Predigt von S. E. Erzbischof Mark am 11.9./ 24.9. 1995 zum Fest der Überführung der Gebeine der Gerechten Sergius und Hermann v. Valaam

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes !

Liebe Brüder und Schwestern,

Der Hl. Apostel Paulus wendet sich an die Galater mit den Worten: ”Wenn ein Mensch von einer Verfehlung ereilt wird” - und wir wissen, daß dies nur allzu leicht geschieht,- “ihr als Geistmenschen, bringt einen solchen wieder auf den rechten Weg durch den Geist der Sanftmut”(Gal. 6,1).
Dieses Wort der Apostellesung erlangt am heutigen Tage besondere Bedeutung, da wir der Erleuchter der nordrussischen Lande gedenken, der Gerechten Sergius und Hermann von Valaam.
Sie waren wahrhaftig Geistmenschen und deswegen vermochten sie es, nicht allein den finsteren Wald zu erleuchten, in welchem sie lebten, sondern auch Menschenherzen.
Seitdem der Mensch der Sünde verfiel, kann man diese unsere Erde nur mit einem Schlachtfeld vergleichen, auf dem der Mensch unentwegt einen Kampf führt – er kämpft um das Himmlische Reich, das Reich Gottes oder das Reich der Finsternis. Einen dritten Weg gibt es in diesem Kampfe nicht. Die Erde ist nicht vom Himmel getrennt, auch nicht vom Reich der Finsternis. Die Engel und die Dämonen kämpfen für uns, mit uns oder gegen uns. Wenn ein Christ sich in diesem Kampf richtig verhält, bleibt er unbesiegbar. Denn er ist bekleidet “mit der vollen Waffenrüstung Gottes” (Eph. 6,11). Seine Waffen sind Engelswaffen, nämlich: die Tugenden.
Die Dämonen jedoch versuchen, ihn in der Sünde und durch die Sünde einzufangen. Immer wieder fallen wir der Versuchung anheim, lassen uns einfangen und beschreiten den Weg, auf den sie, die Dämonen, uns lenken. Eine Rückkehr, Abkehr von diesem Weg ist nur in einer entschlossenen Bewegung möglich: in der Buße.
Jeder Christ ist nicht nur alleine für sich verantwortlich, sondern auch für seine Mitbrüder. Wenn wir sehen, daß jemand von unseren Mitbrüdern besiegt ist durch die Sünde, dann sind wir verpflichtet, ihm zu Hilfe zu eilen.
Man mag sich fragen, welche Mittel uns dafür zur Verfügung stehen, um unseren Nächsten zu helfen, da wir selber ohnmächtig sind. Dann müssen wir uns daran erinnern, daß wir die Mittel des Evangeliums besitzen, die als Heilmittel einzusetzen sind. Wenn dein Nächster durch die Sünde des Zorns getroffen ist, so begegne ihm mit Sanftmut; wenn unser Mitbruder von Stolz geblendet ist, begegnen wir ihm mit Demut; ist dein Nächster von Haß erfüllt, so begegne ihm mit Liebe; ist dein Nächster von Wollust ergriffen, so trete ihm mit Tugendhaftigkeit entgegen. Wenn dein Nächster unter der Lüge leidet, dann trete ihm mit Wahrheit entgegen. Und so könnte man fortfahren. Denn uns sind die Tugenden gegeben, nicht um uns allein zu heilen, sondern um mit Gottes Hilfe auch unseren Nächsten zu heilen. Und dazu ruft uns der Hl. Apostel Paulus auf, wenn er spricht: “Ihr als Geistmenschen, bringt einen solchen wieder auf den rechten Weg durch den Geist der Sanftmut”.
Denn hier ist ja die Rede von der Seele, von dem geheimnisvollsten und kompliziertesten Wesen auf dieser Erde. Die Seele ist aus der gleichen Materie geschaffen, wie auch die Engel. Heilen kann hier nur der erfahrene Arzt. Können wir auch diesen Weg des Arztes beschreiten? Jawohl, das dürfen wir, doch nur dann, wenn wir das Wort der Hl. Schrift zu Hilfe nehmen. Wir können diese Aufgabe auf uns nehmen, wenn wir selbst vom Heiligen Geist erfüllt sind; dann werden wir nach den Worten des Apostels mit “dem Geist Christi” erfüllt und nach dem Wort desselben Apostels, wenn wir uns für Christus kreuzigen lassen, so tragen wir sein Mahlzeichen an unserem Körper (Gal. 6, 17)
Durch dieses Mit-ans-Kreuz-schlagen lassen, erlangen wir auch die Mitauferstehung mit Ihm und wir erhalten “die ganze Waffenrüstung Gottes” und den Sieg in allen Schlachten. Der Apostel Paulus sagt: “Wenn wir mit Christus gestorben sind, so glauben wir, daß wir auch mit Ihm leben werden” (Römer 6, 8). Und ebenso sagt der Apostel “Von nun an lebe nicht mehr ich, sondern in mir lebt Christus” (Galater 2, 20). Christus lebt in uns durch die Heiligen Sakramente, so erfüllt Er uns mit Wahrheit, Liebe, Gerechtigkeit und Ewigem Leben. Unheilbar bleiben allein hoffnungslos selbstverliebte, stolze Menschen, denn Christus spricht: “Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken” (Matt. 9,12). Der Herr lenkt unsere Pfade und Wege, damit wir sehen, wo wir im Verhältnis zu Ihm stehen als “Gesunde” oder als “Kranke”. Denn der, der der Meinung ist, er wäre gesund, gibt damit zu, daß er krank ist. Und jener, der zugibt, krank zu sein und es einsieht, der befindet sich auf dem Weg der Rechtfertigung, auf dem Weg zum ewigen Leben.
Aber auch der, der geistige Gaben besitzt, solche, wie sie die Hll. Sergius und Hermann besaßen, muß vorsichtig sein, denn er läuft Gefahr, von seinem Nächsten durch dessen Sünde angesteckt zu werden. Deswegen spricht der Apostel: “Achte auf Dich, auf daß nicht Du versucht werdest” (Gal. 6,1). Daher, achte auf dich und hilf deinem Nächsten durch den “Geist der Sanftmut”. So auf uns achtend müssen wir mit aller Vorsicht auf unser Ziel zusteuern, auf Christus, uns mit Ihm ans Kreuz schlagen lassen, um mit Ihm aufzuerstehen.
Amen.