Predigt zum 31. Herrentag nach Pfingsten / Gedenktag der hll. Vorväter (Kol. 3: 4 - 11; Lk. 14: 16-24) (30.12.2018)

Liebe Brüder und Schwestern,

die heutige Apostellesung schärft unseren eschatalogischen Blick auf das Wesentliche und Heilsrelevante, stellt aber zugleich eine Anleitung für die noch andauernde Vorbereitungszeit zur Ankunft Gottes in der Welt dar: "Wenn Christus, unser Leben, offenbar wird, dann werdet auch ihr mit Ihm offenbar werden in Herrlichkeit. Darum tötet, was irdisch an euch ist: die Unzucht, die Schamlosigkeit, die Leidenschaft, die bösen Begierden und die Habsucht, die ein Götzendienst ist. All das zieht den Zorn Gottes auf sich. Früher seid auch ihr darin gefangen gewesen und habt euer Leben davon beherrschen lassen. Jetzt aber sollt ihr das alles ablegen: Zorn, Wut und Bosheit; auch Lästerungen und Zoten sollen nicht mehr über eure Lippen kommen. Belügt einander nicht; denn ihr habt den alten Menschen mit seinen Taten abgelegt und seid zu einem neuen Menschen geworden, der nach dem Bild seines Schöpfers erneuert wurde, um Ihn zu erkennen. Wo das geschieht, gibt es nicht mehr Griechen oder Juden, Beschnittene oder Unbeschnittene, Fremde, Skythen, Sklaven oder Freie, sondern Christus ist alles und in allen" (Kol. 3: 4-11).

Diese Worte stehen sehr wohl in einem gedanklichen Zusammenhang mit dem Gedenktag der hll. Vorväter, den die Heilige Kirche am vorletzten Herrentag vor dem Geburtsfest Christi begeht. Sie, die ungezählten heiligen Männer, Frauen und Kinder des Alten Bundes waren Wegbereiter des verheißenen Messias, denn sie töteten noch vor der leiblichen Offenbarung Gottes auf Erden das, was irdisch an ihnen war, damit die Menschheit zum Zeitpunkt der Erscheinung Christi und in den Jahrhunderten danach mit Ihm, unserem Leben, verherrlicht werden konnte. Diese Herrlichkeit wird im heutigen Gleichnis vom Festmahl angedeutet (s. Lk. 14:17), zu dem Gott Seine Berufenen durch die Heiligen des Alten Bundes einlädt. Letztere haben Gottes „Auftrag ausgeführt“ (s. Lk. 14:22). Durch Seine Propheten beruft  Christus alle, aber Er nötigt keinen! „In Ihm ist das Leben, und das Leben ist das Licht der Menschen“ (Joh. 1:4). Folglich gibt es kein Leben und kein Licht ohne Ihn, nur Tod und Finsternis (s. Lk. 13:28). Es ist müßig darüber zu streiten, ob Gott auch einen anderen Weg hätte finden können. Die Alternative wäre gewesen, die Menschen gewaltsam zur Seligkeit zu bekehren. Irgendwie scheint das auch beim Bemühen, Gottes Haus voll zu bekommen (s. Lk. 14:23) als ultima ratio angedeutet worden sein, aber wohl nur, um zu zeigen, dass Gott wirklich alles „versucht“, damit die Menschen den Weg zu Ihm finden. Aber hätten die Diener des Herrn nach der Absage Israels die Heidenvölker - die „Armen und die Krüppel, die Blinden und die Lahmen“ (14:21), mit Waffengewalt in das Haus ihres Herrn eskortiert, - auch daran hätten die, welche nicht wahrhaben wollen, dass der „liebe Gott Sünder für ihren Unglauben mit Höllenqualen bestraft“, etwas auszusetzen gehabt: „Warum zwingt uns Gott zu unserem Glück und respektiert unsere Freiheit nicht?“...

Wer genau hingesehen hat, - sowohl bei der Epistel-, als auch bei der Evangeliumslesung, - der muss erkannt haben, dass Gott nicht zwischen „Guten“ und „Bösen“ unterscheidet, denn per Definition sind wir alle „böse“ vor Gottes Angesicht (s. Mt. 7:11; Röm. 7:19). Worauf es Gott aber ankommt, ist die Ausrichtung der Seele. Alle Berufenen zum Mahl des Herrn haften mit Herz und Verstand an irdischen Dingen (Broterwerb, Sinnlichkeit, Familie – s. Lk. 14:18-20), haben also nicht „den alten Menschen mit all seinen Taten abgelegt und (sind nicht) zu einem neuen Menschen geworden, der nach dem Bild seines Schöpfers erneuert wurde, um Ihn zu erkennen“ (Kol. 3:9-10). Menschliche Schwächen, sogar schwere Verfehlungen und Verirrungen wird Gott in Seiner unendlichen Güte verzeihen, aber wenn uns Gottes Liebe und Gemeinschaft – wie im Gleichnis vom Festmahl illustriert –  weniger bedeuten als irdische Dinge, was dann?.. Nicht Er wird uns aus gekränkter Eitelkeit verdammen – Seine Liebe währt ewig (s. 1 Kor. 13:8), - sondern wir selbst werden erkennen, dass unser selbstgewählter Weg in die Sackgasse führte, obgleich es von Beginn des Weges an bis zur finalen Katastrophe nicht an Warnsignalen gefehlt hat...

In irdischen Belangen hängt das Auserwähltsein nicht so sehr vom potenziellen, zur Auswahl stehenden Kandidaten ab, sondern eher von äußeren Umständen (Schicksal, Herkunft, soziale Faktoren). Hochwohlgeborene, Angehörige einer bestimmten sozialen Schicht bzw. einer ethnischen oder religiösen Gruppe, besonders Begabte, Zielstrebige und Durchsetzungsfähige oder einfach „vom Schicksal Auserkorene“ können im irdischen Sinne als „auserwählt“ bezeichnet werden. Wäre dieses Auserwähltsein wirklich das oberste anzustrebende Glück, wäre Gott in der Tat ungerecht (wäre aber selbst dann uns gegenüber nicht rechenschaftspflichtig). „Warum lässt Gott es zu, dass es Reiche und Arme, Gesunde und Kranke, Glückspilze und Pechvögel gibt?“ - argumentieren die Leute, die nur Irdisches im Sinn haben. Wenn diese Weltverbesserer jedoch das Evangelium lesen würden, müssten sie erkennen, dass im Hinblick auf das Seelenheil z.B. der sterbenskranke Bettler Lazarus das viel bessere Los gezogen hatte als der vor Gesundheit strotzende Reiche (s. Lk. 16:19-31) und dass es bei Gott „keine Juden und Griechen, Beschnittenen oder Unbeschnittenen, Skythen, Fremde, Sklaven oder Freie“(Kol. 3:11a) gibt, sondern nur von Gott geliebte „auserwählte Heilige“ (Kol. 3:12). Demnach unterscheidet sich Gottes „Erbarmen und Wahrheit“ (Ps. 83:12) dadurch von jeglicher irdischer Gerechtigkeit, dass alle auserwählt sein können. Es hängt folglich von jedem von uns ab, ob er zum erlauchten Kreis der Freunde des Herrn (s. Lk. 12:4), für die „Christus in allen und alles“ ist (Kol. 3:11b), schon im Hier und Jetzt hinzugezählt werden will. Spätere Reklamationen sind ausgeschlossen. Amen.

Jahr:
2018
Orignalsprache:
Deutsch