Predigt zum Herrentag von der Samariterin (Apg. 11: 19-26, 29-30; Joh. 4: 5-42) (14.05.2017)

Liebe Brüder und Schwestern,

 

das ziemlich ausführliche Gespräch unseres Herrn mit der Samariterin am Brunnen Jakobs ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert aktuell, denn im Jahr des großen Reformationsjubiläums können wir Christen Lehren aus der Heiligen Schrift und dem persönlichen Beispiel Christi für den Umgang mit Andersgläubigen ziehen. Die Samariter waren ja nach der Eroberung des Nordreiches durch die Assyrer im Jahre 722 v. Chr. zur synkretistischen Mischrasse mutiert, weshalb sie von den rechtgläubigen Juden verachtet wurden. Sie hatten  ihr "Heiligtum" auf dem Berg Garizim (vgl. Dtn. 27: 12 und Jos. 8: 33), den sie anstelle Zions (s. 3. Kön. 8: 1;  4. Kön. 19: 31;  Ps. 2: 6;  9: 12;  13: 7;  19: 2; 47: 3;  50: 20;  64: 2;  68: 36;  73: 2;  75: 3;  77: 68;  83:8;  86: 2;  98: 2;  101: 14, 17, 22;  109: 2;  124: 1;  125: 1;  128: 5;  131: 13;  134: 21;  145: 10;  147: 1;   Jes. 2: 3;  8: 18;  10: 12;  14: 32;  24: 23;  28: 16;  31: 4;  51: 16;  52: 7-8;  59: 20;  60: 14;  Jer. 8: 19;  31: 6;  Joel 2: 32;  3: 16;  Am. 1: 2;  Mi. 4: 7;  Sach. 1: 14; 8: 2-3;  vgl. Röm. 9: 33;  11: 26;  Hebr. 12: 22;  Offb. 14: 1) als heiligen Berg verehrten (s. Joh. 4: 20). Dementsprechend hatten sie ihr selbsternanntes "Priestertum" und ihre eigene "Liturgie". Alle vorgenannten Zeugnisse göttlichen Ursprungs  überzeugten die Samariter damals nicht, da sie nur die Thora bzw. den Pentateuch (die Fünf Bücher Mose) anerkannten und die Bücher der Propheten zur "mündlichen Überlieferung" degradierten. Nicht von ungefähr bringt der Apostel Petrus, der seinerzeit selbst zu den gläubig gewordenen Samaritern entsandt worden war (s. Apg. 8: 14-16) und auf sie den Heiligen Geist durch Handauflegung herabkommen ließ, das allgemeine Priestertum mit der Prophetie über den Berg Zion in Verbindung (s. 1. Petr. 2: 5-10;  vgl. Jes. 28: 16), um die allen Mitgliedern der Kirche innewohnende Gabe des Heiligen Geistes vom außerkirchlichen Pseudo-Charisma abzugrenzen.            

