Predigt zum Herrentag der Orthodoxie (Hebr. 11: 24-26, 32 – 12: 2; Joh. 1: 43- 51) (09.03.2014)

Liebe Brüder und Schwestern,

 

wie jedes Jahr bildet der „Triumph der Orthodoxie“ im Gedenken an den Sieg des wahren Glaubens über die Häresie im Jahr 845 den ersten Meilenstein der Großen Fastenzeit. Wahrlich: „Deine Wahrheit lebt in der Gemeinschaft der Heiligen“ (Ps. 88: 8).Die historische Erinnerung an den Sieg der Orthodoxie bereitet uns den willkommenen Anlass, das spirituelle Wesen des Christentums begreifbar zu machen. Unser Glauben ist ja, so wie wir ihn von unserem göttlichen Lehrer und von den von Ihm inspirierten Aposteln empfangen haben, primär kein ausgeklügeltes System von dogmatischen Lehrsätzen, sondern ein Leben in Christo durch die Gnade des Heiligen Geistes. Die systematisierte Theologie wurde erst dann notwendig, als die ersten Irrlehren auftraten, woraufhin diese seitens der Kirche Christi in der Sprache der jeweiligen Zeit bekämpft werden mussten. Aber auch dann galt: der Mensch findet das Heil in der „Gemeinschaft der Heiligen“ - der Kirche (s. Apg. 2: 47), weshalb die orthodoxe Kirche am heutigen Tag um die Rückkehr aller verirrten Schafe betet. Aber was erwartet einen potentiellen Neuankömmling dort?..

- „Komm und sieh!“ (Joh. 1: 46), sagt Philippus in der heutigen Lesung.

Orthodoxie ist ein Synonym für die Osterfreude. Aber wie erlangt man diese unvergleichliche Freude der Auferstehung? - Vater Alexander Schmemann definiert die geheiligte Zeit der Vorbereitung auf das Fest der Feste als „betrübte Freude“ und/oder „freudige Betrübnis“. Die Fastenzeit ist ja eine Zeit des Verzichts, der Selbstläuterung, der Buße und der Selbstbezichtigung. Jedoch rufen diese Dinge beim modernen Menschen zwar zuhauf betrübte, aber keinerlei freudige Assoziationen hervor. Woher kommt dann diese Freude aus der Betrübnis?! - Der Apostel Paulus klärt uns auf: „Die gottgewollte Traurigkeit verursacht (...) Sinnesänderung zum Heil, die nicht bereut zu werden braucht; die weltliche Traurigkeit aber führt zum Tod“ (2 Kor. 7: 10).

 

Wer seine Sünden und Verfehlungen vor Gott beweint, begibt sich schon auf den Weg des Heils, denn: „Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden“ (Mt. 5: 4, vgl. auch Ps. 125: 5 und Jes. 61: 2).

 

Daraus folgt, dass keinesfalls die Traurigkeit als Resultat sich selbst zugefügter Leiden „gottgewollt“ ist, sondern die „Sinnesänderung zum Heil“ als Folge dieser gottgewollten Traurigkeit. Und ohne den festen Glauben ist der Mensch den beizeiten extremen Anforderungen des Lebens nicht gewachsen, so dass er keinen spirituellen Nutzen aus der Trübsal dieser Welt ziehen kann und so zur Zeit der Drangsal dem Verderben anheimfällt.

 

In der heutigen Lesung aus dem Hebräerbrief werden namentlich zahlreiche Heilige aus dem Alten Bund aufgezählt, die aufgrund des Glaubens glanzvolle Siege errungen und wunderbare Heldentaten vollbracht (s. Hebr. 11: 32-34), z.T. aber auch unvorstellbare Qualen, Verfolgungen und Entbehrungen erduldet haben (s. 11: 35-37). Nicht namentlich sind unverkennbar auch die Blutzeugen der christlichen Ära prophetisch erwähnt. Sie alle „sind stark geworden, als sie schwach waren“ (11: 34) und wurden somit zum Vorbild für unsere Schwachheit. Jetzt können nämlich auch wir erkennen, dass wir in der „Gemeinschaft der Heiligen“ (Ps. 88: 8), der Kirche Christi, wie zu allen Epochen ihrer Geschichte, trotz der unübersehbaren eigenen Schwäche immer triumphieren können. Die Prüfungen können gar nicht grausam und schwer genug sein, auf dass derjenige, der den Glauben hat, nicht einen glänzenden Sieg davontragen könnte. Allerdings wird dieser Triumph nicht möglich sein, wenn wir „zwei Herren dienen“ (s. Mt. 6: 24), also Gott die Treue bewahren und uns zugleich komfortabel in dieser Welt einrichten wollen. Wie zuvor schon die uns umgebende „Wolke der Zeugen“, müssen vielmehr „auch wir die Last und die Fesseln der Sünde abwerfen“ (Hebr. 12: 1). Die Glaubenszeugen vor Christi Geburt konnten es bereits zu einer Zeit, als die Auferstehung Christi noch in zeitlich weiter Ferne lag (s. 11: 26). Wollen wir uns also nicht entmutigen lassen und jederzeit das große Ziel vor Augen haben: „Lasst uns mit Ausdauer in den Wettkampf laufen, der uns aufgetragen ist; und daher auf Jesus blicken, den Urheber und Vollender des Glaubens; Er hat angesichts der vor Ihm liegenden Freude das Kreuz auf Sich genommen, ohne auf die Schande zu achten, und Sich zur Rechten von Gottes Thron gesetzt“ (12: 2).

 

Gott, der Herr will, dass wir an dieses Ziel gelangen. Er ruft jedem von uns wie seinerzeit Natanael zu: „Folge mir nach!“ (Joh. 1: 43). Und nach Möglichkeit sollen wir, wie Philippus auch unsere Nächsten zu der Erkenntnis Dessen führen, „über Den Mose im Gesetz und auch die Propheten geschrieben haben“ (1: 45). Denn wer wie Natanael „ohne Falschheit“ ist (1: 47), also die Reinheit des Herzens besitzt, wird Christus als seinen Erlöser erkennen. Er ist der „Menschensohn“ (s. Dan. 7: 13-14), Er ist die Himmel und Erde verbindende „Jakobsleiter“ (s. Gen. 29: 12-15), auf der Gott Sich durch die Inkarnation mit dem Menschen vereinigt, auf der zudem einzig der Aufstieg des Menschen zu Gottes Herrlichkeit möglich ist. Ist das nicht Motivation genug für unseren Kampf? - Der Lohn dafür wird die Freude der Auferstehung sein.

Also müssen auch wir unseren Kampf kämpfen, das Kreuz Christi auf uns nehmen, „ohne auf die Schande zu achten“, damit wir dereinst mit Ihm „zur Rechten von Gottes Thron“ (Hebr. 12: 2) gesetzt werden mögen. Amen.