Über die Ursprüngliche Ursache der Trunksucht

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!

 
Liebe Brüder und Schwestern,
Gärtner sind es gewohnt, in ihren Gemüsegärten gegen das Unkrautanzukämpfen. Dabei verhalten sie sich auf verschieden Weisen. Erfahrene Gärtner bemühen sich, das Unkraut mit der Wurzel auszurotten. Unerfahrene oder Faule reißen dagegen einfach die grünen Sprossen ab und lassen die Wurzel in der Erde, und sehr bald taucht das Unkraut in ihren Gemüsebeeten wieder auf. Sie reißen diese erneut ab, aber sie kommen immer wieder – und immer stärker.
Der Kampf gegen die Trunksucht kann einem solchem vergeblichen Kampf gegen das Unkraut ähneln– wenn man nicht zuvor klärt, was die ursprüngliche Ursache der Trunksucht ist. Warum trinken die Menschen?
Auf diese Frage habe ich schon viele verschiedene Antworten gehört. Eine der verbreitetsten – die auch hier auf diesem Kongress in vielen Vorträgen vorgebracht wurde – ist, dass die Menschen die Wahrheit über den Alkohol und all seine tödlichen Folgen nicht kennen Und daher eben trinken würden. In dieser Antwort ist ein Teil Wahrheit, und zwar ein großer Teil. Tatsächlich wären vielen Menschen, wenn sie die ganze Wahrheit über den Alkohol erführen, viel verantwortungsbewusster und ernsthafter gegenüber seinem Konsum eingestellt; aber beileibe nicht alle. Deshalb steckt in dieser Antwort nur ein Teil der Wahrheit, aber nicht die ganze Wahrheit.
An dieser Stelle wäre es vielleicht angebracht, daran zu erinnern, dass diese Erklärung der Ursache eines Lasters – als Fehlen der wahren Kenntnis seiner Schädlichkeit – vorchristlich ist. Sie stammt so unter anderem von Sokrates. Dies war eben seine Meinung: die Menschen täten Böses und sündigten nur deshalb, weil ihnen das Gute nicht beigebracht worden sei. Man bräuchte ihnen nur beizubringen, tugendhaft zu leben; dann würden sie aufhören, lasterhaft zu leben. Das Christentum glaubt aber, dass die Sünde viel tiefer in der Natur des Menschenwurzelt als sein Intellekt und seine Erkenntnisfähigkeit. Der Mensch könne wohl erkennen, was gut ist und was böse sei; mehr noch, er könne sich sogar das Gute wünschen; aber er würde dennoch schlecht handeln. Bemerkenswert sind in dieser Hinsicht die Worte des Apostels Paulus in seinem Brief an die Römer: „Das Wollen ist bei mir vorhanden, aber das Vollbringen dessen, was recht ist, [finde ich] nicht. Denn das Gute, das ich will, übe ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht will, dieses tue ich… Denn ich habe Wohlgefallen an dem Gesetz Gottes nach dem inneren Menschen; aber ich sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetz meines Sinnes widerstreitet und mich in Gefangenschaft bringt unter das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist.“ (Röm.7:18-19; 22-23)
Bei Trinkern ist es auch angebracht zu fragen: Wissen sie etwa nicht um den Schaden, den ihnen der Alkohol antut? Wissen sie nicht, dass ihre Familien Not leiden und bei ihnen zu Hause wegen des Alkohols ständig Unheil geschieht? Wissen sie nicht, dass sie bei der Arbeit ständig Probleme haben? Wissen sie nicht, dass sie ihre Gesundheit zerrütten? Das alles wissen sie meist besser als wir – da sie jeden Tag all diese tödlichen Folgen des Alkoholkonsums erleben. Sie wissen es; und die Meisten hassen ihr betrunkenes Leben selbst. Sie zeigen es vielleicht nicht und werfen sich in die Brust; aber in ihrer Seele fühlen sie sich schwermutig, ekelhaft, widerlich. Manch Anderer kommt auch direkt zur Beichte und klagt: „Vater, mir hängt alles so dermaßen zum Halse heraus…“ So ist das eben: da weiß einer, dass das Trinken schlecht ist und will damit aufhören – aber es gelingt ihm nicht. Und das heißt, dass seine Erkenntnis nicht ausreicht. Die Grundursache der Trinksucht liegt also nicht in fehlender Erkenntnis – aber worin dann?
