Starez Hieromonachos Afanasij, Nikita, Dosifej und andere 1746-1775

Die letzten russisch-orthodoxen Einsiedler, 1745-1820

“Als ich in die Wälder von Roslavl kam - so erzählt Vater Moisej - wohnten die dortigen Eremiten in drei Kellions: Priestermönch Afanasij, eine Werst (1,067 km) von ihm entfernt Vater Dosifej, und nochmals eine Werst weiter Vater Dorofej, der sich in der Folge (nach 1812) näher zu uns gesellte und eine Hütte in einer Entfernung von 50 Sashen (2,133 m) von unserem Kellion baute. Ich wohnte zusammen mit Vater Afanasij, und baute dann ihm und mir ein neues Kellion; das war meine erste Erfahrung in der Baukunst. Das Kellion war 6 Quadrat-Arshin (6 x 0,71 m2) groß mit einem überdachten Vorbau; eine Diele von 2 x 2 Arshin, weiterhin ein Zimmer von je 4 Arshin Länge und Breite, in dem das Schlafzimmer sich befand, das dieselben Ausmaße wie die Diele hatte und durch eine Trennwand abgeteilt war. Zwischen dem Korridor und dem Schlafzimmer stand in der Ecke ein Ofen, der das ganze Kellion heizte.
Der Ort, an dem wir uns niedergelassen hatten, gehörte zum Landgut des Roslavler Großgrundbesitzers Demjan Michajlovi¡c Bronevskij; sein Gehöft Jakimovskoje lag etwa 5 Werst von uns entfernt, und 30 Werst weiter befand sich ein anderer Weier namens Me¡zevo, dessen Besitzer, die Taptykiny, zu unseren Wohltätern zählten; besonders die Familienmutter, eine geborene Gräfin Sonzeva, war eine Greisin frommen Lebenswandels. 12 Werst von Me¡zeva entfernt lag der Marktflecken Lagre¡cino, ebenfalls zum Landkreis Roslavl gehörend. Von der Stadt Roslavl bis zu unserer Einsiedelei waren es etwa 40 Werst.
Direkt vor unserem Kellion floß der Waldbach Boldanovka, in den 1,5 Werst weiter das Bächlein Frolovka mündete; an seinem Ufer befand sich ein Brunnen. In diesem Bächlein gediehen auch Fische: wir pflegten sie in einen Fischkasten zu treiben und eine Fischreuse aufzubauen. Einmal - so erinnere ich mich - es war am Fest der Epiphanie, weihten wir das Wasser im Flüßchen und sangen den Tropar der Hl. Theophanie: “Als Du o Herr, im Jordan getauft wurdest!”. Als wir dann die Fischreuse herausnahmen, fanden wir darin 6 Welse (lota fluvialis) - eine Gabe Gottes für diesen Festtag.
Die gesamte kirchliche Gottesdienstfolge absolvierten wir alltäglich in unserem Kellion: wir begannen um 12 Uhr nachts mit dem Mitternachtsamt (Poluno¡s¡cniza) und dem Morgenamt (Utrenja); eine Stunde nach der Utrenja, folgte der gemeinsam gesungene Akathist an die Mutter Gottes; 2 Stunden nach dem Akathist, die Horen mit den Typika, und zum Schluß das Abendamt (Ve¡cernja) um 5 Uhr abends. An Sonn- und Festtagen pflegten uns die in der Nachbarschaft lebenden Starzen Vater Dorofej und zuweilen auch Arsenij, der ältere, zu besuchen. Nachdem wir den Gottesdienst zelebriert hatten, speisten wir zusammen und aßen das, was Gott uns eben gesandt hatte; dann gingen wir wieder auseinander bis zum nächsten Festtag.
Zu Ostern, zu Weihnachten und anderen hohen Feiertagen kam aus dem Nachbardorf Luga (7 Werst entfernt) ein ehrwürdiger Priester, der uns die Hl. vorgeweihten Gaben reichte, damit auch wir dieser geistlichen Tröstung nicht entbehren müßten.
