Lk 18,18-27_Eph 2,4-10 (24.11.2019_2. Sonntag der Adventsfastenzeit)

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn,

heute morgen möchte ich mit einer Frage beginnen: Haben Sie schon einmal gemerkt, dass Ihnen die Gnade Gottes begegnet ist und Sie vor der Wahl standen dieser einzuwilligen und mit dieser mitzuwirken? Haben Sie schon einmal innerlich in einer Entscheidungssituation gemerkt, dass nun das Eine richtig wäre und sich doch für das Andere entschieden haben? So wie die Gnade Gottes (das Wirken der Energien Gottes[1]) uns begegnet und in uns am Werk ist, so begegnet in dem heutigen Evangelium (Lk 18,18-27) Christus einem reichen Mann.

  1. Das heutige Evangelium (Lk 18,18-27)

1.1 Die zweite Tafel der Zehn Gebote (vgl. Ex 20, 12-17)

Dieser reiche Mann ist auf der Suche nach dem ewigen Leben und findet dabei Christus und fragt ihn: „Guter Meister, was muss ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe?“ (V.18) Jesus antwortet ihm darum, indem er auf das Gesetz verweist und anfängt aus den Zehn Geboten zu zitieren: „Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren!“ (V.20 und Ex 20,12-16) Erstaunlich ist dabei, dass Jesus Christus zunächst nur aus der zweiten Tafel der Zehn Gebote zitiert. Die zweite Tafel, und damit die letzten 5 Gebote, beziehen sich auf unsere zwischenmenschlichen Beziehungen, während die erste Tafel unsere Beziehung zu Gott regelt. Und so entgegnet der reiche Mann: „Das habe ich alles gehalten von Jugend auf.“ (V.21) Jesus lässt keinen Zweifel aufkommen, ob es falsch wäre, was der reiche Mann behauptet. Er hatte sich wirklich sein ganzes Leben lang schon darum bemüht, dass er sich seinem Nächsten gegenüber korrekt verhält und dabei die Gebote Gottes nicht übertritt.

1.2 Die erste Tafel der Zehn Gebote (vgl. Ex 20,1-11)

Doch diese Gebote betreffen in erster Linie nicht unsere Beziehung zu Gott und so kommt Jesus Christus auf die erste Tafel der Zehn Gebote – unserer Beziehung zu Gott – zu sprechen und antwortet dem reichen Mann: „Es fehlt dir noch eines. Verkaufe alles, was du hast und gib‘s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach.“ (V.22) In dieser Aufforderung spricht Jesus das Zentrum des Herzens an. Was sitzt auf dem Thron des Herzens von diesem reichen Mann? Ist es Gott? Dann kann er auch seinen Reichtum verlassen. Ist es aber der Reichtum, dann wird es ihm sehr schwer fallen diesen zu entthronen. Denn der Mensch kann nicht zwei Herren dienen. Wir können nicht Christus nachfolgen und gleichzeitig dem Mammon (dem Geld) all unser Leben unterordnen und in der Sicherheit des Geldes die Lösung aller Sorgen sehen. (vgl. Mt 6,24-25)

1.3 Die Reaktion des reichen Mannes

Die Reaktion des reichen Mannes ist beängstigend. Denn als er diese Worte Gottes hört, welche ihm eine Antwort auf seine Suche nach dem ewigen Leben geben, hält er diese Antwort nicht aus. Er wird traurig und findet in sich keine Bereitschaft seinen Reichtum aufzugeben und im Glauben Christus nachzufolgen und ihm den obersten Platz in seinem Herzen zu geben. (V.23)

  1. Ewiges Leben aus Gnade – das Mitwirken mit der Gnade Gottes

So wichtig unser zwischenmenschliches Verhalten auch ist, so wenig können wir uns damit aber das ewiges Leben erarbeiten. Der hl. Apostel Paulus schreibt an die Epheser (2,4-10) in der heutigen Epistel: „Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme.“ (V.8-9) Und so sind es nicht unsere Werke und die zweite Tafel der Zehn Gebote, welche uns das Heil bringen und mit denen wir uns etwas verdienen könnten. Vielmehr hat uns Gott aus unserer Trennung von Ihm (der Sünde) durch die Gnade wieder in Seine Gemeinschaft gerufen. (V.4-7) Und in dieser Gemeinschaft mit Gott im Lebensvollzug des Glaubens begegnet uns Gott immer wieder in Seinen Energien, in Seinem Wirken durch Seine Gnade in uns. Und wenn wir unseren Glauben leben wollen und Gott suchen, dann begegnet uns die Gnade Gottes so wie Christus dem reichen Mann begegnete. Und genauso wie Christus behutsam dem reichen Mann den Finger auf die Wunde legte und aufzeigte, wo sich sein Leben verändern soll und welches gute Werk er zu vollbringen hat, damit Gott auf dem Thron seines Herzens sitzt, genauso wirkt Gott auch durch Seine Gnade in uns die Wahrnehmung von den Dingen, welche wir in unserem Leben zu verändern haben, damit Gott in unseren Herzen wohnt. (vgl. Eph 2,10) Bei dem Einen ist es vielleicht der Reichtum wie aus dem Evangelium. Bei dem Anderen ist es die Familie, welche Gott verdrängt. Bei dem Dritten ist es der Stolz und die Karriere. Und bei dem Vierten mag es der Sport sein, welcher den Alltag diktiert. Oder eine ganz andere Sache, welche Gott uns zeigen wird.

Denn wenn wir Gott ehrlich nach dem Weg zum ewigen Leben fragen, wird Er uns durch Seine Gnade den Weg weisen. Und dann lasst uns nicht traurig sein darüber, dass Gott uns eine Antwort gibt, welche uns das nimmt, was auf dem Thron unseres Herzen sitzt, wo Er Platz nehmen möchte. Dann lasst uns nicht traurig werden, sondern vielmehr mit der Gnade Gottes mitwirken. Denn all unseren Ängsten und Sorgen zum Trotz: „Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.“ (V.27) Dies schenke uns Christus, uns Gott, dem da gebührt alle Verherrlichung, Ehre und Macht, in alle Ewigkeit. Amin.

 

[1]Vgl. dies bei dem Hl. Gregor Palamas und seine Beurteilung der Gnade als Energien Gottes - https://orthpedia.de/index.php/Gregor_Palamas.