Einer meiner Vorredner hat ausgeführt, dass der Alkoholkonsum in Russland in den Jahren der Breschnew-Regierung drastisch gestiegen war. In diesen Jahren konnte ich tatsächlich solche Erklärungen für die menschliche Trunksucht hören; es wurde gesagt: „Wir alle wurden in eine dunkle, ausweglose Ecke gedrängt. Keine schöpferische Tätigkeit ist uns möglich. Den Menschen ist es verboten, sich zu verwirklichen oder wenigstens zu äußern. Überall ist nur Lüge, Verrat, Heuchelei…“ Dies sollte der Grund gewesen sein, warum die Menschen trinken: Ausweglosigkeit. In dieser Antwort steckt ein Teil Wahrheit – aber nicht die ganze Wahrheit. Dies zeigt sich in der heutigen Zeit. Denn wir leben ja in einer einzigartigen Zeit. Noch nie in Russland gab es eine Zeit solch grenzenloser Freiheit. Es gibt nie dagewesene Möglichkeiten zu  schöpferischer Tätigkeit und Selbstverwirklichung. Denn bei uns ist es ja jetzt so: jeder kann tun, was er will. Willst du Satanist sein – sei Satanist, willst du homosexuell sein – sei homosexuelle willst du dich prostituieren – sei Prostituierte. Du kannst dich äußern, wie du willst. Willst du ein Geschäft eröffnen – beschäftige dich mit Ökonomie und Kommerz. Und haben wir, mit diesen Möglichkeiten zu schöpferischer Tätigkeit und Selbstverwirklichung, das Trinken aufgegeben? Wenn es nur so wäre. Aber die statistischen Daten zeigen: heute wird sogar noch mehr getrunken als in der Breschnew-Ära. Das bedeutet, dass der Hauptgrund des Trinkens nicht das Fehlen schöpferischer Tätigkeiten ist. Aber was dann?
In den Jahren der marxistisch-leninistischen Ideologie herrschte in Russland ein gängiges Motto, geprägt von Marx und übernommen von Lenin: die Religion sei das „Opium des Volkes“. Dieser Ausspruch ist sicherlich grob und falsch; doch scheint nicht einmal der Urheber selbst vermutet zu haben, wie nah er der Wahrheit gekommen wäre, wenn er die Begriffe umgestellt und gesagt hätte: „Opium ist in gewissen Fällen ein Surrogat für Religion“.
Wir wissen, dass es sowohl „echte“ Dinge gibt als auch Ersatzstoffe. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür sind die modernen Möbel, die in unseren Wohnungen stehen. Sie sehen aus wie aus Holz – sogar aus teurem Holz – aber das scheint nur so. In Wirklichkeit bestehen sie aus lackierten Kunstfasern und verleimten Sägespänen. Und unser modernes Leben ähnelt häufig solchen modernen Möbeln …
Es gibt also Dinge, die echt sind, und Dinge, die nachgemacht sind. Doch haben sie stets gemeinsame Eigenschaften. Deswegen finden ja die Nachahmungen auch ihren Platz unter der Sonne. Andererseits hätte sie eigentlich niemand gebraucht. Was aber haben denn nun Religion und Opium gemeinsam?