In der von der Gebetsregel freien Zeit widmeten wir uns der Handarbeit, jeder nach seinem Vermögen. So schrieb ich beispielsweise in Ustav-Schrift (ksl. Majuskelschrift) die patristischen Bücher ab, Vater Antonij mühte sich im Garten, in dem übrigens wegen des ungünstigen Bodens nichts als Rüben wuchsen. Im Sommer sammelten wir Pilze, Beeren und beschenkten unsere Wohltäter, von denen wir wiederum Brot, Grieß und zuweilen auch eine Flasche Öl als Zugabe zu unserem Einsiedlertisch erhielten. Wenn die Vorräte knapp wurden, dann begnügte ich mich mit Getrocknetem, denn mehr als alles andere war mir die geistige Freiheit und die Schweigsamkeit teuer. Die Wölfe heulten unentwegt den ganzen Winter hindurch um unser Kellion herum; aber wir waren schon so sehr an ihr Geheule gewöhnt wie an das Heulen des Windes. Auch die Bären ärgerten uns zuweilen, wenn sie unseren Gemüsegarten plünderten. Wir sahen sie ganz nahe bei uns und hörten oft, wie sie Bäume im Wald knackten, doch ließen sie uns selbst stets in Ruhe und wir lebten im übrigen in Frieden mit ihnen. Auch vor den Räubern verschonte uns Gott, obwohl wir oft hörten, daß sie unsere Umgebung unsicher machten: wir wohnten ziemlich versteckt im Walde, und bei uns hätten sie ohnehin nichts Wertvolles gefunden. Nur einmal wurden wir durch Gottes Zulassung heimgesucht: Wie ich mich jetzt erinnere, war es am 23. November 1814, spät abends. Mein Starez, Vater Afanasij ruhte bereits, und ich schrieb den Kirchenkalender, denn Abschreiben der Bücher nach den Regeln der Ustav-Schrift war meine gewohnte Betätigung. Kaum hatte ich das Gebet “Unter Dein Erbarmen fliehen wir, Gottesgebärerin, verachte unser Flehen nicht in der Not” begonnen, als jemand heftig an die Tür klopfte: das waren die Räuber! Nachdem sie die Zelle des gerade abwesenden Vaters Dorofej, die sich in einer Entfernung von 50 Sashen von der unseren befand, geplündert hatten, überfielen sie uns zu dritt. Ohne den Türhaken zu entfernen, fragte ich: “Wer ist da?” “Arbeiter haben sich im Wald verirrt, gibt es kein Dorf in der Nähe?” - und so eine Frage um die andere; mit einer Kerze in der Hand öffnete ich die Türe einen Spalt und sah einen unbekannten Kerl, der irgend etwas sagte. “Du sprichst immer von ‘wir’, aber wo sind denn die anderen?” fragte ich. Da kam hinter der Aufgangstreppe sein Kumpane hervor, der einen Hut trug, und er schrie diesen an: “He, nimm doch den Hut ab!”. Von Ferne näherte sich ein dritter mit einem Jagdspieß. Der Starez, der Stimmen gehört hatte, steckte seinen Kopf zur Tür hinaus und bekam im selben Augenblick einen schweren Schlag in die Seite mit dem Ausruf: “Gerade den brauchen wir!” Indem ich mit meinem Körper den Starez zu decken versuchte, begann ich die äußere Tür zu verrammeln, aber die Strebe fiel zwischen Tür und Wand, und die Räuber hätten uns gewiß umgebracht, wenn nicht, zu unserem großen Glück, gerade zu dieser Zeit ein junger kräftiger Bauer bei uns zu Besuch gewesen wäre; er hatte uns etwas Eßbares aus dem Dorf gebracht und blieb die Nacht über bei uns. Er wachte von dem Lärm auf, griff automatisch zu seiner Axt und schrie noch halb im Schlaf: “Sind ihrer viele? Ich lege sie alle um”. Die Räuber dachten, daß wir mehrere Leute in der Hütte seien und liefen davon. Den Starez hatten sie arg zugerichtet, und noch lange litt er an den erlittenden Schlägen. Die Mutter Gottes hatte uns offensichtlich gerettet. Außer diesem Überfall gab es in all den 10 Jahren unseres Einsiedlerdaseins, Gott sei Dank, keine weiteren. Aber noch schlimmer als die Räuber waren für uns die heftigen Stürme, die einige Bäume umgeworfen hatten, und drohten, uns zu zerquetschen. Einmal stürzte ein riesiger Baum direkt neben unserer Zelle mit einem Krach um, daß ich schon dachte, unser letztes Stündchen hätte geschlagen. Doch Gott erbarmte sich unser: nur die Zweige hatten unser Dach gestreift. Wie fürchterlich war doch dieses Tosen des Sturmes in dem jahrhundertealten Nadelwald, wenn er darüber hinwegfegte und wie Schilfrohr Bäume umknickte, die jahrhundertelang gewachsen waren. Unwillkürlich fühlte ich mich an die Worte des Psalmisten erinnert: “Die Stimme des Herrn, welcher die Wüste erbeben läßt, und der Herr wird erschüttern die Wüste von Khaddiya”.
