Predigt zum Hochfest der Heiligen Dreiheit (Pfingsten) (Apg. 2: 1-11; Joh. 7: 37-52, 8: 12) (27.05.2018)

Liebe Brüder und Schwestern,

 

die Herabkunft des Heiligen Geistes, Den der Sohn vom Vater in die Welt gesandt hat, bedeutete gleichzeitig die Gründung der Kirche. In ihr vereinten sich der "Geist der Wahrheit" (s. Joh. 15:26) mit menschlicher Unzulänglichkeit, so wie sich zuvor in der Person Jesu Christi göttliche Allmacht und menschliche Schwachheit vereint hatten. Und so wirkt Gott heute durch fehlbare Menschen in der Welt, während zugleich Menschen durch Gottes Kraft gestärkt werden. Das Wirken des Heiligen Geistes bleibt für uns Menschen dabei unbegreiflich, unerklärlich, unfassbar - aber real und spürbar.

Es liegt (beinahe) in der Natur der Sache, dass wir Menschen vieles anders machen würden als Gott es gefügt hat, denn wir übersehen "wie überragend groß Seine Macht sich an uns, den Gläubigen erweist durch das Wirken Seiner Macht und Stärke" (Eph. 1:19). Menschen wollen oftmals Antworten auf das haben, was sie anhand ihres menschlichen Verstandes nicht begreifen können. Warum sind z.B. historische Figuren wie Konstantin der Große, Alexander Newskij oder Zar Nikolai II heiliggesprochen worden? - Der Mensch würde manches Mal eine andere Sichtweise entwickeln, doch "das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen" (1 Kor. 1:27). Konstantin ebnete dem Christentum den Weg zur Weltreligion, Alexander verteidigte den letzten verbliebenen Fleck der Russischen Erde vor dem Ansturm der Feinde aus dem Westen, Nikolai teilte mit seiner Familie das tragische Schicksal von Millionen Menschen. Es war also keine "Laune" der göttlichen Vorsehung, die zu ihrer Verherrlichung im Himmel und auf Erden führte. Auch der Perserkönig Kyrus wurde zum Beauftragten Gottes, als er die Juden aus der Babylonischen Gefangenschaft befreite (s. Jes. 48:12-16). Manche Dinge sind so wie sie sind, also muss man sie nehmen wie sie sind. Wir dürfen zwar durchaus versuchen, uns Gottes "Denken" auf menschenmögliche Weise anzueignen, nicht aber menschliche Maßstäbe für Gottes Handeln anzuwenden. Das ist nicht einmal menschenintern sinnvoll und statthaft. So darf man niemals historische Ereignisse anhand heute üblicher Denkmuster oder fremde Kulturen aus unserer Sichtweise beurteilen, da die Moralvorstellungen, gesellschaftlichen Zusammenhänge, kulturelle Wertigkeiten sowie das Wissen der Menschen früherer Zeiten mit den heutigen Standards nicht vergleichbar ist und andere Völker ihre eigenen zivilisatorischen Kriterien haben. Umso weniger dürfen wir Gott menschlichen Bewertungsrichtlinien unterziehen. Vor allem aber ist Gott Richter der Menschen, nicht umgekehrt: "Denn mein Unrecht erkenne ich, und meine Sünde ist immer vor mir. An Dir allein sündigte ich, und das Böse vor Dir tat ich, damit Du gerechtfertigst würdest in Deinen Worten und siegtest in Deinem Richten" (Ps. 50:5-6). Fragen wie: "Warum müssen Unschuldige leiden, während Bösewichte es sich gut gehen lassen?" oder "Warum lässt Gott so viel Leid geschehen?" oder "Wie kann Gott zulassen, dass herzensgute Andersgläubige oder Ungläubige in die Hölle kommen?" sind im Grunde genommen eine Beleidigung der Weisheit, Barmherzigkeit und Macht Gottes. Es scheint, als zweifelten wir daran, dass Gott "Seinen Job richtig machen" könne. Doch "zu wunderbar ist Dein Wissen für mich, zu mächtig ist es, ich vermag nichts vor ihm" (Ps. 138:6).

Wäre ich Chef einer großen Firma, und mir würde zugetragen werden, dass es in der Abt. 14 im Produktionssektor C-3 an einer bestimmten Stelle klemmt, würde ich den Leiter der Sektion Technik mit der Klärung der Angelegenheit beauftragen. "Müller, sie machen das schon. Ich verlasse mich auf sie". Ich werde wohl gar nicht mehr nachfragen, weil ich mir sicher bin, dass Herr Müller das hinkriegt. - Aber Gott wollen wir ständig über die Schulter schauen?!...

Uns interessiert ja nur, was aus dieser Welt wird. Doch für die bestehende Weltordnung gibt es gerade keine Bestandsgarantie. Nur bei Christus sind wir geborgen: "Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben" (Lk. 12:32). "Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt" (Mt. 28:20). Uns ist bewusst, dass wir ohne den "Geist der Wahrheit", Der uns "in die ganze Wahrheit" führt (Joh. 16:13) einsam und schutzlos wären. Aber so wirkt Gott in der Welt durch Seinen Sohn und Seinen Geist: "Durch das Wort des Herrn sind die Himmel befestigt und durch den Geist Seines Mundes all ihr Heer" (Ps. 32:6). Die Welt wird durch die trinitäre Ordnung erhalten: "Er wirft Sein Eis wie Brocken, vor Seiner Kälte, wer kann da bestehen? Er sendet Sein Wort aus und lässt sie schmelzen, Er haucht Seinen Geist, und es fließen die Wasser" (Ps. 147:6-7). Nicht nur, dass wir niemals von Gott verlassen sein werden, wir können Seiner Anwesenheit gar nicht entfliehen: "Wohin sollte ich gehen vor Deinem Geist, und vor Deinem Antlitz, wohin sollte ich fliehen? Stiege ich hinauf in den Himmel, so bist Du dort, stiege ich hinab in die Unterwelt, bist Du zugegen. Nähme ich meine Flügel am Morgen und ließe mich nieder am äußersten Meer, auch dort wird mich Deine Hand führen und Deine Rechte mich halten" (Ps. 138:7-10). Durch Christus kommen wir zum Vater (s. Joh. 14:4-6). "Lehre mich, Deinen Willen zu tun, denn Du bist mein Gott, Dein guter Geist wird mich führen in ebenes Land" (Ps. 142:10). Die Himmelfahrt Christi war somit  Ausgangspunkt für das Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche: "Und jetzt hat Gott, der Herr, Mich und Seinen Geist gesandt" (Jes. 48:16). Und freudig singen wir ab heute wieder: "Himmlischer König, Tröster, Geist der Wahrheit, Allgegenwärtiger und alles Erfüllender, Schatz der Güter, Spender des Lebens, komme und wohne in uns, reinige uns von aller Befleckung und erlöse, Guter, unserer Seelen!" Amen.

Jahr:
2018
Orignalsprache:
Deutsch