Joh 1,43-51_Hebr 11,24-26;32-40 (08.03.2020_Sonntag_der_Orthodoxie)

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn,

an diesem ersten Sonntag der Fastenzeit feiern wir das Fest der Orthodoxie. An diesem Fest gedenken wir der Wiedereinführung der Bilderverehrung in Konstantinopel aus dem Jahre (11.03.) 843. Es ist eine Wiedereinführung, da das Bekenntnis zur Ikonenverehrung aus dem Jahr 787 wiederholt wird. An diesem Fest der Orthodoxie feiern wir die Menschwerdung Gottes sowie die Möglichkeit der Durchgeistung von Materie. Denn die Begründung der Ikonenverehrung liegt in der Menschwerdung Gottes und gerade darin, dass die Güte Gottes, Seine Liebe, Seine Gnade, Kraft und Herrlichkeit sich in der Materie offenbart.

  1. Die Durchgeistung der Materie – kein Gegensatz zwischen Geist und Materie

Während in mancher Frömmigkeit und Religion ein Gegensatz zwischen Geist und Materie gezeichnet wird und man versucht den Körper (als Gefängnis unserer Seele) zu verlassen, um frei zu werden, so ist dies im christlichen Glauben nicht der Fall! Denn in der Schöpfung dieser Welt bezeichnet Gott auch die Materie als gut – ja sogar als sehr gut. (vgl. Gen 1,31) Mit dem Fest der Orthodoxie bestätigen wir dies. Denn unsere Väter bekannten bei der Verteidigung der Ikonenverehrung, dass der Geist Gottes die Materie durchgeisten kann. Dies bedeutet, dass der Heilige Geist in Verbindung mit dem Geschaffenen tritt und dieses von innen heraus verändert.

Die Beispiele sind vielfältig. So gilt dies für die Menschwerdung Christi vom Heiligen Geist aus Maria, der Jungfrau. Oder für unsere Heiligung, in der wir unsere Leiblichkeit nicht verneinen, sondern für den Geist Gottes öffnen und unseren Körper zum Tempel des Heiligen Geistes werden. (vgl. 1.Kor 3,16-17) Ebenso für die Durchgeistung von Brot und Wein im Abendmahl, welche zu Leib und Blut Christi werden. Und schließlich auch für Reliquien und in letzter Konsequenz für die Ikonen.

  1. Die Aufhebung des Bilderverbots durch Christus selbst

Nun lässt sich aber einwenden - und häufig wurde es so getan -, dass wir uns von Gott kein Bild machen dürfen und daher in den Ikonen Götzenbilder anbeten würden. (Dies meist in Bezug auf Ex. 20,4-5.) Um auf diesen Einwand zu reagieren, lasst uns gemeinsam auf das heutige Evangelium (Joh 1,43-51) blicken, wenn dort Nathanael nach der Begegnung mit Christus ausruft: „Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel!“ (V.49) Wenn nun also Gott Mensch wurde und Jesus Christus als Gott erkannt wurde, dann ist in Christus selbst das Bildergebot des Alten Bundes aufgehoben. Denn in Jesus Christus offenbarte sich Gott und gab uns somit ein „Bild“ von sich selbst. Die Ikone ist der Beweis dafür, dass der Unsichtbare sichtbar wurde und der Unbegreifliche greifbar.

Im heutigen Evangelium spricht Philippus zu Nathanael: „Komm und sieh es!“ (V.46b) und führt ihn zu Christus. Die Worte Davids „Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist.“ (Ps. 34,8) führen uns auf den Weg zur Eucharistie. „Das Wort wurde Fleisch und wohnte mitten unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit (…).“ (Joh 1,14) und auch heute sehen wir noch die Herrlichkeit Gottes. Denn auch heute wirkt Gott noch durch die Materie – auch durch die Ikonen.

  1. Die Verehrung der Ikonen geht von dem Abbild auf das Urbild über

Nun lässt sich aber weiter einwenden, dass dennoch das Holz und die Farbe einer Ikone nicht Gott sind und somit nicht angebetet werden dürften. Am Fest der Orthodoxie 843 wurde auf diesen Einwand wie folgt geantwortet: Die heiligen Ikonen sind symbolhaltige Abbilder des Urbildes. Dabei sind sie transparent für die geistliche Gegenwart der auf ihnen dargestellten Personen. Und in diesem Sinne geht die Verehrung, welche wir diesen Abbildern darbringen - ja sogar darzubringen haben -, auf die Urbilder über.

Um den Unterschied zwischen Gott und der Ikone weiter zu verdeutlichen und einem möglichen Götzendienst zu wehren, besteht die Kirche schon 787 auf die Unterscheidung, dass den heiligen Ikonen eine ehrfürchtige Verehrung (timitike proskynesis), Gott allein aber die wahre Anbetung (alithine latreia) dargebracht werden darf.(1)

Darum lasst uns an diesem Tage die Ikonen und Heiligen verehren und Gott danken, dass er auch uns durchgeisten und zu einer lebendigen Ikone machen kann. (vgl. dies mit der Epistellesung aus Hebr. 11,24-26;32-40) Amen.

(1) „Wir beschließen mit aller Genauigkeit und Sorgfalt, dass ebenso wie die Gestalt des ehrwürdigen und lebenspendenden Kreuzes auch die verehrten und heiligen Bilder in Malerei und Mosaik und anderer geeigneter Materie in den heiligen Kirchen Gottes, auf heiligen Geräten und Gewändern, auf Wänden und Tafeln, in Häusern und Straßen aufgerichtet werden, und zwar das Bild unseres Herrn und Gottes und Heilandes Jesu Christi, das unserer reinen Herrin, der heiligen Gottesmutter, der verehrungswürdigen Engel und aller heiligen und frommen Menschen. Denn in dem Maße, in dem sie beständig in bildlicher Darstellung gesehen werden, werden auch die sie Betrachtenden zum Gedenken und zur Sehnsucht nach den Urbildern erhoben, und sie erweisen ihnen Gruß und ehrfürchtige Verehrung, nicht aber die unserem Glauben gemäße wahrhaftige Anbetung, welche allein der göttlichen Natur gebührt. [...] Die Ehre, die man dem Bilde erweist, geht auf das Urbild über, wer ein Bild verehrt, verehrt in ihm die dargestellte Person.“

Zur weiteren Lektüre: https://www.orthodoxe-ikone.de/gro%C3%9Fe-fastenzeit-1-teil/