Predigt zum 6. Herrentag nach Ostern / vom Blindgeborenen (Apg. 16:16-34; Joh. 9:1-38) (29.05.2022) Beliebt
Liebe Brüder und Schwestern,
in der heutigen Lesung aus der Apostelgeschichte erfahren wir, wie erstmals das Wort Gottes auf europäischem Boden, nämlich in der Stadt Philippi (dem heutigen Kavala, einer mittelgroßen Stadt im Nordosten Griechenland), verkündet wird. Die Episode, welche sich hier abspielt, ist ein kleiner Grundriss der Kirchengeschichte, denn sie handelt von der Antinomie der Verkündigung des Wortes Gottes, vom Wirken der dämonischen Mächte und den von ihnen angestachelten Menschen, von den Leiden für den Glauben sowie vom letztlichen Siegeszug des Glaubens, der zum Heil vieler Menschen führt.
Zuvor war es, nach der ersten Missionsreise, zwischen Paulus und Barnabas zu einer heftigen Auseinandersetzung wegen des Apostels Markus (des Evangelisten, auch Johannes genannt), eines Neffen des Barnabas, gekommen (s. Apg. 15:36-41), der sich seinerzeit in Pamphylien von den Aposteln getrennt hatte und sich nicht an deren weiterem Missionswerk beteiligt hatte (s. Apg. 13:13). Neue Begleiter des Paulus waren nun Silas, Lukas (der Evangelist und Autor der Apostelgeschichte) sowie einige andere. Während der neuen Missionsreise, die die Jünger des Herrn zunächst nach Syrien, Zilizien und später nach Kleinasien führte, erschien dem Paulus ein Mann in einer nächtlichen Vision, der ihn bat, nach Makedonien zu kommen (s. Apg. 16:9-10). Darauf hin betraten die Jünger des Herrn erstmals den europäischen Kontinent.
In Philippi angekommen, predigen die Aposteln zuerst den dort versammelten Frauen. Eine Purpurhändlerin aus Thyatira namens Lydia nahm sie in ihrem Hause auf, nachdem sie sich mit ihren Angehörigen hatte taufen lassen. Wie unmittelbar nach der Auferstehung des Herrn waren es die Frauen, die zuerst zum Glauben kamen, so dass die Verkündigung dort erste Früchte zeitigt.
Nach einigen Tagen begegnet den Aposteln eine Magd, die einen (dämonischen) Wahrsagegeist hatte. Der heilige Lukas überliefert uns nur die Fakten, ohne uns eine Interpretation des Geschehens darzubieten: die besessene Frau sagte eigentlich ja nur die Wahrheit, dass die Aposteln nämlich „Diener des höchsten Gottes“ sind und den Menschen „den Weg des Heils“ verkünden (Apg. 16:17) – und das tat sie mehrere Tage lang. Wen störte sie dabei? Umgekehrt brachte sie ihren Herren durch ihre Wahrsagerei großen Gewinn ein. Aber der Apostel Paulus, der die Gabe der Unterscheidung der Geister besaß, wurde nach einigen Tagen ärgerlich und befahl dem Geist im Namen Jesu Christi die Frau zu verlassen, was dieser umgehend tat. Gott hat es nicht nötig, dass Seine Wahrheit von Dämonen verkündet wird. Dämonen kennen nur ein Ziel: das Verderben der Menschen. Sogar das Quälen von Tieren bereitet ihnen Freude, wie wir aus der Geschichte von der Schweineherde in Gerasa wissen. Sie haben also nur Böses im Sinn. Wer ihnen vertraut, wird vielleicht 99 mal richtig liegen und gewisse Vorteile aus ihren Voraussagen für sich ziehen können, so wie es die Herren dieser Magd lange Zeit weidlich taten. Aber beim 100. Mal kann es völlig anders kommen und ein ganz böses Ende für die Beteiligten nehmen. Deshalb warnt uns die Kirche eindringlich vor Astrologie, Extrasensorik und jeder Art von Hexerei, die heutzutage ganz offen in den Medien Werbung für sich machen dürfen und die Menschen penetrant Glück, Gesundheit, Erfolg und Reichtum versprechen, und manchmal sogar das Paradies (dadurch unterscheidet sich „weiße“ Magie von „schwarzer“, was sie wegen ihrer Perfidität noch gefährlicher macht). Wer ihnen ergeben ist, begibt sich in Abhängigkeit von diesen Dingen und macht sich zum Gefangenen finsterer Mächte, von denen er sich nur sehr schwer befreien kann. Im Falle der Magd von Philippi geschah dies durch die Allmacht Gottes. Die Seele eines einzigen Menschen ist für Gott nämlich unendlich mehr wert, als alle materiellen Güter dieser Welt. Nicht aber für das Böse in dieser Welt! Der daraus entstehende Konflikt ist modellhaft für den ununterbrochenen Kampf zwischen Gut und Böse. Das scheinbar mächtigere Böse reagiert mit Aggression, List und Betrug. Es bedient sich der weltlichen Obrigkeiten, um die Botschaft Christi zu unterdrücken. Doch wenn die Diener Christi standhaft bleiben und bereit sind, für ihren Glauben zu leiden, ist Gott immer auf ihrer Seite. Er hat ja einen Plan. Nach vielen Schlägen und Demütigungen kommen die Diener Christi in Haft. Auch im Gefängnis erweist sich ihr Glaube als unerschütterlich. In ihrem Leid setzten sie ihre ganze Hoffnung auf Gott, Der ihr Vertrauen nicht zuschanden werden lässt (1 Kor.1:8-10) und in ihrer Erniedrigung „zum Gegenschlag ausholt“. Im Endresultat wird der Gefängniswärter, der sich gerade eben aus Verzweiflung über die vermeintliche Flucht der Gefangenen selbst umbringen wollte, mitsamt seinem ganzen Hause bekehrt. Gott hat (hier im kleinen) auf ganzer Linie gesiegt. Die Apostel treten nun mit neuem Selbstbewusstsein auf und werden sogar von den weltlichen Mächten öffentlich rehabilitiert. Das alles wäre aber nicht möglich gewesen, wenn sie nicht von Anfang an die Bereitschaft gehabt hätten, Erniedrigung und Pein sowie Verlust ihrer Bürgerrechte etc. für ihren Herrn in Kauf zu nehmen (vgl. 2 Kor. 1:1-7). Das zeigt uns, dass auch wir vor niemandem in dieser Welt Angst haben, sondern nur unserem Herrn Jesus Christus die Treue halten müssen, damit auch wir von uns sagen können: „Wir sind Christi Wohlgeruch für Gott unter denen, die gerettet werden, wie unter denen, die verlorengehen. Den einen sind wir Todesgeruch, der Tod bringt, den anderen Lebensduft, der Leben verheißt. Wer aber ist dazu fähig? Wir sind jedenfalls nicht wie die vielen anderen, die mit dem Wort Gottes ein Geschäft machen. Wir verkünden es aufrichtig und in Christus, von Gott her und vor Gott“ (2 Kor. 2:15-17). Amen.
Details Eintrag
Jahr:
2022
Orignalsprache:
Deutsch