Im Jahre 1812, als die Furcht vor einer Invasion des napoleonischen Heeres uns zwang, unsere geliebte Eremitage zu verlassen, begab ich mich nach Svensk, wo ich am 10. August eintraf, unmittelbar nach dem hochgeweihten Serafim (dem späteren Metropoliten von Sankt Petersburg), der damals von Minsk her kam. Zusammen mit der gegen Abend zurückkehrenden Prozession begaben wir uns in die Kathedrale. Der Hierodiakon sang für die Zarenfamilie das Polychronion, und der Vorsteher, Igumen Amvrosij, der im Altarraum einen Geistlichen mit Ordenssternen auf der Brust stehen sah, rief selber aus: “Und für das Wohlergehen des hochgeweihten, hier anwesenden Bischofs”. Dieser blieb etwa 2 Wochen lang im Kloster von Svensk.
Nachdem ich mich einige Zeit lang in Svensk aufgehalten hatte, nahm ich die Einladung Vater Serafims (des ehemaligen Schatzmeisters des Klosters Svensk, der zu jener Zeit bereits Vorsteher des Belobere¡zskaja Klosters war) an, bei ihm zu wohnen; er gab mir zuerst eine alleinstehende Zelle hinter dem Kloster im Wald, in der bis vor kurzem ( etwa 1808) drei Starzen hoher geistlicher Gesinnung ein hesychiastisches Leben geführt hatten, nämlich: der ehemalige Superior dieses Klosters, Vater Leonid; sein Gefährte in der Askese, der Schemamönch Feodor, und der Priestermönch Kleopa. Danach begab ich mich ins Kloster, wo mir aufgetragen wurde, den tugendreichen Starez, Schemamönch Afanasij (ein Schüler von Vater Paisij) zu pflegen, der schließlich seine Tage im Kloster Plo¡s¡cansk im Jahre 1823 in den Händen von Priestermönch Makarij beendete (1834 begab sich eben dieser Vater Makarij Ivanov ins Kloster Optina, wo er bald der Nachfolger von Vater Leonid als geistlicher Vater dieses Klosters wurde). Danach, als die Gefahr der Invasion vorüber war, kehrte ich erneut in meine geliebte Einsiedelei zurück, wo ich weitere 8 Jahre wohnte.
Von der Einsiedelei aus begab ich mich einmal zu Fuß nach Smolensk, um der dortigen wundertätigen Ikone der Mutter Gottes Hodigitria meine Ehrerbietung zu erweisen.