Wesen der Religion ist die Gemeinschaft mit Gott. Über dieses Wesen verfügt Opium sicherlich nicht. Aber eine Frucht dieser Gemeinschaft mit Gott – natürlich nicht die einzige, doch eine der wonnigsten – ist die Freude, die Gott in die menschliche Seele herniedersendet. Diejenigen, die diese Freude kennengelernt haben, werden sie nie und mit nichts verwechseln. Sie ist unvergleichlich. Und wenn Gott sie gibt, dann ist nichts und niemand imstande, sie uns wegzunehmen. Die Menschen gingen für Christus in den Tod, und sogar im Angesicht des Todes – gibt es eine schrecklichere Situation? – sogar im Angesicht eines schrecklichen und qualvollen Todes freuten sich die Menschen noch.
Also ist Freude, meiner Ansicht nach, eben die Eigenschaft, dank der Opium seine Stelle unter der Sonne findet.  Denn auch Wein, auch wenn er oft verdammt und beschimpft wird – wir müssen aber auch die Wahrheit sagen – gibt Freude. Denn wenn er nur das nackte Elend geben würde – wer wollte ihn dann trinken? Euch sind wahrscheinlich die Bibelworte des Psalmisten geläufig, den trinkende Menschen gerne zitieren – dass „Wein des Menschen Herz erfreue“. Ich verstehe, wenn ein strikter Abstinenzler über diesen Spruch nicht erfreut ist. Und ich bin damit einverstanden, wenn so eine Rechtfertigung des Trinkens als Lästerung und Hohn des Wortes Gottes angesehen wird. Aber seinem Wesen nach ist dieser Spruch –wie jeder Spruch in der Bibel – die pure Wahrheit. Und hier denke ich mir nichts aus, sondern wiederhole nur das, was die Heilige Schrift sagt; und in dieser steht – auch wenn es Einigen nicht gefallen mag – weder eine Verurteilung des Weines als solchem noch eine Predigt für die absolute Nüchternheit. Das Wort Gottes verurteilt zwar die Trunksucht – „Trunkenbolde werden das Reich Gottes nicht ererben“ (1 Kor 6,10) – gegenüber dem Wein ist die Einstellung aber zweideutig. Einerseits rät der weise Salomo: „Schau nicht nach dem Wein, wie er rötlich schimmert, wie er funkelt im Becher: Er trinkt sich so leicht! Zuletzt beißt er wie eine Schlange, verspritzt Gift gleich einer Viper“ (Spr 23,31-32). Aber an einer anderen Stelle schreibt er auch: „Gebt berauschenden Trank dem, der zusammenbricht, und Wein denen, die im Herzen verbittert sind. Ein solcher möge trinken und seine Armut vergessen und nicht mehr an seine Mühsal denken“ (Spr 31,6-7). Das ist das Alte Testament, noch vor Christus; aber nach Christus schreibt Apostel Paulus im Sendschreiben an die Römer: „Es ist gut, kein Fleisch zu essen, noch Wein zu trinken, noch etwas zu tun, worin dein Bruder sich stößt oder sich ärgert oder schwach ist“ (Röm 14,21). Aber auch dieser Apostel Paulus rät seinem Schüler Timotheus: „Trinke nicht länger nur Wasser, sondern gebrauche ein wenig Wein, um deines Magens und deines häufigen Unwohlseins willen“ (1 Tim 5,23). Selbst unser Heiland, der Herr Jesus Christus, hat sich manchmal – wenn wir seine Taten mit den Augen eines strikten Abstinenzlers betrachten – seltsam verhalten. Stellt euch vor, man lüde einen solchen strikten Abstinenzler auf eine Hochzeit ein. Er weiß, dass dort Wein getrunken wird. Was würde er tun? Wenn er allzu überzeugt ist, dann würde er wohl gar nicht hingehen. Wenn er sich aber überreden lässt und doch hingeht – was würde er dann wohl denken, wenn es auf der Hochzeit hieße, dass das Wein alle ist? Wahrscheinlich: „Ach, Gott sei Dank! Endlich werden sie jetzt aufhören zu trinken.“ Wenn er aber gebeten würde, mitzuhelfen, noch mehr Wein heranzuschaffen, würde er sich wohl empört weigern, sich vielleicht sogar verspottet fühlen. Der Herr aber fühlte sich weder verspottet noch hat er sich empört, sondern hat den Wunsch erfüllt… Wer das Evangelium kennt, weiß bereits, dass ich vom allerersten Wunder des Heilandes spreche, bei dem ER auf der Hochzeit zu Kana in Galiläa Wasser in Wein verwandelte.
