Predigt zum 3. Herrentag nach Pfingsten (Röm. 5:1-10; Mt. 6:22-33) (28.06.2020)

Liebe Brüder und Schwestern,


nach den festlichen Wochen ist für uns wieder die Zeit der inneren Einkehr angebrochen. Wir lesen heute, wie der Herr Sich in der Bergpredigt dieser Metapher bedient: „Das Auge gibt dem Körper Licht. Wenn dein Auge gesund ist, dann wird dein ganzer Körper gesund sein. Wenn aber dein Auge krank ist, dann wird dein ganzer Körper finster sein. Wenn nun das Licht in dir Finsternis ist, wie groß muss dann die Finsternis sein!“ (Mt. 6:22-23). Mit dem „Auge“ ist nicht bloß der kühle Intellekt, sondern das geistliche Denkvermögen (gr. nous) gemeint, das eher im Herzen denn im Gehirn angesiedelt ist – der menschliche Geist, der uns befähigt, nach Höherem zu streben. Der Vergleich mit dem leiblichen Auge verdeutlicht, dass der Mensch ohne das Augenlicht allein zu kaum etwas imstande ist. So werden wir in der Welt ohne das Licht Christi (s. Joh. 1:9-10) in die Grube fallen (s. Mt. 15:14; Lk. 6:39). Glaube, Frömmigkeit, Enthusiasmus und Herzensgüte sind ohne die Gnade letztlich nicht zielführend auf dem Weg ins Himmelreich. So lesen wir heute: „Gerecht gemacht aus Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn. Durch Ihn haben wir Zugang zu der Gnade erhalten, in der wir stehen, und rühmen uns unserer Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes. Mehr noch, wir rühmen uns unserer Bedrängnis; denn wir wissen: Bedrängnis bewirkt Geduld, Geduld aber Bewährung, Bewährung Hoffnung. Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, Der uns gegeben ist“ (Röm. 5:1-5). Was für Worte! Sie zeigen uns, dass wir kraft unseres Glaubens und der Gnade ständig in der Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes verweilen und so die Liebe Gottes in unseren Herzen empfangen und behalten müssen. „Löscht den Geist nicht aus!“ (1 Thess. 5:19) heißt es daher. Gott gibt uns überreichlich Seine Gnade (s. 1 Tim. 1:14; Tit. 3:6), doch wir müssen das „Feuer“ (vgl. Mt. 3:11; Lk. 3:16; Apg. 2:3) am Brennen halten. Die Realität sieht oftmals aber anders aus. Schon in der ersten Christengemeinde war die Gnade zunächst noch für alle wahrnehmbar; es herrschte seltene Einmütigkeit unter den gläubig Gewordenen (s. Apg. 2:44-47), doch schon nach kurzer Zeit erhielt diese Harmonie erste Kratzer (s. Apg. 6:1). Ebenso meinen heute viele Bekehrte anfangs, die ungetrübte Freude der Taufe und Myronsalbung werde sie ihr ganzes Leben lang begleiten, auch nachdem sie sich wieder ungehemmt in das weltliche Leben gestürzt haben. Aber: „Niemand kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird zu dem einen halten und den anderen verachten. Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon“ (Mt. 6:24). Besonders verheerend sind die Auswirkungen in der Kirche, wenn Versorgungsmentalität, Machtgeplänkel und dämonische Selbstüberschätzung (s. Lk. 4:1-13; vgl. Gen. 3:6; 1 Joh. 2:16) die Liebe zum Erkalten bringen. Selbst die Jünger des Herrn waren angesichts des Rangstreits unter ihnen ja nicht ganz frei von einer gewissen Neigung zur Selbstbehauptung (s. Lk. 22:24-27; vgl. Mt. 20:20-28; Mk. 10:35-45). Durch den Empfang des Heiligen Geistes wurden sie jedoch zu leuchtenden Vorbildern für die Gemeinde der Gläubigen, die in der ersten Phase der Verkündigung des Evangeliums Christi „ein Herz und eine Seele“ waren (s. Apg. 4:32), so dass reiche Gnade auf ihnen allen ruhte (s. 4:33). Darauf muss es auch uns ankommen. Das „geistliche Auge“ soll dem ganzen Körper Licht geben, d.h. Herz und Verstand erleuchten, damit unsere Leiber zu Gliedern Christi werden (s. 1 Kor. 6:15) und wir Gott in unseren Leibern verherrlichen (s. 6:20). Das muss unsere oberste Sorge sein. „Darum sage Ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, dass ihr etwas zu essen habt, noch um euren Leib und darum, dass ihr etwas anzuziehen habt. Ist das Leben nicht wichtiger als die Nahrung und der Leib wichtiger als die Kleidung?“ (Mt. 6:25). Der Herr verbietet uns keinesfalls, unsere nahe und ferne Zukunft im Einklang mit Gottes Geboten zu planen. Nur übermäßige Besorgnis ist dabei völlig nutzlos, denn: „Wer von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben auch nur um eine kleine Zeitspanne verlängern?“ (6:27). Das heißt aber nicht, dass das Leben dann völlig sorgenfrei sein wird. Im Gegenteil! Nur haben wir jetzt die Zuversicht, diesen Weg mit dem Herrn gehen zu können, denn „Christus ist schon zu der Zeit, da wir noch schwach und gottlos waren, für uns gestorben. Dabei wird nur schwerlich jemand für einen Gerechten sterben; vielleicht wird er jedoch für einen guten Menschen sein leben wagen. Gott aber hat Seine Liebe zu uns darin erwiesen, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. Nachdem wir jetzt durch Sein Blut gerecht gemacht sind, werden wir durch Ihn erst recht vor dem Gericht Gottes gerettet werden. Da wir mit Gott versöhnt wurden durch den Tod Seines Sohnes, als wir noch (Gottes) Feinde waren, werden wir erst recht, nachdem wir versöhnt sind, gerettet werden durch Sein Leben. Mehr noch, wir rühmen uns Gottes durch Jesus Christus, unseren Herrn, durch Den wir jetzt schon die Versöhnung empfangen haben“ (Röm. 5:6-10). Diese Versöhnung mit Gott (s. 2 Kor. 5:18-21) ist der „Schatz“ und die „Perle“, um deren willen wir alles andere vergessen sollen (s. Mt. 13:44-46). Das gesamte Evangelium ist ja gewissermaßen in dem einen Vers enthalten: „Euch aber muss es zuerst um das Reich Gottes und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben“ (Mt. 6:33). Wollen wir also nicht tatenlos zusehen, wenn ein „anderes Evangelium“ verkündigt wird (s. Gal. 1:8-9) und die Menschen hierdurch der Grundlage ihres Seelenheils beraubt werden. „Denn einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus“ (1 Kor. 3:11). Amen.

Jahr:
2020
Orignalsprache:
Deutsch