Ende 1815 besuchte ich Moskau; ein Empfehlungsschreiben des Geistlichen Vaters der Belye Berega Pustyn’, Vater Antolij, verschaffte mir die Möglichkeit, anläßlich dieses Besuches die patriarchale Sakristei zu besichtigen. Ab1816 begann mein jüngerer Bruder Aleksandr (im Mönchstand Igumen Antonij) mit uns zu leben; in eben diesem Jahr unternahmen wir zusammen mit ihm eine Pilgerfahrt nach Kiew. Dabei begleitete uns ein weiterer Pilger, Vater Pavel, der sich sehr gut in den russischen heiligen Stätten auskannte. Wir kamen am 4. September in Kiew an, und am 7. traf dort der Zar Aleksandr Pavlovi¡c ein. Er geruhte, der späten Liturgie im Höhlenkloster beizuwohnen; niemand von den Pilgern wurde zu dem Gottesdienst zugelassen, nur uns gestattete man dank der Protektion unseres allen wohl bekannten Reiseführers der Liturgie beizuwohnen. Der Zar selber gesellte sich zu den Sängern und nahm an der Göttlichen Handlung mit solch innigem Gefühl teil, daß er zu Tränen gerührt war. Dem Zeremonial gemäß wurde der Zar vom Metropoliten Serafim empfangen; der Herrscher nahm huldvoll die ihm dargebotenen Ikonen an. Als wir uns zum Metropoliten begaben, um seinen Segen für die Rückreise zu erbitten, bat uns dieser, noch einen Tag zu bleiben, denn er wollte am nächsten Tag selber die Liturgie im Höhlenkloster zelebrieren; als Zeichen seiner Huld schenkte er uns eines der großen, eigens für den Zar gebackenen geweihten Brote und sagte: “Dies gereiche euch zum Segen: verteilt davon an alle Einsiedler!” Wir wurden auch vom Statthalter der Lavra, dem Priestermönch Antonij und späteren Erzbischof von Vorone¡z, sehr freundlich aufgenommen. Schließlich kehrten wir über die Sofronieva Pustyn’ zurück, wo einige uns bekannte Starzen lebten: der Vorsteher, Igumen Varlaam, der Schatzmeister German, der Beichtvater Simeon; alle waren sie ehemalige Schüler des Archimandriten Feodosij, der wiederum ein Schüler des weisen Starez Vasilij Poljanomerulskij war. Zu den Schülern des letzteren zählte auch der bekannte Paisij Veli¡ckovskij , den er selber zum Mönch geschoren hatte.
Als wir Kiew verließen, schloß sich uns der Priestermönch Isaakij an, auf dessen Vorschlag wir unterwegs das Maksakovskij Kloster der Einheitsgläubigen aufsuchten, wo er einige Zeit bleiben wollte. (Dieser Starez zog 1836 in das Optina Kloster, wo er bis zu seinem Tod 1849 lebte; er ist bekannt wegen seiner Arbeiten über die Altgläubigen). Weiterhin besuchten wir die Glinskaja Pustyn’ (Gouvernement Kursk), wo damals Vater Vasilij Ki¡skin, der ehemalige Superior von “Belye Berega” lebte; er nahm uns liebevoll auf und bot uns an, für immer bei ihm zu bleiben. Wir fuhren jedoch zur Plo¡s¡canskaja Pustyn’ weiter, wo wir zum ersten mal Vater Makarij sahen, der damals noch Hierodiakon war. Bei unserer Durchreise durch Orel trafen wir den berühmten Starez, Igumen Filaret, den Vorsteher der Glinskaja Pustyn’ (ein Schüler des oben genannten Archimandriten Feodosij); schließlich kehrten wir über “Belye Berega” und das Kloster von Svensk in unsere Waldeinsamkeit zurück.
1819 fuhr ich zusammen mit meinem Bruder in die Optina Pustyn’. Bei dieser Gelegenheit schlossen wir Bekanntschaft mit den dortigen Starzen: Priesterschemamönch Ieremija (dem geistlichen Vater des Klosters), Vater Feofan und dessen Schüler Varlaam (als Schemamönch Vassian).
Übrigens war Vater Feofan schon einmal früher bei uns in der Einsiedelei zu Gast gewesen; jetzt sagte er uns, er hätte die Absicht, die ganze große Fastenzeit bei uns zu verbringen. Wir hießen ihn herzlich willkommen. Vater Feofan, der gebürtig aus Vladimir war, diente bis zu seiner Mönchsweihe im Schwarzmeer-Kosaken-Heer; damals trug er den Namen “Kosak Feodor Talunin”. Er lebte zuerst in der Sofronieva Pustyn’, und später begab er sich in die Moldau zu Starez Paisij; schließlich kehrte er nach Rußland zurück, wo er 1800 in die Bruderschaft des Optina Klosters eintrat.
