Predigt zum 9. Herrentag nach Pfingsten / Gedenktag der Väter von sechs Ökumenischen Konzilen (1 Kor. 3:9-17; Hebr. 13:7-16; Mt. 14:22-34; Joh. 17:1-13) (29.07.2018)

Liebe Brüder und Schwestern,

 

die im Kirchenjahr häufig stattfindende liturgische Rückbesinnung auf die Epoche der Ökumenischen Konzile erfolgt nicht ohne Grund. Uns wird das im Alltag inmitten einer heterodoxen Umgebung von Tag zu Tag bewusster. Die Väter der Ökumenischen Konzile stritten für die Reinheit des Glaubens, für die Bewahrung des unverfälschten Bekenntnisses und für die Einheit der Kirche. Natürlich müssen wir nicht der romantisch-naiven Illusion verfallen, unter den hunderten von Konzilsvätern hätte es überhaupt keine menschlichen Schwächen gegeben, so dass politische Konjunktur, Liebdienerei, Korruption, Einschüchterung, Karrierismus, Machtstreben, Grabenkämpfe, persönliche Eitelkeiten, religiöser Eifer, Verblendung etc. als Faktoren gar keine Rolle gespielt hätten. Natürlich gab es all das, weil das zum Menschsein dazugehört. Selbst unter den zwölf Jüngern, die der Herr Selbst ausgewählt hatte, gab es das (s. Mt. 20:20-28; Mk. 10:35-45; Lk. 22:24; Joh. 12:6). Selbstverständlich war, ist und bleibt der "Faktor M" eine beständige Größe in diesem Prozess der kirchlichen Wahrheitsfindung. Und wie wir am Beispiel der zwölf Jünger des Herrn erkennen, waren Sie ohne den Beistand des Heiligen Geistes (s. Joh. 15:26-27) nicht in der Lage, ihrem Herrn und Meister in Dessen größter Bedrängnis die Treue zu halten. Erst mit der Entsendung des Trösters wurde die Kirche Christi "in die ganze Wahrheit" geführt (Joh. 16:13). Er sollte den Nachfolgern Christi verkünden, was folgt, und den Sohn Gottes auf Erden verherrlichen, indem Er von dem, was des Sohnes ist, nimmt und es den Nachfolgern Christi verkündet (s. 16:14). So war es von Anbeginn. Doch ebenso war das Böse stets im Schoß der Kirche vorhanden (s. Apg. 20:30), aber nur, damit wir das Böse durch das Gute überwinden (s. Röm. 12:21). Die menschliche Unzulänglichkeit ist da nicht nur kein Hinderungsgrund, sondern eine Grundvoraussetzung für das Wirken der göttlichen Kraft in dieser Welt, an dessen Endpunkt unser Heil steht. "So nimmt Sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen; der Geist Selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können. Und Gott, Der die Herzen erforscht, weiß, was die Absicht des Geistes ist: Er tritt so, wie Gott es will, für die Heiligen ein. Wir wissen, dass Gott bei denen, die Ihn lieben, alles zum Guten führt, bei denen, die nach Seinem ewigen Plan berufen sind" (Röm. 8:26-28). Der Apostel Paulus bekehrte ganze Völker zu Christus, "aber nicht mit gewandten und klugen Worten, damit das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht wird" (1 Kor. 1:17), denn "das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden werden zu lassen" (1:27) Schon im Alten Bund zeigte Gott den Menschen am Beispiel Gideons, dass nicht ihre Kraft ausschlaggebend für das Überwinden des Bösen ist, sondern Gottes Allmacht (s. Ri. 6:16; 7:2).

Wenn nun die Väter der Ökumenischen Konzile in der Nachfolge der Aposteln stehen (s. Joh. 20:22-23), dann sollen wir alle zusammen das Vermächtnis der Konzilsväter weiterführen. Darauf sollen wir uns berufen, wenn wir in unserer alltäglichen Praxis vor dem Angesicht einer nicht-orthodoxen Umgebung den Glauben bezeugen. Wir brauchen uns keinem anzubiedern und müssen nicht jedesmal uneingeschränkt beipflichten, wenn sich Außenstehende für die Schönheit der orthodoxen Gottesdienste, die "Spiritualität" der frommen KirchgängerInnen, die Tiefgründigkeit der "russischen Seele" oder die einmalige Atmosphäre unserer Kirchenbauten begeistern. Das ist wohlgemeinte, aber dennoch oberflächliche Schwärmerei bar jeglichen realen Bezugs zu den Gegebenheiten. Diese naive Teilidentifikation blendet anfangs aus, dass es neben den relativ wenigen "spektakulären" liturgischen Höhepunkten auch zahlreiche lange monotone Lesungen während der Gottesdienste gibt, von deren Inhalt man trotz aufmerksamen, konzentrierten Zuhörens kaum etwas mitbekommt, und zwar weil a) die Akkustik nicht ideal ist, b) Mikrophone zu teuer oder zu "modernistisch" sind, c) der/die Vorlesende sich selbst nicht die geringste Mühe gibt zu verstehen, was er/sie da eigentlich liest, c) sich die "Betenden" in der Kirche während solcher Durststrecken von A nach B und von B nach C begeben, d) die Geistlichen im Altar sich "unter dem Schutz" der (verschlossenen) Ikonenwand rege miteinander unterhalten, e) der gelesene Text in einer nicht verständlichen Sprache verfasst oder f) vom theologischen Gehalt für 99% der Anwesenden zu anspruchsvoll ist. Und sehr leicht "kippt" dann die anfängliche Euphorie, weicht die Begeisterung der Frustration, vor allem - wen wundert´s? - nachdem man "unwiderruflich" beschlossen hat, dass dies die "einzig richtige Kirche" sei. All die angesprochenen Identifikationskriterien mögen in Gottes Vorsehung ihren Sinn haben, sind aber für sich genommen nichtig. Denn selbst wenn anderswo die leitenden Angestellten freundlicher lächeln, das durchschnittliche Bildungsniveau auf der mittleren Ebene höher ist, die einfachen Leute hilfsbereiter sind und vieles dort praktischer, "cooler" oder "realitätsnäher" ist, gibt es für die eine Kirche Christi eine Conditio sine qua non, die alles andere zur Nebensächlichkeit macht: das Seelenheil! "Gebt acht, dass euch niemand mit Seiner Philosophie und falschen Lehre verführt, die sich nur auf menschliche Überlieferungen stützen und sich auf die Elementarmächte der Welt, nicht auf Christus berufen. Denn in Ihm allein wohnt wirklich die ganze Fülle Gottes. Durch Ihn seid auch ihr davon erfüllt; denn Er ist das Haupt aller Mächte und Gewalten" (Kol. 2:8-10). Und in Seinem Leib - der Kirche - werden unsere Leiber zu Gliedern Christi (s. 1 Kor. 6:15)! Amen.

Jahr:
2018
Orignalsprache:
Deutsch