Predigt zum 16. Herrentag nach Pfingsten / Herrentag n. Kreuzerhöhung (Gal. 2:16-20; 2 Kor. 6:1-10; Mk. 8:34-9:1; Mt. 25:14-30) (02.10.2022)

Liebe Brüder und Schwestern, 

 

in der Sonntagslesung aus dem Evangelium hören wir am heutigen Tag das Gleichnis von dem anvertrauten Geld. Wir kennen dieses Gleichnis zur Genüge und haben es auch schon in diversen Predigten behandelt. Doch einen Aspekt möchte ich heute trotzdem hervorheben: der dritte Diener, der ein Talent erhalten hatte – wofür wurde er bestraft? Er hatte das Geld ja nicht veruntreut, sondern nur in der Erde vergraben und zum Zeitpunkt der Abrechnung seinem Herrn zurückgegeben. Er war also kein Dieb oder Betrüger. Trotzdem die Verdammnis? - Hier der Wortlaut des Urteilsspruchs seines Herrn: „Du bist ein schlechter und fauler Diener! Du hast doch gewusst, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und sammle, wo ich nicht gestreut habe. Hättest du mein Geld wenigstens auf die Bank gebracht, dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen zurückerhalten. Darum nehmt ihm das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat! Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat. Werft den nichtsnutzigen Diener hinaus in die äußerste Finsternis! Dort wird er heulen und mit den Zähnen knirschen“ (Mt. 25:26-30).

Unmissverständlich klar dürfte sein, dass unter dem Mann, der auf Reisen ging, unser Herr Jesus Christus gemeint ist, Der nach Seiner Auffahrt in den Himmel Seine Diener – Bischöfe, Priester und Diakone (hl. Theophylakt) – mit verschiedenen (Auf-)Gaben im Kirchendienst versehen hat. Am Tag Seiner Rückkehr – dem Ende der Welt – wird der Herr von jedem von ihnen Rechenschaft für das Geleistete fordern. Selbstverständlich lässt sich diese Beauftragung auch auf die Laien ausweiten, denen aber weniger Verantwortung gegeben ist und von denen folglich auch weniger verlangt werden wird. 

Bis dahin dürfte der Sinn der Parabel im allgemeinen für jedermann verständlich und nachvollziehbar sein. Aber einzelne Stellen rufen auf den ersten Blick dann doch Befremden hervor. Der dritte Knecht rechtfertigt seine Untätigkeit damit, dass er wusste, dass sein Herr – also Jesus Christus – ein strenger Mann ist, der erntet, wo er nicht gesät hat, und sammelt, wo er nicht ausgestreut hat. Und, wie oben gesehen, scheint sein Herr diesen Vorwurf sogar noch zu bestätigen (s. 25:26). Ist unser Herr Jesus Christus aber tatsächlich so unbarmherzig und ungerecht, wie vom dritten Knecht behauptet?.. Selbstverständlich nicht, das wissen wir. Worin besteht also der (verborgene) Sinn dieser Darstellung?

Bedenken wir zunächst, dass es der schlechte und faule Diener war, der diese anklagenden Worte zu seiner Rechtfertigung artikulierte. Was war wohl seine Motivation? War es etwa Neid gegenüber den beiden anderen Dienern, welche all diese Zeit tätig gewesen waren und das ihnen anvertraute Vermögen durch treue und ehrliche Arbeit vermehrt haben und nun völlig zurecht an der Freude ihres Herrn teilnahmen (s. 25:21b,23b)? Reagieren wir manchmal nicht auch so, wenn wir für unser Fehlverhalten gerügt werden und denjenigen, die sich tadellos verhalten haben, die verdiente Anerkennung verweigern? Als z.B. die sog. Revolution in Russland ausbrach, sahen Taugenichtse und Faulenzer ihre Stunde gekommen, endlich mit den Großgrundbesitzern und Fabrikeigentümern „abzurechnen“ und sich deren Reichtum anzueignen. Als aber alles „umverteilt“ war, begann nach einiger Zeit die Hungersnot... Ist Habsucht nicht die Wurzel allen Übels (vgl. 1 Tim. 6:10)?! Aus ihr erwächst der Neid auf die, welche mehr haben, weil sie eben mehr aus ihren Möglichkeiten gemacht haben. Dass die Ausgangssituation gewiss für alle verschieden ist, bestreitet niemand; das wird durch das Gleichnis sogar bestätigt (s. Mt. 25:15). Deshalb sollen wir ja lediglich unseren individuellen Kapazitäten gemäß das maximal Mögliche erreichen. Mehr erwartet unser Herr nicht von uns.

Vielleicht aber mangelte es dem dritten Diener an Zuversicht bzw. an Glauben, so dass er keinen Sinn in Fleiß und Gewissenhaftigkeit sah? Im Glaubensleben ist diese Zuversicht  (s. 1 Joh. 4:17) entscheidend, „denn wir sind gerettet, doch in der Hoffnung. Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung. Wie kann man auf etwas hoffen, was man sieht? Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Geduld“ (Röm. 8:24-25; vgl. 2 Kor. 4:17-18). Mangel an Frömmigkeit ist somit die Folge von Glaubensarmut.

All das führt dann zu einer kaschierten, vielleicht sogar zur offenen und bewussten Anklage Gottes. Diese Geisteshaltung ist ein untrügliches Indiz dafür, dass der Betreffende die Gottessohnschaft verloren hat. Der dritte Knecht gibt ja selbst zu, dass er das Geld seines Herrn aus Angst in der Erde versteckt hatte (s. Mt. 25:25). Wir wissen jedoch: „Furcht gibt es in der Liebe nicht, sondern die vollkommene Liebe vertreibt die Furcht. Denn Furcht rechnet mit Strafe, und wer sich fürchtet, dessen Liebe ist nicht vollendet“ (1 Joh. 4:18).

Die treuen Diener Gottes haben allesamt keinen Garantieschein für ein märchenhaft schönes Leben in die Wiege gelegt bekommen, sondern wurden in der Not stark im Glauben (s. 2 Kor. 12:9). „Glaube aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“ (Hebr. 11:1). „Wir wissen, dass Gott bei denen, die Ihn lieben, alles zum Guten führt, bei denen, die nach Seinem ewigen Plan berufen sind, denn alle, die Er im voraus erkannt hat, hat Er auch im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt Seines Sohnes teilzunehmen, damit Dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei. Die aber, die Er vorausbestimmt hat, hat Er auch berufen, und die Er berufen hat, hat Er auch gerecht gemacht; die Er aber gerecht gemacht hat, die hat Er auch verherrlicht“ (Röm. 8:28-30). Das ist es, was unter den Worten gemeint ist: „Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!“ (Mt. 25:21,23). Amen.   

Jahr:
2022
Orignalsprache:
Deutsch