Vom Geist äußerster Entsagung und Sanftmut beseelt, widmete er sich mit brennendem Eifer den Tugenden des Fastens, Gebetes und der Metanien. Während der ersten und letzten Woche der Großen Fastenzeit aß er überhaupt nichts, und in den übrigen Fastenzeiten nahm er nur jeden dritten Tag Speise zu sich. Indem er sich so nach und nach trainierte, entschloß er sich schließlich in seinem Übereifer für das Fasten, eine extreme, über die natürlichen Kräfte gehende Askese zu leisten.
Er kam noch vor Beginn der Großen Fasten im Jahre 1819 zu uns in die Einsiedelei und erklärte mir, daß er die Absicht hege, die ganzen 40 Tage ohne Speise zu verbringen: “Ich glaube fest - so sprach er - daß ich nicht am Fasten sterben werde”. “Dir geschehe nach deinem Glauben”, antwortete ich, denn ich wagte weder ihn von seinem Vorhaben abzubringen, noch ihn darin zu bestärken. Feofan ließ sich bei uns im Vorraum nieder; er trug ein auf Leinwand gemaltes Bild des Gekreuzigten Herrn mit sich, vor dem er seine Gebetsregel vollzog. So auferlegte er sich also die außergewöhnliche asketische Leistung, weder zu essen noch sich zum Schlafen niederzulegen. Außer der üblichen alltäglichen Gottesdienstordnung absolvierte er noch eine ganz besonders anspruchsvolle Zellenregel, die bis zu 800 Verbeugungen umfaßte. Wenn er sie ausführte, trug er, um nicht vor Erschöpfung umzufallen, besondere Überziehärmel, die mit Schnüren an den Haken, an denen die Ikone an der Wand hing, befestigt waren; so vermochte er ganze Nächte im Gebet stehend zu verbringen. Außerdem half er uns beim Heizen des Ofens und beim Singen, wobei er stets guter Dinge war. Die ganze Fastenzeit über aß er nichts, und nur einmal in der Woche nahm er ein wenig mit Essig vermischtes Wasser zu sich wegen der Trockenheit im Mund. Als ich ihn einmal völlig erschöpft vor mir sah, sprach ich zu ihm: “Vater, du bist ja völlig ausgezehrt”. Feofan antwortete darauf: “Nein, Christus, unser Retter, hat all sein Blut bis zum letzten Tropfen vergossen, und ich habe noch viel Blut in mir”. Nachdem er mit Gottes Hilfe unverdrossen durchgehalten hatte, empfing er schließlich die Hl. Mysterien Christi. Er träumte bereits schon wieder von einem weiteren derartigen Unternehmen, erkrankte jedoch an einer schweren Bronchitis; seine Kräfte nahmen immer mehr ab, und im selben Jahr, am 15. Juli 1819 entschlief er im Herrn. Wenige Minuten vor seinem Ende fragte ich ihn: “Ist deine Seele in Frieden, fürchtet sie nichts in dieser Stunde des Todes?” Er antwortete: “Mit großer Freude löse ich mich von diesem irdischen Leben”. Das war bereits das Ende: er hob die Hand zum Kreuzeszeichen und übergab seinen Geist in die Hände Gottes. Begraben wurde er in der Einsiedelei.
Ende 1820 mußte ich unbedingt nach Moskau reisen. Ich gedachte, auf dem Rückweg einen Abstecher zur Optina Pustyn’ zu machen und bei der Durchfahrt durch Kaluga wollte ich den Segen des hochgeweihten Filaret empfangen, der ob seines großen Wohlwollens für den Mönchsstand bekannt war. Mit väterlicher Güte empfing mich der Hierarch und riet mir, mit meiner Bruderschaft in seine Eparchie überzusiedeln, wo ich an einem beliebigen Ort der zum Optina Kloster gehörenden Wälder einen Skit bauen und einrichten könne.
Zu jener Zeit wurde unsere friedliche Einsamkeit mit Gottes Zulassung durch die Anmaßungen der umliegenden Gutsherren beeinträchtigt, und wir waren gezwungen, die Einsiedelei aus denselben Gründen zu verlassen, die bereits Starez Adrian und seine Schüler zum Verlassen veranlaßt hatten.