Wasser ist eine gute und sogar lebenswichtige Sache. Ohne Wasser kann man nicht leben. Doch ist es für den Menschen zu wenig, einfach zu leben. Der Mensch braucht auch Freude im Leben. Denn ohne Freude wird sich sein Leben nicht richtig anfühlen,  und er wird sich davon verabschieden wollen. Solch ein freudloses Leben endet früher oder später in einer Schlinge oder einer Pistole an der Schläfe, oder der Kopf wird auf eine Eisenbahnschiene gelegt… Und der Mensch, der diesen Hunger nach Freude verspürt, sucht sie überall wo nur möglich. Wenn er sie nicht in der Religion finden kann, findet er sie im Wein. Denn der Mensch ist ein Wesen, das stets den Weg des geringsten Widerstandes geht, weil das einfacher ist. Und Freude am Wein zu verspüren – was wäre noch einfacher? Dafür werden  – im Gegensatz zur Religion – weder Tugendtaten noch spirituelle Fortschritte noch Askese verlangt… Der Preis von Spirituosen ist sehr gering. Es ergibt sich also eine leichte und billige Quelle der Freude. Sicherlich: diese Freude ist flüchtig, ephemer, künstlich, falsch – und doch ist solch eine Freude besser als gar keine. Jeder vernünftige Mensch würde zugeben, dass es besser ist, Möbel aus Edelholz zu haben, als aus Sperrholz; wenn es aber keinen Edelholztisch gibt, kann man auch auf einer Sperrholzplatte zu Mittag essen – denn dies ist immer noch besser als ganz ohne Tisch.
Allerdings verwandelt sich diese Freude am Wein dann in solche Qualen und Schmerzen, wie sie nicht einmal viele Asketen und Glaubenszeugen erlebt haben. Diese wohlfeile Freude kostet den Menschen häufig allzu viel. Dies ist fast schon ein Grundgesetz in der Wissenschaft über Freude und Schmerz, von denen es keine Ausnahmen gibt. Die Heiligen sagen, dass Freude und Schmerz sowohl mit der Tugend als auch mit der Sünde einhergehen. Aber ein tugendhafter Mensch spürt zuerst den Schmerz, wenn er den spirituellen Kampf mit der ihn verführenden Sünde aufnimmt; dann aber freut er sich, wenn er die Sünde mit Hilfe Gottes überwindet. Beim Sünder ist es umgekehrt: zuerst freut er sich, wenn er sich der Sünde hingibt – dann aber spürt er den Schmerz. Und wenn er keine Buße tut, wird er in der Hölle ewig diesen Schmerz erleiden. Doch glauben die Menschen heutzutage, anstatt die Heiligen zu lesen und sie zu beherzigen, lieber allen möglichen Quatsch aus dem Fernsehen. Und so geraten sie in ihrer Hetzjagd nach wohlfeiler Freude an den Haken des Teufels. Und bald schon wären sie heilfroh, wenn sie wieder von diesem Haken loskämen; aber dies ist gar nicht so einfach…
Also: ich wollte sagen, dass Opium, so wie auch die Religion, fähig ist, dem Menschen Freude, Erleichterung, Trost, Aufmunterung in unserem grauen und nicht einfachen Leben zu bringen. Darin, denke ich, besteht eben der wichtigste, fundamentale Grund dafür, warum Menschen nach all diesen berauschenden Dingen – Tabak, Alkohol und andere Drogen – greifen. Und sie werden immer wieder danach greifen, solange die fundamentale Ursache nicht beseitigt wird; solange sie nicht lernen, die wahren Werte von den falschen zu unterscheiden; solange in ihren Seelen nicht wahre Freude leuchtet. Erst dann würden sie nicht mehr wahre und falsche Freude verwechseln. Denn ganz ohne Freude, wie gesagt, kann der Mensch nicht leben. Aber das ist noch nicht alles, was ich sagen wollte.