Am Jakobsbrunnen offenbart Sich der Herr Jesus unumwunden als Messias (s. Joh. 4: 26), Welcher Zeugnis für die Wahrheit ablegt (s. Joh. 18: 37). Wer an Ihn glaubt, wird Seine Werke vollbringen, ja sogar noch größere (s. Joh. 14: 12). So reich ist die Gnade des Heiligen Geistes, dass Seine Nachfolger zu Mitarbeitern in Gottes Ackerfeld werden (s. 1. Kor. 3: 9). Es herrscht also die Gnade, nicht das Gesetz (s. Röm. 6: 15). Daraus ergibt sich, dass es um des Seelenheils der Menschen willen manchmal notwendig ist, Regeln und Konventionen nicht als eherne Gesetze zu betrachten (s. Joh. 4: 9, 40; vgl. Mk. 2: 27). Ein weiteres Elementarprinzip beim Missionieren ist die vorherige Beauftragung durch den Herrn, denn Bekehrungsversuche sind vor der von Gott bestimmten Zeit (s. Mt. 10: 5; vgl. Joh. 4: 35-42;  Apg. 8: 5) und unter ungeeigneten objektiven (s. Mt. 7: 6) bzw. subjektiven (s. Apg. 19: 13-16) Grundvoraussetzungen kontraproduktiv. Sind diese Voraussetzungen aber gegeben, darf ein Dialog mit Außenstehenden beginnen. Dieser soll von Liebe, Respekt  und Taktgefühl bestimmt sein aber zugleich ehrlich und offen geführt werden (s. Joh.  4: 16-18;  22). Dabei ist es manchmal unumgänglich, den Finger in die Wunde zu legen, denn "wenn einer bei euch von der Wahrheit abirrt und jemand ihn zur Umkehr bewegt, dann sollt ihr wissen: Wer einen Sünder, der auf Irrwegen ist, zur Umkehr bewegt, der rettet ihn vor dem Tod und deckt viele Sünden zu" (Jak. 5: 19-20). Wer selbst Maßregelungen annimmt, kann auch andere belehren. "Wer Zucht liebt, liebt Erkenntnis; wer Zurechtweisung hasst, ist dumm" (Spr. 12: 1).

Dogmen und Kanones der Kirche sind ja auch nicht das geistige Produkt selbstherrlicher Phantasten, sondern das über Jahrhunderte zustandegekommene Resultat eingehender Dialektik und der Eingebung des Heiligen Geistes (s. Apg. 15: 28) - ein maßgeblicher Grundsatz der Katholizität der Kirche. Nur auf dem Fundament dessen, was die ungeteilte Kirche einvernehmlich und verbindlich für alle Zeiten beschlossen, angenommen und geregelt hat kann überhaupt ein seriöser interkonfessioneller Dialog zustande kommen. Mal ehrlich: worüber, in aller Welt, wollen wir heute mit PastorInnen reden, die neben der Bibel nun auch den Koran beim Gottesdienst auf den Altartisch legen?.. Einheit um jeden Preis?.. Wir kennen diese Plattitüden zur Genüge: "Gemeinsamkeiten müssen betont und Trennendes beiseite geschoben werden, dann werden wir schon alle eins werden, schließlich will Gott keine Spaltung der Christen". - Gewiss, aber Gott will auch keine Kriege. Genausogut kann man die Vertreter aller Staaten eine gemeinsame Resolution verabschieden lassen, welche Kriege unter allen Umständen verbietet. Solange aber die Ursachen für Ausbeutung und Unterdrückung nicht beseitigt werden, sind solcherart Kommuniqués nicht das Papier wert, auf dem sie geschrieben sind.  Jesus Christus hat ja im Gespräch mit der Samariterin nicht gesagt, dass es außer Ihm noch andere Wege des Heils gibt. Ich kann da jedenfalls nicht die geringste Spur von Beliebigkeit ausmachen, wenn davon die Rede ist, dass der Vater von uns allen "im Geist und in der Wahrheit" angebetet werden will (s. Joh. 4: 23-24). Zur Wahrheit gehört das Erkennen der eigenen Sünden vor Gott - dazu die Anschubhilfe heute (s. Joh. 4: 18). Gottes Wirken in uns kann sich nur "durch die Kirche und Christus Jesus" (s. Eph. 3: 20-21) vollziehen. Demnach sind die vom Heiligen Geist Eingesetzten (s.  Apg. 20: 28) befugt, nach dem Vorbild Christi diejenigen mit Güte zurechtzuweisen, "die sich hartnäckig widersetzen. Vielleicht schenkt Gott ihnen die Umkehr, damit sie die Wahrheit erkennen, wieder zur Besinnung kommen und aus dem Netz des Teufels befreit werden, der sie eingefangen und sich gefügig gemacht hat" (2. Tim. 2: 25-26). Dazu müssen wir uns aber alle "von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten und in allem wachsen, bis wir Ihn erreicht haben. Er, Christus, ist das Haupt" (Eph. 4: 15). Amen.

Jahr:
2017
Orignalsprache:
Deutsch