Wegen dieser Umstände und andererseits wegen der persönlichen Gunst, die der Bischof ihm gegenüber zeigte und des Wohlwollens des Klostervorstehers, Igumen Daniil, entschloß sich Vater Moisej nach Beratschlagung mit den Älteren und den Brüdern die Waldeseinsiedelei, in der er über 10 Jahre verbracht hatte, zu verlassen. Im Juni 1821 ließ er sich zusammen mit seinem Bruder Antonij und zwei ihm ergebenen Mönchen, Ilarij und Savvatij in der Optina Pustyn’ nieder, wo er noch im selben Jahr das Skit im Namen des Hl. Johannes des Vorläufers gründete (Vater Moisej starb am 16. Juni 1862).
Trotz all dieser offensichtlich so günstigen Voraussetzungen konnten sich die Einsiedler-Starzen Hieroschemamonachos Afanasij und Vater Dosifej nicht sofort entschließen, ihren Ort der Schweigsamkeit zu verlassen und gedachten später nach der Fertigstellung des Skits, eine Entscheidung zu treffen.
Vater Dosifej begab sich tatsächlich im Oktober 1827 ins Optina Kloster und ließ sich dort im Skit nieder, wo er bald danach am 22. Dezember 1828, im reifen Alter von 75 Jahren verstarb. Zu gleicher Zeit siedelte Priesterschemamönch Afanasij ins Svensk Kloster über, wo er unter der liebevollen Fürsorge des Klostervorstehers, Archimandrit Smaragd, in Frieden die restlichen Tage seines Lebens verbrachte. Bis zum Tode bewahrte er in wahrem Gehorsam die geistliche Nüchternheit. Er starb am 31. Dezember 1844. Arsenij, der ältere, beendete seine Tage auf dem Landgut des Fürsten A.P. Me¡serskij im Jahre 1822, während Arsenij, der jüngere, in “Belye Berega” wohnte, wo er 1844 im Herrn entschlief. Vater Ilarion blieb bis zu seinem Tode in der Einsiedelei.
Vater Dorofej blieb noch einige Zeit als Hüter an jenem ehrwürdigen Ort, der durch das strenge Leben so vieler Einsiedler geweiht worden war, aber bald siedelte auch er in die Wälder von Mosalskije über (die Privatwälder der Familie Suchodolskij), in die Nachbarschaft von Vater Avraamij; letzterer beendete sein hartes Einsiedlerdasein und damit auch seinen Lebenskampf im Jahre 1861 (dem vergangenen), wogegen der 80-jährige Vater Dorofej (wie zu vernehmen ist) noch am Leben ist; da er jedoch das Augenlicht verloren hat und auf Hilfe angewiesen ist, lebt er bereits nicht mehr allein wie früher, sondern der Besitzer der Ländereien, wo er sich in der letzten Zeit aufgehalten hatte, gewährte ihm Obdach. So ging also das Einsiedlerleben in den Wäldern von Brjansk und Roslavl zu Ende, nachdem es etwa 1740 seinen Anfang genommen hatte und trotz aller Mühen und Beschwernisse über 100 Jahre angedauert hatte. Eigentlich aber kann man seinen Abschluß für das Jahr 1820 ansetzen, als die letzten Einsiedler von Roslavl in das Skit des Optina Klosters, das sie ja selber erbaut hatten, übersiedelten. Die Namen der Eremiten des Brjansker und Roslavler Umkreises - der Priestermönche Ioasaf und Adrian, des ermordeten Mönches Varnava, des Mönches Vasilisk, des Schemamönches Zosima, des seligen Nikita, des Schemamönches Dosifej, des Priesterschemamönches Afanasij, der beiden Arsenijs, von Dorofej, Ilarion und anderer - werden niemals im Angedenken der Menschen sterben, die von dem Vorbild des entsagungsreichen Lebens dieser Mönche inspiriert werden und davon träumen, es ihnen gleichzutun.
Der zukünftige Chronist des russischen Mönchstums wird mit Liebe und Hochachtung die Seiten seines Werkes mit diesen Namen schmücken, für das übrigens schon lange die Zeit reif ist. Auch hinsichtlich dieses Themas heißt es, wie überall: “Die Ernte ist groß, aber der Schnitter sind wenige”.