe des Herzens. Petrus über seinen außergewöhnlichen Glauben hinaus hatte - denke ich - noch vor seiner Bekehrung diese vollkommene Ruhe. Er wusch die Netze, als Jesus kam. Solche andauernde Handarbeit erfordert entsprechende Konzentration und Ruhe. Jeder Handwerker kann dem nur zustimmen. Auch bei den Christen finden wir eine Erklärung dafür. Denn die frühchristlichen Asketen wußten, dass die monotone Arbeit zum Heranwachsen im geistlichen Leben beiträgt und führten diese als eine notwendige Beschäftigung während des Jesugebets ein. Auch der Heilige Seraphim von Sarow, der im wilden Walde lebte, konnte der Gottesgebärerin mehrmals an diesem abgeschiedenen Ort begegnen. In solchen Wäldern bzw. Wüsten veränderte sich die gesamte Weltgeschichte, als die Heilige von dort aus durch ihr Gebet die wichtigen Ereignisse beeinflussten.
Wenn wir all das auf unser heutiges Leben übertragen, können auch wir, liebe Geschwister im Herrn, hier in dieser Weimarer Kirche die Kriege stoppen, die Kranken heilen oder die Reisenden bis zu ihrem Zielpunkt hin begleiten, sobald wir uns allesamt an den Herrn in der Ruhe unseres Herzens wenden. Jedoch hemmt Mangel an diese Ruhe, an die Entfernung vom Alltäglichen die Antwort auf unsere Gebete, und man sieht diese unerfüllt. Das führt wiederum zur offenen Anklage Gottes, zu den Vorwürfen, dass sein Schweigen ein untrüglicher Beweis seiner Nichtexistenz sei. Um diesem Schicksal der Gotteslästerer zu entkommen, wollen wir heute eine Bitte um die Auffindung unserer Ruhe und zugleich um die Erfüllung unserer Hoffnung an Christus und an seinen Fels Petrus richten. Mögen wir uns der Wunder unseres Herrn würdig erweisen! Amen.