Ich wollte auch sagen, dass es dem Menschen nicht ausreicht, wenn seine Freude nur in hiesigen, irdischen Vergnügen und Späßen besteht.
In den Jahren, als in Russland alle Zeitungen einträchtig den Kapitalismus beschimpft und den Sozialismus verherrlichten, sprang mir in einer solchen Zeitungen ein kleiner Artikel unter der Rubrik „Ihre Sitten“ ins Auge, in dem über den Selbstmord des Sohnes irgendeines westlichen Millionärs berichtet wurde. Vor seinem Tod habe er einen Zettel folgenden Inhalt geschrieben: „Ich habe im Leben alles gehabt, aber nichts Interessantes darin gefunden. Ich scheide freiwillig aus dem Leben.“ Es folgten die übrigen Auslassungen über westliche Gefühlskälte usw. Mich aber überraschte dieser Zettel. Er zwang mich bereits damals, vieles zu bedenken. Tatsächlich – woran hatte es diesem jungen Mann gefehlt? An welchem Vergnügen? An welche Freuden? Er hatte sich im Leben alles gönnen können. Aber nachdem er alles ausprobiert hatte, hatte er so ein schreckliches Ende genommen. Also reichen die hiesigen, irdischen Freuden den Menschen einfach nicht aus. Wasbenötigteraberdann? – ErbenötigtGott!
Der Selige Augustinus schrieb, dass Gott uns für sich selbst erschaffen habe, und der Mensch nicht eher Ruhe finden werde, bis er zu IHM komme uns sich mit IHM vereine. Deshalb möchte ich heute nicht nur über das erste Wunder des Heilands sprechen, bei dem ER Wasser in Wein verwandelte, sondern auch von seinem letzten Wunder, bei dem ER den Wein in sein eigenes Blut umwandelte… Es gab eine Zeit, zu der ER auf wundersame Weise fünftausend Menschen mit fünf Broten ernährte, also den Menschen Brot gab. Es gab diese Zeit gegeben, als ER auch auf wundersame Weise für diese Fünftausend das Wasser in Wein verwandelte… Und nun, als ER sich von seinen Jüngern verabschiedet, schafft ER das Brot und den Wein in seinen Leib und sein Blut um. Wozu? Um sich niemals von ihnen verabschieden zu müssen – und von uns auch nicht. Niemals! Damit wir, indem wir Seinen Reinsten Leib und Sein Ehrwürdiges Blut empfangen, uns mit Gott selbst vereinen können; damit Sein Leib und Blut auch zu unserem Leib und Blut werden. Der Heilige Athanasios der Große sagt: „Christus ist Mensch geworden, damit wir uns vergöttlichen lassen können.“ Das heißt, Gott ist Mensch geworden, damit wir mehr als Menschen werden können – nämlich heilige Menschen Gottes, in denen der Heilige Geist wohnt. Der Gottmensch hat die Menschheit besucht, um sie in eine Gottmenschheit zu verwandeln. Der Hl. Apostel Petrus schreibt davon in seinem zweiten Sendschreiben: „Da seine göttliche Kraft uns alles in betreff des Lebens und der Gottseligkeit geschenkt hat durch die Erkenntnis dessen, der uns berufen hat durch Herrlichkeit und Tugend, durch welche er uns die größten und kostbaren Verheißungen geschenkt hat, auf dass ihr durch diese Teilhaber der göttlichen Natur werdet, indem ihr dem Verderben entflohen seid, das in der Welt ist durch die Lust“ (2 Petr 1,3-4). „Teilhaber der göttlichen Natur zu werden“, d.h., der Natur Gottes teilhaftig zu werden – das bedeutet eben, „vergöttlicht zu werden“… Aber ich bin jetzt schon in die dogmatische Theologie verfallen. Ich befürchte, solch „dogmatisches Brot“ wird für euch doch noch etwas trocken sein. Lasst uns lieber wieder über gewöhnliches Wasser und Brot reden.
