21. Mai/ 3. Juni. Hl. Apostelgleicher Konstantin und seine Mutter Helena

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Liebe Brüder und Schwestern!
Ich bin der Hirte, – spricht der Herr zu Seinen Jüngern. Ich bin der gute Hirte… (Jo. 10, 11). Der Herr erläutert, wodurch sich ein wahrer Hirte auszeichnet: die Schafe kennen Seine Stimme und hören auf Ihn. So vernahm der heilige Kaiser Konstantin, dessen Gedächtnis wir heute feiern, die Stimme des Herrn, nahm Seine Lehre an, begann ein christliches Leben zu führen, und wurde selbst zu einem wahren Hirten seiner Herde: obwohl weltlicher Kaiser, wurde er gleichzeitig auch zum geistlichen Führer, und Vorbild für die gläubige Herde seiner Zeit.
Nun reicht es aber nicht aus, daß die Schafe die Stimme des Hirten kennen und auf die hören. Der Herr bewahrt sie vor jeglichem Übel dadurch, daß sie keine fremde Stimme (Jo. 10, 5) kennen und erhören. Für uns, liebe Brüder und Schwestern, ist es nicht ausreichend, daß wir die Worte des Herrn hören. Wir müssen nicht hören, weghören, aktiv unsere Ohren verschließen, wenn die Stimme eines fremden, die Stimme eines Möchtegern-Hirten an unser Ohr dringt, von denen uns in unserer Zeit so viele begegnen.
Schon zum Zeitpunkt der Fleischwerdung des Wortes Gottes auf der Erde erschien sofort auch Herodes, der sich gegenüber Gehorsam forderte. Doch fromme Menschen wußten, daß dies eine fremde Stimmem war, und unterwarfen sich deshalb nicht seinem Willen. In der Mitte unseres Jahrhunderts, liebe Brüder und Schwestern, sehen wir neue Herodesse, die an dieser Stelle hier tausende und abertausende Menschen – zweifellos sündige, aber unschuldige Menschen – einem schrecklichen Tod auslieferten. Dasselbe geschieht auch heute wieder, wo das unschuldige serbische orthodoxe Volk unter den jetzigen Herodessen leidet.
Der Herr nimmt diese lebendigen Opfer an, lebendige Tempel Gottes, die Ihm dargebracht werden, da sie Seine Stimme hören und sich nicht gewaltsam widersetzen, sondern den von Ihm Selbst vorgezeichneten Weg beschreiten. Der Herr Selbst konnte nur deshalb mit einer Stimme sprechen, auf welche die Schafe des Wortes hören, weil Er Selbst nicht nur Hirte war, sondern gleichzeitig auch Schaf – das makellose Lamm, das man Gott für die Sünden der Welt darbringt. Er Selbst, der Hirte, brachte Sich als Lamm dar, als lebendiges Opfer auf dem Opfertisch Gottes, um uns, liebe Brüder und Schwestern, von der Sünde und ihren Folgen zu befreien. Und wir müssen unsere geistigen Ohren lehren, auf die Stimme zu hören – nicht nur die Stimme dessen, der in der Wüste ruft, sondern auf die Stimme des Guten Hirten Selbst, Der unsere Rettung wünscht.
Wir sehen die Gesetzlosigkeit, die in dieser Welt herrscht, die hier 1945 stattfand, und die jetzt, in unseren Tagen auf dem Kosovo und in Serbien um sich greift. Nicht wir sind dazu berufen, jene unglücklichen Menschen zu richten, die längst vom Glauben an Christus abgerückt und ihres menschlichen Antlitzes verlustig gegangen sind, die solches Übel über diese Welt bringen. Uns ist es gegeben – nicht solche Menschen in uns und um uns selbst heranzubilden. Macht sich denn die Heuchelei etwa nicht auch in uns breit? Und das nicht nur einmal, im Jahre 1945, sondern jeden Tag und jede Stunde unseres Lebens? Und was tun wir dafür, um uns selbst von der Heuchelei zu befreien, von jeglischem Übel, das in unserem täglichen Leben geschieht und an dem wir teilhaben – bewußt oder unreflektiert? Wir wissen wohl, daß 1945 hier einzelne englische Soldaten und sogar ganze Einheiten den Gehorsam gegenüber dem gesetzlosen Befehl verweigerten. Aber eben nicht alle! Andere übernahmen die Aufgabe, andere vollbrachten dieses Verbrechen. Aber begehen wir etwa nicht tagtäglich ähnliche Verbrechen – wenn wir unsere Zeit vertrödeln, anstatt uns Gott zuzuwenden, wenn wir unseren Schöpfer vergessen, wenn wir darüber hinwegsehen, daß wir am Mord unschuldiger Seelen teilnehmen, wenn wir in unserer Gesellschaft zahllose Morde zulassen, die Tag für Tag vollbracht werden?
Horchen wir, liebe Brüder und Schwestern, auf das ewig lebendige Evangelium. Der Herr ist der Gute Hirte, der Herr ist zu gleicher Zeit auch das Lamm. Wie, auf welche Weise konnte Er in Sich die Eigenschaften beider miteinander vereinen? Durch Seine Sanftmut, seine Demut, mit der Er bereit war, auf das Kreuz zu steigen. Und deshalb, liebe Brüder und Schwestern, muß der Weg des Kreuzes auch für uns natürlich sein, da wir in natürlicher Weise zu ihm berufen sind. Selbstverständlich müssen wir diesen Weg auf uns nehmen, wenn der Herr das von uns fordert. Im Leben jedes Einzelnen von uns kann dies unterschiedliche Formen annehmen. Wenn uns z. B. berufliche Verpflichtungen zur Teilnahme an bösen Werken zwingen, so müssen wir umgehend ohne nachzudenken diesen Arbeitsplatz verlassen. Tut in unserer Familie jemand irgendetwas Unrechtes, so sind wir berufen, ihn zurechtzuweisen und zur Vernunft zu bringen, und dem Unrecht Einhalt zu gebieten. Widmen wir selbst nicht genügend Zeit und Kraft dem Gebet, so müssen wir unseren gesamten Organismus umorientieren und uns zum Zu-Hören, Ge-Horchen, zu Harmonie und Einklang mit Christus bringen. Nur in diesem Zustand können wir Seine Stimme hören – nicht mit äußeren Ohren, sondern mit unserem ganzen inneren Wesen, unserem Herzen, das Christus gehorcht und dem Tragen des Kreuzes zu-stimmt. Amen.