Predigt zum 8. Herrentag nach Pfingsten (1. Kor. 1:10-18; Mt. 14:14-22) (22.07.2018)

Liebe Brüder und Schwestern,

 

in der heutigen Apostellesung ermahnt der Apostel die Gemeinde in Korinth zur Eintracht: "Seid alle einmütig und duldet keine Spaltungen unter euch; seid ganz eines Sinnes und einer Meinung. Es wurde mir nämlich, meine Brüder, von den Leuten der Chloe berichtet, dass es Zank und Streit unter euch gibt." (1 Kor. 1:10-11). Aber steht das nicht im Widerspruch zu dem, was der Apostel an anderer Stelle desselben Briefes schreibt: "Denn es muss Parteiungen geben unter euch; nur so wird sichtbar, wer unter euch treu und zuverlässig ist" (1 Kor. 11:19)? - Spaltungen (gr. schismata) und Parteiungen (gr. haereseis) geziemen sich eigentlich beide nicht für die Kirche Christi. Doch der Apostel ist sich auch darüber im Klaren, dass eine Gemeinde in ihrem Erscheinungsbild oftmals die Realität dieser Welt abbildet ("Zank und Streit"), nicht den Leib Christi. Deshalb kann er Differenzen, die es nunmal hin und wieder in der Kirche gibt, etwas Gutes abgewinnen: dass nämlich die Treuen und Zuverlässigen zum Vorschein kommen. Die Kirchengeschichte kennt viele solcher Fälle - nicht nur im Großen, sondern auch im Kleinen. Wenn danach wieder Einmütigkeit herrscht und ein dahingehender kirchlicher Regelbeschluss erfolgt ist, sind solche Auseinandersetzungen durchaus zielführend im Hinblick auf die apologetische Robustheit der Kirche als Ganzes und ihrer Mitglieder im Einzelnen. Meinungsverschiedenheiten sind zudem Ausdruck der Vielfalt in der Kirche. Ohne den Konsens am Ende aber sind alle ausgefochtenen Zwistigkeiten schädlich, da sie die Einheit der Gläubigen gefährden. Umgekehrt können jedoch auch voreilig und leichtfertig erzielte Übereinkünfte, die nicht auf dem Geist der Kirche basieren, Gottes Willen zuwiderlaufen, denn in der Konsequenz bergen sie in sich wieder die Gefahr neuer Konflikte.

Wie dem auch sei, selbst die erbittertsten Entzweiungen innerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen führen aber niemals zur Spaltung der Kirche, denn der Leib Christi kann nicht zergliedert werden. Die Menschen können sich höchstens selbst von der Gemeinschaft Christi abtrennen (s. Joh. 15:1-9). Es tut daher für jeden einzelnen Not, sein kircheninternes Verhalten auf den Prüfstand zu stellen: "Ich meine damit, dass jeder von euch etwas anderes sagt: ´Ich halte zu Paulus - ich zu Apollos - ich zu Kephas - ich zu Christus`. Ist denn Christus zerteilt? Wurde etwa Paulus für euch gekreuzigt? Oder seid ihr auf den Namen des Paulus getauft worden?" (1 Kor. 1:12-13). - Wenn nicht im Geiste Christi vorgegangen wird, tut der "menschliche Faktor" ein Übriges - Eigensinn und Geltungssucht, Seilschaften und Klüngeleien, Selbstbereicherung und Vorteilsnahme, persönliche Interessen und politische Instrumentalisierung sind nur einige alternative Modelle, die der Widersacher dann bereitwillig in schier unerschöpflicher Variationsvielfalt anbietet. Und so entsteht ein pseudo-christlicher Lebensentwurf nach dem anderen, schießen in der Folge immer neue skurrile Denominationen und Sekten ins Kraut. Es darf aber nicht um eitle menschliche Belange gehen: "Ich danke Gott, dass ich niemand von euch getauft habe, außer Krispus und Gaius, so dass keiner sagen kann, ihr seiet auf meinen Namen getauft worden. Ich habe allerdings auch die Familie des Stephanus getauft. Ob ich sonst noch jemand getauft habe, weiß ich nicht mehr. Denn Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu verkünden, aber nicht mit gewandten und klugen Worten, damit das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht wird. Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verlorengehen, Torheit; uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft" (1:14-18). - Auf gar keinen Fall will der Apostel die Taufe herabwürdigen, nur ist seine vorrangige Berufung das Verkündigen der Frohen Botschaft (vgl. 1 Kor. 9:16). Begabungen, angeeignetes Wissen und erlernte Fertigkeiten sollen durchaus bei der Verkündigung von Gottes Wort eingebracht werden, allerdings darf das individuelle Charisma nicht die Mission als solche überlagern, denn "der Sklave ist nicht größer als sein Herr, und der Abgesandte ist nicht größer als der, der ihn gesandt hat" (Joh. 13:16). Treue und Gehorsam im absoluten Sinne gebühren einzig und allein Christus! Verkündiger des Evangeliums und Vollzieher der Mysterien dürfen die Loyalität der Getauften nur erwarten, wenn sie selbst unbeirrt dem Beispiel ihres Herrn folgen (s. Joh. 5:30). Wortklauberei vermag nur den Hochmut zu befördern; sie ist aber nicht imstande, die Herzen der Menschen anzusprechen und diese gegebenenfalls zu einer Umkehr zu bewegen. Würde sich der Apostel nämlich auf seine Gelehrtheit und Wortgewandtheit berufen, könnte Gottes Kraft in seiner Verkündigung nicht wirksam werden (s. 1 Kor. 2:1-5). So aber wird ihm die Gnade Gottes zuteil, die ihre Kraft nunmal in der Schwachheit erweist (s. 2 Kor. 12:9-10).

Auch wir bemühen uns beizeiten, etwas zu Gottes Ehre zu schaffen, investieren manches Mal viel Zeit und Energie, um, wie es scheint, dem Herrn zu dienen. Entweder aber fehlen uns letztlich dazu die Kraft und die Mittel oder es scheinen sich alle äußeren Faktoren und Umstände gegen uns verschworen zu haben, so dass wir entmutigt die Brocken hinschmeißen. Dabei ist doch schon allein die Tatsache der (realen) Zugehörigkeit zum Leib Christi das höchste Gut und das größte Glück auf Erden! Da kann ich getrost das schwächste Glied von allen sein und kann mich doch des Kreuzes Christi rühmen. Das Wort vom Kreuz, das all dem widerspricht, was in dieser Welt etwas zählt, ermöglicht, ausgehend vom "Geist Christi" (Röm. 8:9) in der Gemeinschaft der Gläubigen meine Errettung. "Die gerettet werden" umschreibt nämlich einen laufenden Prozess, keinesfalls einen  finalen Zustand. An diesem Ziel will ich jedoch weiter mit Freuden und aller Ernsthaftigkeit festhalten - mit Gottes Hilfe! Amen.  

Jahr:
2018
Orignalsprache:
Deutsch