Ja, der Mensch braucht sowohl Brot als auch Wasser – als Mittel, die zum Leben notwendig sind. Aber der Mensch braucht auch die Freude, die das Leben farbig macht. Und am wichtigsten ist für den Menschen die Kommunikation mit Gott, die Gemeinschaft mit IHM – die das Leben heiligt, weiht und „vergöttlicht“. All diese drei Bestandteile geben uns der barmherzige Herr und seine heilige Kirche.
Denkt euch, was während eines feierlichen Gottesdienstes zur Vesper, beim gemeinsamen Brotbrechen, während Brot, Wein und Salböl geweiht werden, geschieht. Und dann, am Morgengottesdienst, salbt der Priester den Betenden mit diesem Salböl die Stirn, und sie erhalten dieses Brot, besprengt mit Salböl... Das sind vielleicht unverständliche und seltsame Handlungen – vom Standpunkt eines Ungläubigen, oder? Wozu weiht man den Wein? Aber hier gibt es einen eigenen Sinn und tiefe Symbolik. Hier werden, in Form von Brot, Wein und Salböl, dem Menschen diese drei Bestandteile dargereicht, die für ein vollwertiges Leben notwendig sind. Das Brot ist Symbol der Mittel, die für das Leben notwendig sind, der Wein ist Symbol der Freude, und das Salböl ist Symbol der Heiligkeit. Im Altertum wurden nur Könige und Propheten gesalbt, d.h. von Gott besonders auserwählte Menschen. Nun werden alle Kinder der Kirche gesalbt – als „königliches Priestertum“, nach dem Wort des Apostels (1 Petr 2,9).
Als Fazit möchte ich ziehen: wenn wir die Trunksucht ernsthaft aus unserem Leben ausmerzen wollen, müssen wir anstelle des betrunkenen Lebens ein kirchliches Leben pflegen und beleben. Anderenfalls würden all unsere Bemühungen im Kampf gegen die Trunksucht dem Kampf gegen Unkraut ähneln, den ich eingangs beschrieben habe. Mehr noch: wenn Menschen ernüchtert, aber nicht Gott gebracht werden, könnte ihnen diese Ernüchterung sogar eher schaden als nutzen. Im Evangelium steht geschrieben, wenn der unreine Geist aus dem Menschen ausgefahren sei, dann finde er keine Ruhe. Und kehrt wieder dorthin zurück, von wo er ausgefahren war. Und, wenn er diese Stelle leer vorfindet, dann bringt er sieben andere Geister mit, noch böser als er selbst, und sie alle nisten sich in diesem Menschen ein. „Und das Letzte jenes Menschen wird ärger als das Erste“ (Mt 12,45). Wenn aus dem Leben der Genuss des Weines verschwindet und an ihre Stelle nicht der Genuss des Himmels tritt, dann beginnt dieser Mensch oft, Genuss in noch bittereren Sünden als der Trunksucht zu suchen, in Unzucht oder im Glücksspiel … Und wenn er die Freude nirgendwo findet, dann wird er böse und wütend. Und das Leben mit solch einem Menschen wird für seine Familie erst recht zur Hölle. Sie sagen manchmal sogar: „Es wäre besser, wenn er wieder trinken würde…“.
Ich mache nun Schluss. Verzeiht mir, dass ich eure Zeit so lange beansprucht habe. Möge der Herr euch retten dafür, dass ihr mir Sündigem zugehört habt.
Amen
Orignalsprache:
Russisch