Predigt zum Hochfest der Geburt der Allerheiligsten Gottesgebärerin (Phil. 2: 5-11; Lk. 10: 38-42; 11: 27-28) (21.09.2018)

Liebe Brüder und Schwestern,

 

die Geburt der Theotokos verkündete "Freude der ganzen Welt" (s. Troparion) sogar noch nach zwei Jahrtausenden. Aber was gab es zu feiern? Die Geburt eines Kindes von einer als unfruchtbar geltenden Greisin? Sicher bescherte dieses Ereignis den betagten Eltern und ihren Angehörigen schon damals große Freude, für uns aber bleibt es der bis heute ein Freudentag, weil in der Geburt der allerreinsten Jungfrau der durch Eva über uns alle gekommene Fluch aufgehoben wurde. Es ist demnach die Vorverkündigung unserer Errettung.

Die Erlösung bewirkte der aus der Jungfrau Maria geborene Heiland - Jesus Christus. Wir sind Teilhaber dieser Erlösung durch die Gnade des Heiligen Geistes. Gott hat es aber gefallen, dass die Gnade Gottes da wirksam werden kann, wo der Mensch das Seinige dazu tut. Am deutlichsten wird das in der Geburt des Heilands selbst: dutzende von Generationen frommer und heiliger Männer und Frauen sollte es erfordern, bis ein reines Gefäß in Person der allerreisten Jungfrau hervorgebracht werden konnte, aus Der der Logos im Fleische geboren werden konnte (s. Joh. 1:14). Diese Wunder der Wunder verkündeten die Propheten im Geiste voraus: die Theotokos wird in den Paramoien der Vesper an Festtagen zu Ihren Ehren einerseits mit der Himmelsleiter (s. Gen. 28:12) verglichen, da Gott mittels Ihrer vom Himmel auf die Erde gestiegen war, andererseits mit dem Tor im Osten, da einzig und allein Gott der Herr  durch den jungfräulichen Schoß Einzug in der Welt hielt (s. Ez. 44:2). Aber ist es nicht auch ein kirchliches Fest der Familie? Vielen von uns ist das Elternglück bei der Geburt bekannt. Doch heute verzweifeln gläubige Eltern über ihre unkontrollierbaren und nicht im Einklang mit der Tradition der Kirche lebenden Kinder. Und das ist so bei den liebevollen Eltern. In anderen Fällen leiden heute nämlich die Kinder unter der körperlichen und seelischen Grausamkeit ihrer Eltern. Würden die Kinder fürsorglicher Eltern es nur zu schätzen wissen, wie gut es ihnen im Vergleich zu Kindern von Rabeneltern geht! Aber die Erziehung von Kindern haben ja inzwischen staatliche Einrichtungen übernommen, weil Frauen arbeiten müssen, um über die Runden zu kommen oder als modern gelten zu können.

Die heiligen Joachim und Anna wurden durch die Geburt ihres Kindes vor allem zu Empfängern der göttlichen Segnung; die jahrzehntelange Kinderlosigkeit hingegen lastete als Fluch auf ihnen. Gleichfalls kann jedes Kind zu einem Segen für seine Eltern und sogar die ganze Menschheit werden. Voraussetzung hierfür ist ein Leben im Einklang mit den Geboten Gottes und die Unterordnung unter die Autorität frommer Eltern. Oder haben sie schon mal erlebt, dass ungezogene und gegenüber den Älteren respektlose Kinder später vorbildlich erzogene Kinder hervorbringen? Im Evangelium werden Kinder zu Vorbildern für uns alle auf dem Weg ins Himmelreich (s. Mt. 18:3). Wodurch? - Durch bedingungslosen Gehorsam. Welch ein Unterschied, zu dem was die moderne Schulpädagokik lehrt!

Gehen wir doch einen Schritt weiter im Verbund unserer Kirchenstruktur. Nach der Familie kommt die Kirchengemeinde. Hier wird man nicht hineingeboren, die sucht man sich schon mehr oder weniger selbst aus. Uns verbindet hier nicht die leibliche, sondern die geistliche Verwandschaft, - im Idealfall wie es in der ersten Christengemeinde der Fall war (s. Apg. 2:43-47). Ihr Zusammenhalt in der eucharistischen Gemeinschaft bildete die Grundlage für die Bekehrung weiterer tausender Menschen. Und die Urzelle dieser christlichen Großfamilie bildeten Joachim und Anna mit ihrer Tochter, Die bakanntlich im Tempel aufgewachsen war. Ein besseres Vorbild für uns alle, ein besseres Argument für die regelmäßige Teilnahme an der Göttlichen Liturgie ist kaum vorstellbar. Diese Eltern waren Gott ergeben, auch als Er sie vor schwerste Prüfungen stellte. Sie blieben Gott treu, weil sie nichts für sich wollten, sondern nur Gottes Ruhm anstrebten. So gaben sie ihr geliebtes Kind ab in den Tempel - in die Obhut des Herrn. Das Resultat davon war schließlich die Errettung der Welt.

Sollte sich einer von uns die Frage stellen, wozu er in die Kirche geht und stundenlangen Gottesdiensten beiwohnt, der nehme sich ein Beispiel an den leiblichen Großeltern des Herrn. Auch hier hatte der Widersacher vermutlich öfter als genug versucht, sie von der Sinnlosigkeit der von Gott befohlenen Gesetztestreue zu überzeugen: "Wozu all eure Gebete und Opfergaben? Wozu eure Treue zu Gott, Der eure Gebete nicht erhört und nie erhören wird?!"... Sie aber erwiesen sich als standhaft bis zum Ende (s. Mt. 10:22; 24:13; Mk. 13:13).

Auch wir sehen womöglich nicht auf Anhieb, wie wir durch ein unauffälliges Leben in der Liebe und Treue zu Gott etwas bewirken können. Aber geht es um glorreiche öffentlichkeitswirksame Taten? Während die Märtyrer der Römerzeit oder die zu den barbarischen Völkern entsandten Glaubensboten ihr Martyrium noch in Arenen oder auf Richtplätzen erleiden durften, so dass viele Menschen aus der Menge und sogar die Folterknechte ihre Standhaftigkeit im Glauben sahen und sich selbst zu Christus bekehrten, wurden die Blutzeugen und Leidensdulder des zwanzigsten Jahrhunderts in dunklen Kellern oder in entlegenen Lagern jenseits des Polarkreises misshandelt und hingerichtet. War ihr Opfer also umsonst? - Niemals! Denn Gott sieht alles. Und wir alle haben die Möglichkeit, wie einstmals Joachim und Anna im Stillen Gott zu dienen durch ein Leben in Heiligkeit. Mögen sie uns alle verspotten und anfeinden wie Noah, der eine Arche auf dem Trockenen zu bauen begann... "Erlange die Gnade des Heiligen Geistes und Tausende um dich herum werden gerettet", sagt der hl. Seraphim. Es zählt nur, was vor Gott ist (s. Mt. 6:18). Amen.

Jahr:
2018
Orignalsprache:
Deutsch