Predigt zum 16. Herrentag nach Pfingsten (2 Kor. 6:1-10; Mt. 25:14-30) (16.09.2018)

Liebe Brüder und Schwestern,

 

das Gleichnis vom anvertrauten Geld, - wer kennt es nicht? - erinnert auf eindrigliche Weise daran, dass Gott etwas von uns zurückfordern wird, so dass wir später vor Ihm nicht sagen können, wir hätten es nicht gewusst. Wir alle kennen ja dieses Gerede der nicht praktizierenden Christen, die meinen, es sei schon ausreichend, an Gott zu glauben, um schon als guter Christ zu gelten. Und das beste allsonntägliche "Alibi" (wörtl.: anderswo sein) liefern ihnen dann leider wir praktizierende Christen: "Ach, ich kenne so viele, die jeden Sonntag in die Kirche rennen und dort eifrig Kerzen aufstellen und Verbeugungen machen, dann aber im Alltag alle möglichen Gemeinheiten begehen".

Ehrlich gesagt, ich kenne nicht viele fromme Kirchgänger, die so handeln, aber ein paar vereinzelte von dieser Sorte gibt es sicher. Ganz gewiss jedoch haben wir alle unsere Schwächen. Zudem kenne ich wirklich gute und aufrichtige Menschen, die, anders als ich, nicht im christlichen Glauben erzogen worden sind und tatsächlich ihren Weg zu Gott in ihren Herzen und durch ihren Intellekt gefunden haben. Sie nehmen nicht an den Gottesdiensten teil, kommen aber ab und zu in die Kirche und stellen Kerzen auf, beten still vor den Ikonen. Ich mag solche Menschen, sie sind mir, so wie sie sind, sympathisch. Ich respektiere und akzeptiere ihren persönlichen Weg zu Gott. Soviel zur Klarstellung. Was mir an ihnen gefällt, ist ihre Offenheit. Sie "entschuldigen" sich quasi dafür, dass sie wegen ihrer individuellen Prägung keinen Zugang zum liturgischen Gemeindeleben gefunden haben, respektieren und bejahen aber grundsätzlich das kirchliche Leben, stellen die Notwendigkeit der kirchlichen Ordnung keineswegs in Frage. Das macht sie in meinen Augen zu besseren Christen als die bereits angesprochenen Kategorie von Gottesdienstbesuchern, welche sich zwar die äußeren Umgangsformen schnell abgeschaut haben, es jedoch versäumt  haben, den inneren Menschen zu verändern. So gesehen sind mir aufrichtig Daheimgebliebene lieber als oberflächlich Anwesende. Und ich denke schon, dass beide auf ihre Weise das von Gott gegebene Talent im Sinne des heutigen Gleichnisses mit Zinsen zurückzahlen können. Noch Suchende können wie die Weisen aus dem Morgenland auf großen Umwegen zu Christus kommen (s. Mt. 5:6) und nur äußerlich Angepasste können durch einen spirituellen Reife- und Lernprozess das Innenleben dem externen Tun kontinuierlich anpassen (s. Gal. 6:8). Die Gnade Gottes kann jedenfalls bei diesen wie bei jenen wirken.

Nur eines ist für mich befremdlich: die Psychologie, die hinter der Haltung steht, der liebe Gott wird uns sowieso alles verzeihen, so dass wir völlig unbesorgt dem Ende entgegensehen können. Als sei der Herr wie ein mental überforderter Erzieher, den sogar  alle Kinder belächeln, weil er ihnen immer alles durchgehen lässt! Fest steht: Gott respektiert den freien Willen des Menschen. Diese Freiheit lässt dem Menschen alle Optionen offen: ein Schüler kann fleißig oder faul sein; ein Sportler kann sich auf den Wettkampf durch Training vorbereiten oder seine Zeit in der Kneipe verbringen; ein Azubi kann seine Lehre als Ausgangspunkt für eine erfolgreiche berufliche Laufbahn betrachten oder die Lehre abbrechen - ganz wie er will. Nur wird keiner ernsthaft auf den Gedanken kommen, er sei dann nicht selbst verantwortlich für die Konsequenzen seines Handelns. Soll ich denn einem unvorbereiteten Studenten "aus Freundlichkeit" die Bestnote geben, dem trainingsfaulen Sportler die Goldmedaille um den Hals hängen und den Abbrecher die Karriereleiter nach oben purzeln lassen?! Aus welchem Grunde sollte ich das tun?! Das wäre doch schon total ungerecht gegenüber den fleißigen, erfolgsorientierten und zielstrebigen Menschen - da kann auch mein größtes Wohlwollen nichts mehr ausrichten (vgl. Joh. 5:30). Jeder hat aber seine Chance gehabt und hätte vorher an die Folgen denken müssen. Für manch einen ist es aber bequemer, Gottes verzeihende Milde auf die Parodie zu einem rückgratlosen "netten Onkel" reduzieren zu wollen. Dass man sich da nur nicht täuscht: "Lasst uns nicht unseren Zusammenkünften fernbleiben, wie es einigen zur Gewohnheit geworden ist, sondern ermuntert einander, und das umso mehr, als ihr seht, dass der Tag naht. Denn wenn wir vorsätzlich sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, gibt es für diese Sünden kein Opfer mehr, sondern nur die Erwartung des furchtbaren Gerichts und ein wütendes Feuer, das die Gegner verzehren wird (...) Wir kennen doch Den, Der gesagt hat: ´Mein ist die Rache, Ich werde vergelten`, und ferner: ´Der Herr wird Sein Volk richten`. Es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen" (Hebr. 10:26-27; 30-31). Wem da noch in den Kopf kommt, Gott hätte auf Seine Autorität und Seine richterlichen Befugnisse verzichtet, dem ist nicht mehr zu helfen. Vielleicht war es ja der größte Sieg, den der Teufel jemals errungen hat, als er die Menschen dazu brachte, zu glauben, sie seien schon gerettet, so dass jetzt nur die sonntags in die Kirche gehen brauchen, die am arbeitsfreien Tag nicht wissen, was sie mit ihrer freien Zeit anfangen sollen.

Wir sind jedoch alle (wirklich alle, alle, alle) berufen, das Evangelium vom Reich Gottes zu verkündigen - durch Wort und Tat. Durch das Wort, wenn z.B. wieder einmal der Standardsatz kommt: "Ich habe Gott im Herzen, wozu brauche ich da die Kirche?" und sei es auch nur durch die Gegenfrage: "Wo findest du dafür einen Anhaltspunkt in der Heiligen Schrift?"; durch die Tat, indem wir Christus in uns leben lassen (s. Gal. 2:20). Er sagt ja: "So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen" (Mt. 5:16). Das Gleichnis vom anvertrauten Geld lässt nun mal keinen anderen Schluss zu als den, dass derjenige, der sein Talent in der Erde vergräbt, nicht auch noch dafür belohnt werden wird. Amen.

Jahr:
2018
Orignalsprache:
Deutsch