Predigt zum Festtag des hl. Nikolaos, des Erzbischofs von Myra in Lykien (Hebr. 13:17-21; Lk. 6:17-23) (19.12.2020)

„Als Beispiel des Glaubens und Vorbild der Sanftmut, als Lehrer der Enthaltsamkeit erwies dich die Wahrheit aller Dinge deiner Herde; deshalb hast du durch Demut Hohes erlangt, das durch Armut reich ist, o Anführer der Hierarchen Nikolaos. Flehe zu Christus, unserem Gott, dass unsere Seelen errettet werden!“ (Troparion des Heiligen) Liebe Brüder und Schwestern, die Heiligenverehrung in der Kirche dient dazu, dass wir durch ihr Beispiel beseelt, selbst zu „Heiligen“ werden. Wohlgemerkt, Heilige werden von uns verehrt, wie man zu Lebzeiten ehrenwerten Personen die ihnen gebührende Hochachtung erweist. Was kann daran falsch, unchristlich bzw. bibelfremd sein? Heißt es nicht in der Bibel: „Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt“ (Ex. 20:12). Jeder normale Mensch ehrt seine Eltern auch über den Tod hinaus. Vorfahren werden in allen Kulturen geehrt, auch das Gedächtnis anderer ehrwürdiger Personen wurde zu allen Zeiten in Ehren gehalten – und ausgerechnet die hervorragendsten Diener Gottes sollen wir nicht ehren dürfen?!.. - Das soll mir bitte mal einer erklären! Klar, anbeten sollen wir nur Gott allein (s. Dtn. 6:13; vgl. Mt. 4:10; Lk. 4:8). Soviel nur zu denen, die böswillig behaupten, wir würden die Heiligen „anbeten“, indem wir sie auf Ikonen und Fresken darstellen, diese ehrfurchtsvoll küssen und vor ihnen Kerzen aufstellen. Wir begannen aber damit, dass Heilige für uns Vorbilder sind, denen wir nach Möglichkeit nacheifern sollen. Heute feiern wir den Festtag des Heiligen Nikolaos, des wohl am meisten verehrten Heiligen im Volk. Aber was genau an ihm ist nachahmenswert? - Als Teenager hat man seine Idole – Fußballstars, Popsänger, Schauspieler etc. Man kleidet sich so wie sie, trägt T-Shirts mit ihrem Bild, will ihnen in mehrerlei Hinsicht „ähnlich“ sein. Wie diese Abgötter aber in Wirklichkeit (also als Menschen) sind, interessiert dabei keinen. Messi oder Ronaldo, Lady Gaga oder Ariane Grande, Brad Pitt oder Jennifer Lopez sind für ihre Fans nur das, was sie darstellen sollen. Ob sie Drogen missbrauchen, Steuern hinterziehen, enge Kontakte zur Unterwelt pflegen, völlig unmoralisch leben oder als Personen für ihre Mitmenschen einfach unerträglich sind, das tut überhaupt nichts zur Sache. Bei Heiligen ist das anders. Heilige sind keine Superstars, keine Nobelpreisträger, keine ruhmreichen Feldherren oder sonstige Helden im irdischen Sinn. Was sind sie aber dann, und wofür verehren wir sie dann?.. Im Falle des heiligen Nikolaos liefert uns das Troparion (s.o.) Anhaltspunkte dafür, was wir an ihm nachahmenswert finden können. Als „Beispiel des Glaubens“ richtete er sein ganzes Handeln nach dem aus, was dem lebendigen Glauben an Gott entspricht – ohne Kompromisse. Er übte die Funktion eines „Vorbildes der Sanftmut“ aus, indem er nicht bloß äußerlich friedfertig und demütig wirkte, sondern in seinem Handeln und durch seine Lebensweise nicht seinen schnöden Vorteil suchte, sondern Notleidenden und Bedürftigen beistand und in allem dem Heil seiner Mitmenschen diente. Als „Lehrer der Enthaltsamkeit“ bezeugte er, dass der Sinn des Lebens nicht in Vergnügungen und Befriedigung der Genusssucht besteht, sondern in der Suche des Himmelreichs und seiner Gerechtigkeit. So erlangte er „Hohes durch Demut“, weil er dadurch als Hierarch (Bischof) ein würdiger Nachfolger Christi gewesen ist. Freiwillig durch „Armut reich“ geworden, besitzt er nun vor Christus den Freimut, für unser aller Seelenheil zu flehen (vgl. Jak. 5:16b). Wenn dieser Heilige – und alle übrigen Heiligen mit ihm – nun kein Jahrhundertgenie, kein Supermann war, was macht ihn dann so besonders in unseren Augen? - Eben das, was wir schon an den Aposteln sahen. Als einfache, ungebildete, aber im Herzen reine galiläische Fischer vermochten sie kraft des Heiligen Geistes als „Menschenfischer“ (s. Mt. 4:19; Mk. 1:17) den ganzen Erdkreis für Christus einzufangen. Und auch der heilige Nikolaos war ein Erwählter Gottes nicht dank irgendwelcher außergewöhnlicher Fähigkeiten und Eigenschaften, sondern dadurch, dass Er im Geiste Christi lebte und dadurch vielerlei Früchte des Geistes brachte (s. Mt. 13:23; Mk. 4:20; Lk. 8:15). „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung; dem allem widerspricht das Gesetz nicht“ (Gal. 5:22-23). Das führt unweigerlich zu dem Schluss, dass auch wir alle keine Übermenschen sein müssen, um ein Leben nach dem Geiste zu führen und den Heiligen nacheifern zu können. War der Apostel Paulus denn ein Ass vom Schlage eines James Bond? - Ganz gewiss nicht (s. 2 Kor. 12:7). Doch von ihm stammt der Ausspruch: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2 Kor. 12:10b) und: „Alles vermag ich durch Ihn, Der mir Kraft gibt“ (Phil. 4:13). Das alles beruht aber nicht auf der „Weisheit dieser Welt oder der Machthaber dieser Welt, die einst entmachtet werden. Vielmehr verkünden wir das Geheimnis der verborgenen Weisheit Gottes, die Gott vor allen Zeiten vorausbestimmt hat zu unserer Verherrlichung“ (1 Kor. 2:6b-7). Warum sollten andere verherrlichte Diener Gottes wie der heilige Nikolaos dann nicht auch von sich sagen können: „Haltet euch an mein Vorbild!“ (1 Kor. 4:16b)?!.. Ehrlich gesagt, ich möchte nicht in einer Welt leben, in der es keine Vorbilder für mich gibt. Würde ich darauf verzichten wollen, wäre ich ein bornierter Vollidiot. Natürlich brauche ich keine Vorbilder, die ich, wie vor annähernd fünfzig Jahren in kindlicher Einfalt „kopieren“ möchte, aber solche, von denen ich – so wie ich bin – lernen kann so rein zu sein, dass das Gesetz Gottes in meinem Herzen ist und meine Schritte nicht straucheln (Ps. 36:31). Amen.
Jahr:
2020
Orignalsprache:
Deutsch